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Zur Studie - Für den Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur

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Inhalt1 | Einleitung2 | Das Wirtshaus als traditionelle kulturelle Institution undsoziale Konstruktion2.1 | Die Sicht <strong>der</strong> Betroffenen: Expertengespräche in <strong>der</strong> BeispielgemeindeVorra2.2 | Die Sicht <strong>der</strong> Betroffenen: Ausgewählte Ergebnisse <strong>der</strong> Bevölkerungsbefragung3 | Design <strong>der</strong> Untersuchung und methodisches Vorgehen4 | Ausmaß und Erscheinungsformen des ‚Wirtshaussterbens’4.1 | Die Entwicklung <strong>der</strong> Gastronomie in Deutschland sowie im Vergleich<strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong>4.2 | Die Entwicklung <strong>der</strong> Gastronomie in Bayern4.2.1 | Gastronomische Entwicklung auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Landkreiseund kreisfreien Städten in Bayern4.2.2 | Die lokale und regionale Ebene: Die exemplarischeUntersuchungsgemeinde Vorra sowie die AltlandkreiseBamberg und Hersbrucker Land5 | Folgen und Wirkungen des ‚Wirtshaussterbens’5.1 | Die Sicht <strong>der</strong> Bürger in <strong>der</strong> Beispielgemeinde Vorra5.2 | Die Sicht <strong>der</strong> befragten Experten81213141622222830364444486 | Genuss mit Geschichte?


1 | EinleitungLeuchtende Augen bekam so mancher Interviewpartner,<strong>der</strong> im Rahmen <strong>der</strong> vorliegen<strong>den</strong><strong>Studie</strong> zu Beginn des Gesprächs gebeten wurde,das eigene Erleben <strong>der</strong> traditionellen <strong>Wirtshauskultur</strong>in Bayern zu beschreiben und diemit dem Wirtshausbesuch verbun<strong>den</strong>en Gefühlewie<strong>der</strong>zugeben. Es war die Einstiegsfragein die <strong>Studie</strong>, die <strong>der</strong> Lehrstuhl für Kulturgeographiean <strong>der</strong> Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadtmit Unterstützung sowohl des BayerischenStaatsministeriums für Wirtschaft undMedien, Energie und Technologie als auch desDEHOGA Bayern zur Situation <strong>der</strong> Wirtshäuserim ländlichen Raum Bayerns durchführte und<strong>der</strong>en wichtigste Ergebnisse hier präsentiertwer<strong>den</strong>. Viele <strong>der</strong> Gesprächspartner sind beiihren Schil<strong>der</strong>ungen zum Einstieg in das Interviewregelrecht ins Schwärmen geraten un<strong>der</strong>innerten sich gerne an <strong>den</strong> Besuch im Wirtshausnach dem sonntäglichen Kirchgang.Keine Frage: Das Wirtshaus ist eine Institutionmit langer Tradition in Bayern. Es ist Teil unserergelebten <strong>bayerischen</strong> Kultur (Mayer 1995)und es spricht viel dafür, dass die Anfänge dieser<strong>Wirtshauskultur</strong> in jedem Fall bis in die Zeit<strong>der</strong> Römer zurückreichen, in <strong>der</strong>en Straßen-,Siedlungs- und Infrastruktursystem Tavernenein wichtiges Teilelement bildeten. So manchesbayerische Wirtshaus lässt diese aus <strong>der</strong>Geschichte ererbte Tradition noch heute in <strong>den</strong>Bezeichnungen „Taberne“, „Taverne“ o<strong>der</strong> auch„Tabern-“ bzw. „Tavern-Wirtschaft“ aufscheinen.Wirtshäuser dienen zwar <strong>der</strong> Versorgung ihrerGäste, vorzugsweise mit Getränken, doch siesind auch Orte <strong>der</strong> Begegnung, des Austausches,<strong>der</strong> Unterhaltung und Geselligkeit. Siedienen manchem als Zeitvertreib, wer<strong>den</strong> alsUmschlagplatz wichtiger Neuigkeiten benutztund sind auch bekannt dafür, dass sie zur politischenMeinungsbildung beitragen (Wagner2008). Wirtshäuser sind Knotenpunkte imdörflichen Geschehen und wer<strong>den</strong> gern auchals weltliches Pendant zur Kirche gesehen (z.B.bei Drexler 1997: 6). Als kulturelle und sozialeInstitution haben Wirtshäuser vielfältigeFunktionen – durchaus auch im Sinne sozialerKontrolle. Ein früherer Wirt berichtet, dass diePolizei bei Vorfällen immer erst das Wirtshausin seinem Herkunftsort aufsuchte, um von Wirtund Gästen Hinweise auf Täter und Vorfall zubekommen. O<strong>der</strong> das in Städten unter jungenMenschen verbreitete „Komasaufen“ – schwervorstellbar in einem gut geführten <strong>bayerischen</strong>Wirtshaus.An<strong>der</strong>erseits, und hier liefert <strong>der</strong> Hinweis aufdie Kontrollfunktion <strong>den</strong> Einstieg in eine Denkwelt,in welcher die Institution des <strong>bayerischen</strong>Wirtshauses nicht nur positiv gesehen, nostal-8 | Genuss mit Geschichte?


gisch verbrämt und in ihrer sozialen und kulturellenBedeutung überhöht dargestellt wird.Gerade junge Bevölkerungsschichten sind esoffenbar, die ihre Wünsche nach Unterhaltungund Austausch sowie ihr Bedürfnis nach sozialemEingebun<strong>den</strong>sein heutzutage meist anan<strong>der</strong>en Orten als im Wirtshaus zu decken suchen:in Diskotheken, auf selbst organisiertenFeiern o<strong>der</strong> in Bars. Doch auch für an<strong>der</strong>e Teile<strong>der</strong> Bevölkerung spiegelt das Wirtshaus einezu enge, traditionelle und konservative Weltwi<strong>der</strong>, in <strong>der</strong> sich diese Menschen zunehmendweniger begeben möchten. Zudem geht unsereoffene Weltgesellschaft mit massiven Verän<strong>der</strong>ungenunserer Konsum-, InformationsundKommunikationsgewohnheiten einher,wirbelt unser Arbeitsleben durcheinan<strong>der</strong> undwird von einer rapi<strong>den</strong> Zunahme unserer Mobilitätbegleitet.Kein Wun<strong>der</strong> also, dass die bayerische Wirtshaustraditionseit Jahren gewaltig an Bedeutungzu verlieren scheint. Je<strong>den</strong>falls sank nachAngaben des Statistischen Landesamtes unddes Statistischen Bundesamtes die Zahl <strong>der</strong>Wirtshäuser in Bayern zwischen 1980 und2011 von knapp 7.900 Betrieben auf wenigerals 4.400 Wirtschaften. Dabei nimmt das Gastgewerbeinnerhalb <strong>der</strong> <strong>bayerischen</strong> Wirtschafteine nicht unbedeutende Stellung ein, <strong>den</strong>nimmerhin gibt es in Bayern insgesamt rund41.000 gastgewerbliche Betriebe, die für etwa170.000 Menschen einen Arbeitsplatz mit Vollbeschäftigungbieten (vgl. Bayerisches Staatsministeriumfür Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehrund Technologie 2011: 3).Dennoch: Tatsache scheint zu sein, dass in<strong>den</strong> letzten Jahren viele Wirtshäuser auf demflachen Land ihre Türen geschlossen und <strong>den</strong>Betrieb für immer eingestellt haben. Und esscheint keineswegs ein junges Phänomen zusein. In <strong>der</strong> ersten als grundlegend zu betrachten<strong>den</strong><strong>Studie</strong> weist Hümmer (1980) in <strong>der</strong> vonihm in <strong>der</strong> Großgemeinde Heiligenstadt/Oberfrankenin <strong>den</strong> 1970er Jahren durchgeführtenUntersuchung nach, dass dort das Phänomenbereits stark verbreitet war und Hand in Handmit dem Funktionsverlust des ländlichen Raumesging (vgl. auch Brunner-Schubert 1974).Trifft das Schlagwort vom ‚Wirtshaussterben’also wirklich zu? Was steckt dahinter? Ist estatsächlich ein massenhafter und offenbarschon länger anhalten<strong>der</strong> Trend, von dem die<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 9


Wirtshäuser in ganz Bayern betroffen sind undwie stark ist dieser Trend? Wen erfasst er undin welchen Regionen Bayerns in beson<strong>der</strong>erWeise? Welche Ursachen und Hintergründesind dafür maßgeblich? Wie stemmt man sichgegen <strong>den</strong> negativen Trend? Kann und solldagegen etwas unternommen wer<strong>den</strong>? O<strong>der</strong>aber: Spiegelt das ‚Wirtshaussterben’ nicht vielmehreinen Prozess wi<strong>der</strong>, hinter dem sich einWandel, eine Erneuerung, eine Anpassung <strong>der</strong><strong>bayerischen</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong> an die verän<strong>der</strong>tenLebensbedingungen <strong>der</strong> Menschen undihrer Bedürfnisse im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t verbirgt?Findet da vielleicht eine radikale Marktbereinigungstatt, die Wirtshäuser verschwin<strong>den</strong> lässt,welche traditionellen Mustern folgen, nichtmehr rentabel sind und ohne neue Ideen undüberzeugendes Konzept kaum Überlebenschancenhaben?Ziel <strong>der</strong> vorliegen<strong>den</strong> wissenschaftlichen <strong>Studie</strong>ist es, <strong>den</strong> zahlreichen, durchaus auchwi<strong>der</strong>sprüchlichen Facetten des Phänomensnachzuspüren und in diesem komplexen Kosmosvielfältig verflochtener ökonomischer, sozialerund kultureller Aspekte nach einer Antwortauf die vielen Fragen zu suchen.Eine dieser Fragen grundlegen<strong>der</strong> Art stelltesich gleich zu Beginn <strong>der</strong> Untersuchung: Dieauf <strong>den</strong> ersten Blick sehr einfach anmutende,im Grunde jedoch schwierig zu beantwortendeFrage, was <strong>den</strong>n genau unter einem Wirtshauszu verstehen ist und wie sich dieses, wissenschaftlichhaltbar, definieren lässt.Üblich ist, Wirtshäuser als eine stark „getränkegeprägteForm des Gaststättengewerbes“(dwif 2010: 105) zu betrachten, die <strong>der</strong> Kategorie<strong>der</strong> Schankwirtschaften zugeordnet wer<strong>den</strong>,keine Beherbergung anbieten und nichtim urbanen Raum liegen. Ihr Hauptumsatzbereichist <strong>der</strong> Getränkeverkauf. Diese Definitionlag zu Beginn auch <strong>der</strong> vorliegen<strong>den</strong> Untersuchungzu Grunde. Sie musste jedoch schrittweiseaufgeben bzw. erweitert wer<strong>den</strong>, <strong>den</strong>nwie sich zeigte, ordnen an<strong>der</strong>e <strong>Studie</strong>n zurThematik zusätzlich zu <strong>den</strong> Schankwirtschaftenauch die speisenorientierten Gaststättenmit Bedienung <strong>der</strong> Kategorie Wirtshaus zu(Hümmer 1980, Perlinger 2011, Zwerenz 2013).Ein weites Feld also, das umso größer zu wer<strong>den</strong>scheint, je mehr Personen nach ihrer Vorstellungvon einem Wirtshaus gefragt wer<strong>den</strong>.Der Idealtypus eines <strong>bayerischen</strong> Wirtshausesein gesellschaftliches Konstrukt, dessen enormeVielfalt sich in <strong>den</strong> Vorstellungen <strong>der</strong> Menschenganz unterschiedlich wi<strong>der</strong>spiegelt?Tatsächlich liefert auch die amtliche Statistikkeine eindeutige Antwort und definiert nicht,10 | Genuss mit Geschichte?


wie noch zu zeigen sein wird, was genau untereinem <strong>bayerischen</strong> Dorfwirtshaus zu verstehenist.Nach diesen einleiten<strong>den</strong> Vorbemerkungenbeschäftigt sich das zweite Kapitel in vorliegen<strong>der</strong><strong>Studie</strong> mit <strong>den</strong> Grundlagen <strong>der</strong> Untersuchung.Die Bedeutung des Wirtshausesals kulturelle, weit in die Geschichte zurückreichendeInstitution wird dabei ebenso behandeltwie das Wirtshaus als soziale Konstruktion,die für unterschiedliche Menschen sehr Unterschiedlichesbedeutet.Letzteres stellt in methodischer Hinsicht eineveritable Herausfor<strong>der</strong>ung für <strong>den</strong> Forscherdar, daher wird im dritten Kapitel dargelegt,welchen methodischen Ansatz die <strong>Studie</strong> verfolgtund welches Untersuchungsdesign ihr zuGrunde liegt. In einem vierten Kapitel wer<strong>den</strong>Ausmaß und Erscheinungsformen dargelegt.Darauf aufbauend wer<strong>den</strong> im fünften Kapiteldie sozio-ökonomischen und kulturellenBegleitphänomene des ‚Wirtshaussterbens’,Parallelerscheinungen sowie die Folgen desPhänomens aus <strong>der</strong> Perspektive von Personenbehandelt, die als Betroffene in einem ausgewähltenBeispielort befragt wur<strong>den</strong>, sowie vonweiteren Personen, die in <strong>der</strong> Untersuchungdie Rolle von Experten einnahmen.<strong>der</strong> Frage widmen, ob etwas getan wer<strong>den</strong> sollund ggf. was getan wer<strong>den</strong> könnte, um sich erfolgreichdem ‚Wirtshaussterben’ entgegen zustemmen. Hier wer<strong>den</strong> Ergebnisse einer Best-Practice Analyse einfließen, die in einem eigenenModul <strong>der</strong> vorliegen<strong>den</strong> Untersuchung inBayern durchgeführt wurde.Genau an dieser Stelle schließt sich <strong>der</strong> Kreiszum Beginn <strong>der</strong> <strong>Studie</strong> bzw. zu <strong>der</strong>en Cover: Istdas abgebildete Glas Bier auf dem Cover nunhalb voll o<strong>der</strong> halb leer, kann im übertragenenSinn gefragt wer<strong>den</strong>? Befindet sich die <strong>Wirtshauskultur</strong>in Bayern wirklich in einem <strong>der</strong>maßennegativen Trend, dass das Schlagwort vom‚Wirtshaussterben’ tatsächlich gerechtfertigterscheint – o<strong>der</strong> verbirgt sich hinter <strong>der</strong> zahlenmäßignegativen Entwicklung, wie es obenbereits angedeutet wurde, vielleicht ein Prozessdes Wandels und <strong>der</strong> Erneuerung <strong>der</strong> <strong>bayerischen</strong><strong>Wirtshauskultur</strong> in Anpassung an dieverän<strong>der</strong>ten Bedürfnisse <strong>der</strong> Menschen im 21.Jahrhun<strong>der</strong>t? Das ist die übergreifende Überlegung,die in <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> Ausführungen zudieser <strong>Studie</strong> stets mitschwingt.Das sechste Kapitel ist <strong>der</strong> Suche nach <strong>den</strong>Ursachen und Hintergrün<strong>den</strong> des ,Wirtshaussterbens‘gewidmet. In <strong>der</strong> Langfassung zur<strong>Studie</strong> wird sich das siebte Kapitel schließlich<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 11


2 | Das Wirtshaus als traditionelle kulturelle Institution und soziale KonstruktionWirtshäuser im ländlichen Raum Bayerns sind– wie einleitend bereits kurz aufgezeigt wer<strong>den</strong>konnte – veritable kulturelle Institutionen,die auf eine weit ausgreifende Geschichte zurückblickenund vielfach auch heute noch einsehr prägendes Element im Kontext dörflicherGemein<strong>den</strong> darstellen. Traditionell wur<strong>den</strong>Wirtshäuser als zentraler weltlicher Versammlungsortgenutzt, als Orte des Zeitvertreibs,<strong>der</strong> politischen Meinungsbildung sowie alsUmschlagplatz für Informationen und wichtigeNeuigkeiten (vgl. Wagner 2008: 29; Mayer1995; Hümmer 1980).Dabei gründet die traditionell große kulturelleBedeutung <strong>der</strong> <strong>bayerischen</strong> Wirtshäusernicht zuletzt auch in <strong>der</strong> Tatsache, dass in ihrenRäumlichkeiten nach wie vor viele Aktivitäten,insbeson<strong>der</strong>e auch von Vereinen durchgeführtwer<strong>den</strong> (vgl. Paukner 2012: 18).In <strong>der</strong> Vergangenheit übernahm das Wirtshausin Gemein<strong>den</strong> ohne Rathaus dessen Funktion.Amtliche Veranstaltungen wie die Gemein<strong>der</strong>atssitzungo<strong>der</strong> auch Bürgerversammlungenwur<strong>den</strong> im Wirtshaus abgehalten. Im Wirtshauskonnte und kann auch heute noch zwanglosund unverbindlich über private, geschäftlicheo<strong>der</strong> die Gemeinde betreffende Angelegenheitendiskutiert wer<strong>den</strong> (vgl. Berger 1860, inDrexler: 1997: 6 ; vgl. auch Zwerenz 2013: 9).Das Wirtshaus wird traditionell gern als das„weltliche Gegenüber“ (Drexler 1997: 6) zurKirche gesehen, wobei dem Wirt häufig eineherausragende gesellschaftliche Stellung zugewiesenwird. Ein Zitat aus dem Jahr 1860mag als Beleg dafür dienen:„Der Wirt auf dem Lande ist unbestritten die angesehensteund einflussreichste Person. In allenBeratungen <strong>der</strong> Gemeinde gibt er <strong>den</strong> gültigenAusschlag und entscheidet in hartnäckigen Diskussionendurch Freigebung eines Eimers Bier dieschweben<strong>den</strong> Fragen in <strong>der</strong> Regel nach seinenAnsichten, wenn auch zum Nachteil <strong>der</strong> Gemeinde“(Berger 1860, in Drexler 1997: 21).Auch heute noch nehmen Wirtinnen und Wirtein <strong>den</strong> Wirtshäusern eine wichtige Schlüsselpositionein. Sie gelten als Mittler zwischeneiner Vielzahl an Akteuren. Sie sammeln Informationenund geben sie entwe<strong>der</strong> im Wirtshauso<strong>der</strong> nach außen weiter (Hümmer 1980).Ein weiterer Aspekt zur Thematik unterstreichtdie nicht unerhebliche soziale Stellung, welchedie Wirtinnen und Wirte innerhalb <strong>der</strong> Dorfgemeinschafteinnehmen:„Freilich soll das Essen mun<strong>den</strong> und das Bier mit<strong>der</strong> richtigen Temperatur kre<strong>den</strong>zt wer<strong>den</strong>, dochebenso wichtig ist in <strong>den</strong> ländlichen Gegen<strong>den</strong>das offene Ohr des Wirts und <strong>der</strong> Wirtin. Man12 | Genuss mit Geschichte?


hört zu, gibt Rat ohne zu bevormun<strong>den</strong>, freutsich bei feierlichen Anlässen mit, hilft aber auchbei traurigen Anlässen, <strong>den</strong> Kummer durchzustehen“(Hunger 2011: 3).2.1 | Die Sicht <strong>der</strong> Betroffenen: Expertengesprächein <strong>der</strong> BeispielgemeindeVorraAuch in <strong>der</strong> Gegenwart sind Wirtshäuser Institutionen,<strong>den</strong>en neben ihrer Bedeutung alskulturelle Institution ein hoher sozialer Stellenwertim ländlichen Raum zugewiesen wird. Infast allen Interviews, die mit Schlüsselpersonenin <strong>der</strong> Beispielgemeinde Vorra im NürnbergerLand durchgeführt wer<strong>den</strong> konnten(zur Wahl <strong>der</strong> Beispielgemeinde siehe Kapitel3), wurde das Vorhan<strong>den</strong>sein eines Dorfwirtshausesstets mit einem hohen Grad an Lebensqualitätverknüpft und von <strong>den</strong> Befragten in<strong>den</strong> Kontext <strong>der</strong> im folgen<strong>den</strong> wie<strong>der</strong>gegebenenAspekte gestellt.Das Wirtshaus als sozialer Raum. Das klassischeDorfwirtshaus fungiert als sozialer Raum,in welchem alle sozialen Schichten zusammentreffen.In dieser Funktion ist das dörflicheWirtshaus Umschlagplatz einer Vielzahl anMeinungen und Ansichten, die bei dem eineno<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Glas Bier intensiv ausdiskutiertwer<strong>den</strong> (vgl. Gesprächspartner W: S. 3 des verschriftlichtenInterviews; zur Auswahl und Liste<strong>der</strong> Gesprächspartner, die als Experten undSchlüsselpersonen für die Untersuchung fungiertensiehe Kapitel 3). Nicht zu unterschätzenist gemäß diesem Gesprächspartner, dass sichdieses Ausdiskutieren för<strong>der</strong>lich auf eine toleranteund durch Verständnis geprägte Einstellungunter <strong>den</strong> Bewohnern einer ganzen Regionauswirken kann (vgl. ebd.: 17). Des weiterenhebt dieser Gesprächspartner <strong>den</strong> wichtigenBeitrag hervor, <strong>den</strong> die Wirtshäuser zur Einbindungälterer Menschen in die Gesellschaft leisten(vgl. ebd.: 11). Überdies ergibt sich in geselligerRunde für je<strong>den</strong> Gast die Möglichkeit,auch sehr persönliche Probleme anzusprechen.In <strong>der</strong> Vergangenheit hat gerade dieserAspekt zu einer Stärkung <strong>der</strong> Gemeinschaftund des Zusammengehörigkeitsgefühls im Ortbeigetragen, wie ein Gesprächspartner betont,<strong>der</strong> selbst Rentner ist (vgl. R: 1).Das Wirtshaus als kommunikative Plattform.Auch im Kontext kommunikativer Aspektewird dem Dorfwirtshaus eine beson<strong>der</strong>eRolle zugewiesen, als Ort <strong>der</strong> Geselligkeit, welcherdie Zusammenkunft und <strong>den</strong> Austausch<strong>der</strong> regionalen Bevölkerung för<strong>der</strong>t (vgl. W:17). Ebenso fungiert das Wirtshaus als Plattformdes gegenseitigen Informierens überinteressante und vielfach auch wichtige Neuigkeiten(vgl. B: 1). Dabei wer<strong>den</strong> nicht nurInformationen verbreitet, die das Heimatdorfbetreffen, auch Neuigkeiten aus <strong>der</strong> gesamtenRegion wer<strong>den</strong> im Dorf und darüber hinaus inUmlauf gebracht (vgl. L: 8). Gleichzeitig bietetdas Wirtshaus Raum für die Realisierung vonFachgesprächen aller Art. Gerade im ländli-<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 13


SeelsorgerischeFunktionEinrichtung, um zu essenund zu trinkenZentraler Anlaufpunktim OrtAbhaltung von traditionellenVeranstaltungen und FestenWirtshaus als Plattformzur KommunikationQuelle: Eigene Erhebung, 2013Sonstiges0 10 20 30 40 50(N = 109, Mehrfachnennungen mögl.)Kartographie: S. Bauer, 2013Abb. 2.1 | Stellenwert von Wirtshäusern im ländlichen Raumaus Sicht <strong>der</strong> befragten Einwohner in VorraEs zeigt sich, dass im Kontext <strong>der</strong> Frage nachdem Stellenwert <strong>der</strong> Wirtshäuser im ländlichenRaum das „Wirtshaus als Plattform zur Kommunikation“die mit Abstand stärkste Kategorieaus Sicht <strong>der</strong> Befragten bildet. Traditionell wirddas Wirtshaus auch in enger Verbindung mitAspekten <strong>der</strong> Geselligkeit und <strong>der</strong> Wahrungvon Traditionen gesehen. Deshalb wiesen dieBefragten <strong>der</strong> diesbezüglichen Kategorie (Abhaltungvon traditionellen Veranstaltungenund Festen) eine ebenfalls stark ausgeprägteBedeutung zu. Laut <strong>den</strong> Befragten übernimmtdas Wirtshaus auf einer allgemeineren Ebenedie Funktion als „zentraler Anlaufpunkt imOrt“ und trägt in dieser Rolle zur Stärkung <strong>der</strong>Dorfgemeinschaft bei. Gerade im Kontext <strong>der</strong>Funktion des Wirtshauses als Plattform für diedörfliche Kommunikation ergibt sich für dieGemeindebewohner die Möglichkeit, Problemeanzusprechen und sich darüber auszutauschen.In diesem Zusammenhang wird demWirtshaus sogar eine gewisse seelsorgerischeFunktion zugewiesen, ein Aspekt, <strong>der</strong> auch in<strong>den</strong> Interviews mit <strong>den</strong> Schlüsselpersonen imOrt in Erscheinung trat. Interessant ist auch,dass auf die Grundfunktionen eines Wirtshauses,das Angebot von Speisen und Getränken,nur wenige Nennungen entfielen. Offenbarstehen die sozialen Funktionen eines Dorfwirtshausesbei <strong>den</strong> Befragten stärker als seineeigentliche Grundfunktion im Vor<strong>der</strong>grund.Fazit. Sowohl bei <strong>den</strong> Interviews mit <strong>den</strong>Schlüsselpersonen als auch bei <strong>der</strong> Befragung<strong>der</strong> Bevölkerung trat deutlich zu Tage, dassmit dem Wirtshaus ganz unterschiedliche Bedeutungenverknüpft wer<strong>den</strong>. In dieser Vielfalt<strong>der</strong> Meinungsäußerungen und Bedeutungszuschreibungenzeigt sich, dass die Vorstellungaller befragten Personen von dem, was einWirtshaus ist, sehr offen gestaltet ist. In die Varianzdieser Vorstellungen gehört auch, dass <strong>der</strong>klassische Typ des traditionellen Dorfwirtshausesneben neuen Formen eines Wirtshausesstehen kann, die ebenso die oben beschriebenensozialen Funktionen übernehmen können.Vorra selbst ist bestes Beispiel hiefür. Nachdemdort alle typisch fränkischen Wirtshäuser in <strong>der</strong>Vergangenheit ihre Türen schlossen, wurdedie örtliche Stammtischkultur keineswegs zuGrabe getragen, son<strong>der</strong>n sie verlagerte sich inzwei neue Elemente <strong>der</strong> lokalen Gastronomieszene– in ein vor wenigen Jahren erst erbautesCafé und in eine Pizzeria mutiger italienischerWirtsleute.<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 15


