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Folge 121 - waldegg.spoe.at

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Nr.: 3/2011 www.Waldegg-Aktuell.<strong>at</strong>Seite 9Waldegger ChronikEine Serie von OSR Josef Mliner<strong>121</strong>. <strong>Folge</strong>Fortsetzung von Waldegg Aktuell 2/2011Niederösterreich brennt!Kara Mustafa scheint an der Eroberung Wiens nie gezweifeltzu haben. Aber der Zeremonienmeister der Hohen Pfortewar da in seinen Aufzeichnungen des damaligen Geschehensanderer Meinung und führt dort die Gründe an, warumes am Ende für die Osmanen doch zu dieser k<strong>at</strong>astrophalenNiederlage vor Wien kommen konnte. Mustafas Str<strong>at</strong>egiehabe jede erfolgreiche Taktik gefehlt.Der Zeremonienmeister schreibt: (5)„Weil man die bisherigen Kriegserfolge aus Selbstgefälligkeitden eigenen Kräften und nicht Allahs Gunst und Gnadezuschrieb, ließ Kara Mustafa die Belagerungsgräben vorWien auch während des Kampfes mit der Befreiungsarmeebesetzt. Er meinte, er würde im Feldkampf dem Feind auchso die Hölle heiß machen. Aber es kam dann ganz anders.“Es kam zu dieser für Sultan Mehmed so unfassbaren Blamagefür das osmanische Heer, nach der er Kara Mustafaan deren Spitze nicht mehr dulden konnte. Nach altem Gewohnheitsrechtschickten die Sultane den in Ungnade gefallenenPersonen die „Seidene Schnur“, das sichere Zeichenfür deren Tod.Die „Seidene Schnur“ wurde auch Kara Mustafa überbrachtund er musste die Zeichen seiner bisherigen Würde – dieHeilige Fahne, die Reichsinsignien und die Schlüssel derKaba – zurückgeben. (Die Kaba, auch Kaaba geschrieben,war das Hauptheiligtum der Mohammedaner, die Anbetungsstättedes wahren Gottes in Mekka. (Anm. Mliner)Das bedeutete für diesen neben seinem Tod auch die Enthebungaus allen Ämtern und Würden.Kara Mustafa soll sogar selbst seinen Bart gehoben haben,als man ihm die Schlinge um den Hals legte. Makaber, abernicht erfunden! Nach seinem Tod stopfte man seine Gesichtshautaus und schickte diesen „Schädel“ dem Sultan.Sein Kopfskelett war bis 1975 im Historischen Museum derStadt Wien deponiert und wurde 2006 endlich beigesetzt.Beim Zeremonienmeister heißt es weiter: (5)„Als die Giauren (Ungläubigen, mohammedanischesSchimpfwort) mit 200.000 Mann angerückt kamen (nachösterr. Angaben waren es nur 60.000! Anm. Mliner), warendie Streiter des Islams von dem schon 60 Tage dauerndenBelagerungskampf ermüdet. Als dazu noch am Tage desEntscheidungskampfes die zahlreichen im Lager anwesendenHändler in Angst um ihre Ware und Beute ihre Fluchtvorbereiteten, drang die Kunde auch zu den Kampfeinheiten.So strebten auch die danach, ihr Hab und Gut in Sicherheitzu bringen. In dem entstehenden Wirrwarr konntendie Giauren an diesen Stellen durchbrechen. Nach sechsstündigemKampf drangen sie bis zur Zeltburg des Großwesirsvor, was in weiterer <strong>Folge</strong> zur vernichtenden Niederlageführte.“Auf eine sehr interessante Quelle über das damalige Geschehenin unserem Tale h<strong>at</strong> mich Herr Ing. Hans GeorgMössner aufmerksam gemacht. Ein Vorfahre von HerrnHelmut Schöbitz, namens Ferdinand Grill, war 1683 vom„Erbfeind“ abgefangen und verschleppt worden. Er war inPiesting ansässig und damals 33 Jahre alt. Seine EhefrauUrsula (geb. Meitz) und seine vier Kinder überlebten diesefurchtbare Zeit.Im Zuge seiner Beschäftigung mit Familienforschung erschienvon H. Schöbitz 1983 in der Zeitschrift „UNSEREHEIMAT“ der Beitrag „Kirchenm<strong>at</strong>riken als Quelle zurTürkeninvasion 1683“. (4)Seine system<strong>at</strong>ische Auswertung der Kirchenbucheintragungender Pfarren Dreistetten und Gutenstein liefert eingutes Bild des damaligen Geschehens in unserer Gegend.