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Nina Franoszek Deutsche in Amerika

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NINA FRANOSZEK www.n<strong>in</strong>afranoszek.com<br />

gesellschaftsfähig, Schmerz nicht, bei gleichzeitiger Liebe zum Leiden, Selbstmitleid,<br />

Zynismus, unzufriedene ja aber-Gesellschaft, um se<strong>in</strong> Image besorgt se<strong>in</strong>, es ist wichtig, was<br />

die anderen über e<strong>in</strong>en denken: Sei wie alle anderen auch. Sei auf der Hut. Mache alles so wie<br />

man es dir gesagt hat. Du darfst ke<strong>in</strong>e Fehler machen und niemals zugeben, dass du welche<br />

gemacht hast. Bestrafe Dich, wenn du Fehler machst! Man muss für alles e<strong>in</strong>e Erlaubnis haben,<br />

Angst vor Beurteilung, die Idee, dass die <strong>Deutsche</strong> Kultur überlegen ist, Wer nicht deutsch ist,<br />

ist im Unrecht. Immer noch e<strong>in</strong>e die Väter ablehnende Gesellschaft. Die Frauen haben die<br />

Hosen an. Bier. Romantiker. Von Karl May bis Wagner. He<strong>in</strong>e, Rilke Hölderl<strong>in</strong>, Fassb<strong>in</strong>der, die<br />

RAF, He<strong>in</strong>o und soviel mehr. Me<strong>in</strong> <strong>in</strong>neres Bild: Deutschland ist grün. Klare Seenketten, <strong>in</strong> die<br />

wir im Sommer nackt e<strong>in</strong>tauchen und auf denen wir im W<strong>in</strong>ter melancholisch<br />

Schlittschuhbahnen ziehen… Es ist schon geme<strong>in</strong>, das me<strong>in</strong> kulturelles Erbe diese ganzen<br />

Eigenschaften be<strong>in</strong>haltet und ich damit <strong>in</strong>fiziert und identifiziert b<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> Glück, das ich hier<br />

nicht noch die polnischen oder jüdischen Merkmale aufschreiben soll, die mich auch noch<br />

ausmachen... Als Berl<strong>in</strong>er empf<strong>in</strong>de ich mich übrigens auch noch mal anders: All free men,<br />

wherever they may live, are citizens of Berl<strong>in</strong>, and, therefore, as a free man, I take pride <strong>in</strong><br />

the words ›Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>er.« (President John F. Kennedy, June 26, 1963). Adolf Hitler’s<br />

»Völkische Beobachter« hat die Hauptstadt damals folgendermaßen denunziert: ‘e<strong>in</strong><br />

Schmelztiegel alles Bösen – Prostutierte, Kneipen, K<strong>in</strong>os, Marxismus, Juden, Stripper,<br />

tanzende Negern und all die üblen E<strong>in</strong>flüsse der sogenannten Modernen Kunst’. E<strong>in</strong><br />

amerikanische Politiker behauptete das gleiche übrigens von Hollywood und Los Angeles.<br />

Was fällt Ihnen zum Thema Heimat e<strong>in</strong>?<br />

Da wo ich mich zuhause fühle. Da wo ich willkommen b<strong>in</strong>. In me<strong>in</strong>em Herzen.<br />

Fühlen Sie sich als <strong>Deutsche</strong>?<br />

Ja, da komm ich her. Wie e<strong>in</strong> Baum habe ich dort me<strong>in</strong>e Wurzeln, aber me<strong>in</strong>er Arme<br />

erstrecken sich mittlerweile <strong>in</strong> die Welt.<br />

Welchen E<strong>in</strong>fluss hat Deutschland auf <strong>Amerika</strong>?<br />

Im allgeme<strong>in</strong>en Gesellschaftsbild fast ke<strong>in</strong>en, außer Oktoberfeste, Bier, Sauerkraut, Wurst, und<br />

den Wunsch nach e<strong>in</strong>em Mercedes, Porsche, BMW oder dem neuen Käfer von VW. Alte<br />

Nazibilder herrschen bei der breiten Masse vor und werden durch e<strong>in</strong>seitig dargestellte Zweite<br />

Weltkriegsfilme weiter untermauert. Wir haben im Jahr 2003 <strong>in</strong> den USA 137 Billionen Dollar<br />

<strong>in</strong>vestiert. <strong>Deutsche</strong> Filmfonds f<strong>in</strong>anzieren mit deutschen Steuergeldern Hollywoodfilme<br />

(Chicago etc.), während bei uns die Filmförderung (z. B. Hamburg) gestrichen wird. Man sollte,<br />

<strong>in</strong> dem Fall also eher von Geldfluss als von E<strong>in</strong>fluss reden, denn <strong>in</strong> den amerikanischen Medien<br />

ist das Deutschland von heute mehr oder weniger nicht präsent. Ich setze weiterh<strong>in</strong> auf den<br />

<strong>Deutsche</strong>n Film. Er kann und wird dazu beitragen, das sich die Menschen e<strong>in</strong> neues Bild von<br />

Deutschland machen. Filme wie »Lola rennt«, »Rosenstrasse«, »Das Wunder von Bern« und<br />

»Good bye Len<strong>in</strong>«, um nur e<strong>in</strong>ige Erfolge der letzten Jahre zu nennen, verfehlen ihre Wirkung<br />

nicht. Es gilt noch viel Arbeit zu leisten, als kulturpolitisch motivierter und verantwortlicher<br />

Mensch.<br />

Was schätzen Sie besonders an der amerikanischen Gesellschaft, was weniger?<br />

Ich muss hier erwähnen, dass ich e<strong>in</strong>e Angel<strong>in</strong>a b<strong>in</strong>, also e<strong>in</strong> Mensch der <strong>in</strong> Los Angeles lebt.<br />

Me<strong>in</strong>e Freunde hier und anderswo s<strong>in</strong>d vorwiegend Künstler, Intellektuelle, Schriftsteller,<br />

Musiker, Theater- und Filmemacher, Heiler und Spirituell ausgerichtete Menschen. Das George<br />

W. Bush liebende <strong>Amerika</strong> und der mittlere Westen s<strong>in</strong>d mir fremd. Ich bewege mich zwischen<br />

den urbanen, kosmopolitischen Zentren LA, NYC und Berl<strong>in</strong> h<strong>in</strong> und her, die ich, mit ihren sehr<br />

<strong>in</strong>dividuellen Zügen, nicht als unbed<strong>in</strong>gt für Deutschland oder <strong>Amerika</strong> besonders typisch<br />

empf<strong>in</strong>de. Obwohl, machen nicht genau diese Zentren Deutschland und <strong>Amerika</strong> aus? Ich liebe<br />

Kalifornien, Flip Flops (Badelatschen), legere Klamotten, die Freundlichkeit hier und natürlich<br />

das Meer. Ich schätze die Liberalität, das Informelle, und die <strong>in</strong>dividuelle Freiheit an der<br />

Westküste, die Vielfalt, das Multikulturelle und das Recht auf Gleichheit, die Offenheit, unseren<br />

Enthusiasmus, unseren Optimismus, das Innovative, sich ständig Verändernde, sich<br />

Vorwärtsbewegende, Zukunftorientierte, Lösungs-orientierte, Junge, Spirituelle, Wegweisende,<br />

Mut machende, Freiheitsliebende, Experimentelle th<strong>in</strong>k out of the box-Denken. Der Glaube<br />

DEUTSCHE IN AMERIKA, 2005 3

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