3 | Design <strong>der</strong> Untersuchung und methodisches VorgehenZahlreiche und auch schwierige Fragen sindes, die in <strong>der</strong> Einleitung skizziert wur<strong>den</strong> undfür die in vorliegen<strong>der</strong> <strong>Studie</strong> <strong>der</strong> Versuch unternommenwird, zumindest auf einige <strong>der</strong> gestelltenFragen eine Antwort zu fin<strong>den</strong>.Die Suche nach <strong>den</strong> Antworten basiert auf demFundament eines methodischen Konzepts undeiner Vorgehensweise, das einige Beson<strong>der</strong>heitenaufweist und sich darin von vergleichbarenUntersuchungen unterscheidet: Diegrundsätzliche Ausrichtung <strong>der</strong> vorliegen<strong>den</strong>wissenschaftlichen <strong>Studie</strong> ist vorwiegend an<strong>den</strong> Prinzipien <strong>der</strong> qualitativen empirischenSozial- und Wirtschaftsforschung orientiertund trägt über weite Strecken hinweg vertiefen<strong>den</strong>Fallstudiencharakter, <strong>der</strong> in drei umfangreicherenUntersuchungsmodulen (sieheunten) zum Ausdruck kommt.Zwar gehört es auch zu <strong>den</strong> Zielen <strong>der</strong> Untersuchung,die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>bayerischen</strong><strong>Wirtshauskultur</strong> in Maß und Zahl darzulegenund damit auch quantitativen Ansätzen undMetho<strong>den</strong> gerecht zu wer<strong>den</strong>. Wichtig ist jedoch,hinter all <strong>den</strong> Zahlen und Fakten, dienur scheinbar ein verlässliches und genauesAbbild <strong>der</strong> Wirklichkeit wie<strong>der</strong>geben, ein tiefgründigeresund möglichst authentisches Bildzur Lage <strong>der</strong> Wirtshäuser auf dem flachen Landin Bayern deutlich wer<strong>den</strong> zu lassen, Ursachenund Hintergründe <strong>der</strong> Entwicklung aufzuzeigensowie vor allem zukunftsfähige Ideen undVorschläge <strong>der</strong> Betroffenen wie<strong>der</strong>zugeben.Möglichst hohe Authentizität war es auch, diees <strong>den</strong> Autoren als ratsam erschienen ließ, imRahmen <strong>der</strong> <strong>Studie</strong> auch audio-visuelle Medieneinzusetzen, um Beobachtungen, Meinungsäußerungeno<strong>der</strong> eindrucksvolle Schil<strong>der</strong>ungenBetroffener festhalten zu können.Vor diesem Hintergrund sind vor allem die Kapitel5 und 6 von Metho<strong>den</strong> <strong>der</strong> qualitativenempirischen Sozial- und Wirtschaftsforschunggeprägt, <strong>den</strong>n sie zielen auf die „Beschreibungvon Lebenswelten von innen heraus“ ab (Flick,v. Kardorff, Steinke 2008: 14) und ermöglichenes, die mit <strong>der</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong> in Bayern verbun<strong>den</strong>ensozio-ökonomischen und kulturellenAspekte aus einer Insi<strong>der</strong>-Perspektive herauszu betrachten.Zum Instrumentarium dieser qualitativen Metho<strong>den</strong>gehören auch sog. ero-epische Gespräche,die in vorliegen<strong>der</strong> <strong>Studie</strong> ebenso zumEinsatz kamen. Sie zeichnen sich zum einendurch einen bewussten Verzicht auf eine vorgefertigteStrukturierung <strong>der</strong> Gespräche durch<strong>den</strong> Forscher aus. Zum an<strong>der</strong>en wird dabei explizitdie Expertenrolle dem Gesprächspartnerzugeschrieben, was nach aller Erfahrung alssehr günstig im Hinblick darauf ist, möglichstalle relevanten Aspekte zur Thematik aus Sichtdes Experten zu erfassen, weiterführende In-16 | Genuss mit Geschichte?


formationen zu erhalten und dadurch neuesWissen zu erschließen (vgl. Girtler 1992: 147ff).Zu Beginn <strong>der</strong> <strong>Studie</strong> waren zunächst jedocheinmal die für eine wissenschaftliche Untersuchungüblichen Hausaufgaben zu erledigen:Zum einen wurde eine Komplettrecherche relevanter<strong>Studie</strong>n und Veröffentlichungen zumThemenbereich durchgeführt. Die Recherchehatte zum Ziel, einen möglichst umfassen<strong>den</strong>Überblick über die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>bayerischen</strong><strong>Wirtshauskultur</strong> in seinen sozio-ökonomischenund kulturellen Dimensionen zu gewinnen(vgl. das im Anhang wie<strong>der</strong>gegebeneLiteraturverzeichnis).Zum an<strong>der</strong>en umfasste dieser erste Untersuchungsschrittauch das Aufspüren „harter“ statistischerDaten und Fakten. Um eine solide statistischeGrundlage zu erhalten, wurde sowohlbeim Statistischen Landesamt Bayern als auchbeim Statistischen Bundesamt eine Vielzahlvon Daten eingeholt und einer eingehen<strong>den</strong>Analyse unterzogen. Deren wichtigste Ergebnissefin<strong>den</strong> sich in <strong>den</strong> Tabellen, Grafiken undKarten in vorliegen<strong>der</strong> <strong>Studie</strong> wie<strong>der</strong>, doch istdarauf hinzuweisen, dass die verarbeiteten statistischenDaten selbst amtlicher Provenienznicht uneingeschränkt für bare Münze genommenwer<strong>den</strong> dürfen. Sie zeichnen eben nichtein exaktes, umfassendes und verlässlichesBild <strong>der</strong> <strong>bayerischen</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong> und ihrerEntwicklung. Mehrfache methodische Umstellungenbei <strong>der</strong> statistischen Erfassung <strong>der</strong> Daten,unterschiedliche Erhebungstatbestände,divergierende Basiskonzepte von Betrieb undUnternehmen sowie sich än<strong>der</strong>nde statistischeAbschneidegrenzen – um nur einige <strong>der</strong> wichtigstenGründe für die geäußerte Skepsis anzuführen.Genaueres kann <strong>der</strong> Textbox zur Problematik<strong>der</strong> Definition ‚Wirtshaus’ bzw. ‚Kneipe’zu Beginn von Kapitel 4 entnommen wer<strong>den</strong>.Wie oben erwähnt, trägt die Untersuchungüber weite Strecken hinweg vertiefen<strong>den</strong>Fallstudiencharakter. Mit <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Institutionen,Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaftund Medien, Energie und Technologiesowie DEHOGA Bayern, die die vorliegende<strong>Studie</strong> unterstützten, war vereinbart wor<strong>den</strong>,einen exemplarischen Untersuchungsort alsBeispielgemeinde im ländlichen Raum Bayernsauszuwählen. Diese sollte weniger als 10.000Einwohner umfassen, nicht in einer ausgesprochenenTourismusregion liegen und in <strong>den</strong>letzten Jahren von mindestens einer Wirtshausschließungbetroffen sein.Um die Auswahl einer solchen Fallstudie nichtwillkürlich zu treffen, son<strong>der</strong>n im Sinne einersystematischen wissenschaftlichen Herangehensweisemethodisch möglichst gut abzusichern,wur<strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>e Schritte unternommen.So wurde im Rahmen eines breitangelegten Aufrufs über die Kanäle Bezirksgeschäftsstellendes DEHOGA Bayern, Newsletterdes DEHOGA Bayern, Gastgewerbe Magazinsowie über die Dienststellen <strong>der</strong> Regionalplanungund <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung in Bayernum Hinweise auf mögliche exemplarische Untersuchungsortegebeten.<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 17


Alle eintreffen<strong>den</strong> Hinweise wur<strong>den</strong> einer eingehen<strong>den</strong>Prüfung unterzogen, teilweise auchin Form von Ortsbegehungen. Letztlich fieldie Entscheidung auf die Gemeinde Vorra imNürnberger Land/Mittelfranken. Vorra verfügtüber 1.777 Einwohner und setzt sich aus <strong>den</strong>Ortsteilen Alfalter, Artelshofen, Düsselbachund dem namengeben<strong>den</strong> Hauptort Vorraselbst zusammen. Die Gemeinde zeichnetesich in <strong>der</strong> Vergangenheit durch eine hoheDichte an Wirtshäusern aus, die jedoch im Lauf<strong>der</strong> Zeit und insbeson<strong>der</strong>e seit <strong>den</strong> 1980er Jahrenstark abnahm. Von <strong>den</strong> einst sechs fränkischenWirtshäusern im Hauptort Vorra ist heutekeines mehr vorhan<strong>den</strong>. Ein Café sowie einePizzeria versuchen, die entstan<strong>den</strong>e Lücke zuschließen und Funktionen <strong>der</strong> früheren Wirtshäuserzu übernehmen. In <strong>der</strong> gesamten Gemeindeexistierten vormals 15 Gastronomiebetriebe,heute sind es nur noch fünf (siehehierzu die Kartenserie in Kapitel 4).Um die oben erwähnte analytische Tiefenschärfezu erreichen, jenseits von bloßen Zahlenund Fakten genauere Hintergründe undUrsachen ausfindig zu machen und möglicheFolgen darlegen zu können, wur<strong>den</strong> in Vorramehrere empirische Teiluntersuchungendurchgeführt. Ein wichtiges Element bestandaus problemzentrierten Interviews mit insgesamtzehn Schlüsselpersonen; ein weiteresTeilelement umfasste eine Reihe von Gesprächenmit Einwohnern und Betroffenen, immerwenn sich hierzu eine günstige Gelegenheitergab. Interviews und Gespräche kreisten umdie Fragen nach <strong>den</strong> Hintergrün<strong>den</strong>, Ursachenund Folgen des ‚Wirtshaussterbens’ vor allemaus soziokultureller Perspektive. Die Auswahl<strong>der</strong> zehn Schlüsselpersonen erfolgte auf Basis<strong>der</strong> Kategorien, auf die auch Hümmer in seinerGrundlagenuntersuchung (1980) zurückgegriffenhatte:• Vertreter <strong>der</strong> jungen Generation, welchebevorzugt neue Zentren <strong>der</strong> Freizeit unddes Konsums frequentieren• Vertreter <strong>der</strong> älteren Generation, die aufgrundihrer oftmals geringen Mobilitätbeson<strong>der</strong>s stark vom ‚Wirtshaussterben’betroffen sind• (Ehemalige) Wirtinnen/Wirte, welche oftmalsihre soziale Rolle als zentrale Instanzim Ort verloren haben• Mitglie<strong>der</strong> von Vereinen, die traditionelleine enge Bindung mit dem Wirt eingehen• (Nebenerwerbs-)Landwirte, die aufgrundsteigen<strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ungen nur nochwenig Zeit für <strong>den</strong> Wirtshausbesuch fin<strong>den</strong>Zusätzlich zu diesen Interviews in Vorra wur<strong>den</strong>zwei Interviews mit externen Expertendurchgeführt, um auch die Sicht von außerhalbauf die Entwicklung in Vorra mit in dieUntersuchung einbeziehen zu können. Eshandelte sich um einen Regionalexperten des18 | Genuss mit Geschichte?


DEHOGA Bayern sowie einen Akteur, <strong>der</strong> überlangjährige praktische Erfahrung im Gastronomiebereichverfügt und die Situation in Vorragut einschätzen konnte.Alle Interviews wur<strong>den</strong> aufgezeichnet, im Anschlusstranskribiert und zur Wahrung <strong>der</strong> Anonymitätmit einer anonymisierten Kennungversehen (vgl. die Übersicht in Tab. 3.1). Teile<strong>der</strong> verschriftlichten Texte dieser anonymisiertenInterviews wer<strong>den</strong> als Belegstellen und Zitatean diversen Stellen in vorliegen<strong>der</strong> <strong>Studie</strong>verwendet.Kürzel für diejeweilige PersonBBaFHLMPRSSLWWtBeruf bzw. Funktion<strong>der</strong> jeweiligen Personlokaler Wirtregionaler GastronomieexperteAlteingesessenerleitendes Vereinsmitgliedehemalige Wirtinjunger engagierter Ortsbewohnerlokaler Amts- und Wür<strong>den</strong>trägerRentnerNebenerwerbslandwirtWirt aus <strong>der</strong> Regionehemaliger Schankwirtüberregionaler GastronomieexperteTab. 3.1 | Liste <strong>der</strong> als Schlüsselpersonen interviewtenExpertenAuf dem eben beschriebenen Untersuchungsmodul<strong>der</strong> Experteninterviews aufbauendund zur Validierung <strong>der</strong> dort gewonnenen Ergebnissewurde ein zweites Untersuchungsmoduldurchgeführt, in dessen Rahmen einInstrument <strong>der</strong> quantitativen empirischenSozial- und Wirtschaftsforschung zum Einsatzgelangte. Im Rahmen einer Ortsbefahrungwurde in allen Ortsteilen <strong>der</strong> Gemeinde Vorraein Fragebogen an je<strong>den</strong> vierten Haushalt verteilt,was 235 Haushalten (von insgesamt 941,Senioren- und Pflegezentren ausgenommen)entspricht.Die Haushalte wur<strong>den</strong> gebeten, ein Mitglied,das älter als 16 Jahre war, <strong>den</strong> Fragebogen beantwortenzu lassen. Um die Rücklaufquotezu steigern, wurde dem Fragebogen ein Couvertzur kostenfreien Rücksendung beigelegt.Gleichzeitig wur<strong>den</strong> die Einwohner über einenArtikel in <strong>der</strong> Regionalpresse zur Teilnahme an<strong>der</strong> Fragebogenaktion aufgefor<strong>der</strong>t. Von <strong>den</strong>Rückläufen konnten insgesamt 71 verwertbareFragebögen in die <strong>Studie</strong> einbezogen wer<strong>den</strong>,was einer bemerkenswert hohen Rücklaufquotevon 30% entspricht. Die wichtigstenErgebnisse <strong>der</strong> Befragung fließen an diversenStellen in die Untersuchung mit ein und unterstreichen,dass <strong>der</strong> Fallstudiencharakter <strong>der</strong>vorliegen<strong>den</strong> <strong>Studie</strong> auf einer etwas breiteren,systematisch erarbeiteten und quantitativ ausgerichtetenGrundlage aufsetzt.<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 19


Wie eingangs bereits erwähnt könnte die Entwicklung<strong>der</strong> <strong>bayerischen</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong> wiesie sich statistisch relevant in Maß und Zahlin einer Abnahme <strong>der</strong> Betriebe in <strong>den</strong> letztenJahren und Jahrzehnten nie<strong>der</strong>schlägt nichtnur negative Aspekte, z.B. eine kräftige Marktbereinigung,mit sich bringen, son<strong>der</strong>n durchausauch mit positiven Aspekten des Wandels,<strong>der</strong> Erneuerung und <strong>der</strong> Anpassung eines traditionellenPhänomens an die Bedürfnisse undBefindlichkeiten <strong>der</strong> Menschen im 21. Jahrhun<strong>der</strong>teinhergehen. Diesem Aspekt ist eindrittes größeres, hier noch nicht veröffentlichtesUntersuchungsmodul in <strong>der</strong> <strong>Studie</strong> gewidmet,in welchem versucht wird, auf mehrerenSchienen nach vielversprechen<strong>den</strong> Ansätzensowie interessanten Konzepten und Strategienzu suchen, mit <strong>den</strong>en sich <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>sinnovative und kreative Teil <strong>der</strong> Wirtshäuser imländlichen Raum Bayerns dem übergreifen<strong>den</strong>Trend wi<strong>der</strong>setzt und für <strong>den</strong> Fortbestand <strong>der</strong><strong>bayerischen</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong> sorgt.Hier wurde ein mehrgleisiger Untersuchungsansatzverfolgt. Ein Ansatz bestand darin, dieoben bereits erwähnten Dienststellen <strong>der</strong> Regionalplanungund <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ungin Bayern um Hinweise auf beson<strong>der</strong>s erfolgreicheWirtshäuser bzw. Wirtshäuser mit interessantenKonzept und Strategien zu bitten.Systematisch kontaktiert wur<strong>den</strong> auch diezentralen Beratungsagenturen für das bayerischeGastronomiegewerbe und verschie<strong>den</strong>eGastronomieberater. Systematisch gesuchtwurde des weiteren über eine Teilgruppe des<strong>bayerischen</strong> Brauereigewerbes, die im Rahmendes European Beer Star Wettbewerbs 2012eine Auszeichnung erhalten hatte. Die ausgezeichneten<strong>bayerischen</strong> Betriebe, insgesamt38, wur<strong>den</strong> um Hinweise auf beson<strong>der</strong>s erfolgreicheAbnehmer <strong>der</strong> von diesen Brauereienerzeugten Produkte gebeten. Ebenso wur<strong>den</strong>Repräsentanten bayerischer Brauereiverbändekontaktiert und um Hinweise auf erfolgreicheBetriebe gebeten. Auf diese Weise konnten20 | Genuss mit Geschichte?


auch die Ergebnisse einer internen Umfrageunter <strong>den</strong> Mitglie<strong>der</strong>n des Verbandes <strong>der</strong> Privatbrauereienin die Untersuchung einbezogenwer<strong>den</strong>. Auch aus <strong>der</strong> Fachliteratur sowieaus wissenschaftlichen Qualifikationsarbeitenkonnten Hinweise auf interessante Wirtshäusergesammelt wer<strong>den</strong>.Insgesamt gingen 162 Hinweise ein, die gesichtetund auf Basis eines Kriterienkatalogseiner systematischen Auswahl unterzogenwur<strong>den</strong>. Letztlich blieben auf diese Weise 20Best-Practice Betriebe übrig, die von <strong>den</strong> Mitglie<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Forschergruppe (darunter eingelernter Koch, <strong>der</strong> über einen Doktortitel verfügt)persönlich aufgesucht und im Rahmeneines wie<strong>der</strong>um systematischen screeningsgenauer unter die Lupe genommen wur<strong>den</strong>.Ziel war es, kreative Ansätze, innovative Konzepteund überzeugende Strategien ausfindigzu machen, mit <strong>den</strong>en es diese Betriebe schafften,sich dem Negativtrend erfolgreich entgegenzustellenund gemäß ihrer Möglichkeiteneinen Beitrag zu einer mo<strong>der</strong>nen, <strong>den</strong> Bedürfnissenund Erfor<strong>der</strong>nissen <strong>der</strong> Menschen im21. Jahrhun<strong>der</strong>t angepassten <strong>Wirtshauskultur</strong>in Bayern zu liefern.<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 21


4 | Ausmaß und Erscheinungsformen des ,Wirtshaussterbens‘„Jede vierte Kneipe macht dicht“ so reißerischüberschrieb „Die Welt“ 2012 einen Bericht überdie Entwicklung <strong>der</strong> Kneipen und Wirtshäuserin Deutschland und bezog sich dabei auf Berechnungendes Statistischen Bundesamtes,einer durchaus angesehenen und verlässlichenQuelle. Auch an<strong>der</strong>e Medien griffen in<strong>den</strong> vergangenen Jahren dieses Thema immerwie<strong>der</strong> einmal auf – ein deutlicher Hinweis,dass <strong>der</strong> offensichtliche – und offenbar auchin Maß und Zahl genau belegbare – drastischeRückgang <strong>der</strong> Wirtshäuser bzw. Kneipen in <strong>der</strong>Öffentlichkeit auf beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeitstößt.Bemerkenswert ist an<strong>der</strong>erseits, dass es zurProblematik dieses ‚Kneipen-’ o<strong>der</strong> ‚Wirtshaussterbens’kaum wissenschaftliche Untersuchungengibt, die auf massenstatistischerBasis methodisch gesichert dem Phänomengenauer nachspüren und es in Maß und Zahlbelegen. Auch in <strong>der</strong> vorliegen<strong>den</strong> <strong>Studie</strong>kann aufgrund <strong>der</strong> Begrenztheit des Untersuchungsansatzesund <strong>der</strong> finanziellen Mittel(siehe hierzu Kapitel 3) lediglich <strong>der</strong> Versuchunternommen wer<strong>den</strong>, auf die durchaus nichteinfache Frage nach dem genauen Ausmaßund dem Umfang des ‚Wirtshaussterbens’ eineeinigermaßen zufrie<strong>den</strong>stellende Antwort zugeben.Noch schwieriger wird die Antwort, wenn dieserVersuch in räumlich differenzierter Weiseunternommen wer<strong>den</strong> soll und <strong>der</strong> Fragenachgegangen wird, wie sich dieses ‚Wirtshaussterben’auf <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en räumlichenMaßstabsebenen darstellt. Überdieskommt das hinzu, was in Kapitel 3 bereits angesprochenwurde: Da in <strong>den</strong> amtlichen Statistikendas Gastronomie-Segment ‚Wirtshaus’bzw. ‚Kneipe’ nicht geführt wird (siehe auchdie nachfolgende Textbox) und zudem in dieBegriffe durchaus unterschiedliche Vorstellungenvon dem einfließen, was ein ‚Wirtshaus’o<strong>der</strong> eine ‚Kneipe’ ist o<strong>der</strong> sein soll, gibt es vonbei<strong>den</strong> Begriffen keine genaue und allgemeingültige Definition.4.1 | Die Entwicklung <strong>der</strong> Gastronomiein Deutschland sowie im Vergleich<strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong>Richtet man zunächst einmal <strong>den</strong> Blick auf dieEntwicklung des Gastgewerbes in Deutschlandinsgesamt, wozu nicht nur einfache Kneipenund Wirtshäuser gehören, son<strong>der</strong>n ein weitesSpektrum von Betrieben wie Hotels, Gasthöfe,Pensionen, aber auch Ferienzentren, Campingplätze,Discotheken, Kantinen etc., lassen sichanhand <strong>der</strong> Zahlen des Statistischen Bundes-22 | Genuss mit Geschichte?


amtes zwei gegenläufige Prozesse feststellen:Die Zahl <strong>der</strong> Steuerpflichtigen im Gastgewerbein Deutschland nimmt seit Jahren kontinuierlichab, gleichzeitig nehmen die Umsätze in<strong>der</strong> Branche (gemessen in Lieferungen undLeistungen) parallel zur Abnahme <strong>der</strong> Steuerpflichtigennicht ab-, son<strong>der</strong>n zu. Allerdings istdieses Wachstum nach Ausweis <strong>der</strong> Daten inTabelle 4.1 nicht übermäßig, son<strong>der</strong>n bewegtsich – mit Ausnahme <strong>der</strong> letzten zwei, drei Jahre– eher in engen Grenzen (siehe auch Abb.4.1 und 4.2).JahrSteuerpflichtigeLieferungen undLeistungen (in Mrd. Euro)2000 251.865 53,32001 248.763 53,82002 247.861 52,62003 245.442 52,12004 244.871 52,82005 244.393 54,12006 242.828 56,02007 239.794 58,02008 238.217 59,62009 231.622 59,02010 230.746 62,9Zwar soll hier nicht nach <strong>den</strong> Ursachen undHintergrün<strong>den</strong> dieser Entwicklung gefragtwer<strong>den</strong>, was schwerpunktmäßig im Kapitel 6getan wird. Doch ein erster allgemeiner Hinweisauf <strong>den</strong> übergreifen<strong>den</strong> sozio-ökonomischen,demographischen und technologischenWandel, dem Gesellschaft und Wirtschaft inDeutschland unterliegen, mag zunächst einmalals vage Erklärung für die beschriebenenProzesse genügen.Wichtige Aspekte dieses Wandels sind Verän<strong>der</strong>ungen<strong>der</strong> Bevölkerungsstruktur; sich raschwandelnde Konsummuster generell sowie inbeson<strong>der</strong>er Weise in Urlaub und Freizeit; hinzukommen verän<strong>der</strong>te Mobilitäts-, InformationsundKommunikationsmöglichkeiten sowie alszwei wichtige ökonomische Rahmenbedingungennicht nur für die Gastronomie, son<strong>der</strong>nauch für an<strong>der</strong>e Bereiche von Wirtschaftund Gesellschaft in Deutschland: die makroökonomischseit Jahrzehnten feststellbare,im Vergleich mit an<strong>der</strong>en Wirtschaftssektorennicht steigende, son<strong>der</strong>n sinkende Bedeutung<strong>der</strong> Landwirtschaft sowie eine bei steigen<strong>den</strong>Einkommen und wachsendem Wohlstand unelastischreagierende, sprich in <strong>der</strong> Ten<strong>den</strong>zsinkende Nachfrage nach Nahrungsmittelnund Getränken (vgl. hierzu auch Kap. 6).2011 227.175 66,0Tab 4.1 | Anzahl <strong>der</strong> Steuerpflichtigen im gesamten Gastgewerbein Deutschland sowie die dort erzielten Umsätze (gemessenin Lieferungen und Leistungen, ohne Umsatzsteuer)Quelle: Statistisches Bundesamt<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 23


Konsequenz ist, dass sich auch die Struktur<strong>der</strong> gastronomischen Nachfrage in Anpassungan diese übergreifen<strong>den</strong>, hier nur skizziertenProzesse des Wandels und <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung inDeutschland während <strong>der</strong> letzten Jahre undJahrzehnte nicht unerheblich verän<strong>der</strong>t hat.Gastronomie-Segmente, die zu <strong>den</strong> Verän<strong>der</strong>ungenauf <strong>der</strong> Nachfrageseite gut passeno<strong>der</strong> sich an diese adaptieren, verzeichnen einrelatives Wachstum, an<strong>der</strong>e nehmen ab (vgl.Abb. 4.1 und 4.2).Als positive Beispiele seien hier die Systemgastronomie,Caterer, Imbissbu<strong>den</strong> und Bäckereicaféssowie an<strong>der</strong>e Anbieter gastronomischerLeistungen genannt, die in <strong>der</strong> Lage sind, sichflexibel an die verän<strong>der</strong>ten Bedürfnisse <strong>der</strong>Verbraucher anzupassen. Wenn es ein Produktgibt, welches die oben skizzierten übergreifen<strong>den</strong>Prozesse des Wandels wie in einem Brennglasbündelt, dann ist das <strong>der</strong> „Coffee to go“o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> „Döner“.Abb. 4.1 | Umsatzentwicklung und strukturelle Verän<strong>der</strong>ungenin <strong>der</strong> Gastronomie in Deutschland (Index 2010 = 100;jeweilige Preise)1301251201151101051000Index 2010=100109,0109,894,2124,3108,9109,197,0123,8107,2107,398,9117,3106,3106,1101,4112,9100,7101,396,6103,2100,0100,0100,0100,0103,9104,3103,2103,0105,3105,3106,0103,12005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012Gastronomie insgesamtRestaurants, Gaststätten, Imbissstuben, Cafés u.ä.Caterer u. sonst. VerpflegungsdienstleistungenAusschank von GetränkenQuelle: Statistisches Bundesamt, Wiesba<strong>den</strong> 2013 (Stand: 09.10.2013)Kartographie: S. Bauer, 201324 | Genuss mit Geschichte?