(4)Dreistetten war damals Filialkirche von Piesting und führteeigene Kirchenbücher. Die Pfarre Waldegg, vor dem T<strong>at</strong>areneinfallnoch Filiale von Waidmannsfeld (3), wurde abHerbst 1683 vom Piestinger Pfarrer J.Ch. Moschner betreut.Daraus ist zu schließen, dass der noch 1682 genannte WaidmannsfelderPfarrer J.D. Schürle entweder den T<strong>at</strong>aren oderder folgenden Seuchenwelle zum Opfer gefallen war. (4)Die Burg Starhemberg gewährte damals den Bewohnernunseres Tales mit Gutenstein sichere Zuflucht. Aber auchFlüchtlinge von weit her fanden dort Schutz. Die Kirchenbüchernennen uns aber nicht die Namen aller in diesenBurgen Schutz suchenden, sondern nur die Namen der dortVerstorbenen und der dort in dieser Zeit Geborenen.Da bei den verstorbenen Personen ihre Herkunft und beiden geborenen Kindern dazu die Namen der Eltern angegebensind, lässt sich ein recht anschauliches Bild über dieFlüchtlinge in der Burg gewinnen.In der Sterbem<strong>at</strong>rik von Dreistetten ist zu lesen (4):„Während Wien von den Türken belagert wurde und dieT<strong>at</strong>aren alles durch Brand zerstörten, retteten sich die meistenChristen zur Burg Starhemberg. Von diesen sind die<strong>Folge</strong>nden gestorben und in der Burg begraben.“ Auf die-Der Hubsteiger der Feuerwehr Wiener NeustadtFortsetzung auf Seite 10


Nr.: 3/2011 www.Waldegg-Aktuell.<strong>at</strong>Seite 10Waldegger ChronikEine Serie von OSR Josef MlinerFortsetzung von Seite 9<strong>121</strong>. <strong>Folge</strong>sen Vermerk folgen die Namen von 83 Verstorbenen (26Erwachsenen und 57 Kindern oder Jugendlichen.).Der Älteste war der 100jährige Stephan Hauer aus Oberpiesting.Die steigenden Sterber<strong>at</strong>en zeigen die Zunahmeder Infektionskrankheiten und die mangelhafte Ernährungin den Burgen.„Die auf Starhemberg Verstorbenen 83 Personen stammenaus folgenden Orten:Piesting 24, Dreistetten 9, Oberwaltersdorf 9, Muthmannsdorf7, Deutsch Prodersdorf 3, M<strong>at</strong>zendorf 3, Oberpiesting3, Unterwaltersdorf 3, Wampersdorf 2, Alkersdorf 1,Breitenbrunn 1, Dürnbach 1, Eisenstadt 1, Hernstein 1,Hölles 1, Leithaprodersdorf 1, Lindabrunn 1, Maiersdorf 1,Peisching 1, Sollenau 1, Sommerein 1, Starhemberg1,Steinabrückl 1, Stollhof 1, Wimpassing 1, Wopfing 1, ausder Steiermark 1, unbekannt 2.“ (4)Nach Regionen zusammengefasst stammen 60 Personenaus der näheren Umgebung der Burg Starhemberg, dasentspricht ungefähr dem n<strong>at</strong>ürlichen und zu erwartendenEinzugsgebiet. Eine auch noch recht starke Gruppe kommtaus der Gegend zwischen Baden und dem Leithagebirge.Nur mehr wenige stammen aus der Gegend zwischen demLeithagebirge und dem Neusiedler See. (4)Von den auf Starhemberg verstorbenen 83 Personen stammenaus dem heutigen Waldegger Gemeindegebiet: ThomasStippel aus Dürnbach; aus Oberpiesting N. Drachsler,Stephan Hauer (100 Jahre alt), M<strong>at</strong>thias Stix, Kind desRichter Elias, N. Biner (7 Jahre alt); aus Wopfing BarbaraBerger (20 Jahre).In dem gleichen Zeitraum, in dem auf Starhemberg diese 83Menschen starben, wurden hier auch 4 Kinder geboren. IhreEltern stammen aus Oberwaltersdorf (2), Deutsch-Prodersdorfund Maiersdorf. Alle 4 Kinder haben überlebt, denn siefinden sich nicht unter den auf der Burg Verstorbenen. (4)Von den auf der Burg Gutenstein verstorbenen Personenstammen aus Oed Eva Payer (11 Jahre) und Elisabeth Stükkelberger(6 Jahre), aus Waldegg Eva Regner (6 Jahre) undAndreas Sandaschitz (6 Jahre).Schöbitz folgert: „Nehmen wir an, dass auf Starhemberg jeder10. gestorben ist, kämen wir auf 830 dorthin geflüchtetePersonen. Starb aber jeder 20. so wäre mit 1.660 Flüchtlingenzu rechnen.