Paradigmatisch mag dafür auch die Frittenbudeals Ort <strong>der</strong> raschen, unkomplizierten undpreislich erschwinglichen, wenn auch nichtimmer qualitativ hochwertigen und gesun<strong>den</strong>Verpflegungsmöglichkeit stehen.Abb. 4.2 | Umsatzentwicklung und strukturelle Verän<strong>der</strong>ungenin <strong>der</strong> Gastronomie in Deutschland (Index 2010 = 100;konstante Preise)1351301251201151101051000Index 2010=100117,3118,1101,4132,8115,7115,8103,0130,6113,5113,4104,7123,4109,8109,5104,6116,0102,1102,597,6104,2100,0100,0100,0100,0102,2102,5101,4101,8101,3101,3102,299,92005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012Gastronomie insgesamtRestaurants, Gaststätten, Imbissstuben, Cafés u.ä.Caterer u. sonst. VerpflegungsdienstleistungenAusschank von GetränkenQuelle: Statistisches Bundesamt, Wiesba<strong>den</strong> 2013 (Stand: 09.10.2013)Kartographie: S. Bauer, 2013<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 25


Was ist ein ‚Wirtshaus’?Exkurs zur Problematik einer Definition.Die statistischen Berechnungen und die Begriffe, dieTab. 4.1 sowie <strong>den</strong> Abb. 4.1 und 4.2 zu Grunde liegen,bieten die Gelegenheit, noch einmal die Problematik<strong>der</strong> Definition eines Wirtshauses ins Blickfeld zunehmen, wie es bereits in Kapitel 3 versucht wurde.Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die Tabelle einerseitsauf <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Steuerpflichtigen aufbaut, an<strong>der</strong>erseitsfür diese jedoch eine Erfassungsgrenze gilt.Letztere ist zudem über die Jahre hinweg nicht gleichgeblieben ist. Vor 1996 lag die Grenze bei 12.782 Euro,zwischen 1996 und 2002 bei 16.617 Euro und seit 2003liegt sie bei 17.500 Euro Jahresumsatz des Steuerpflichtigen.Im Hinblick auf die Definition eines Wirtshauses unddie dahinterstehende Problematik bedeutet das, dassvon <strong>der</strong> amtlichen Statistik keine Betriebe erfasst wer<strong>den</strong>,<strong>der</strong>en steuerpflichtiger Inhaber einen Umsatzunterhalb <strong>der</strong> jeweiligen Erfassungsgrenze erzielt.Mit Sicherheit gibt es auf dem flachen Land in Bayerno<strong>der</strong> in an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n kleinere Kneipen o<strong>der</strong>Wirtshausbetriebe, die unterhalb <strong>der</strong> Erfassungsgrenzeliegen und damit zumindest in <strong>der</strong> statistischenBetrachtung außen vor bleiben – ein Aspekt, <strong>der</strong> in an<strong>der</strong>en<strong>Studie</strong>n zum ‚Wirtshaussterben’ nicht o<strong>der</strong> nichtausreichend bedacht wird.Zudem enthält die Tabelle die Umsätze <strong>der</strong> Branche,die qua Lieferungen und Leistungen berechnet wer<strong>den</strong>und ihrerseits auf Unternehmen bezogen sind. Unternehmenkönnen jedoch über eine o<strong>der</strong> auch mehrereBetriebsstätten verfügen, was für das Gastronomie-Segment ‚Wirtshaus’ eher selten relevant sein mag,aber durchaus vorkommen kann. Wichtig ist weiterhin,dass es statistisch betrachtet <strong>den</strong> Typus ‚Wirtshaus’bzw. ‚Kneipe’ nicht gibt, son<strong>der</strong>n die BegriffeSchankwirtschaft, getränke- o<strong>der</strong> speisenorientierterBetrieb o<strong>der</strong> auch Trinkhalle verwendet wer<strong>den</strong>. DieVerwendung dieser Begriffe und Bezeichnungen ist in<strong>den</strong> amtlichen Statistiken jedoch keineswegs über dieJahre hinweg unverän<strong>der</strong>t geblieben, vielmehr wurdedie Systematik einige Male verän<strong>der</strong>t und mit ihr dieBegriffe und Bezeichnungen. Ein <strong>der</strong>artiger Wechselerfolgte zuletzt 2008, doch auch 2003 sowie einigeJahren zuvor waren bereits Verän<strong>der</strong>ungen vorgenommenwor<strong>den</strong>. Forscher, die sich mit dem Komplexdes ‚Wirtshaussterbens’ auseinan<strong>der</strong>setzen, sind deshalbgut beraten, die jeweils verfügbare Datenbasisgenauer und vor allem auch kritisch zu hinterfragenund nicht ausschließlich auf ein quantitativ ausgerichtetesUntersuchungsdesign zu setzen.Bleibt man auf <strong>der</strong> gesamtdeutschen Ebene, richtetseinen Blick aber auf die Kategorie ‚Schankwirtschaft’,die in <strong>der</strong> Statistik des Bundesamtes dem Typus ‚Wirtshaus’o<strong>der</strong> ‚Kneipe’ noch am besten nahekommendürfte, erscheint die eingangs abgedruckte, als reißerischtitulierte Überschrift in dem zitierten Bericht <strong>der</strong>„Welt“ eher noch als verharmlosend. Vergleicht mandie neuesten Daten des Statistischen Bundesamtes,die für das Jahr 2011 für die Schankwirtschaften verfügbarsind, mit <strong>den</strong> Daten aus dem Jahr 2000, stelltsich die Entwicklung als noch dramatischer dar: Es istnicht jede vierte, wie „Die Welt“ titelte, son<strong>der</strong>n es istfast schon jede dritte Wirtschaft o<strong>der</strong> Kneipe, die ihrenBetrieb in dieser Zeitspanne einstellen musste (vgl.Abb. 4.3).26 | Genuss mit Geschichte?


Verlässt man die gesamtdeutsche Ebene undfragt nach <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Betriebein räumlicher Differenzierung auf <strong>der</strong> Ebene<strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong>, gibt es fast durchweg Negativeszu berichten. Nordrhein-Westfalen führtdie Negativliste <strong>der</strong> Betriebsschließungen mitweitem Vorsprung an. Dort sind es offenbar dietypischen Eckkneipen, die dem Wirtshaussterbenim Vergleichszeitraum in sehr hoher Zahlzum Opfer gefallen sind.Gemessen in absoluten Zahlen rangiert Bayern,das traditionell sehr stark von <strong>der</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong>geprägt und mit einem entsprechen<strong>den</strong>,durchaus positiven Image behaftetist, gleich hinter Nordrhein-Westfalen aufRangplatz 2 <strong>der</strong> Negativliste. Gemäß <strong>den</strong> Berechnungendes Statistischen Bundesamtesmusste Bayern zwischen 2000 und 2011 einenVerlust von fast einem Drittel seiner Schankwirtschaftenhinnehmen.Den relativ betrachtet stärksten Rückgang verzeichnetjedoch <strong>der</strong> Stadtstaat Hamburg. Dortnimmt das ‚Wirtshaussterben’ geradezu dramatischeAusmaße an: Im Vergleich <strong>der</strong> bei<strong>den</strong>Stichjahre hat sich in Hamburg die Zahl <strong>der</strong>in <strong>der</strong> amtlichen Statistik als Schankwirtschaftgeführten Betriebe nahezu halbiert.Zahl <strong>der</strong> Schankbetriebe 2011Nordrhein-WestfalenBayernNie<strong>der</strong>sachsenHessenRheinland-PfalzBa<strong>den</strong>-WürttembergSaarlandBerlinSachsenHamburgThüringenSachsen-AnhaltSchleswig-HolsteinBran<strong>den</strong>burgBremenMecklenb.-VorpommernDeutschlandQuelle: Statistisches Bundesamt, 20134.3593.8503.5003.1002.4501.2111.0981.0597827777197006524013679.34634.371Verän<strong>der</strong>ung seit2000 in %-36,4-29,6-47,9-16,1-25,5+13,4-36,5+107,2-34,7-48,9-35,3-37,9-24,3-29,7-24,5-17,2-30,6Kartographie: S. Bauer, 2013Abb. 4.3 | Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Schankbetriebeim Vergleich <strong>der</strong> Jahre 2000 und 2011Bemerkenswert ist demgegenüber die Entwicklungin Berlin, die ein diametral entgegengesetztesBild zeigt: Dort ist die Zahl <strong>der</strong>Schankwirtschaften nicht wie fast überall in<strong>den</strong> an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n zurückgegangen,son<strong>der</strong>n angestiegen. Der Anstieg ist imVergleichszeitraum auch nicht beschei<strong>den</strong>ausgefallen, wie etwa in Ba<strong>den</strong>-Württemberg,dem zweiten Bundesland mit einer positivenEntwicklung <strong>der</strong> Wirtshäuser und Kneipen,son<strong>der</strong>n durchaus kräftig. Die Zahl <strong>der</strong> Schankwirtschaftenin Berlin hat sich zwischen 2000und 2011 mehr als verdoppelt, was dort wohl<strong>der</strong> dynamischen Entwicklung von Berlin alsBundeshauptstadt geschuldet ist.<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 27


Doch nicht nur die Bundesrepublik insgesamtund auch die meisten Bundeslän<strong>der</strong> sind von<strong>der</strong> Problematik des ‚Wirtshaussterbens’ betroffen.Eine <strong>Studie</strong> an <strong>der</strong> Universität Linz ausdem Jahr 2011 zur Zukunft <strong>der</strong> Landgastronomiegibt anhand des Bundeslandes Oberösterreicheinen Einblick, wie sich die Gastronomiein unserem Nachbarland entwickelt hat undwelch be<strong>den</strong>kliche Ausmaße das ‚Wirtshaussterben’dort annimmt: Von über 400 befragtenGemein<strong>den</strong> gaben mehr als 50% an, imvergangenen Jahrzehnt zumindest ein Gasthausverloren zu haben (vgl. Hunger 2011: 84).Zum Stichjahr <strong>der</strong> Befragung konnten die Forscherauf dem Gebiet <strong>der</strong> Gemein<strong>den</strong>, die indie Untersuchung einbezogen wur<strong>den</strong>, 1200Gaststätten erfassen. 305 Betriebe waren imUntersuchungszeitraum von zehn Jahren dem‚Wirtshaussterben’ zum Opfer gefallen.4.2 | Die Entwicklung <strong>der</strong> Gastronomie inBayernIm Jahr 2011 gab <strong>der</strong> Bayerische Hotel- undGaststättenverband bekannt, dass etwa 500bayerische Gemein<strong>den</strong> kein Wirtshaus mehrbesitzen. Dies entspricht mit einem Anteil vonknapp 24% rund einem Viertel aller <strong>bayerischen</strong>Gemein<strong>den</strong> (vgl. DEHOGA Bayern e.V.2011: 3). Betrachtet man nicht nur ein Jahr,son<strong>der</strong>n sieht man sich die Entwicklung in Bayernauf Basis des in <strong>den</strong> amtlichen Statistikenausgewiesenen Typus ‚Schankwirtschaft’ übereinen längeren Zeitraum an, ergibt sich einBild, das in Abb. 4.4 enthalten ist und nur einenSchluss zulässt: Die Abnahme ist so rapide,dass hier völlig zu Recht vom ‚Wirtshaussterben’gesprochen wer<strong>den</strong> kann.Abb. 4.4 | Entwicklung <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Schankwirtschaften inBayern zwischen 1996 und 20117.5007.0006.500R² = 0,986.0005.5005.0004.5004.0001996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 20102011Anteil <strong>der</strong> Landwirtschaft an <strong>den</strong> Erwerbstätigen Kartographie: S. Bauer, 2013Quelle: Statistische Berichte des Bayerischen Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung (1998 bis 2013)28 | Genuss mit Geschichte?


Würde man zeitlich noch weiter zurückgreifen,dürfte <strong>der</strong> drastische Rückgang wohl nochdeutlicher zu Tage treten. Die Datenreihen desBayerischen Statistischen Landesamt reichenzwar bis in die 1950er Jahre zurück, allerdingswur<strong>den</strong> sowohl das methodische Vorgehenbei <strong>der</strong> Erfassung als auch die jeweilige Erhebungsbasismehrfach verän<strong>der</strong>t, so dass hierauf die Darstellung <strong>der</strong> weiter zurück reichen<strong>den</strong>Zeitreihe verzichtet wurde. Um jedocheine Größenvorstellung zu bekommen, kanndavon ausgegangen wer<strong>den</strong>, dass es in Bayernim Jahr 1980 etwa 8.000 Wirtshäuser gegebenhaben dürfte. Diese Zahl ist bis zum aktuellenStand des Jahres 2011 auf 4.359 Schankwirtschaftenabgesunken, was einem Rückgang inHöhe von immerhin etwa 45% entspricht.Bezieht man gleichzeitig die Umsatzentwicklungin <strong>den</strong> ausgewiesenen Segmenten <strong>der</strong><strong>bayerischen</strong> Gastronomie in Abb. 4.6 für <strong>den</strong>Vergleichszeitraum mit in die Analyse ein, wirddeutlich, dass Bayern nicht ganz dem Trend<strong>der</strong> übergreifen<strong>den</strong> Entwicklung folgt, wie erzu Beginn des Kapitels für die Gastronomie inDeutschland insgesamt herausgearbeitet wurde:Einerseits ist die Zahl <strong>der</strong> Gastronomiebetriebein Bayern nicht ganz so stark rückläufigwie in Deutschland. An<strong>der</strong>erseits gelingt es<strong>den</strong> <strong>bayerischen</strong> Gastronomen offenbar besserals ihren Kollegen im restlichen Bundesgebiet,ein etwas stärkeres Umsatzwachstum zu erzielen.Um ein noch genaueres Bild <strong>der</strong> Entwicklungzu bekommen, genügt es jedoch nicht, mit<strong>den</strong> Schankwirtschaften <strong>den</strong> Blick lediglich aufein Segment <strong>der</strong> Gastronomie zu werfen unddort die Entwicklung <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Betriebe zuverfolgen. Die Daten in Abb. 4.5 ermöglichenes trotz <strong>der</strong> Umstellung <strong>der</strong> statistischen Erhebungsbasiszwischen <strong>den</strong> Jahren 2008 und2009, die Schankwirtschaften in <strong>den</strong> größerenKontext <strong>der</strong> gastronomischen Gesamtentwicklungin Bayern während <strong>der</strong> vergangenen zehnJahre einzuordnen. Basis ist hier die Zahl <strong>der</strong>Steuerpflichtigen in jedem Segment, wie es in<strong>der</strong> Textbox zu Beginn des Kapitels mit durchauskritischem Blick erläutert wurde.<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 29


Differenziert man nach <strong>den</strong> jeweiligen Segmentenund betrachtet <strong>der</strong>en Entwicklung,scheint Bayern jedoch <strong>den</strong> gleichen Weg wiealle an<strong>der</strong>en Gastronomiebetriebe in Deutschlandinsgesamt zu gehen: Gemessen an <strong>der</strong>Zahl <strong>der</strong> Betriebe zeigen die eher getränkeorientiertenSegmente des <strong>bayerischen</strong> Gastronomiegewerbesschrumpfende Ten<strong>den</strong>zen.Die speisenorientierten Segmente stagniereno<strong>der</strong> sie nehmen nur leicht zu. Lediglich dieCatering-Betriebe und die sonstigen Verpflegungsdienstleisterzeigen aus Grün<strong>den</strong>, wiesie eingangs im Bezug auf Gesamtdeutschlandbereits erläutert wur<strong>den</strong>, nicht unerheblicheWachstumsten<strong>den</strong>zen.Sehr aufschlussreich ist das Bild, das sich ergibt,wenn man die Entwicklung <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Betriebein <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Segmenten in Abb.4.5 mit <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Umsätze in diesenSegmenten in Abb. 4.6 betrachtet und dies für<strong>den</strong> Vergleichszeitraum tut. Allein schon dieRelation <strong>der</strong> unterschiedlichen Säulenhöhen,mit <strong>den</strong>en die Zahl <strong>der</strong> getränkeorientiertenBetriebe und <strong>der</strong>en Umsätze in bei<strong>den</strong> Abbildungendargestellt sind, macht deutlich, dassdieses Segment ökonomisch weniger effizientaufgestellt ist als die an<strong>der</strong>en Segmente. Beson<strong>der</strong>sdeutlich wird dies bei <strong>der</strong> Kategorie<strong>der</strong> getränkeorientierten Betriebe, zu <strong>der</strong> dieSchankwirtschaften gehören.4.2.1 | Gastronomische Entwicklung auf <strong>der</strong>Ebene <strong>der</strong> Landkreise und kreisfreienStädten in BayernWährend in <strong>den</strong> vorhergehen<strong>den</strong> Teilkapitelndie gastronomische Entwicklung auf <strong>der</strong> EbeneDeutschlands und Gesamtbayerns behandeltwurde, wer<strong>den</strong> mit <strong>den</strong> nachfolgen<strong>den</strong> Ausführungenräumlich noch weiter ausdifferenzierteEbenen in <strong>den</strong> Mittelpunkt <strong>der</strong> Betrachtunggerückt. Dies bedeutet allerdings, dassdie zeitliche Perspektive etwas enger gefasstund auf die Jahre 2006 bzw. 2011 konzentriertwer<strong>den</strong> muss, weil es für räumlich disaggregierteEbenen keine konsistenten amtlichenDaten für einen längeren Überblickszeitraumgibt.Was die Entwicklung <strong>der</strong> speisen- und getränkeorientiertenBetriebe zwischen <strong>den</strong> Jahren2006 und 2011 auf Ebene <strong>der</strong> Landkreisesowie kreisfreien Städte angeht, ist festzustellen,dass sich hierbei ein sehr differenziertes,äußerst buntes Bild ergibt. Der übergreifendeTrend <strong>der</strong> rückläufigen Entwicklung, <strong>der</strong> gernmit dem Begriff des ‚Wirtshaussterbens’ belegtwird, paust sich zwar auf allen räumlichen Ebenendurch, doch bei einer genaueren, räumlichausdifferenzierten Betrachtung wer<strong>den</strong> beachtlicheUnterschiede deutlich: zum einen imHinblick auf Landkreise und kreisfreien Städte,zum an<strong>der</strong>en im Hinblick auf die bei<strong>den</strong> Kategorien<strong>der</strong> speisen- bzw. <strong>der</strong> getränkeorientiertenBetriebe (zu <strong>den</strong>en als Unterkategorie30 | Genuss mit Geschichte?


Umstellung <strong>der</strong>statistischen Erhebungsbasis1.0741.2971.5951.735 1.844 1.97620.279 20.861 20.6851.5801.7707.6781.8277.4636.9206.098 5.693 5.0932002 2005 2008Quelle: Statistisches Bundesamt, 2013Caterer und KantinenSpeisenorientierteGastronomieGetränkeorientierteGastronomie,darunter Schankwirtschaften20.932 20.843 20.8681.7341.7166.584 6.3391.6716.0304.850 4.623 4.3592009 2010 2011Caterer und sonstigeVerpflegungsdienstleisterRestaurants, Gaststätten,Imbissstuben und CafésAusschank von Getränkendarunter SchankwirtschaftenKartographie: S. Bauer, 2013Abb. 4.5 |Anzahl und Entwicklung<strong>der</strong> Gastronomiebetriebein Bayern gemäßSegmenten sowie imVergleich ausgewählterJahreUmstellung <strong>der</strong>statistischen Erhebungsbasis337.610369.971468.549498.480590.462652.7094.965.4345.073.5505.642.845Caterer und KantinenSpeisenorientierteGastronomieGetränkeorientierteGastronomie,darunter Schankwirtschaften5.856.7246.066.1776.393.159Caterer und sonstigeVerpflegungsdienstleisterRestaurants, Gaststätten,Imbissstuben und CafésAusschank von Getränkendarunter Schankwirtschaften387.427 417.5841.222.8971.257.116 444.3951.066.879835.470 839.532 622.4842002 2005 2008Quelle: Statistisches Bundesamt, 2013459.683439.341 472.5401.048.733 1.062.4001.087.688609.392 602.717 615.1482009 2010 2011Kartographie: S. Bauer, 2013Abb. 4.6 |Umsatzentwicklung <strong>der</strong>Gastronomiebetriebe inBayern gemäß Segmentensowie im Vergleichausgewählter Jahre<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 31


die Schwankwirtschaften gehören), die alssolche in <strong>der</strong> amtlichen Statistik seit mehrerenJahren getrennt ausgewiesen wer<strong>den</strong>.<strong>Zur</strong> Entwicklung <strong>der</strong> speisenorientiertenBetriebeDie Zahl <strong>der</strong> speisenorientierten Betriebelag im Jahr 2011 <strong>den</strong> Erwartungen entsprechendin <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> kreisfreien GroßstädtenMünchen (2.553) und Nürnberg (1.014) amhöchsten. Die zahlenmäßig wenigsten Betriebedieser Art entfielen im selben Jahr auf diekreisfreien Städte Amberg (73) und Schwabach(75).Hinsichtlich <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Betriebeseit 2006 ist festzustellen, dass es nur wenigeLandkreise gibt, die sich erfolgreich dem‚Wirtshaussterben‘ entgegenstellen, in <strong>den</strong>enalso die Zahl <strong>der</strong> Betriebe in dieser Kategoriegesteigert wer<strong>den</strong> konnte (vgl. Abb. 4.7). Positivzu nennen ist hier <strong>der</strong> Landkreis Cham miteiner Intensität <strong>der</strong> Zunahme zwischen 10 und15 Prozent. Beson<strong>der</strong>s gut entwickelte sich dieSituation auch in <strong>den</strong> Landkreisen Forchheimund Straubing-Bogen (ohne kreisfreie Stadt)mit einer Intensität <strong>der</strong> Zunahme von mehr als15 Prozent.<strong>Für</strong> die meisten ist jedoch zu konstatieren, dasssich die Anzahl <strong>der</strong> speisenorientierten Betriebezwischen 2006 und 2011 mehr o<strong>der</strong> wenigerstark verringert hat. In <strong>den</strong> LandkreisenEichstätt und Tirschenreuth ist die Intensitätdes Rückgangs beson<strong>der</strong>s stark ausgeprägt,hier wer<strong>den</strong> Werte unterhalb <strong>der</strong> -15 ProzentMarke erreicht. Etwas weniger stark rückläufig,aber <strong>den</strong>noch von einem Rückgang zwischen-10 und -15 Prozent betroffen, entwickeltensich die kreisfreie Stadt Schweinfurt sowie dieLandkreise Würzburg (ohne kreisfreie Stadt),Coburg (ohne kreisfreie Stadt), Bayreuth (ohnekreisfreie Stadt), Neu-Ulm, Dillingen, Aichach,Ostallgäu, Traunstein, Dingolfing-Landau sowiedie Nachbarlandkreise Regen und Freyung-Grafenau.Bemerkenswert ist hierbei, dassdie Landkreise Dingolfing-Landau und Regenan Landkreise grenzen, in <strong>den</strong> sich die Situationim gleichen Zeitraum durchaus positiv entwickelte.Interessant in diesem Kontext ist hier die übergeordneteFrage, ob und ggf. inwieweit sichdie Entwicklung in <strong>den</strong> Städten von <strong>der</strong> Entwicklungin <strong>den</strong> Landkreisen unterscheidet.Hier ergibt sich wie<strong>der</strong>um ein differenziertesBild. Um Vergleichbarkeit gewährleisten zukönnen, wur<strong>den</strong> in die Betrachtung nur diejenigenkreisfreien Städte einbezogen, die voneinem Landkreis komplett umschlossen sind,also nicht an mehrere Landkreise angrenzen.Es ergibt sich folgendes Ergebnis: Mit Bayreuth,Coburg, Kaufbeuren, Kempten und Würzburghaben sich fünf kreisfreie Städte im Vergleichszeitraumpositiver als <strong>der</strong> sie jeweils umschließendeLandkreis entwickelt. In vier weiterenStädten (Bamberg, Memmingen, Passau, Regensburg)ließen sich keine Unterschiedeausfindig machen. An<strong>der</strong>erseits ist die Intensi-32 | Genuss mit Geschichte?


tät des Rückgangs in acht kreisfreien Städten(Amberg, Ansbach, Hof, Landshut, Rosenheim,Schweinfurt, Straubing, Wei<strong>den</strong> i.d. Oberpfalz)intensiver ausgeprägt als im Landkreis, <strong>der</strong> dieseStädte jeweils umschließt.Ein räumlich regelhaftes Muster ist angesichtsdieser Ergebnisse nicht erkennbar. Auf keinenFall kann die Annahme gestützt wer<strong>den</strong>, dass<strong>der</strong> ländliche Raum, <strong>der</strong> weitab von größerenstädtischen Zentren liegt, vom Rückgang speisenorientierterGaststätten stärker als <strong>der</strong> urbaneRaum betroffen ist.<strong>Zur</strong> Entwicklung <strong>der</strong> getränkeorientiertenBetriebeGenerell ist zunächst einmal zu konstatieren,dass die Zahl <strong>der</strong> getränkeorientierten Betriebein Bayern, zu <strong>den</strong>en als Unterkategorie dieSchankwirtschaften gemäß amtlicher Statistikgehören, bei weitem geringer ist als die Zahl<strong>der</strong> speisenorientierten Gaststätten. Die genaueRelation lässt sich aus Abb. 4.5 entnehmenWas die Entwicklung <strong>der</strong> getränkeorientiertenBetriebe in <strong>den</strong> Landkreisen und kreisfreienStädten Bayerns im Vergleich <strong>der</strong> Jahre 2006und 2011 angeht, gestaltet sich die Situationweitaus dramatischer als bei <strong>den</strong> speisenorientiertenWirtshäusern (siehe Abb. 4.8).Zunächst einmal kann festgestellt wer<strong>den</strong>,dass, wie nicht an<strong>der</strong>s zu erwarten war, dieZahl <strong>der</strong> getränkeorientierten Betriebe im Jahr2011 in <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> kreisfreien Städten München(291) und Nürnberg (161) am höchstenlag. Die wenigsten getränkeorientierten Betriebewaren im selben Jahr in <strong>den</strong> kreisfreienStädten Coburg (16), Memmingen (16) sowieSchwabach (13) zu fin<strong>den</strong>.Sieht man sich die Entwicklung <strong>der</strong> getränkeorientiertenBetriebe zwischen 2006 und 2011an, ist festzustellen, dass sich nur eine sehr geringeZahl an Landkreisen positiv vom allgemeinenrückläufigen Trend abhebt. Interessantist hierbei, dass die Landkreise mit <strong>den</strong> höchstenZuwachsraten allesamt im Münchner Umland(jedoch nicht in <strong>der</strong> Stadt München)verortet sind. So konnten die Landkreise <strong>Für</strong>stenfeldbruck,Starnberg und Ebersberg im Vergleichszeitraumjeweils zwischen 15 und 20Prozent zulegen; im Landkreis München sowiein <strong>der</strong> kreisfreien Stadt Rosenheim ist die Zahl<strong>der</strong> getränkeorientierten Betriebe zwischen2006 und 2011 prozentual gesehen noch stärkerangestiegen.Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite wird deutlich, dass dieZahl <strong>der</strong> Landkreise und kreisfreien Städte, diein <strong>den</strong> wenigen Jahren zwischen 2006 und2011 Verluste unterhalb <strong>der</strong> -30 Prozent Markeeinfahren, hoch ist. Rückgänge zwischen - 30und - 40 Prozent entfielen auf die LandkreiseBad Kissingen, Neustadt a.d. Waldnaab, Regensburg(nicht die kreisfreie Stadt), Augsburg<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 33


ABMILABMSPKGWÜSWNESSWKTHASBACOCOERHBALIFFOKCKUBTHOBTHONEWWUNTIRWENWÜNUMMNEAGZMNANANDLGDONFÜAKFERFÜNASCWUGLLAICRHNDFFBLAUEIDAHSTANMINPAFMMASFSAMKEHREDEBEROSADLARORLAMÜSRDGFTSCHASRAÖREGDEGPANPAPAFRGLIKEOALWMTÖLMBBGLOAGAPAbb. 4.7 |Die Entwicklung <strong>der</strong>speisenorientierten gastronomischenBetriebe in<strong>den</strong> Landkreisen Bayernsim Vergleich <strong>der</strong> Jahre2006 und 2011Anzahl BetriebeJahr2006Jahr20111 mm Säulenhöhe50 Betriebe0 25 50kmIntensität <strong>der</strong> Zunahme bzw. des Rückgangs (in %)-15 -10 -5 0 5 10 15Quelle: Statistisches Bundesamt, 2013Kartographie: S. Bauer, 201334 | Genuss mit Geschichte?


ABABMSPNESKGSWSWWÜHASCOCOBABALIFKCKUBTHOHOWUNTIRMILKTERHFOBTNEWWENWÜNEAFÜERFÜNLAUASAMNUMMANANDONDLGAGZMNKFASCNMRHWUGEIINNDPAFAICFSDAHFFBMLL STA MKEHSADCHARSR REGRSRDEGLA DGFLAPANEDMÜ AÖEBERORO TSPAPAFRGLIKEOALWMTÖLMBBGLOAGAPAnzahl BetriebeJahr2006Jahr20111 mm Säulenhöhe10 Betriebe0 25 50kmIntensität <strong>der</strong> Zunahme bzw. des Rückgangs (in %)-40 -30 -20 -10 -5 0 5 10 15 20 25 30Quelle: Statistisches Bundesamt, 2013Kartographie: S. Bauer, 2013Abb. 4.8 |Die Entwicklung <strong>der</strong>getränkeorientiertengastronomischen Betriebein <strong>den</strong> LandkreisenBayerns im Vergleich <strong>der</strong>Jahre 2006 und 2011<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 35


(nicht die kreisfreie Stadt), die NachbarlandkreiseWeilheim-Schongau und Garmisch-Partenkirchensowie auf einen sich von Nord nachSüd erstrecken<strong>den</strong> Gürtel aneinan<strong>der</strong> angrenzen<strong>der</strong>Landkreise und kreisfreier Städte, bestehendaus Erlangen-Höchstadt, <strong>Für</strong>th (nichtdie kreisfreie Stadt), Roth sowie Eichstätt. Einennoch stärkeren Verlust erlei<strong>den</strong> <strong>der</strong> LandkreisTirschenreuth sowie die kreisfreien Städte Coburgund Hof. Hier liegt <strong>der</strong> Rückgang unterhalb<strong>der</strong> - 40 Prozent Marke.Erneut stellt sich die übergeordnete Frage, obund ggf. in wieweit es bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong>getränkeorientierten Betriebe Unterschiedezwischen dem ländlichen Raum einerseits und<strong>den</strong> urbanen Zentren an<strong>der</strong>erseits gibt. AusGrün<strong>den</strong> <strong>der</strong> Vergleichbarkeit wur<strong>den</strong> zur Beantwortungdieser Frage wie<strong>der</strong>um nur diejenigenkreisfreien Städte einbezogen, die voneinem Landkreis komplett umschlossen sindund nicht an mehrere bayerische Landkreiseangrenzen. Es ergibt sich folgendes Bild: Inneun kreisfreien Städten hatte sich die Situationzwischen 2006 und 2011 positiver entwickeltals im angrenzen<strong>den</strong> Landkreis (Bayreuth,Kaufbeuren, Kempten, Passau, Regensburg,Rosenheim, Schweinfurt, Wei<strong>den</strong>, Würzburg),in zwei kreisfreien Städten waren keine Unterschiedefestzustellen (Ansbach, Memmingen),während in sechs kreisfreien Städten dieEntwicklung negativer verlief als im jeweilsangrenzen<strong>den</strong> Landkreis (Amberg, Bamberg,Coburg, Hof, Landshut, Straubing). Das ist zwarkein deutlicher Unterschied, doch im Hinblickauf die Frage, ob die getränkeorientierten Betriebeim ländliche Raum vom Rückgang stärkerals die urbanen Zentren sind, zeichnet sichin <strong>der</strong> Ten<strong>den</strong>z ab, dass <strong>der</strong> städtische Raumim Vergleichszeitraum weniger stark als das‚flache Land’ unter <strong>der</strong> negativen Entwicklunggelitten hat.Fazit. Die Intensität des Rückgangs ist bei <strong>den</strong>getränkeorientierten Betrieben beson<strong>der</strong>sstark, um nicht zu sagen dramatisch ausgeprägt.Hier konnten nur wenige Landkreisezulegen, wobei <strong>der</strong> ‚Speckgürtel‘ im MünchnerUmland sogar noch ein wenig stärker herausragt.Bei <strong>den</strong> speisenorientierten Betrieben istdie rückläufige Entwicklung insgesamt zwarnicht so stark, doch in vielen Landkreisennimmt sie ein durchaus besorgniserregendesAusmaß ein. Beson<strong>der</strong>s negativ gestaltet sichdie Entwicklung in <strong>den</strong> Landkreisen Tirschenreuthund Eichstätt, <strong>den</strong>n hier war die Intensitätdes Rückgangs sowohl bei <strong>den</strong> speisen- alsauch gleichzeitig bei <strong>den</strong> getränkeorientiertenBetrieben auffällig stark negativ ausgeprägt.4.2.2 | Die lokale und regionale Ebene: Dieexemplarische UntersuchungsgemeindeVorra sowie die Altlandkreise Bamberg und Hersbrucker LandMit <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> <strong>bayerischen</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong>auf einer räumlich weitgehenddisaggregierten Ebene hat sich Hümmer bereitsin <strong>den</strong> 1980er Jahren intensiv beschäftigt36 | Genuss mit Geschichte?


und hierzu eine erste und fundierte <strong>Studie</strong> zurEntwicklung <strong>der</strong> <strong>bayerischen</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong>vorgelegt (vgl. Hümmer 1980). Diese <strong>Studie</strong>ermöglicht es, am Beispiel <strong>der</strong> GroßgemeindeHeiligenstadt im Landkreis Bamberg in dieTiefe zu gehen und Einblick in einen Prozess zubekommen, <strong>der</strong> offenbar bereits vor einigenJahrzehnten begonnen hat. Hümmer konntefür <strong>den</strong> Landkreis Bamberg im Detail aufzeigen,welches Ausmaß die rückläufige Entwicklung<strong>der</strong> Wirtshäuser bereits damals, in <strong>den</strong>Jahrzehnten zwischen 1950 und 1980, angenommenhatte. Dabei zeigte sich, dass die Zahl<strong>der</strong> Dorfwirtshäuser beson<strong>der</strong>s seit etwa 1970stark rückläufig war, <strong>der</strong> Trend danach zwar etwasabflachte, <strong>der</strong> Schrumpfungsprozess sich<strong>den</strong>noch insgesamt fortsetzte – und bis heuteanhält, so könnte aus Sicht <strong>der</strong> vorliegen<strong>den</strong><strong>Studie</strong> ergänzt wer<strong>den</strong>.Hümmer war selbst Bürger in <strong>der</strong> von ihm ausgewähltenBeispielgemeinde. Er war deshalbin <strong>der</strong> Lage, <strong>den</strong> Verlust <strong>der</strong> Dorfwirtshäuserakribisch nachzuvollziehen und in <strong>der</strong> in Abb.4.9 enthaltenen Detailkarte für die Nachweltfestzuhalten. Hümmer war jedoch nicht nurBürger in Heiligenstadt, son<strong>der</strong>n auch Wissenschaftlerund brachte daher die erfor<strong>der</strong>lichenVoraussetzungen mit, um als genauer Beobachterund in einer tiefgründigen Analyse dasBündel an Ursachen und Hintergrün<strong>den</strong> zuerforschen, das schon damals zur rückläufigenEntwicklung <strong>der</strong> Dorfwirtshäuser in seiner Untersuchungsregiongeführt hatte (vgl. hierzuKap. 6).Auch in <strong>der</strong> hier vorliegen<strong>den</strong> aktuellen <strong>Studie</strong>zur Lage <strong>der</strong> Dorfwirtshäuser in Bayern wurdeähnlich wie bei Hümmer ein exemplarischerUntersuchungsansatz gewählt, weil dieser eserlaubt, anhand einer ausgewählten Beispielgemeindeund jenseits aller nüchternen statistischenZahlen und Ziffern in die Tiefe zugehen. Wie mehrfach erwähnt, fiel die systematischdurchgeführte Wahl auf Vorra im OberenPegnitztal <strong>der</strong> Hersbrucker Schweiz (vgl.hierzu Kap. 3).Vorra erwies sich für die Zwecke <strong>der</strong> Untersuchungauch deshalb als ein beson<strong>der</strong>erGlücksfall, als die Autoren <strong>der</strong> vorliegen<strong>den</strong><strong>Studie</strong> bei <strong>den</strong> vor Ort durchgeführten empirischenErhebungen auf eine kleine Gruppevon Personen in <strong>der</strong> Region stieß, die sich auspersönlichem Interesse und aus einem starkenGefühl <strong>der</strong> Heimatverbun<strong>den</strong>heit heraus mit<strong>der</strong> Geschichte und <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Dorfwirtshäuserin ihrer Herkunftsregion intensivbeschäftigen und hierzu auch ein Buchprojektplanen. Die Karte in Abb. 4.10, in welcherversucht wird, die zahlenmäßige Entwicklung<strong>der</strong> Gaststätten für <strong>den</strong> Altlandkreis HersbruckerLand nachzuzeichnen, ist Ergebnis dieserBemühungen. In räumlicher Differenzierungund für die Zeit ab 1900 macht die Karte fürdie Täler in diesem Landkreis und für die StadtHersbruck deutlich, wie stark die Region vomRückgang <strong>der</strong> traditionellen Gastronomiebetriebeseit jener Zeit betroffen ist.<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 37


Um das Jahr 1900 waren im Altlandkreis Hersbruck,bestehend aus <strong>den</strong> Regionen Hersbruck,Oberes Pegnitztal, Högenbachtal, Albachtal,Hammerbachtal, Unteres Pegnitztalsowie Sittenbachtal in etwa 250 Wirtshäuserverortet. Dabei entfielen allein auf Hersbruck(mit Ortsteilen) 65 Betriebe. Im Oberen Pegnitztalsowie im Albachtal gab es zu diesemZeitpunkt jeweils 49 Wirtshäuser. Auf das Högenbachtalsowie auf das Hammerbachtal entfielenum das Jahr 1900 jeweils 25 Wirtshäuser,auf das Sittenbachtal 24. Die geringste Zahl anWirtshäusern (13) war im ‚Unteren Pegnitztal‘verortet. Von diesen einstmals immerhin rund250 Gaststätten sind heute lediglich 97 Betriebeübrig geblieben.<strong>Zur</strong> Situation <strong>der</strong> Gastronomie in Vorra in<strong>der</strong> VergangenheitVorra ist Teil dieses Altlandkreises und deshalbist es angesichts <strong>der</strong> vormals hohen Wirtshausdichtein <strong>der</strong> Region gut nachvollziehbar, dassdas frühere Erscheinungsbild <strong>der</strong> Gemeindevon einer hohen Wirtshausdichte geprägt war.Allein im Hauptort gab es sechs traditionelleAbb. 4.9 |Der Verlust <strong>der</strong> Dorfwirtshäuserim LandkreisBamberg zwischen 1950und 1979 (Hümmer1980: 116)38 | Genuss mit Geschichte?


fränkische Wirtshäuser (vgl. R: 1). Zwei <strong>der</strong> befragtenSchlüsselpersonen in Vorra schwärmennoch heute von einigen dieser Wirtshäuser, <strong>der</strong>enguter Ruf teilweise weit über die Grenzen<strong>der</strong> Gemeinde hinaus bekannt war (vgl. S: 1; H:11 f). Auch die Beziehung zwischen <strong>den</strong> Wirtenund Einwohnern schien gemäß <strong>den</strong> Aussagen<strong>der</strong> Befragten etwas Beson<strong>der</strong>es gewesenzu sein, <strong>den</strong>n sie zeichneten sich durch eineenge gegenseitige Bindung aus. Dabei spieltenoffenbar die Vereine eine wichtige Rolle. Einer<strong>der</strong> Befragten erzählt, dass Vereinsmitglie<strong>der</strong>ein Vorrecht zum Besuch bestimmter traditionellerVeranstaltungen in <strong>den</strong> Wirtshäusernhatten (vgl. H: 13).Alle diese Aspekte führten gemäß <strong>den</strong> Schil<strong>der</strong>ungen<strong>der</strong> Schlüsselpersonen dazu, dass dieWirthäuser in <strong>der</strong> Beispielgemeinde stets gutbesucht wur<strong>den</strong> (vgl. H: 11), weil sie tief im Alltagsleben<strong>der</strong> Bürger verankert waren. Ein Gesprächspartnerberichtet, dass die Erledigungvon Einkäufen geradezu systematisch an einenBesuch im Wirtshaus gekoppelt wurde (vgl. R:1). Außerdem bestand für die Wirte die Möglichkeit,Gäste nicht nur aus <strong>der</strong> eigenen Gemeindeund dem näheren Umfeld für einenBesuch ihrer Lokalität zu gewinnen, son<strong>der</strong>nsie konnten auch auf zwei weitere Gruppenpotentieller Besucher und Gäste zurückgreifen:Zum einen Tagesausflügler aus <strong>den</strong> umliegen<strong>den</strong>städtischen Zentren, zum an<strong>der</strong>enregelrechte Touristen, die im Zuge <strong>der</strong> touristischen‚Boomphase’ das Pegnitztal und dieHersbrucker Schweiz als Destination aufsuchten.Mauerfall und Grenzöffnung wirkten sichzunächst ebenso positiv auf die Entwicklungdes Tourismus und <strong>der</strong> Gastronomie in Vorraund in <strong>der</strong> Region aus (Ba: 1). Doch bald brachdiese Entwicklung aus einer Reihe von Grün<strong>den</strong>ab, so dass heute die touristische PrägungVorras vernachlässigbar gering ist.<strong>Zur</strong> Situation <strong>der</strong> Gastronomie in VorraheuteVon <strong>der</strong> früher guten Ausstattung mit Gastronomiebetriebenist in Vorra heute nur noch wenigübrig geblieben. Die einstmals vorhan<strong>den</strong>ensechs fränkischen Wirtshäuser im HauptortVorra wur<strong>den</strong> alle geschlossen. Betrachtet mandie Gesamtgemeinde, so sind heute nur nochzwei <strong>der</strong> früheren traditionellen Gastronomiebetriebeübrig geblieben. Ein Café sowie einePizzeria versuchen im Hauptort, die entstan<strong>den</strong>eLücke zu schließen und Funktionen <strong>der</strong> früherenWirtshäuser zu übernehmen. Insgesamt15 Gastronomiebetriebe waren früher in <strong>der</strong>Gesamtgemeinde ansässig; bis auf fünf habenim Laufe <strong>der</strong> Jahre alle ihre Tore geschlossen(vgl. die Kartenserie in Abb. 4.11).Der Seniorchef eines früheren Wirtshauses berichtet,dass sein Lokal nur überleben konnte,weil die nachfolgende Generation die Zeichen<strong>der</strong> Zeit erkannte und das frühere Dorfwirtshausin ein Speiselokal umwandelte (vgl. B: 5).Außerdem berichtet dieser Gesprächspartnerdavon, dass an viele <strong>der</strong> ehemaligen WirtshäuserMetzgereien gekoppelt waren. Dieseschlossen häufig ihre Tore zusammen mit dem<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 39


Vel<strong>den</strong>PegnitzHartensteinGKirchensittenbachVorraBFPegnitzReichenschwandHenfenfeldSittenbachAHERS-BRUCKHappurgPommelsbrunnEngelthalRohrbachCHammerbachEKainsbachDAlfeldAbb. 4.10 |Überblick über dieEntwicklung <strong>der</strong>Dorfwirtshäuser imAltlandkreis HersbruckerLand zwischen 1900 undheuteAnzahl Gasthöfe und Wirtshäuserbis 70bis 60bis 50bis 40bis 30bis 20bis 10um1900heute*A = HersbruckB = Oberes PegnitztalC = HögenbachtalD = Albachtal*neuartige Pilsbars und Cafés sind nicht berücksichtigt.Quelle: Freundliche Mitteilung S. Zimmermann, 2013 (alle Angaben ohne Gewähr)RegionenE = HammerbachtalF = Unteres PegnitztalG = Sittenbachtal02,5kmKartographie: S. Bauer, 201340 | Genuss mit Geschichte?


jeweiligen Wirtshaus, so dass auch an<strong>der</strong>e Bereiche<strong>der</strong> dörflichen Wirtschaft von <strong>der</strong> Abwärtsentwicklungerfasst wur<strong>den</strong> (vgl. ebd.: 2;S: 1).Ein weiteres früheres Dorfwirtshaus wurdekomplett umfunktioniert und 1983 in ein Alten-und Pflegeheim umgewandelt, was demdemographischen Wandel geschuldet ist (vgl.P: 1; Alten- und Pflegeheim Mielewski).Die früher engen Beziehungen zwischen Wirtenund Vereinen sind heute nur noch schwachausgeprägt. Gemäß <strong>der</strong> Darstellung eines Vereinsmitgliedswird einer <strong>der</strong> letzten traditionellfränkisch ausgerichteten Betriebe zwar nachwie vor regelmäßig vom örtlichen Schützenvereinbesucht (vgl. H: 15), doch <strong>der</strong> oben bereitszitierte Seniorchef gibt zu erkennen, dassdie ökonomische Basis des Lokals nicht mehrvon Einheimischen, son<strong>der</strong>n fast ausschließlichvon Besuchern und Gästen von außerhalbdes Ortes getragen wird (vgl. B: 1). Die guteAnbindung des Speiselokals an <strong>den</strong> ÖPNV istdafür aus seiner Sicht eine wichtige Rahmenbedingung.Nach wie vor stellt die Feier <strong>der</strong> traditionellenKirchweih für die Gemeinde trotz rückläufigerBesucherzahlen (vgl. M: 6) eines <strong>der</strong> kulturellenHighlights im Jahresablauf dar. Im Unterschiedzu früher sind die Wirte heute jedochkaum noch eingebun<strong>den</strong>. Die Festlichkeitenwer<strong>den</strong> in Zelten abgehalten, lediglich <strong>der</strong> Verzehr<strong>der</strong> traditionellen Vogelsuppe erfolgt ineiner Gaststätte – interessanterweise in dembereits erwähnten italienischen Restaurant(vgl. H: 16). Einige <strong>der</strong> befragten Schlüsselpersonenvertreten die Auffassung, dass diesesRestaurant zumindest teilweise die früherenFunktionen eines traditionellen Wirtshausesübernommen hat (vgl. H: 14; S: 5). Das lässtsich auch daran festmachen, dass es in regelmäßigenAbstän<strong>den</strong> von Kartenfreun<strong>den</strong> undStammtisch-Mitglie<strong>der</strong>n frequentiert wird, dieihrerseits jedoch immer weniger wer<strong>den</strong> (vgl.M: 4).Insgesamt kann für Vorra ein immenser Rückgang<strong>der</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong> konstatiert wer<strong>den</strong>.Das lässt sich auch an <strong>der</strong> rückläufigen Zahl<strong>der</strong> Stammtisch-Mitglie<strong>der</strong> von früher etwa 90auf heute 10 Personen festmachen, meint einer<strong>der</strong> Befragten (vgl. P: 1f). Dennoch äußernan<strong>der</strong>e Gesprächspartner <strong>den</strong> Wunsch nach einemtraditionell fränkischen Wirtshaus im Ort(vgl. M: 6; H: 8f), weil damit ihrer Ansicht nachdie Lebensqualität im Ort wie<strong>der</strong> auf das frühereNiveau ansteigen würde. Obwohl ein Caféim Zentrum <strong>der</strong> Gemeinde gebaut wurde (vgl.P: 1), im OT Alfalter ein Feuerwehrhaus in einDorfgemeinschaftshaus umgewandelt wurde<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 41


ArtelshofenArtelshofenSittenbachSittenbachDüsselbachKirchensittenbachDüsselbachVorraKirchensittenbachVorraAlfalterAlfalter1970OrtschaftenWirtshäuserPegnitz02,55kmN1980OrtschaftenWirtshäuserPegnitz02,55kmNArtelshofenArtelshofenSittenbachSittenbachVorraKirchensittenbachDüsselbachKirchensittenbachDüsselbachVorraAlfalterAlfalter1990OrtschaftenWirtshäuserPegnitz02,55kmNWirtshäuserOrtschaftenheuteWirtshäuser neuPegnitz02,55kmNAbb. 4.11 | Die Entwicklung <strong>der</strong> Gastronomiebetriebe in Vorra während <strong>der</strong> vergangene Jahrzehnte42 | Genuss mit Geschichte?