“ Auf jeden Fall ist die Zahl von 11.000Flüchtlingen auf Starhemberg, die in der heim<strong>at</strong>kundlichenLiter<strong>at</strong>ur immer wieder angegeben wird, viel zu hoch! EinAlarmsystem aus „Kreid(en)feuern, Kreid(en)schüssen undGlockenstreichen“ sollte bei Feindeinbrüchen die Fluchtbewegungin Gang setzen. (3) (mhd. kriden, kreien = lärmen,schreien). Aber das Alarmsystem scheint versagt zu haben,weil die in den Seitengräben unseres Tales liegenden Siedlungenund Einzelhöfe überhaupt nicht gewarnt waren. (2)Auch in den tiefen Wäldern wurden Flüchtlinge von denT<strong>at</strong>aren mit Spürhunden aufgestöbert, getötet oder verschleppt.In den damaligen Ortsteilen Peisching, Dürnbach und Waldegggab es damals 43 steuerpflichtige behauste Güter, vondenen 20 abgebrannt wurden, deren Bewohner den Tod fandenoder gefangen wurden. Von 15 Brandstätten h<strong>at</strong>ten sichdie Bewohner gerettet, fanden bei ihrer Rückkehr aber nurmehr ihre ausgebrannten Häuser vor. (3)Die Waldegger Kirche dürfte ebenfalls abgebrannt sein,worauf bei der Renovierung im Jahre 1875 aufgefundeneBrandspuren schließen lassen.Im Dorfe Wopfing gingen 18 Häuser mit ihren Bewohnernzu Grunde. Auf 14 Brandstätten kehrten die Leute zurück.Alle Bauerngüter zu Oberpiesting waren verbrannt. Für 3Brandstätten fehlten die Leute. (3)Vier Mon<strong>at</strong>e nach der Belagerung Wiens begann die Bestandsaufnahmeder Kriegsschäden in allen 4 Vierteln Niederösterreichs.(1b) Die ruinierten Häuser wurden in Klasseneingeteilt:1. Totalschaden in Haus und Hof, Landwirtschaft verwüstet,Bewohner getötet oder gefangen.2. Haus und Hof verwüstet, Bewohner vorhanden aberkeine Unterkunft, keine Lebens- und Anbaumittel3. Haus und Hof geplündert, Bewohner ohne Viehund Sa<strong>at</strong>gut.Die Frage der Gefangenen, die Todeserklärung der Vermissten,später der Loskauf von Gefangenen, blieb über Jahrzehnteaktuell. Die Schriftquellen über diese Zeit eröffnenuns oft erschütternde Menschenschicksale. (1c)Ein Edikt von 1685 sagt aus: „……… was Massen höchstmissfällig vorkommen … also dass diejenigen, deren Eheweiberund -männer durch den Erbfeind entführt wurden,als wie zusammen gegebene Eheleute miteinander in Ungebührleben und von ihren Seelsorgern sich keinesfalls abmahnenlassen.“ (1d)Schluss folgt in der nächsten AusgabeLiter<strong>at</strong>ur:1.) Ernst K<strong>at</strong>zer: a) Das zerstörte Land, Unser Neustadt 2 u. 3/84, 1/85b) Die Türken im Raume Wr. Neustadt 1683 (Kulturberichte1972)c) Der T<strong>at</strong>areneinfall 1683, Unser Neustadt 2/83d) Der Wiederaufbau nach 1683, Unser Neustadt 4/852.) Ernst K<strong>at</strong>zer / F.Stundner: Piesting im Wandel der Zeit3.) Ernst K<strong>at</strong>zer: 850 Jahre Pfarre Waldegg4.) Helmut Schöbitz: Kirchenm<strong>at</strong>riken als Quellen der Türkeninvasion1683, Uns.Heim<strong>at</strong> 3/83 5.) R.F. Kreutel: Kara Mustafa vor Wien(1683 aus der Sicht türkischer Quellen) 1982

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