(vgl. P: 1) und ein Dorfla<strong>den</strong> gegenüber demCafé eröffnet wurde, wäre gemäß Einschätzungeines Gesprächspartners die Lebensqualitätin <strong>der</strong> Gemeinde im Vergleich zu früherziemlich abgesunken (vgl. R: 1).Die Geselligkeit vergangener Zeiten – und dasist im Hinblick auf die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong>in Bayern sehr wichtig – hätte trotz<strong>der</strong> beschriebenen Maßnahmen nicht zurückgebrachtwer<strong>den</strong> können, merkt ein weitererGesprächspartner kritisch an (vgl. H: 4).<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 43


5 | Folgen und Wirkungen des ,Wirtshaussterbens‘Die wenigen wissenschaftlichen <strong>Studie</strong>n, diesich mit <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong>in Bayern beschäftigen, äußern sich auch zu<strong>den</strong> Folgen und Wirkungen des ‚Wirtshaussterbens‘.Hümmer kommt in seiner Grundlagenstudieaus dem Jahr 1980 zum Schluss, dassmit dem Verlust des letzten Wirtshauses imOrt eine „Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Lebensqualität imimmateriellen Sinn“ (1980: 127f.) verbun<strong>den</strong>ist: Die Anonymität zwischen <strong>den</strong> Dorfbewohnernsteigt an, während soziale Zwänge undKontrollen weiterhin bestehen bleiben. Die für<strong>den</strong> Zusammenhalt so wichtige Geselligkeitschwindet und die sozialen Bindungen wer<strong>den</strong>lockerer, können sich aber auch ganz auflösen.Die Min<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Lebensqualität ist mit eine<strong>der</strong> Ursachen für die Abwan<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> jüngerenBevölkerungsschichten, was wie<strong>der</strong>um<strong>den</strong> Prozess <strong>der</strong> funktionalen Entleerung desländlichen Raums weiter verstärkt.Hunger (2011) konstatiert, dass mit dem ‚Wirtshaussterben‘eine Institution mit beson<strong>der</strong>emStellenwert im und für <strong>den</strong> ländlichen Raumsverloren geht. Diese Institution macht <strong>der</strong> Autorvor allem an <strong>der</strong> Persönlichkeit des Wirtesfest und zwar in seiner Funktion als Ansprechpartnerfür Angelegenheiten in jeglicher Lebenslage:„Wenn also das letzte Wirtshaus im Ortfür immer geschlossen wird, dann ist <strong>der</strong> größteVerlust vielleicht in dem zu sehen, für das mannie bezahlt hat – in <strong>der</strong> erwiesenen Gunst undFreundlichkeit“ (ebd.: 3).Um <strong>den</strong> Konsequenzen nachzuspüren, diesich aus <strong>der</strong> in Kapitel 4 beschriebenen rückläufigenEntwicklung <strong>der</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong> inBayern ergeben, fungierte wie<strong>der</strong>um die exemplarischeUntersuchungsgemeinde Vorrawie ein Brennglas, in welchem <strong>der</strong> Kosmos <strong>der</strong>Folgen und Wirkungen des ‚Wirtshaussterbens’genauer aufgezeigt wer<strong>den</strong> kann. Sowohl dieEinwohner <strong>der</strong> Gemeinde, <strong>der</strong>en Meinungenim Rahmen <strong>der</strong> Bürgerbefragung erfasst wur<strong>den</strong>,als auch das Dutzend Experten, die imRahmen <strong>der</strong> <strong>Studie</strong> interviewt wur<strong>den</strong>, hattenGelegenheit, sich aus ihrer Sicht mit <strong>den</strong> Folgenund Wirkungen des ‚Wirtshaussterbens’genauer auseinan<strong>der</strong>zusetzen.5.1 | Die Sicht <strong>der</strong> Bürger in <strong>der</strong> Beispiel -gemeinde VorraIm Rahmen <strong>der</strong> Einwohnerbefragung bot sich<strong>den</strong> Bürgerinnen und Bürgern von Vorra dieMöglichkeit, sich mit <strong>den</strong> Konsequenzen des‚Wirtshaussterbens’ in ihrer Gemeinde zu befassenund ihre jeweilige persönliche Sichtweisehierzu darzulegen. Methodisch umgesetzt44 | Genuss mit Geschichte?


wurde dies im Fragebogen auf zwei Wegen:Zunächst bot eine offene Frage <strong>den</strong> Bürgerinnenund Bürgern die Möglichkeit, ihre persönlicheSichtweise zu äußern. Danach folgte eineReihe von geschlossenen Fragen zu ausgewähltenAspekten im Kontext <strong>der</strong> Folgen undWirkungen des ‚Wirtshaussterbens’ nicht nur inVorra, son<strong>der</strong>n auch darüber hinaus.Negative Auswirkungenauf <strong>den</strong> TourismusDorfgemeinschaft undgenerationenübergreifen<strong>der</strong>Austausch nehmen abBewohner weichen inan<strong>der</strong>e Einrichtungen ausSterben des ländlichen RaumsQuelle: Eigene Erhebung, 2013Sonstiges0 5 10 15 20 25(N = 74, Mehrfachnennungen möglich)Kartographie: S. Bauer, 2013Abb. 5.1 | Konsequenzen des ‚Wirtshaussterbens’ aus Sicht<strong>der</strong> Einwohner in VorraAus <strong>der</strong> Vielzahl <strong>der</strong> Antworten auf die offengestellte Frage ragt eine Antwort in beson<strong>der</strong>erWeise hervor: Die Sorge <strong>der</strong> Bürgerinnenund Bürger, dass parallel zum Rückgang <strong>der</strong><strong>Wirtshauskultur</strong> auf dem Land auch ihr Lebensraumstark gefährdet ist (vgl. Abb. 5.1).Das ‚Wirtshaussterben’ fungiert hier offenbarals Wegzeiger auf einen Prozess, <strong>den</strong> bereitsHümmer in seiner Grundlagenstudie aus demJahr 1980 mit dem allgemeinen Funktionsverlustdes ländlichen Raumes in Verbindungbrachte. Als Reaktion auf diesen Prozess sehensich die Bürgerinnen und Bürger in <strong>der</strong> Konsequenzzunehmend gezwungen, auf an<strong>der</strong>eEinrichtungen auszuweichen, in <strong>den</strong>en sie Ersatzfür das Grundbedürfnis nach Kommunikationund Austausch suchen und zu fin<strong>den</strong>hoffen, das ihnen früher in <strong>den</strong> Wirtshäusern inihrer Gemeinde geboten wurde. Vielfach handeltes sich bei <strong>den</strong> Ersatzeinrichtungen um dieVereine im Ort selbst, aber auch um Einrichtungenaußerhalb von Vorra.Eng mit dem erwähnten Grundbedürfnis verbun<strong>den</strong>sind die Aspekte „Schwächung <strong>der</strong>Dorfgemeinschaft“ und „Abnahme des generationenübergreifen<strong>den</strong>Austauschs“, auf welcheebenso zahlreiche Nennungen entfielen.Selbst für <strong>den</strong> Bereich Tourismus ergeben sichnach Meinung einiger Gemeindebewohnernegative Konsequenzen aus dem ‚Wirtshaussterben’,wenngleich die früher hohe touristischePrägung <strong>der</strong> Gemeinde heute ein ehergeringes Ausmaß einnimmt. Dennoch ist imHinblick auf <strong>den</strong> Tourismus nicht nur in <strong>der</strong>Beispielgemeinde ein Wirtshaus o<strong>der</strong> eine an<strong>der</strong>eEinkehrmöglichkeit unverzichtbar, <strong>den</strong>nBesucher und Gäste müssen bewirtet wer<strong>den</strong>können, wenn sie <strong>den</strong> Ort als touristische Destinationbesuchen.Innerhalb <strong>der</strong> Kategorie „Sonstiges“ wer<strong>den</strong>u.a. persönliche Folgen für <strong>den</strong> Wirt (drei Nennungen)sowie <strong>der</strong> Verlust von Kultur und Traditionen(zwei Nennungen) neben vielen an<strong>der</strong>enAspekten angeführt.<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 45


Zusammenhalt im Ort. Während die vorhergehendeFrage bzw. These das soziale undkulturelle Leben im Allgemeinen betraf, solltemit <strong>der</strong> nächsten These ein konkreter Aspektdes sozialen Lebens in <strong>der</strong> Gemeinde herausgegriffenwer<strong>den</strong>. Den Bürgern wurde als konkreterAspekt des sozialen Lebens im Dorf dieThese zur Abstimmung angeboten, dass sichdie Schließung von Wirtshäusern negativ auf<strong>den</strong> Zusammenhalt im Ort auswirkt.Aus <strong>den</strong> Reaktionen <strong>der</strong> Bürger, die in Abb. 5.5grafisch aufbereitet enthalten sind, wird deutlich,dass die Befragten durchaus heterogeneMeinungen vertraten. Sie waren sich durchausnicht einig, ob die Schließung von Wirtshäusernmit eindeutig negativen Wirkungen auf<strong>den</strong> Zusammenhalt im Dorf einhergeht o<strong>der</strong>ob diesem Aspekt keine o<strong>der</strong> nur eine geringeBedeutung zukommt.Aus <strong>der</strong> Grafik geht hervor, dass <strong>der</strong> Großteil<strong>der</strong> Befragten entwe<strong>der</strong> voll o<strong>der</strong> zumindestzum Teil die These vertritt, die Schließung vonWirtshäusern wäre mit negativen Wirkungenauf <strong>den</strong> sozialen Zusammenhalt im Dorf verknüpft.<strong>Für</strong> eine Gruppe von 21 befragten Personentrifft die These immerhin noch teilweisezu, doch in weiteren vier Fällen wird die Antwortkategorie„trifft gar nicht zu“ angekreuzt.Aus Sicht dieser Befragten hat die Schließungvon Dorfwirtshäuern offenbar keine negativenWirkungen auf <strong>den</strong> sozialen Zusammenhaltim Ort. Sie weisen darauf hin, dass eine guteDorfgemeinschaft nicht von <strong>der</strong> Existenz einesWirtshauses abhängig sein darf und dass esgenügend an<strong>der</strong>e Gelegenheiten im Dorf gibt,<strong>den</strong> Zusammenhalt im Ort zu pflegen und zuför<strong>der</strong>n.5.2 | Die Sicht <strong>der</strong> befragten Expertentrifft gar nicht zutrifft nur teilweise zutrifft überwiegend zuQuelle: Eigene Erhebung, 2013trifft voll zu0 5 10 15 20 25(N = 71)Kartographie: S. Bauer, 2013Abb. 5.5 | Negative Wirkung des ‚Wirtshaussterbens’ auf <strong>den</strong>Zusammenhalt im OrtDie Wirkungen und Folgen des ‚Wirtshaussterbens’wer<strong>den</strong> auch aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> befragtenExperten als sehr vielfältig und weitreichendeingeschätzt, <strong>den</strong>n sie betreffen wichtige Aspektedes Lebens im ländlichen Raum. Eine <strong>der</strong>befragten Schlüsselpersonen äußert sogar dieÜberzeugung, dass die rückläufige Entwicklung<strong>der</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong> einer <strong>der</strong> Faktorenist, die nicht unerheblich zum – wie er es formuliert– „sukzessiven Sterben des ländlichenRaums“ beitragen (R: 1). Aus <strong>der</strong> Sicht diesesBefragten und auch <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Schlüssel-48 | Genuss mit Geschichte?


personen, die zu <strong>den</strong> Wirkungen und Folgendes ‚Wirtshaussterbens’ interviewt wer<strong>den</strong>konnten, sind Aspekte betroffen, die unter<strong>den</strong> Stichwörtern „Geselligkeit und Kommunikation“,„gemeinschaftlicher Zusammenhalt“,„Kultur“, „Funktionsvielfalt“, „Mobilität“ sowie„persönliche Folgen für <strong>den</strong> Wirt“ subsumiertwer<strong>den</strong> können und im folgen<strong>den</strong> Überblickgenauer erläutert wer<strong>den</strong>.Dorfgemeinschaft und generationenübergreifen<strong>der</strong>Austausch. Dorfwirtshäusern wirdim Allgemeinen zugeschrieben, eine wichtigePlattform zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kommunikationund des sozialen Zusammenhalts im ländlichenRaum darzustellen. Wird ein Wirtshausgeschlossen, geht diese Plattform für <strong>den</strong> Ortverloren.Folgen ergeben sich nach Meinung <strong>der</strong> befragtenSchlüsselpersonen vor allem im Hinblickauf die Geselligkeit im Dorf, die vom ‚Wirtshaussterben’negativ betroffen ist und einenRückgang erleidet (vgl. P: 1; W: 19). Stammtischewer<strong>den</strong> entwe<strong>der</strong> aufgelöst o<strong>der</strong> sie stagnieren,weil <strong>der</strong> Nachwuchs fehlt o<strong>der</strong> sich rarmacht (vgl. M: 4). So kann es zu einer Störungo<strong>der</strong> gar zu einem Bruch <strong>der</strong> Kommunikationswegeund -gewohnheiten innerhalb <strong>der</strong> Dorfgemeinschaftkommen (vgl. B: 2).Eine <strong>der</strong> befragten Personen weist im vorliegen<strong>den</strong>Kontext auf die offenbar zunehmendeVereinsamung vor allem <strong>der</strong> älteren Generationim Ort hin, für die das Dorfwirtshaus bishereine Möglichkeit bot, mit an<strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Dorfgemeinschaft in Kontakt zu kommen(vgl. L: 7). Generell konstatieren einige <strong>der</strong> Befragten,dass <strong>der</strong> generationenübergreifendeAustausch, Kennzeichen einer gut funktionieren<strong>den</strong>Dorfgemeinschaft, durch das ‚Wirtshaussterben’einen Scha<strong>den</strong> erlei<strong>den</strong> würde (vgl.B: 2; M: 2; H: 18). Ebenso wird darauf verwiesen,dass die Vermittlung traditioneller Werte mitdem ‚Wirtshaussterben’ zu einer noch schwierigerenAufgabe gewor<strong>den</strong> wäre, wobei interessantist, dass dieser Aspekt von einem Vertreter<strong>der</strong> jungen Generation angeführt wird (vgl. M:2).Kultur und Tradition. Im Hinblick auf daskulturelle Leben in einem Dorf wird demWirtshaus auf dem Land im Allgemeinen einewichtige Rolle zugeschrieben. Mit dem ‚Wirtshaussterben’kann diese Funktion stark in Mitlei<strong>den</strong>schaftgezogen wer<strong>den</strong> und es müssenan<strong>der</strong>e Plattformen für das kulturelle Leben imOrt gefun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>. Eine ehemalige Wirtinbeklagt mit Blick auf die Folgen und Wirkungen<strong>der</strong> rückläufigen Entwicklung im Bereich<strong>der</strong> Wirtshäuser, dass <strong>der</strong> Mangel an Inputs fürdas kulturelle Leben und die Traditionspflegemit dem Verschwin<strong>den</strong> <strong>der</strong> Dorfwirtshäuserzunehme. Sie bedauert, dass mit Ausnahme<strong>der</strong> Kirchweih und einer Veranstaltung imSchlosspark kaum noch kulturelles Leben imOrt stattfin<strong>den</strong> würde (vgl. L: 6).<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 49


Rückgang <strong>der</strong> Funktionsvielfalt auf demLand. Wie bereits im Rahmen <strong>der</strong> Bürgerbefragungdeutlich wurde, geht auch nach Meinung<strong>der</strong> befragten Schlüsselpersonen das ‚Wirtshaussterben’auf dem Land mit einem sukzessivenVerlust <strong>der</strong> Funktionsvielfalt im ländlichenRaum einher. Von diesem Funktionsverlustwird beson<strong>der</strong>s die ältere Generation stärkerbetroffen, <strong>den</strong>n sie ist in aller Regel wenigermobil und kann daher wenn überhaupt,dann eher selten alternative Möglichkeiten<strong>der</strong> Unterhaltung und Geselligkeit außerhalbdes eigenen Heimatortes aufsuchen (vgl. L: 7;H: 18). <strong>Für</strong> die Gruppe <strong>der</strong> älteren Einwohnerverschwindet mit dem Wirtshaus eine zentraleInstitution des sozialen Austausches, <strong>der</strong> Geselligkeitund <strong>der</strong> zwanglosen Unterhaltung in<strong>den</strong> Gemein<strong>den</strong> des ländlichen Raumes.Persönliche Folgen für <strong>den</strong> Wirt. Nicht zuletztist im Kontext <strong>der</strong> geschil<strong>der</strong>ten Entwicklungendie berufliche Existenz zahlreicher Wirtinnenund Wirte bedroht, die im ländlichenund meist strukturschwachen Raum ohnehineiner Vielzahl an Herausfor<strong>der</strong>ungen sowohlim privaten als auch im beruflichen Bereichgegenüberstehen. Das ‚Wirtshaussterben’ isthier insofern mit negativen Auswirkungenauf das Berufsbild des Wirts verknüpft als diejüngere Generation immer weniger bereit ist,<strong>den</strong> elterlichen Betriebe zu übernehmen o<strong>der</strong>überhaupt <strong>den</strong> Beruf des Wirts auszuüben (vgl.L: 13; H: 1).Um das wirtschaftliche Überleben zu gewährleistenund somit die eigene Existenzzu sichern, ist nach Meinung <strong>der</strong> befragtenSchlüsselpersonen sowohl eine realistischeEinschätzung <strong>der</strong> gegenwärtigen Situationals auch entschlossenes Handeln gefragt. Andieser Stelle sei auf das Beispiel <strong>der</strong> Gastronomenfamilieverwiesen, die die letzte verbleibendefränkische Wirtschaft in einem Ortsteilvon Vorra betrieben hatte und rechtzeitig dieZeichen <strong>der</strong> Zeit erkannte. Die frühere Schankwirtschaftwurde in ein Speiselokal umgewandeltund setzt nun auf auswärtige Kun<strong>den</strong> undGäste (vgl. B: 2).Dieser Vorgang mag als ein Beispiel für an<strong>der</strong>e,ähnlich gelagerte Fälle gelten, so dass in <strong>der</strong>Konsequenz daraus zu bezweifeln ist, ob <strong>der</strong>Begriff des ‚Wirtshaussterbens’ <strong>den</strong> mehrfacherwähnten, statistisch nachweisbaren Rückgang<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> traditionellen Wirtshäuser inBayern adäquat abbildet. In jedem Fall sprichtdas Beispiel des Betriebs in Vorra dafür, dassdie Verän<strong>der</strong>ung des Angebots und dessenAnpassung an verän<strong>der</strong>te Bedürfnisse auf Seiten<strong>der</strong> Nachfrage eine Möglichkeit darstellt,die Existenz des Betriebes zu sichern und ebennicht dem ‚Wirtshaussterben’ anheim zu fallen.ParallelerscheinungenIm Mittelpunkt <strong>der</strong> bisherigen Ausführungenstan<strong>den</strong> zunächst einmal die Folgen und Wirkungendes ‚Wirtshaussterbens’, die von <strong>den</strong>Interviewpartnern mit Blick auf die Beispielge-50 | Genuss mit Geschichte?


meinde Vorra ins Licht gerückt wur<strong>den</strong>. Dochin <strong>den</strong> Gesprächen mit <strong>den</strong> Befragten ergabensich zahlreiche Hinweise auch auf übergreifendePhänomene zur Problematik <strong>der</strong>Konsequenzen, die sich aus <strong>der</strong> rückläufigenEntwicklung <strong>der</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong> in Bayern generellergeben. Sie wer<strong>den</strong> hier als Parallelerscheinungenbezeichnet und begleiten nichtnur das ‚Wirtshaussterben’ in Bayern, son<strong>der</strong>nsind nach Meinung <strong>der</strong> Interviewpartner ursächlichaufs Engste mit dem Prozess <strong>der</strong> rückläufigenEntwicklung im Bereich <strong>der</strong> Gastronomieauf dem Land verwoben.Genereller Verlust <strong>der</strong> traditionellen Funktionsvielfaltauf <strong>den</strong> Dörfern. Der zunehmendeVerlust <strong>der</strong> traditionellen Funktionsvielfaltauf <strong>den</strong> Dörfern wird von einigen <strong>der</strong> befragtenSchlüsselpersonen nicht nur thematisiert,son<strong>der</strong>n auch stark moniert (vgl. B: 2; L: 6). Soweisen zwei dieser Schlüsselpersonen dezidiertauf ein Phänomen hin, das eine auffälligeParallele zum ‚Wirtshaussterben’ darstellt: Essind nicht nur die traditionellen Wirtshäuser,die in vielen Gemein<strong>den</strong> mit dem Überlebenzu kämpfen haben, son<strong>der</strong>n auch die Kirche alseine weitere wichtige Institution für das Lebenauf dem Land gerät in Gefahr, einen erheblichenVerlust ihrer vormaligen zentralen Bedeutungim ländlichen Raum zu erlei<strong>den</strong> (vgl.B: 1, 3; R: 1). Zudem verschwin<strong>den</strong> neben <strong>den</strong>traditionellen Dorfwirtshäusern auch Bäckereienund Metzgereien von <strong>der</strong> Bildfläche (vgl.R: 1; H: 6). Auf diese Weise verringern sich Einkaufsmöglichkeitenzur Deckung des täglichenBedarfs, was in <strong>der</strong> Ten<strong>den</strong>z dazu führt, dass<strong>der</strong> ländliche Raum zunehmend marginalisiertwird, weil er viele <strong>der</strong> vormals sehr wichtigenFunktionen verliert (vgl. H: 6; S: 5).Und – auch das wurde im Rahmen <strong>der</strong> Untersuchungsehr deutlich – mit dem ‚Wirtshaussterben’ist auch die Existenz so mancher kleinerBrauereien gefährdet, die zusätzlich zum verzweifeltenAbwehrkampf gegen Billigbierangeboteaus dem Getränkemarkt nun auch <strong>den</strong>Markt <strong>der</strong> Dorfwirtshäuser zu verlieren drohen.Damit besteht die Gefahr, dass ein weiteres typischesMerkmal <strong>der</strong> Kultur in Bayern erheblichenScha<strong>den</strong> erleidet, nämlich die Vielfalt desBrauereiwesens, die zu <strong>den</strong> Markenzeichendieses Landes gehört.Landflucht. In enger Verbindung mit <strong>den</strong>eben beschriebenen Prozessen <strong>der</strong> Zentralisierungund Marginalisierung sowie <strong>den</strong> darausresultieren<strong>den</strong> oftmals negativen Konsequenzenvor allem für die Bewohner von Ortenniedriger Zentralitätsstufe steht das Phänomen<strong>der</strong> Landflucht. Diese hat nach Meinung<strong>der</strong> befragten Schlüsselpersonen selektivenCharakter, <strong>den</strong>n es ist vor allem die Jugend,die sich vor dem Hintergrund des zunehmen<strong>den</strong>Funktionsverlustes des ländlichen Raumesmehr und mehr gezwungen sieht, <strong>den</strong> bisherigenLebensraum auf dem Land zu verlassenund für Ausbildung und Beruf in eine Stadtbzw. in einen zentralen Ort mit besserer Ausstattungzu ziehen (vgl. M: 1; H: 7; W: 11). DenProzess <strong>der</strong> Landflucht verstärkt zusätzlich die<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 51


Vorstellung, dass das Leben im urbanen Raumattraktiver als auf dem Land ist, <strong>den</strong>n dortgäbe es mehr und bessere Möglichkeiten fürdie Freizeitgestaltung. Überdies wäre auch dasAlltagsleben in einer Stadt aufgrund <strong>der</strong> bessereninfrastrukturellen Ausstattung und sonstigerEinrichtungen leichter als auf dem Land zumeistern (vgl. W: 11).Vereinsmüdigkeit. Ein Teil <strong>der</strong> befragtenSchlüsselpersonen weist auf eine weitere Parallelerscheinungzum ‚Wirtshaussterben’ hinund diagnostiziert im Hinblick auf die Vereineals wichtige dörfliche Institutionen einegewisse Vereinsmüdigkeit (z.B. B: 3). Dieseäußert sich nicht nur in Form von Nachwuchsproblemen(vgl. M: 8; R: 1), son<strong>der</strong>n auch ineiner gewissen Motivationslosigkeit mancherMitglie<strong>der</strong> (vgl. H: 3). Als Ursache dafür diagnostizierendie Gesprächspartner ein gewissesDesinteresse <strong>der</strong> Jugend an Traditionen bzw.traditioneller Kultur (vgl. P: 1). Zwar wür<strong>den</strong>sich <strong>der</strong>zeit Dirndln und Le<strong>der</strong>hosen vor allembei <strong>der</strong> jüngeren Generation beson<strong>der</strong>er Beliebtheiterfreuen, doch ein Interviewpartner,<strong>der</strong> selbst dieser jungen Generation angehört,bezweifelt stark, dass dieses Phänomen Ausdruckeiner Entwicklung ist, in <strong>der</strong>en Rahmendie Rückbesinnung auf traditionelle Werte zentraleBedeutung zukommen würde (vgl. M: 8).Fazit. Die bisherigen Ausführungen, in <strong>den</strong>enversucht wurde, sowohl die Ergebnisse <strong>der</strong> Einwohnerbefragungim Beispielort Vorra als auchdie wichtigsten Erkenntnisse aus <strong>den</strong> Interviewsmit <strong>den</strong> ausgewählten Schlüsselpersonendarzulegen, unterstreichen die Bedeutungdes traditionellen <strong>bayerischen</strong> Wirtshauses alseine wichtige kulturelle und soziale Institutionim ländlichen Raum Bayerns. Ihr Wegfall istmit erheblichen Konsequenzen für das Leben<strong>der</strong> Menschen auf dem Land verbun<strong>den</strong>. Vorallem die Dorfgemeinschaft und <strong>der</strong> generationenübergreifendeAustausch wer<strong>den</strong> starkin Mitlei<strong>den</strong>schaft gezogen. Das Ausweichenin an<strong>der</strong>e Einrichtungen im jeweiligen Ort istzwar möglich, doch dies kompensiert nur zumTeil die Funktionen eines traditionellen Dorfwirtshauses.Parallel zum ‚Wirtshaussterben’kämpft auch die Kirche als weitere zentraleEinrichtung in einem Dorf mit einem Rückgangihrer Bedeutung. Betroffen von <strong>der</strong> Entwicklungsind alle Schichten <strong>der</strong> Bevölkerung,doch scheint vor allem die ältere und wenigermobile Generation unter dem ‚Wirtshaussterben’in beson<strong>der</strong>er Weise zu lei<strong>den</strong>.Das ‚Wirtshaussterben’ hat jedoch nicht nurnegative Wirkungen für das soziale Leben und<strong>den</strong> Zusammenhalt <strong>der</strong> Menschen auf demLand, son<strong>der</strong>n es tangiert auch ökonomischeBereiche. Im Schlepptau des ‚Wirtshaussterbens’ist auch die Vielfalt des Brauereiwesensbedroht, das für die Kultur in Bayern ein wesentlichesMerkmal und wichtiges Aushängeschilddarstellt.52 | Genuss mit Geschichte?


Insgesamt kann festgestellt wer<strong>den</strong>, dass das‚Wirtshaussterben’ nicht nur Resultat einessukzessiven Nie<strong>der</strong>gangs <strong>der</strong> Funktionsvielfaltim ländlichen Raum ist, son<strong>der</strong>n es trägtgleichzeitig dazu bei, dass diese Funktionsvielfaltnoch weiter abnimmt. In einer <strong>Studie</strong>zur Zukunft <strong>der</strong> historischen Dorwirtshäuserin <strong>der</strong> Oberpfalz schlussfolgert Paukner: „Soverschwindet mit jedem Wirtshaus auch dörflicheI<strong>den</strong>tität, nicht an<strong>der</strong>s als mit <strong>den</strong> Schulhäusern,Pfarrhäusern, Kramerlä<strong>den</strong>, Poststationenund an<strong>der</strong>en Gebäu<strong>den</strong> des öffentlichen Lebens.Mehr als bei privat genutzten Wohnhäusern verbin<strong>den</strong>sich mit <strong>der</strong> Schließung von Gaststättenallgemeinere Sorgen um die ‚Zukunft des ländlichenRaums‘, um eine Verän<strong>der</strong>ung unserer Dörfer,die für manche Gegen<strong>den</strong> als Verstädterungund für an<strong>der</strong>e als Sterben des Dorfes gesehenwird“ (Paukner 2012: 18).Damit wird eine negative Spirale in Gang gesetztbzw. verstärkt, die weitere Bereiche desLebens auf dem Land erfasst und zum – wiees einer <strong>der</strong> Befragten (vgl. R: 1) drastisch ausdrückt– „sukzessiven Sterben des ländlichenRaums“ beiträgt.<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 53


6 | Rahmenbedingungen, Ursachen und Hintergründe des ,Wirtshaussterbens‘Um eine Antwort auf die Frage nach einer Erklärungfür die in Kapitel 4 beschriebene, aufallen räumlichen Maßstabsebenen durchausbe<strong>den</strong>kliche Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong>in Bayern zu versuchen, wird im Folgen<strong>den</strong>nach <strong>den</strong> Ursachen und Hintergrün<strong>den</strong> fürdieses Phänomen gesucht. Dieser Versuch fälltinsofern nicht leicht, als angenommen wer<strong>den</strong>kann, dass für <strong>den</strong> Rückgang nicht eine bzw.einige wenige Ursachen als Erklärung herangezogenwer<strong>den</strong> können, son<strong>der</strong>n dass voneinem komplexen und vielfältig miteinan<strong>der</strong>verflochtenen Ursachenbündel auszugehenist.Bereits im Jahr 1980 hatte Hümmer im Rahmeneiner Fallstudie über <strong>den</strong> Verlust <strong>der</strong> Wirtshäuserin Dörfern <strong>der</strong> nördlichen Frankenalb eineReihe von Entwicklungsprozessen herausgearbeitet,die für ihn <strong>den</strong> Kontext des ‚Wirtshaussterbens’darstellten und unter <strong>den</strong> zentralenGesichtspunkten „Verän<strong>der</strong>te Bedingungen in<strong>der</strong> Arbeitswelt“, „Anstieg <strong>der</strong> Mobilität“ sowie„Än<strong>der</strong>ungen im Konsum- und Freizeitverhalten“subsumiert wer<strong>den</strong> können. Von übergeordneterBedeutung ist für Hümmer jedoch<strong>der</strong> Verlust <strong>der</strong> Funktionsvielfalt des ländlichenRaumes (vgl. Abb. 6.1). Mit Bezug zur damalsheftig diskutierten Gebietsreform formulierter die Quintessenz seiner Untersuchung zumVerlust <strong>der</strong> Dorfwirtshäuser in <strong>der</strong> Beispielregionfolgen<strong>der</strong>maßen: „Diese Entwicklung istzu sehen vor dem Hintergrund einer allgemeinenfunktionalen Entleerung des ländlichen Raumes… Durch die Zentralisierung <strong>der</strong> Verwaltung alsErgebnis von Rationalisierung und Gebietsreformverloren zahlreiche Dörfer ihre politischeSelbständigkeit. Im Zuge <strong>der</strong> Reform des Schulwesenswur<strong>den</strong> sogenannte ‚Mittelpunktschulen’und ‚Schulzentren’ geschaffen und entsprechenddazu in vielen Orten einklassige ‚Zwergschulen’geschlossen. Das verän<strong>der</strong>te Konsumverhaltenund die verän<strong>der</strong>te Arbeitswelt im Dorf sowiedie gestiegene Mobilität <strong>der</strong> Bevölkerung führtenzum Verlust bzw. zur Zentralisierung weitererEinrichtungen des tertiären Bereichs. Die zunehmendeIndustrialisierung und Mechanisierungverdrängte das in <strong>den</strong> Dörfern ansässige traditionelleHandwerk und kleinere Gewerbebetriebe.Mit dem Wirtshaus ging in vielen Fällen die bisdahin letzte noch im Dorf verbliebene zentraleEinrichtung verloren“ (ebd. S. 115).Eine <strong>Studie</strong> des Bayerischen Staatsministeriumsfür Landwirtschaft und Forsten (2006)zur ländlichen Entwicklung in Bayern kommthinsichtlich Ursachen und Hintergrün<strong>den</strong> des‚Wirtshaussterbens’ zu etwas an<strong>der</strong>en Ergebnissenals Hümmer, stellt jedoch ebenso <strong>den</strong>Verlust <strong>der</strong> Funktionsvielfalt im ländlichenRaum Bayerns in <strong>den</strong> Vor<strong>der</strong>grund. Überdieswer<strong>den</strong> die Faktoren „Arbeitsplatz“ und „Le-54 | Genuss mit Geschichte?


ensstil“ als wichtige Auslöser und Ursachefür Wan<strong>der</strong>ungsbewegungen gesehen. Hinzukommt <strong>der</strong> allgemeine Bevölkerungsrückgangim ländlichen Raum – bedingt durch einen immensenGeburtenrückgang seit <strong>den</strong> 1970erJahren (vgl. ebd.: 6 f).Ebenso zu etwas an<strong>der</strong>en Erkenntnissen gelangtPerlinger, <strong>der</strong> sich mit dem Nie<strong>der</strong>gangAbb. 6.1 | Verlust <strong>der</strong> Funktionsvielfalt im ländlichen Raumam Beispiel <strong>der</strong> Großgemeinde Heiligenstadt gemäß Hümmer(1980)<strong>der</strong> Wirtshäuser in Pobenhausen, einer dörflichenGemeinde im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen,beschäftigt hat. Vor allem Aspekte<strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit sind es, die dort zum‚Wirtshaussterben’ geführt haben. Doch fürPerlinger kommen auch weitere Ursachen undAuslöser hinzu, die eng mit <strong>den</strong> zweifelsohnezentralen ökonomischen Aspekten verknüpftsind: eine sich rasch wandelnde Arbeitswelt,strukturelle Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Landwirtschaft,ein genereller sukzessiver Bedeutungsverlust<strong>der</strong> Dörfer, die „Revolution“ desFernsehgeräts und vor allem die verloren ge-<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 55


gangene Monopolstellung des Wirts als Bierlieferantim Ort (vgl. Perlinger 2011).Auch das Nachbarland Österreich ist vom‚Wirtshaussterben’ betroffen, je<strong>den</strong>falls ist dasin <strong>der</strong> bereits erwähnten, im Jahr 2011 veröffentlichten<strong>Studie</strong> nachzulesen, die an <strong>der</strong>Universität Linz zur Bedeutung und Zukunft<strong>der</strong> Landgasthäuser in Oberösterreich durchgeführtwurde. Die Untersuchung brachte zuTage, mit welchen enormen Herausfor<strong>der</strong>ungensich die Wirtinnen und Wirte konfrontiertsehen. Als <strong>der</strong>en wichtigste wur<strong>den</strong> herausgearbeitet:<strong>der</strong> rasante gesellschaftliche Wandel,betriebswirtschaftliche Anfor<strong>der</strong>ungen undgesetzgeberische Rahmenbedingungen, dieharte Konkurrenzsituation sowie private Aspekte(vgl. Hunger 2011). Hinzu kommt dasVereinswesen, das in <strong>der</strong> <strong>Studie</strong> als eine <strong>der</strong>zentralen Komponenten für die rückläufigeEntwicklung <strong>der</strong> Wirtshäuser in Oberösterreichi<strong>den</strong>tifiziert wurde: „Je mehr Vereinslokaleeingerichtet wur<strong>den</strong>, desto signifikant höher istauch <strong>der</strong> Verlust an <strong>den</strong> dörflichen Wirtshäusern“(ebd. 2011: 84).Korb stellt in seinem Beitrag zur Zukunft <strong>der</strong>historischen Dorfwirtshäuser in <strong>der</strong> Oberpfalzeine Reihe von Faktoren als wesentliche Ursachefür <strong>den</strong> Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong>heraus und schlussfolgert daraus: „Politik, Vereinsleben,Kommunikation und Zusammenseinfin<strong>den</strong> an<strong>der</strong>norts statt, die Wirtshäuser verlierenihre grundlegende Daseinsberechtigung“ (Korb2012: 81).Eine weitere, erst kürzlich veröffentlichte <strong>Studie</strong>,die vom Verein zum <strong>Erhalt</strong> <strong>der</strong> Bayerischen<strong>Wirtshauskultur</strong> (VEBWK) in Auftrag gegebenwor<strong>den</strong> war, widmet sich dem ‚Wirtshaussterben’auf <strong>der</strong> Ebene Gesamtbayerns. Auch hierwer<strong>den</strong> als zentrale Herausfor<strong>der</strong>ungen für dieWirtinnen und Wirte im Freistaat vielfältige Aspekteaufgezeigt, darunter an vor<strong>der</strong>ster Stelledas im Jahr 2008 erlassene Rauchverbot, <strong>der</strong>Wandel im Verbraucherverhalten, immer mehrgesetzliche Auflagen und Vorschriften für dieGastronomie sowie ein zu geringer Beistanddurch <strong>den</strong> Staat, die Kommunen und die Öffentlichkeit(vgl. Zwerenz 2013).Gemeinsames Merkmal aller dieser <strong>Studie</strong>n istdie Annahme, dass die Ursachen und Hintergründedes ‚Wirtshaussterbens’ auf eine Vielzahlvon Aspekten zurückgeführt wer<strong>den</strong>, dieals geballtes Bündel potenzieren<strong>den</strong> Charakterbesitzen und das ‚Wirtshaussterben’ steuern.Diese Annahme lies es wie<strong>der</strong>um in methodischerHinsicht für die vorliegende <strong>Studie</strong>als ratsam erscheinen, einen Untersuchungsansatzzu wählen, <strong>der</strong> auch tiefer liegendeSchichten möglicher Erklärungen erschließt,also nicht in erster Linie dem Metho<strong>den</strong>spektrum<strong>der</strong> quantitativen, son<strong>der</strong>n vorzugsweise<strong>der</strong> qualitativen empirischen Sozial- und Wirtschaftsforschungverpflichtet ist. Auch hätteeine repräsentativ angelegte und quantitativausgerichtete Befragung <strong>der</strong> Bevölkerung inBayern die finanziellen Möglichkeiten <strong>der</strong> <strong>Studie</strong>bei weitem überschritten.56 | Genuss mit Geschichte?


Vor diesem Hintergrund wurde in <strong>der</strong> <strong>Studie</strong>ein exemplarischer Untersuchungsansatz mitvertiefendem Fallstudiencharakter gewähltund sehr viel Mühe auf die systematische Suchenach einem Beispielort verwendet, <strong>der</strong>wie in einem Brennglas dieses facettenreicheBündel an möglichen Ursachen und Hintergrün<strong>den</strong>für die beschriebene Entwicklung <strong>der</strong><strong>bayerischen</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong> erkennbar wer<strong>den</strong>lässt. Mit Vorra im Nürnberger Land wurde,wie bereits erwähnt, dieser exemplarischeUntersuchungsort gefun<strong>den</strong> und als Plattformgenutzt, um vor Ort eine Bürgerbefragung sowieeine Serie von Interviews mit Schlüsselpersonenzum ‚Wirtshaussterben’ in Bayern allgemeinund mit Bezug zu Vorra durchzuführen.Auf Basis <strong>der</strong> Ergebnisse aus bei<strong>den</strong> Erhebungenwer<strong>den</strong> im Folgen<strong>den</strong> die Hintergründeund Ursachen des ‚Wirtshaussterbens’ herausgearbeitetund in einen allgemeinen Erklärungskontextgestellt.<strong>Für</strong> die Beispielgemeinde ist bereits aufgezeigtwor<strong>den</strong>, wie stark <strong>der</strong> Ort in <strong>den</strong> letzten Jahrzehntenvom ‚Wirtshaussterben’ betroffen war(vgl. Kap. 4). Zwar profitierte die Gastronomiezunächst etwas vom Mauerfall und von <strong>der</strong>Grenzöffnung sowie von <strong>der</strong> sich anschließen<strong>den</strong>positiven Entwicklung des Tourismusim Pegnitztal (vgl. Ba: 1; S: 1), doch das Endedes Tourismusbooms trat sehr bald nach <strong>der</strong>Wende ein und führte zu entsprechen<strong>den</strong>Einbußen bei <strong>den</strong> Wirten (vgl. H: 1; W: 2). Verständlich,dass eine Reihe von Akteuren in <strong>der</strong>För<strong>der</strong>ung des Tourismus die Chance sieht, dieLage <strong>der</strong> Gastronomie in <strong>der</strong> Gemeinde wie<strong>der</strong>zu verbessern (vgl. H: 4f, 9, 10; S: 2).6.1| Ausgewählte Ergebnisse <strong>der</strong> Einwohnerbefragungzu <strong>den</strong> Ursachenund Hintergrün<strong>den</strong> des ‚Wirtshaussterbens’Um <strong>den</strong> vielfältigen Aspekten des Phänomens‚Wirtshaussterben’ gerecht zu wer<strong>den</strong>, wur<strong>den</strong>auch offene Fragen in <strong>den</strong> Fragebogen für dieBürger in Vorra aufgenommen. Da Mehrfachnennungenebenso möglich waren, wur<strong>den</strong>diese bei <strong>der</strong> sich anschließen<strong>den</strong> Auswertungzu Kategorien gebündelt (zumindest fünf Nennungenwaren für eine Kategorie erfor<strong>der</strong>lich,Antworten unter fünf Nennungen wur<strong>den</strong> unter„Sonstiges“ subsumiert).Gründe für das ‚Wirtshaussterben’ in Bayernaus Sicht <strong>der</strong> Einwohner in VorraWie nicht an<strong>der</strong>s zu erwarten war, verwiesendie Einwohner Vorras im Zusammenhang mit<strong>der</strong> Frage, welche Ursachen für das ‚Wirtshaussterben’in Bayern verantwortlich zu machensind, auf eine Vielzahl an Aspekten. Interessantist dabei, dass auf die Kategorien „Gründe,die <strong>den</strong> Wirt, seine Familie und das Personalbetreffen“ sowie „Herausfor<strong>der</strong>ungen an <strong>den</strong>Beruf des Wirts“ mit Abstand die meisten Nennungenentfielen (vgl. Abb. 6.2).<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 57


Der ambivalente Charakter <strong>der</strong> Antworten indiesen bei<strong>den</strong> Kategorien lässt Raum für Interpretationen.Einerseits sind sich die Einwohnerüber die hohen Anfor<strong>der</strong>ungen bezüglich <strong>der</strong>Führung eines Wirtshauses bewusst: Nebenwirtschaftlichen Herausfor<strong>der</strong>ungen (33 Nennungen)wurde in dieser Kategorie vor allemauf die schwierige Arbeitssituation hingewiesen(13 Nennungen), die sich u.a. in langenArbeitszeiten und einer hohen Arbeitsintensitätäußert. Gleichzeitig wer<strong>den</strong> aber auch dieBetreiber selbst, <strong>der</strong>en Familien sowie das Personalim Kontext des ‚Wirtshaussterbens’ mitin die Verantwortung genommen. Innerhalbdieser Kategorie stellen Nachfolgeprobleme(24 Nennungen), Angebot/Qualität (12 Nennungen),fehlende familiäre Unterstützung (7Nennungen) sowie auch Unvermögen (6 Nennungen)die wichtigsten Aspekte aus Sicht <strong>der</strong>Befragten dar. Auch <strong>den</strong> von staatlicher Seitegefor<strong>der</strong>ten Auflagen weisen die EinwohnerVorras eine hohe Bedeutung im Hinblick aufdie negative Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong>in Bayern ebenso zu wie <strong>den</strong> „neuen Formendes Konsums und <strong>der</strong> Freizeitgestaltung“.Kommunikation undGemeinschaftssinnKonkurrenz durch VereineWirtschaftliche Situation<strong>der</strong> regionalen BevölkerungNeue Formen des Konsumsund <strong>der</strong> FreizeitgestaltungGesetzl. Aspekte u. AuflagenHerausfor<strong>der</strong>ungen an<strong>den</strong> Beruf des WirtsGründe, <strong>den</strong> Wirt, seine Familieund das Personal betreffendQuelle: Eigene Erhebung, 2013Sonstiges0 10 20 30 40 50 60(N = 215, Mehrfachnennungen möglich)Kartographie: S. Bauer, 2013Abb. 6.2 | Ursachen und Hintergründe des ‚Wirtshaussterbens’in Bayern aus Sicht <strong>der</strong> Einwohner in VorraIn deutlich weniger Fällen machten die Befragtendie „wirtschaftliche Situation <strong>der</strong> regionalenBevölkerung“, die sich in einem Rückgang<strong>der</strong> Wirtshausbesuche manifestiert, fürdas ‚Wirtshaussterben’ verantwortlich. Auf die„Konkurrenz durch Vereine“ entfielen nur wenigeNennungen. Mo<strong>der</strong>ne Kommunikationsformen,die aufgrund technischer Neuerungendas Kommunikationsverhalten auf eine an<strong>der</strong>eEbene verlagern, wur<strong>den</strong> ebenso nur inwenigen Fällen für das ‚Wirtshaussterben’ verantwortlichgemacht. Innerhalb <strong>der</strong> Kategorie„Sonstiges“ wur<strong>den</strong> u.a. die Abwan<strong>der</strong>ung jungerMenschen vom Land sowie tiefgreifendeÄn<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Arbeitswelt als Gründe für58 | Genuss mit Geschichte?


<strong>den</strong> Rückgang <strong>der</strong> Wirtshäuser in Bayern angeführt.trifft gar nicht zutrifft nur teilweise zutrifft überwiegend zuQuelle: Eigene Erhebung, 2013trifft voll zu0 5 10 15 20 25 30(N = 69)Kartographie: S. Bauer, 2013Abb. 6.3 | Internet und Handy als Ursache für das ‚Wirtshaussterben’aus Sicht <strong>der</strong> Einwohner in VorraInteressant waren die Antworten auf die Frage,inwieweit nach Meinung <strong>der</strong> Befragten Internetund Handy das Kommunikationsverhaltenverän<strong>der</strong>t haben und die Attraktivität einesWirtshausbesuchs darunter lei<strong>den</strong> würde. Offenbarwirkte diese Frage polarisierend auf dieBürger Vorras (vgl. Abb. 6.3). Einerseits stimmte<strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong> Befragten <strong>der</strong> These, dass Handyund Internet mit dem Rückgang von Wirtshausbesuchenzu tun hätten, nur „teilweise“o<strong>der</strong> „gar nicht“ zu. Viele von ihnen betontendie hohe Bedeutung persönlicher Gespräche,welche mo<strong>der</strong>ne Kommunikationsmittel nichtersetzen können. Einige unterstrichen aberauch, dass technische Neuerungen durchausför<strong>der</strong>lich sein wür<strong>den</strong>, <strong>den</strong>n nun könnten zumBeispiel Verabredungen für einen Besuch imWirtshaus leichter getroffen wer<strong>den</strong>. An<strong>der</strong>erseitsstimmten nicht ganz so viele Personen <strong>der</strong>Grundaussage zu, dass sich die neuen Kommunikationsmöglichkeitendurchaus negativ aufWirtshausbesuche auswirken wür<strong>den</strong>.Gründe für das ‚Wirtshaussterben’ in Vorraaus Sicht <strong>der</strong> Einwohner des OrtesUm die Hintergründe des ‚Wirtshaussterbens’aus Sicht <strong>der</strong> Befragten auch auf kleinräumigerEbene zu erfassen, wur<strong>den</strong> die Bürger Vorrasnach <strong>den</strong> Ursachen für die zahlreichen Schließungenvon Wirtshäusern in ihrer Heimatgemeindebefragt. In diesem Zusammenhangstellen die auch schon im Kontext Gesamtbayernserwähnten „Gründe, die <strong>den</strong> Wirt, seineFamilie und das Personal betreffen“ sowie „Herausfor<strong>der</strong>ungenan <strong>den</strong> Beruf des Wirts“ die amhäufigsten genannten Aspekte dar (vgl. Abb.6.4). Einerseits wissen die Befragten um dievielfältigen Herausfor<strong>der</strong>ungen des „Wirtseins“(Wirtschaftlichkeit eines Gastronomiebetriebs:26 Nennungen; schwierige Arbeitssituation: 8Nennungen; Sanierungsbedarf <strong>der</strong> Gebäude:8 Nennungen) durchaus Bescheid, gleichzeitigwer<strong>den</strong> jedoch auch die (ehemaligen) Wirtemit in die Verantwortung gezogen. Innerhalb<strong>der</strong> Kategorie „Gründe, die <strong>den</strong> Wirt, seine Familieund das Personal betreffen“ wur<strong>den</strong> amhäufigsten die Aspekte „Nachfolgeprobleme“(19 Nennungen), „Unvermögen“ (7 Nennungen),sowie „mangelndes Angebot/mangelndeQualität“ (6 Nennungen) und „fehlende Innovationenbzw. Investitionen“ (6 Nennungen)genannt.<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 59


Wirtschaftliche Situation<strong>der</strong> regionalen BevölkerungGesetzliche Aspekteund AuflagenNie<strong>der</strong>gang des Tourismusim PegnitztalNeue Formen des Konsumsund <strong>der</strong> FreizeitgestaltungHerausfor<strong>der</strong>ungen an<strong>den</strong> Beruf des WirtsGründe, <strong>den</strong> Wirt, seine Familieund das Personal betreffendQuelle: Eigene Erhebung, 2013Sonstiges0 10 20 30 40 50 60(N = 179, Mehrfachnennungen möglich)Kartographie: S. Bauer, 2013Abb. 6.4 | Ursachen und Hintergründe des ‚Wirtshaussterbens’in Vorra aus Sicht <strong>der</strong> Einwohner des OrtesHinsichtlich Anzahl <strong>der</strong> Nennungen deutlichabgeschlagen wer<strong>den</strong> als weitere Kategorien„Än<strong>der</strong>ungen im Konsum- und Freizeitverhalten“sowie „Nie<strong>der</strong>gang des Tourismus im Pegnitztal“angeführt. Auch „Gesetzliche Aspekteund Auflagen“ wer<strong>den</strong> in einer durchaus beachtlichenIntensität genannt. Eine geringereRolle als Ursache für das ‚Wirtshaussterben’spielt nach Meinung <strong>der</strong> Befragten dagegendie „wirtschaftliche Situation <strong>der</strong> regionalenBevölkerung“, die nur am Rande für das ‚Wirtshaussterben’in Vorra verantwortlich gemachtwurde. Immerhin 26 Nennungen entfielen aufdie Kategorie „Sonstiges“, was zeigt, dass auchaus Sicht <strong>der</strong> Befragten das ‚Wirtshaussterben’in Vorra mit einer Vielzahl an Ursachen in Verbindunggebracht wird.6.2 | Ausgewählte Ergebnisse <strong>der</strong> Expertenbefragungzu <strong>den</strong> Ursachenund Hintergrün<strong>den</strong> des ‚Wirtshaussterbens’Wenig überraschend ist, dass auch die Expertenim Rahmen <strong>der</strong> Interviews ein sehrfacettenreiches Bild von Ursachen und Hintergründefür die rückläufige Entwicklung <strong>der</strong><strong>Wirtshauskultur</strong> sowohl in Bayern als auch in<strong>der</strong> Beispielgemeinde Vorra zeichneten. Um imFolgen<strong>den</strong> eine bessere Übersicht zu gewährleisten,wer<strong>den</strong> die verschie<strong>den</strong>en Aspektethematisch aufbereitet und in gebündeltenKategorien dargelegt.6.2.1 | Gesetzliche Aspekte und AuflagenAuflagen: „Strenge Auflagen stellen eine Vielzahlan Wirten vor große Herausfor<strong>der</strong>ungen“betonen zwei Experten, die über langjährigeErfahrung im Gastronomiebereich verfügen(vgl. Ba: 1; L: 3). So wer<strong>den</strong> von einem weiterenExperten als Beispiel die zum Teil immensenInvestitionskosten im Rahmen des DenkmalundBrandschutzes genannt (vgl. M: 1). GeradeBetreiber von Schankwirtschaften stellt dasvor beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ungen, da diesemit einem Jahresumsatz von durchschnittlich122.200 Euro <strong>den</strong> Betriebstyp mit <strong>den</strong> niedrigstenUmsätzen im Gastronomiegewerbebil<strong>den</strong> (vgl. dwif 2010: 105ff). Ein Wirt aus demLandkreis Hersbruck verweist auf das Baurecht,60 | Genuss mit Geschichte?


das aus seiner Sicht eine wichtige Rolle im Hinblickauf das ‚Wirtshaussterben’ spielt, <strong>den</strong>n bei<strong>der</strong> Übergabe eines Betriebes an einen Nachfolgerwür<strong>den</strong> die Baulichkeiten vom Bauamtgenau geprüft wer<strong>den</strong>. Nicht selten ist, dassdann immens hohe Investitionskosten entstehen,die potenzielle neue Betreiber von einerÜbernahme abschrecken (vgl. SL: 1).Das Gesetz zum Rauchverbot. Im Hinblickauf das ‚Wirtshaussterben’ ist durchaus interessant,dass aus <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> ehemaligen undpraktizieren<strong>den</strong> Wirte starke Kritik am Gesetzzum Rauchverbot geäußert wird (vgl. Ba: 1; B:4; L: 5f; W: 12). Dabei wird zum einen die Form<strong>der</strong> Umsetzung des Verbots bemängelt (vgl. B:4). Zum an<strong>der</strong>en wird auf die ökonomischenKonsequenzen für <strong>den</strong> Wirt hingewiesen, da<strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Raucher unter <strong>den</strong> Stammgästenhoch ist (vgl. W: 12). Auch Aspekte <strong>der</strong> Geselligkeitwer<strong>den</strong> mit dem Rauchverbot in Verbindunggebracht. In diesem Zusammenhangwird das Gesetz für <strong>den</strong> allgemeinen Rückgang<strong>der</strong> Kommunikation in <strong>den</strong> Wirtshäusern verantwortlichgemacht, was ein ehemaliger Wirtmit <strong>der</strong> Äußerung „[…] auf einmal sitzt du alleineam Stammtisch, weil fünf rausgehen und rauchen“(ebd.: 12) plakativ zum Ausdruck bringt.Darüber hinaus wird Rauchen als Teil des typischenAmbientes in einem traditionellen Wirtshausgesehen (vgl. L: 5f). Dennoch findet dasRauchverbot im Wirtshaus unter <strong>den</strong> „Schlüsselpersonen“auch Befürworter. So bewertetein Interviewpartner das Gesetz positiv: DasRauchverbot würde <strong>den</strong> Besuch von Versammlungenim Wirtshaus heutzutage weitaus angenehmermachen. Zudem wird von ihm <strong>der</strong>Aspekt einer klaren Gesetzeslage, auf die sichdie Wirte stützen können, hervorgehoben (vgl.S: 5f).Brauereiverträge. Nicht nur gesetzliche Aspektewur<strong>den</strong> im Rahmen <strong>der</strong> Gespräche thematisiert.Auch Auflagen wie unvorteilhafteBrauereiverträge können sich in manchen Fällenungünstig auf <strong>den</strong> ökonomischen Erfolgeines Wirtshauses auswirken, wie ein Expertemit langjähriger praktischer Erfahrung im Gastronomiebereichbetont (vgl. Wt: 1).Alkoholkontrollen. Laut einem ehemaligenWirt haben verstärkte Alkoholkontrollen sowiedie Promillegrenze negativen Einfluss aufdie Zahl <strong>der</strong> Wirtshausbesuche, doch gleichzeitigbetont die gleiche Person die Existenzberechtigungdieses Gesetzes (vgl. W: 9). Einpraktizieren<strong>der</strong> Wirt führt dagegen an, dassdie Promillegrenze eigentlich keine negativenAuswirkungen auf die Wirtshausbesuchehaben dürfte, <strong>den</strong>n die ursprüngliche Funktioneines Dorfwirtshauses wäre ja, Plattformfür die Zusammenkunft <strong>der</strong> Ortsbewohner zusein, die das Wirtshaus auch zu Fuß erreichenkönnten (vgl. B: 3).Fazit. Aus Sicht <strong>der</strong> Befragten würde eine nichtunerhebliche Zahl an Auflagen und Gesetzendie Betreiber von Wirtshäusern vor große Herausfor<strong>der</strong>ungenstellen. Dies würde vor allemSchankwirtschaften betreffen, die ohnehin nur<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 61


geringe Jahresumsätze verzeichnen. BestimmteAuflagen und Gesetze wür<strong>den</strong> von diesenWirten als zusätzliche intensive Belastungwahrgenommen. Beson<strong>der</strong>s das Rauchverbotwird von Gastronomen negativ bewertet, wirdjedoch nicht von allen durchwegs negativ gesehen.Ebenso umstritten ist, vor allem unterdem Aspekt <strong>der</strong> „Mobilität“, <strong>der</strong> Einfluss <strong>der</strong>Promillegrenze auf die Zahl <strong>der</strong> Wirtshausbesuche.6.2.2 | MobilitätDas Phänomen des ‚Wirtshaussterbens’ wirdgern in einen engen Zusammenhang mit demAnstieg <strong>der</strong> Mobilität gebracht und mit <strong>der</strong>Aussage verknüpft, dass in <strong>der</strong> Freizeit bevorzugtZiele außerhalb des Heimatdorfs aufgesuchtwer<strong>den</strong>. Dieser Aspekt wird von mehrerenSchlüsselpersonen betont (vgl. P: 1; M: 4;H: 5). Die gestiegene Mobilität ist nach Auffassungeines Landwirts gleichzeitig aber auchdas Ergebnis des Verlusts <strong>der</strong> Funktionsvielfaltauf <strong>den</strong> Dörfern (vgl. S: 4f).An<strong>der</strong>erseits sehen die befragten Expertenauch die Notwendigkeit, möglichst mobil zusein, wenn es um einen Wirthausbesuch geht.Um dem Bedürfnis nachzukommen, ein traditionellfränkisches Wirtshaus zu besuchen,fahren viele Einwohner Vorras bis ins 20 kmentfernte Lieritzhofen (vgl. H: 8). Auch fehlendeParkplätze wer<strong>den</strong> von einem Befragten alsArgument für die rückläufigen Wirtshausbesucheangeführt (vgl. S: 4). Im Umkehrschluss bedeutetdas, dass <strong>der</strong> Erfolg eines Wirtshausesin hohem Maße auch von <strong>den</strong> Faktoren „Lage“und „Anschluss an das Verkehrssystem“ abhängigist (vgl. Wt: 1)Fazit. Vor dem Hintergrund eines enormen Anstiegs<strong>der</strong> Mobilität während <strong>der</strong> vergangenenJahrzehnte ist <strong>der</strong> Besuch neuer Zentren desKonsums und <strong>der</strong> Freizeit außerhalb des Heimatdorfsvon nicht unerheblicher Bedeutung.Es wer<strong>den</strong> mit zunehmen<strong>der</strong> Ten<strong>den</strong>z Ziele außerhalbdes Heimatdorfes frequentiert. Gleichzeitigist ein hohes Maß an Mobilität für dieDorfbewohner zwingend notwendig, wenn siebestimmte Einrichtungen aufsuchen möchten.Dies bedeutet an<strong>der</strong>erseits, dass die Lage einesBetriebs sowie <strong>der</strong> Anschluss an das Verkehrssystemwichtige Erfolgsfaktoren darstellen.6.2.3 | Neue Formen des Konsums und <strong>der</strong>Freizeitgestaltung„Ein Wirtshaus so gestalten, dass alle es attraktivfin<strong>den</strong>, die 80jährigen und die 18jährigen,das ist eine große Herausfor<strong>der</strong>ung“, so bringtes <strong>der</strong> jüngste <strong>der</strong> befragten Experten auf <strong>den</strong>Punkt (M: 7). Heutzutage wird regelmäßigenWirtshausbesuchen, etwa im Rahmen desFrühschoppens, nur noch geringfügige Bedeutungzugesprochen (vgl. S: 3). Zudem sprichtdas klassische Dorfwirtshaus nicht mehr dasGros <strong>der</strong> Bevölkerung an (vgl. M: 7). In diesemZusammenhang spielt auch das Aufkommen62 | Genuss mit Geschichte?


neuer Formen <strong>der</strong> Freizeitgestaltung und desKonsums eine wichtige Rolle.Die Rolle des Fernsehgeräts. Die Einführungdes Fernsehgeräts wird von einer Reihe vonSchlüsselpersonen als Meilenstein im Kontextneuer Formen <strong>der</strong> Freizeitgestaltung beschrieben.Seit es die Möglichkeit des Fernsehensgibt, bleiben die Menschen häufiger zu Hauseund besuchen eher seltener ein Wirtshaus (vgl.P: 1; W: 6; B: 3).Die Rolle <strong>der</strong> Jugend. In <strong>der</strong> Vergangenheitbeschränkte sich <strong>der</strong> Besuch diverser Angebotefür Freizeit und Konsum vorwiegend aufdas Heimat- und Nachbardorf (vgl. M: 4). Heutesind neue Formen <strong>der</strong> Freizeitgestaltungbeliebter als ein klassischer Wirtshausbesuch(vgl. P: 1). Vor allem Jugendliche frequentierenheutzutage Kinos, Diskotheken und Kneipenin nahe gelegenen Mittel- und Oberzentrenund ziehen Events mit Livemusik in <strong>der</strong> Regiondem Wirtshausbesuch im eigenen Ort vor(vgl. M: 3; H: 5; P: 1). Als mögliche Erklärungdieser Entwicklung führen die GastronomieexpertenGründe an, die sowohl <strong>den</strong> FaktorZeit im verän<strong>der</strong>ten Ausgehverhalten als auchAspekte <strong>der</strong> sozialen Kontrolle betreffen. Einerseitsschließt das klassische Dorfwirtshaus fürjüngere Zielgruppen oftmals zu früh (vgl. Ba: 1;B: 5). An<strong>der</strong>erseits schrecken vor allem jungeMenschen vor einem Wirtshausbesuch zurück,weil sie damit das Gefühl verbin<strong>den</strong>, „unterAufsicht zu stehen“ (vgl. M: 4; W: 11). Interessantin diesem Zusammenhang ist, dass bei <strong>der</strong>Vorraer Kirchweih überlegt wurde, auf <strong>den</strong> VeranstaltungsortWirtshaus zu verzichten, weilsonst die Attraktivität für die Jugend allzu sehrlei<strong>den</strong> würde (vgl. M: 6). Die gesellschaftlicheAkzeptanz des Wirtshausbesuchs – und hiervor allem <strong>der</strong> regelmäßige mit übermäßigemAlkoholgenuss – hat gemäß einem Vertreter<strong>der</strong> jungen Generation rapide abgenommen(vgl. ebd.: 3). Der Befragte sieht sich selbst alsOpfer dieser Entwicklung, was mit <strong>den</strong> Worten„[…] schau dir mal <strong>den</strong> M. an, <strong>der</strong> ist 25 Jahre alt,<strong>der</strong> hat ein Alkoholproblem, warum geht <strong>der</strong> [regelmäßig]ins Wirtshaus?“ nachdrücklich zumAusdruck gebracht wird (ebd.: 3).Neue Zentren des Konsums. Parallel zu mo<strong>der</strong>nenFormen <strong>der</strong> Freizeitgestaltung sind in<strong>der</strong> jüngeren Vergangenheit neue Zentren desKonsums entstan<strong>den</strong>. Bis noch vor wenigenJahrzehnten besaß <strong>der</strong> Wirt das Monopol auf<strong>den</strong> Bierverkauf im Ort (vgl. Hümmer 1980).Die Dorfbewohner suchten die Wirtshäuserauf, um sich mit alkoholhaltigen Getränken zuversorgen (vgl. R: 1). Heutzutage ersetzt <strong>der</strong>Einkauf im Getränkemarkt häufig <strong>den</strong> Wirtshausbesuch(vgl. P: 1).Fazit. Neue Zentren <strong>der</strong> Freizeit und des Konsumsersetzen zunehmend das traditionelleDorfwirtshaus. Hinzu kommt, dass aus <strong>der</strong>Sicht <strong>der</strong> befragten Experten <strong>der</strong> Wirtshausbesuchbeson<strong>der</strong>s bei <strong>der</strong> jungen Generationin manchen Fällen mit einem negativenImage behaftet ist, was sich innerhalb dieserZielgruppe hemmend auf die Zahl und Häufig-<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 63


keit <strong>der</strong> Besuche auswirkt. Darunter leidet <strong>der</strong>zwischenmenschliche und vor allem auch <strong>der</strong>generationenübergreifende Austausch im Ort.6.2.4 | Entwicklungen in <strong>der</strong> ArbeitsweltDie Globalisierung im Sinne einer zunehmen<strong>den</strong>internationalen Verflechtung von Ökonomienund Gesellschaften bewirkt grundlegendeVerän<strong>der</strong>ungen innerhalb <strong>der</strong> Arbeitswelt,die auch die Wirte vor eine Reihe von Herausfor<strong>der</strong>ungenstellen, welche im Folgen<strong>den</strong> thematisiertwer<strong>den</strong>.Planerische Herausfor<strong>der</strong>ungen. Unter <strong>den</strong>verän<strong>der</strong>ten Arbeitsbedingungen fallen für dieArbeitnehmer die freien Tage nicht mehr zwingendauf das Wochenende, was für die Wirtezunehmend mit Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Planungeinhergeht. Während des zeitweisen Tourismusboomsnach <strong>der</strong> Wende in Vorra musstensich die Wirte zunehmend auch unter <strong>der</strong>Woche auf Touristen einstellen, was vor allemNebenerwerbswirten beson<strong>der</strong>e Probleme bereitete.Diese planerischen Herausfor<strong>der</strong>ungenwer<strong>den</strong> von einem ehemaligen Wirt genannt(vgl. W: 3). Gerade vor dem Hintergrund hoherPersonal- und Nebenkosten kommt dem Gesichtspunktabnehmen<strong>der</strong> Planungssicherheitkeine unwesentliche Bedeutung zu, allerdingssollte eine erfahrene Wirtin o<strong>der</strong> ein erfahrenerWirt damit gut zurecht kommen und an dieserHerausfor<strong>der</strong>ung nicht scheitern.Vertragliche Vorschriften. Verän<strong>der</strong>te Vorschriftenund strengere Auflagen im Rahmenneuer Arbeitszeitregelungen für Arbeitnehmerkönnen sich negativ auf die Zahl <strong>der</strong> Wirtshausbesucheauswirken (vgl. L: 15; H: 5). DieserAspekt wird von einer ehemaligen Wirtinwie folgt geschil<strong>der</strong>t: „[…] bei uns kamen dieMaurer, die Bahnerer, die Straßenarbeiter, dieStraßenvermesser, wenn es einmal geregnet hat,dann haben sie die Brotzeit noch zum Mittagausgedehnt […] heute müssen sie in ihrem Bauwagenhocken, damit sie keine fünf Minuten über<strong>der</strong> Zeit sind“ (L: 15). Hier wäre durchaus kritischzu fragen, ob eine flexible Wirtin o<strong>der</strong> ein flexiblerWirt nicht doch in <strong>der</strong> Lage sein sollte,auf eine solche Herausfor<strong>der</strong>ung mit einemadäquaten Konzept zu reagieren.Einkommenssituation. Ein Nebenerwerbslandwirtschil<strong>der</strong>t eine erhebliche Verschlechterungseiner Einkommenssituation, wasAuswirkungen auf die Häufigkeit <strong>der</strong> Wirtshausbesuchenach sich zieht (vgl. S: 2). Geradefür Wirtshäuser im ländlichen Raum, in welchemdie Landwirtschaft nach wie vor eine bedeutendeStellung einnimmt, ist dieser Aspektdurchaus relevant. Dennoch ist zu beachten,dass <strong>der</strong> makro-ökonomisch betrachtet <strong>der</strong>Beitrag <strong>der</strong> landwirtschaftlichen Produktionzum Bruttosozialprodukt seit Jahren rückläufigist.Fazit. Einschnei<strong>den</strong>de Entwicklungen in <strong>der</strong>Arbeitswelt nehmen Einfluss auf die Häufigkeitund <strong>den</strong> zeitlichen Rahmen <strong>der</strong> Wirtshausbe-64 | Genuss mit Geschichte?


suche, was Wirte zunehmend vor Herausfor<strong>der</strong>ungenstellt. Es sind vor allem übergreifendeVerän<strong>der</strong>ungen in <strong>den</strong> Arbeitsverhältnissen<strong>der</strong> Menschen, die ihr Freizeitverhalten beeinflussenund mit negativen Auswirkungen aufdie Gastronomie insbeson<strong>der</strong>e im ländlichenRaum verbun<strong>den</strong> sein können.6.2.5 | Die Rolle <strong>der</strong> VereineIm Hinblick auf gemeinsame Veranstaltungenvon und für Bürgerinnen und Bürger sowieAspekte <strong>der</strong> Geselligkeit im ländlichen Raumkommt Vereinen eine wichtige Rolle zu (vgl.More-Hollerweger 2008: 35). So bleibt es nichtaus, dass die Rolle <strong>der</strong> Vereine im Zusammenhangmit <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Gastronomieeinen sehr wichtigen Diskussionspunkt in <strong>den</strong>Interviews mit <strong>den</strong> Experten darstellt.Der Bau von Vereinsheimen. Immer wie<strong>der</strong>kommt in <strong>den</strong> Gesprächen mit <strong>den</strong> Expertenzum Ausdruck, dass gerade im ländlichenRaum die Vereinsgastronomie für viele Wirtshäuserein Problem darstellt (z.B. P: 1). Endedes 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts scheint <strong>der</strong> Bau von Vereinsheimenstark zugenommen zu haben (vgl.B: 4), was aus Sicht etlicher Schlüsselpersonenals neue Konkurrenzsituation interpretiert wird(vgl. W: 1f; L: 4; P:1). In diesem Zusammenhangwird auf die häufig hohen Neben- und Personalkostenverwiesen, die Wirte im Unterschiedzu Vereinsheimen zu tragen haben und deshalbmit letzteren auf ungleicher Basis konkurrierenmüssen (vgl. L: 3; W: 3; H: 14), z.B. inBezug auf die Bierpreise. Konsequenz ist, dassdas eigene Vereinsheim zunehmend frequentiertwird, worunter <strong>der</strong> regelmäßige Wirtshausbesuchleidet (vgl. H: 14). Hinzu kommt,dass ein Wirt auf einen guten Ruf angewiesenist und Wirte in dieser Hinsicht einem höherengesellschaftlichen Druck als eine Vereinsgastronomieunterliegt, die auf mehreren Schulternruhen kann (vgl. W: 3). Ein praktizieren<strong>der</strong>Wirt führt jedoch relativierend an, dass auchdie Vereine mit erheblichen Nachwuchsproblemenzu kämpfen haben (vgl. B: 4).Vereine und Wirte im Kontext traditionellerVeranstaltungen. Was die Abhaltung traditionellerVeranstaltungen in Vorra angeht, sindWirte nur noch in unbedeutendem Ausmaßeeingebun<strong>den</strong>. Als Beispiel wird die Kirchweihgenannt, die eines <strong>der</strong> zentralen traditionellenEreignisse im Jahreskalen<strong>der</strong> Vorras bildet.In <strong>der</strong> Vergangenheit wurde dieses Fest beimWirt ausgerichtet, heute wird von <strong>der</strong> Gastronomiein Vorra nur noch die als Spezialitätbekannte „Vogelsuppe“ angeboten (vgl: M:5). Großveranstaltungen <strong>der</strong> Vereine wer<strong>den</strong>in <strong>der</strong> Turnhalle des Ortes abgehalten. Dabeikooperieren die ortsansässigen Vereine bei<strong>der</strong> Finanzierung eines Anbaus, wenn dieserfür die Bewirtung erfor<strong>der</strong>lich ist. Dies machtdeutlich, dass es in Vorra einen Mangel an geeignetenRäumlichkeiten für größere Veranstaltungengibt (vgl. H: 2), auch weil Wirtshäuser,die solche Räume anbieten konnten, ihreTore geschlossen haben.<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 65


Fazit. <strong>Für</strong> Vorra, aber auch generell ist zu konstatieren,dass enge Bindungen zwischen Vereinenund Wirten heutzutage eher selten gewor<strong>den</strong>sind. Gerade <strong>der</strong> Bau von Vereinsheimenim ländlichen Raum wird von <strong>den</strong> befragtenExperten mit negativen Konsequenzen für dieWirte behaftet gesehen, da sich hierdurch fürdie Wirte oftmals eine schwierige Konkurrenzsituationergibt. Allerdings könnte diese mitguten Konzepten und kreativen Ideen abgemil<strong>der</strong>t,wenn nicht gar beseitigt wer<strong>den</strong>.6.2.6 | Kommunikation und Gemeinschaftssinn„Verän<strong>der</strong>tes Kommunikationsverhalten“ undmangelnde Gelegenheiten für das Erleben von„Gemeinschaftssinn“ und „Geselligkeit“ stellenim Kontext des ‚Wirtshaussterbens’ wichtigeAspekte dar, was in <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> Ausführungendeutlich wird.Rückgang <strong>der</strong> Geselligkeit. Zwei <strong>der</strong> befragtenExperten weisen mit großem Bedauerndarauf hin, dass die zwischenmenschlicheKommunikation sowie die Geselligkeit im Dorfabgenommen hätten (vgl. B: 2; W: 7, 17). Einweiterer Befragter verweist auch auf <strong>den</strong> zunehmen<strong>der</strong>Verlust des Gemeinschaftssinnsim Dorf (vgl. M: 2). Ebenso wird insbeson<strong>der</strong>eauf einen tiefgreifen<strong>den</strong> Wandel hinsichtlich<strong>der</strong> ‚Philosophie’ vom Leben hingewiesen undmit dem Trend einer zunehmen<strong>den</strong> Individualisierungin <strong>der</strong> Gesellschaft in Verbindunggebracht (vgl. ebd.: 2, 4, 7; S: 3f; W: 17). Auch<strong>der</strong> Stellenwert <strong>der</strong> Familie hätte unter diesenübergreifen<strong>den</strong> Trends zu lei<strong>den</strong> (vgl. S.: 4; W:19) und natürlich auch das „kulturelle Leben“(W: 3) im Wirtshaus. Ein Befragter aus dem BereichLandwirtschaft sieht das so: „Heute, wennich auf dem Berg bin, bin ich teilweise ganz alleine.Und dann sitze ich auch nur auf <strong>der</strong> Maschine.Da ist kein Kontakt. […] [früher] da war ein Miteinan<strong>der</strong>,ein Verstehen da. Die Männer sind dannauch ins Wirtshaus gegangen“ (S: 3).Der Hinweis, dass die Zahl <strong>der</strong> Stammtischein Vorra rückläufig ist, unterstreicht die geschil<strong>der</strong>tenEntwicklungen (vgl. H: 14). DerStammtisch war früher fest im Dorf verankert,hatte seinen festen Platz im Wochenablaufund trug durchaus verbindlichen Charakter. ImVergleich dazu ist heutzutage die Initiative fürStammtischbesuche weniger stark ausgeprägt(vgl. ebd.: 17).Neue Formen und Wege <strong>der</strong> Kommunikation.Immer wie<strong>der</strong> wer<strong>den</strong> von <strong>den</strong> interviewtenExperten die neuen Medien genannt, welchenein durchaus beträchtlicher Einfluss aufdas Kommunikationsverhalten attestiert wird(vgl. B: 1, 3; M: 3) und die ten<strong>den</strong>ziell zu einerVerdrängung <strong>der</strong> ‚face-to-face’-Kommunikationführen wür<strong>den</strong> (vgl. H: 3; B: 3; M: 3; S: 4).Auch für die Beschaffung von Informationenwür<strong>den</strong> heute technische Innovationen undnicht mehr so sehr wie früher das Wirtshaus genutzt(vgl. R: 1; M: 2). Dennoch wird dem Wirtshausim Kontext <strong>der</strong> Kommunikation nach66 | Genuss mit Geschichte?


wie vor ein nicht unbeträchtlicher Stellenwertattestiert, da Unterhaltungen dort einen vielhöheren emotionalen Charakter als Gesprächeauf einer eher technologisch ausgerichtetenPlattform hätten (vgl. W: 18). Interessant ist,dass die technischen Neuerungen, die eigentlichdie zwischenmenschliche Kommunikationvereinfachen sollten, von einer <strong>der</strong> befragtenPersonen, die aktiv am Vereinsleben in Vorrabeteiligt ist, negativ bewertet wer<strong>den</strong>. PersönlicheAbsprachen hätten für ihn nach wie voreinen stärker bin<strong>den</strong><strong>den</strong> Charakter (vgl. H: 17).Fazit. Tiefgreifende Än<strong>der</strong>ungen im Kommunikationsverhalten,im speziellen vor dem Hintergrundtechnischer Innovationen, wer<strong>den</strong>von <strong>den</strong> interviewten Experten als Rahmenbedingungenangeführt, die nicht unbeträchtlichzum Rückgang <strong>der</strong> Wirtshausbesuche beitragen.Ihnen ist nach wie vor die persönlicheKommunikation wichtig, weil sie emotionalerals im Austausch über technische Medien geführtwer<strong>den</strong> kann und mit ihr eine stärkereBindungswirkung zum Beispiel bei Terminabsprecheneinhergehen würde (vgl. W: 17; H:16).6.2.7 | Herausfor<strong>der</strong>ungen an <strong>den</strong> Beruf desWirtsWirte wer<strong>den</strong> in <strong>der</strong> heutigen Welt nicht nurmit einer Reihe tiefgreifen<strong>der</strong> gesellschaftlicherVerän<strong>der</strong>ungen konfrontiert, auch an ihrepersönliche Kompetenz ist eine Vielzahl an Herausfor<strong>der</strong>ungengeknüpft.Aspekt <strong>der</strong> Wahrnehmung. Insbeson<strong>der</strong>e fürdie junge Generation ist nach Meinung <strong>der</strong> befragtenExperten <strong>der</strong> Berufs des Wirts wenigattraktiv (vgl. M: 1; H: 8; W: 3; Ba: 1). Folge ist,dass die nachwachsende Generation immerweniger motiviert ist, <strong>den</strong> elterlichen Betriebzu übernehmen. Die negative Wahrnehmungdes Berufs hat viele Dimensionen, wobei dieBefragten folgende Argumente nennen: vergleichsweisehohe Personalkosten (vgl. B: 5;R: 1), geringe Gewinnspannen (vgl. M: 1; L: 1),strenge und kostenintensive Auflagen (vgl. R:1), hohe Renovierungs- und Instandhaltungskostenfür oftmals baufällige Gebäude (vgl. H:18; M: 9), ungünstige Arbeitszeiten (vgl. P: 1)gekoppelt an ein geringes Maß an Freizeit (vgl.R: 1). Ein Akteur, <strong>der</strong> erst vor wenigen Jahrensein Wirtshaus aufgeben musste, spricht hinsichtlich<strong>der</strong> Hintergründe und Ursachen voneiner Dissonanz <strong>der</strong> Variablen „Aufwand undErtrag“ (W: 18).<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 67


Hohe Anfor<strong>der</strong>ungen an die Kompetenzeines Wirts. An die erfolgreiche Ausübungdes Berufes wird ein hohes Maß an Expertisegeknüpft: Planungsgeschick, langjährige Erfahrungim Metier sowie eine bestimmte persönlicheEinstellung zu <strong>den</strong> Eigenheiten desBerufes Wirt sind die Aspekte, die hier genanntund mit hohen Anfor<strong>der</strong>ungen verknüpft gesehenwer<strong>den</strong> (vgl. W: 2f). Weiter geht aus <strong>den</strong>Interviews hervor, dass <strong>der</strong> Wirt in <strong>der</strong> Lagesein muss, eine enge Beziehung zu ganz unterschiedlichenGästen aufzubauen und einhohes Maß an Flexibilität (vgl. S: 5) und sozialerKompetenz (vgl. M: 7; W: 12) an <strong>den</strong> Tag zu legen.Die eigenen Wünsche sollten dabei stetshinter die des Kun<strong>den</strong> gestellt wer<strong>den</strong>, wieeine frühere Wirtin betont (vgl. L: 1). Dem Wirtobliegt darüber hinaus die „Steuerung“ <strong>der</strong>Gespräche im Wirtshaus und die Aufgabe, beiBedarf ggf. regulierend einzugreifen (vgl. W: 9).Generell haben sich die gesellschaftlichenAnsprüche an ein Wirtshaus in <strong>den</strong> vergangenenJahren erheblich verän<strong>der</strong>t. Gerade dieErfüllung des Anspruchs, <strong>den</strong> Wünschen <strong>der</strong>Kun<strong>den</strong> gerecht zu wer<strong>den</strong>, gestaltet sich inheutiger Zeit nicht einfach, wie ein ehemaligerSchankwirt betont: „[…] früher […] hat die Bedienungbestellt: Fünf Bier, drei Radler und zweiWasser. Heute geht es so: Fünf Weizen, hell, zweidunkel, zwei Helle, zwei Pils, drei Spezi ... so vielfältigist das. Teilweise hat man von <strong>der</strong> Brauereiher schon 30 verschie<strong>den</strong>e Biersorten – und dannpasst manchen Leut immer noch was nicht“ (W:2).Zu dem oben bereits behandelten allgemeinenAnstieg <strong>der</strong> Kosten in einem Wirtshauskommen hohe Qualitätsansprüche seitens<strong>der</strong> Kun<strong>den</strong> hinzu (vgl. S: 5). Preissteigerungensind dann oftmals unumgänglich. Diese habennach Ansicht zweier Schlüsselpersonen dazubeigetragen, dass ein Wirtshausbesuch an Attraktivitätverloren hat (vgl. S: 4; Wt: 1). Auchdie Komponenten „Konkurrenzsituation“ und„Planungsunsicherheit“ wer<strong>den</strong> von einem Insi<strong>der</strong>als weitere zentrale Herausfor<strong>der</strong>ungengenannt, vor <strong>den</strong>en heute ein Wirt steht. Hinzukommtdie Schwierigkeit geeignetes undflexibel einsetzbares Personal zu fin<strong>den</strong> (vgl.W: 18). Gerade vor diesem Hintergrund sindbetriebswirtschaftliche Kenntnisse von zentralerBedeutung – eine Voraussetzung, die nachAnsicht mancher Akteure nicht alle Wirte zufrie<strong>den</strong>stellen<strong>der</strong>füllen (vgl. M: 7; L: 5).Hohe Herausfor<strong>der</strong>ungen an die Familie desWirts. Neben <strong>den</strong> Herausfor<strong>der</strong>ungen an <strong>den</strong>Wirt selbst wer<strong>den</strong> auch an die Familie bzw.<strong>den</strong> Partner des Wirtes hohe Anfor<strong>der</strong>ungengestellt. Flexibilität und ein großzügiges Verständnisfür die hohen Belastungen des Wirtssind hier gefor<strong>der</strong>t (vgl. L: 1; H: 17f; W: 21; S: 1,2). Hat das persönliche Umfeld des Wirts damitSchwierigkeiten, können die beruflichen Belastungendurchaus das Privatleben des Wirtserheblich in Mitlei<strong>den</strong>schaft ziehen (vgl. W: 5).An<strong>der</strong>erseits kann eine Familie, die in unterstützen<strong>der</strong>Weise auf <strong>den</strong> Wirt einwirkt, als etwassehr Vorteilhaftes im Zusammenhang mit<strong>den</strong> vielseitigen Herausfor<strong>der</strong>ungen an <strong>den</strong> Be-68 | Genuss mit Geschichte?


uf des Wirts betrachtet wer<strong>den</strong>(vgl. W: 2; S: 2).Fazit. An <strong>den</strong> Beruf des Wirts ist eine Vielzahlan Herausfor<strong>der</strong>ungen sowohl im privaten undprofessionellen als auch im sozialen Bereichgeknüpft. Im Angesicht dieser Herausfor<strong>der</strong>ungenkommt <strong>der</strong> Familie des Wirts eine wichtigeRolle zu. Der Beruf des Wirts wird vor allem von<strong>der</strong> Jugend mit unflexiblen Arbeitszeiten undgeringen Gewinnspannen assoziiert. Nicht seltenist, dass daran die mangelnde Bereitschaft<strong>der</strong> nachfolgen<strong>den</strong> Generation zur Übernahmedes elterlichen Betriebs geknüpft ist.6.3 | Wichtige Rahmenbedingungen sowie übergreifende Hintergründe undUrsachenIn <strong>den</strong> Interviews wur<strong>den</strong> weitere Ursachenund Hintergründe für das ‚Wirtshaussterben’angeführt, die eher am Rande thematisiertwor<strong>den</strong> sind, aber <strong>den</strong>noch wichtige Rahmenbedingungenfür die Gastronomie bil<strong>den</strong>. Soerwähnt ein Wirt das „Heimatgefühl“, das nachwie vor in unserer Gesellschaft vorhan<strong>den</strong>wäre. Lei<strong>der</strong> käme es vorwiegend im Kontextkulinarischer Aspekte zum Tragen, hätte aberdurchaus Potential, für die Zwecke <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> <strong>bayerischen</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong> bessergenutzt zu wer<strong>den</strong> (vgl. B: 5).Ein Vertreter <strong>der</strong> jungen Generation vertritt dieAuffassung, dass die sozio-kulturelle Bedeutung<strong>der</strong> Wirtshäuser auf kommunalpolitischerEbene systematisch unterschätzt wer<strong>den</strong> würde.Er for<strong>der</strong>t daher mehr Unterstützung fürWirtinnen und Wirte seitens <strong>der</strong> Kommunen,<strong>der</strong> Vereine aber auch des Gesetzgebers (vgl.M: 2, 6, 9).Interessant ist, dass nur einer <strong>der</strong> Experten dieUmfunktionierung eines Vorraer Wirtshausesin ein Alten- und Pflegeheim erwähnt und dabeiindirekt <strong>den</strong> Aspekt des demographischenWandels anspricht (vgl. M: 1), <strong>der</strong> eine wichtigeRahmenbedingung für die Entwicklung<strong>der</strong> Gastronomie nicht nur in Bayern bildet.Eigentlich dürfte letzterer mit positiven Auswirkungenauf die <strong>Wirtshauskultur</strong> in Bayernverknüpft sein, <strong>den</strong>n die wachsen<strong>den</strong> Anteileälterer Bevölkerungsschichten bedeuten auch,dass das Potenzial möglicher Wirtshausbesuchernicht kleiner, son<strong>der</strong>n eher größer wird.Allerdings stehen diesem übergreifen<strong>den</strong> undfür die zukünftige Entwicklung <strong>der</strong> <strong>bayerischen</strong><strong>Wirtshauskultur</strong> positiven Megatrendan<strong>der</strong>e übergreifende Prozesse des sozialenund ökonomischen Wandels gegenüber. Hümmerkonstatiert bereits 1980 <strong>den</strong> hier schonmehrfach erwähnten generellen Funktionsverlustfür <strong>den</strong> ländlichen Raum, dem Teile diesesländlichen Raums offenbar nur dann entgehenkönnen, wenn sie sich im ‚Speckgürtel’ urbanerZentren befin<strong>den</strong> und von ihrer Lagegunstprofitieren.<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 69


Ein weiterer Großtrend, <strong>der</strong> auf <strong>den</strong> ersten Blickeher negative Wirkungen auf die Entwicklung<strong>der</strong> Wirtshausbesuche in Bayern hat, ist die Individualisierungin unserer Gesellschaft. Dochdieser grundlegende Prozess <strong>der</strong> sozialen Verän<strong>der</strong>ungbietet an<strong>der</strong>erseits durchaus Chancenfür die <strong>Wirtshauskultur</strong> in Bayern: Mit <strong>der</strong>Individualisierung geht vielfach einher, dassimmer mehr Menschen unter zunehmen<strong>der</strong>Einsamkeit lei<strong>den</strong>, was für Wirtshäuser alsklassische Orte <strong>der</strong> sprichwörtlichen Geselligkeitund <strong>bayerischen</strong> Gemütlichkeit durchausChancen eröffnet. Diese müssten allerdingsgeschickt und mit guten Ideen und Konzeptengenutzt wer<strong>den</strong>.Anteil in %40302010038,2 %29,9 %24,3 %11,3 %um 19001950Anteil <strong>der</strong> Landwirtschaftan <strong>den</strong> Erwerbstätigen2,5 %1,2 %1,6 %0,7 %20002010Anteil <strong>der</strong> Landwirtschaft an<strong>der</strong> WertschöpfungQuelle: Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten <strong>der</strong>Bundesrepublik Deutschland 2010Abb. 6.5 | Erwerbstätige sowie Wertschöpfung in <strong>der</strong> Land -wirtschaft in Deutschland im zeitlichen VergleichEntschei<strong>den</strong>d sind aber auch die ökonomischenRahmenbedingungen, <strong>den</strong>en das gesamteGastgewerbe nicht nur in Bayern unterliegt.Generell gilt für <strong>den</strong> ländlichen Raum,<strong>der</strong> nach wie vor stark und trotz jüngerer Entwicklungenz.B. im Energiebereich traditionellstark agrarisch genutzt wird, dass die makroökonomischeBedeutung <strong>der</strong> Landwirtschaftals Segment unserer Wirtschaft seit Jahrzehntenrückläufig ist. Das lässt sich zum einenam prozentualen Anteil <strong>der</strong> Erwerbstätigen in<strong>der</strong> Landwirtschaft als auch am prozentualenAnteil dieses Sektors an <strong>der</strong> Wertschöpfunginsgesamt in Deutschland festmachen. BeideIndikatoren sind seit langem stark rückläufig(vgl. Abb. 6.5). Zum an<strong>der</strong>en kann aus <strong>der</strong> Relation<strong>der</strong> bei<strong>den</strong> Säulenhöhen in <strong>der</strong> Abbildunggeschlossen wer<strong>den</strong>, dass die Landwirtschaftaus makro-ökonomischer Perspektive als eineher unproduktiver Sektor betrachtet wer<strong>den</strong>muss.Diese Aspekte sind im Kontext einer weiterengrundlegen<strong>den</strong> makro-ökonomischen unddamit schwer verän<strong>der</strong>baren Problematik zusehen: Die Nachfrage nach landwirtschaftlichenErzeugnissen in hochentwickelten Län<strong>der</strong>nwie Deutschland reagiert in aller Regelunelastisch auf steigende Einkommen undmehr Wohlstand. Mit zunehmen<strong>den</strong> Einkommenund wachsendem Wohlstand wer<strong>den</strong> in<strong>der</strong> Ten<strong>den</strong>z und im Gegensatz zu industriellenGütern nicht mehr, son<strong>der</strong>n in Relationzu an<strong>der</strong>en Ausgaben zunehmend wenigerlandwirtschaftliche Produkte, im wesentlichen70 | Genuss mit Geschichte?


Nahrungsmittel und Getränke, nachgefragtund konsumiert (vgl. Abb. 6.6).Anteil in %605040302010046,7 %43,5 %38,0 %29,4 %um 1900 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010Anteil <strong>der</strong> Ausgaben für Nahrungs- und Genussmittelam privaten Konsum 1900–2010Quelle: Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten <strong>der</strong>Bundesrepublik Deutschland 2002Abb. 6.6 | Anteil <strong>der</strong> Ausgaben für Nahrungs- und Genussmittelam privaten Konsum zwischen 1900 und 2010Zu diesen übergreifen<strong>den</strong> makro-ökonomischenStrukturelementen, die wesentlicheRahmenbedingungen für die Entwicklung <strong>der</strong><strong>Wirtshauskultur</strong> nicht nur in Bayern bil<strong>den</strong>,kommen mikro-ökonomische Aspekte hinzu,die ebenso als wichtige Einflussgrößen auf dierückläufige Zahl <strong>der</strong> Wirtshäuser in Bayern betrachtetwer<strong>den</strong> müssen. Die Berechnungenauf Basis eines Betriebsvergleiches, <strong>der</strong> 2008durchgeführt wurde, sind zwar schon etwasälter, sie lassen aber eine Problematik, die vorallem die Schankwirtschaften als traditionelleDorfwirtshäuser betrifft, sehr klar zu Tagetreten. In diesem Betriebsvergleich (vgl. dwif2010) wird angeführt, dass man im Jahr 2008 in23,9 %21,7 %15,9 %13,9 %Bayern 5.093 Schankwirtschaften zählte, waseinem Anteil von 17,4% aller <strong>bayerischen</strong> Gastronomiebetriebeentsprach. Im Vergleich dazulag <strong>der</strong> Gesamtumsatz getränkegeprägter Formendes Gaststättengewerbes in Höhe von915 Mio. EUR bei lediglich 12,7 % des Umsatzes,<strong>der</strong> vom Gastronomiegewerbe in Bayerninsgesamt erwirtschaftet wurde. Bereits aus<strong>der</strong> Relation <strong>der</strong> bei<strong>den</strong> Zahlenangaben kann<strong>der</strong> Schluss gezogen wer<strong>den</strong>, dass Schankwirtschaftenbzw. die getränkegeprägten Formendes Gastronomiegewerbes insgesamt als vergleichweisewenig rentabel zu betrachten sind.In dem Betriebsvergleich wird diese Aussagedurch weitere Hinweise unterstützt. Nach <strong>den</strong>Ergebnissen des Betriebsvergleichs lag 2008<strong>der</strong> durchschnittliche Gewinn pro Betriebsstundebei <strong>den</strong> Schankwirtschaften in Bayerngerade einmal 2,52 EUR. Im Vergleich dazubelief sich <strong>der</strong> Gewinn pro Betriebsstunde ineiner an<strong>der</strong>en getränkegeprägten Form desGaststättengewerbes – bei <strong>den</strong> Bars, Tanz- undVergnügungslokalen – mit 7,85 EUR auf mehrals das Dreifache. Lediglich 25% <strong>der</strong> erfasstenSchankwirtschaften konnten bezüglich ihrerWirtschaftlichkeit ein befriedigendes Ergebniserzielen. So verwun<strong>der</strong>t es nicht, dass in<strong>der</strong> <strong>Studie</strong> geschlussfolgert wird: „Nur die umsatzstärkerenund erfolgreich wirtschaften<strong>den</strong>Schankwirtschaften erzielen ein ausreichendesEinkommen. In <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> Fälle sind siekaum in <strong>der</strong> Lage, <strong>den</strong> Lebensunterhalt <strong>der</strong> Inhaberfamiliezu sichern“ (ebd.: 110).<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 71


7 | SchlussbetrachtungDie bisherigen Ausführungen haben deutlichwer<strong>den</strong> lassen, dass die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong>in Bayern durchaus differenziertzu betrachten ist. In jedem Fall ist Skepsis gegenübereiner allzu reißerischen Verwendungdes Schlagworts vom ‚Wirtshaussterben’ angebracht.Wie in vorliegen<strong>der</strong> <strong>Studie</strong> aufgezeigt wer<strong>den</strong>konnte, bietet die amtliche Gastgewerbestatistikkeine zufrie<strong>den</strong>stellende, weil nichtausreichend präzise, umfassende und allgemeingültigeDefinition von ‚Wirtshaus’ o<strong>der</strong>‚Kneipe’. Der Typus <strong>der</strong> Schankwirtschaft, <strong>der</strong> in<strong>der</strong> amtlichen Statistik verwendet wird und für<strong>den</strong> sich tatsächlich ein zum Teil dramatischerRückgang <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Betriebe in Bayernnachweisen lässt, entspricht zwar in etwa einemWirtshaus‚ deckt aber nicht alle Segmentegetränkeorientierter Gastronomiebetriebe ab.Des Weiteren ist zu beachten, dass die statistischeErfassung <strong>der</strong> Betriebe auf dem Konzeptdes steuerpflichtigen Umsatzes beruht undhierfür bestimmte Abschneidegrenzen gelten.Es wer<strong>den</strong> also nicht alle Betriebe erfasst.Zudem müssen aus <strong>der</strong> Statistik wegen <strong>der</strong>Abschneidegrenze herausfallende Betriebekeineswegs Opfer des ‚Wirtshaussterben’ seino<strong>der</strong> zu solchen wer<strong>den</strong>, son<strong>der</strong>n können in<strong>der</strong> Realität nach wie vor als Wirtshaus existieren– es sei <strong>den</strong>n, Wirt o<strong>der</strong> Wirtin beschließenaus Rentabilitätsgrün<strong>den</strong>, <strong>den</strong> Betrieb einzustellen,was dann eine echte Marktbereinigungdarstellen würde.Schließlich besteht für jede Schankwirtschaftdie Möglichkeit, das Betriebskonzept zu än<strong>der</strong>nund z.B. zu einem speisenorientiertenGasthaus zu wer<strong>den</strong>. In diesem Fall würde,statistisch betrachtet, die Kategorie <strong>der</strong> getränkeorientiertenGastronomiebetriebe einenBetrieb verlieren – und somit das ‚Wirtshaussterben’verstärken. Die Kategorie <strong>der</strong> speisenorientiertenGastronomie würde dagegeneinen Betrieb hinzugewinnen.Nicht zuletzt anhand dieses Aspekt ist in vorliegen<strong>der</strong>Untersuchung die Frage aufgeworfenwor<strong>den</strong>, ob sich die <strong>Wirtshauskultur</strong> in Bayernwirklich in einem <strong>der</strong>maßen negativen Trendbefindet, dass das Schlagwort vom ‚Wirtshaussterben’tatsächlich angebracht erscheint.Denkbar war ja, dass sich hinter <strong>der</strong> zahlenmäßignegativen Entwicklung vor allem für dieSchankwirtschaften, wie sie in Teilkapitel 4 <strong>der</strong>vorliegende <strong>Studie</strong> aufgezeigt wer<strong>den</strong> konnte,ein Prozess des Wandels und <strong>der</strong> Erneuerung<strong>der</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong> in Bayern in Anpassungan die verän<strong>der</strong>ten Bedürfnisse <strong>der</strong> Menschenim 21. Jahrhun<strong>der</strong>t verbirgt. Denkbar war an<strong>der</strong>erseitsauch, dass es sich um einen echten72 | Genuss mit Geschichte?


Prozess <strong>der</strong> Marktbereinigung handeln könnte,<strong>der</strong> aus <strong>den</strong> in Teilkapitel 6 aufgezeigten mikro-und makro-ökonomischen Grün<strong>den</strong> möglicherweiseunvermeidlich ist.Jenseits dieser Überlegungen und <strong>der</strong> durchauswichtigen Diskussion über die Modalitäten<strong>der</strong> statistischen Erfassung sowie <strong>der</strong> damitverbun<strong>den</strong>en Probleme musste auch in vorliegen<strong>der</strong>Untersuchung eine Antwort auf dieFrage gefun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>, was <strong>den</strong>n genau untereinem <strong>bayerischen</strong> Dorfwirtshaus zu verstehenist und wie sich dieses, wissenschaftlichhaltbar, definieren lässt.Wie bereits dargestellt, ist es üblich, Wirtshäuserals eine stark „getränkegeprägte Form desGaststättengewerbes“ (dwif 2010: 105) zu betrachten.Sie wer<strong>den</strong> <strong>der</strong> Kategorie <strong>der</strong> Schankwirtschaftenzugeordnet wer<strong>den</strong>, bieten keineBeherbergung an und liegen, dem Charaktereines Dorfwirtshauses entsprechend, nicht imurbanen Raum. Ihr Hauptumsatzbereich ist <strong>der</strong>Getränkeverkauf.Diese Definition lag zu Beginn auch <strong>der</strong> vorliegen<strong>den</strong>Untersuchung zu Grunde. Sie mussteimmer dann schrittweise aufgegeben bzw.erweitert wer<strong>den</strong>, wenn, wie sich zeigte, in an<strong>der</strong>en<strong>Studie</strong>n zur Thematik zusätzlich zu <strong>den</strong>Schankwirtschaften auch die speisenorientiertenGaststätten <strong>der</strong> Kategorie Wirtshaus zugeordnetwur<strong>den</strong> (Hümmer 1980, Perlinger 2011,Zwerenz 2013).Ein weites Feld also, das umso größer zu wer<strong>den</strong>scheint, je mehr Personen nach ihrer Vorstellungvon einem Wirtshaus gefragt wer<strong>den</strong>.Ist <strong>der</strong> Typus des <strong>bayerischen</strong> Dorfwirtshausesein gesellschaftliches Konstrukt, dessen enormeVielfalt sich in <strong>den</strong> Vorstellungen <strong>der</strong> Menschenganz unterschiedlich wi<strong>der</strong>spiegelt undin <strong>der</strong> Realität ein buntes, facettenreiches Bil<strong>der</strong>gibt? Wie oben gezeigt wer<strong>den</strong> konnte, liefertauch die amtliche Statistik keine eindeutigeAntwort und definiert nicht o<strong>der</strong> bestenfallsannhäherungsweise, was genau unter einem<strong>bayerischen</strong> Dorfwirtshaus zu verstehen ist.Dennoch – es gibt eine Reihe von Indikatorenmit deutlichen Hinweisen auf <strong>den</strong> Prozess des‚Wirtshaussterbens’ und zwar auf allen räumlichenMaßstabsebenen! Deutschlandweit ist<strong>der</strong> Trend klar: Die Schankwirtschaften, diedem Typus Wirtshaus noch am besten gerechtwer<strong>den</strong>, nehmen stark ab. Im bundesweitenVergleich ist das Ausmaß <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung inBayern fast so gravierend wie in Nordrhein-Westfalen, wo vor allem die sog. Eckkneipenin großer Zahl wegbrechen. Legt man für Bayerndie Anzahl <strong>der</strong> Steuerpflichtigen im Wirtschaftszweig<strong>der</strong> Schankwirtschaften zu Grunde,hat sich <strong>der</strong>en Zahl zwischen 1980 undheute um etwa 45% reduziert.Nach Regionen differenziert ist <strong>der</strong> Rückgang<strong>der</strong> getränkeorientierten Wirtshäuser überallfeststellbar, doch stärker sind Schwaben, Unterfrankenund Oberbayern betroffen. Dortgibt es 2011 – zum aktuellsten Stand <strong>der</strong> amt-<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 73


lichen Daten – in deutlich mehr als 40% <strong>der</strong>Gemein<strong>den</strong> keinen getränkeorientierten gastronomischenBetrieb mehr. In <strong>der</strong> als Fallstudiegenauer untersuchten Beispielgemeinde Vorrasind von <strong>den</strong> 1970 noch vorhan<strong>den</strong>en 15 Gastronomiebetriebenganze zwei Wirtshäuser übriggeblieben.Deutlich besser ist die Lage bei <strong>den</strong> speisenorientiertenGaststätten, doch immerhin sucht<strong>der</strong> Gast in 257 <strong>der</strong> insgesamt 2.056 <strong>bayerischen</strong>Gemein<strong>den</strong> vergeblich nach einer Speisegaststätte,wobei er sich in Nie<strong>der</strong>bayern,<strong>der</strong> Oberpfalz und in Schwaben etwas schwererals in an<strong>der</strong>en Regionen tut.Bei <strong>der</strong> Suche nach Ursachen und Hintergrün<strong>den</strong>für diese Entwicklung sind die Autoren <strong>der</strong>vorliegen<strong>den</strong> <strong>Studie</strong> auf ein ganzes Bündel vonAspekten gestoßen. Einerseits sind die Ursachenbei <strong>den</strong> Betrieben selbst zu suchen (mangelndeRentabilität, keine Nachfolgeregelung,geringe Investitionsbereitschaft, Mangel anguten Ideen zur Belebung des Geschäfts etc.).Hinzukommen gesetzliche Regelungen, dienicht auf das Wohlgefallen aller Betroffenenstoßen (Rauchverbot, kein genereller reduzierterMehrwertsteuersatz für die Gastronomie,zahlreiche Hygiene- und Feuerschutzvorschriften,Alkoholkontrollen etc.). Mancherorts wirddie Konkurrenz durch Vereinsheime und Festeohne Beteiligung <strong>der</strong> lokalen Gastronomie beklagt,aber nicht nach Kooperationsmöglichkeitenund Synergieeffekten gesucht. Übergreifendsind in jedem Fall die Verän<strong>der</strong>ungenunserer Gesellschaft, wie demographischerWandel und Landflucht, zunehmend flexibleArbeitsverhältnisse, verän<strong>der</strong>tes Konsum-, Informations-und Kommunikationsverhaltensowie gestiegene Mobilität – um nur einige <strong>der</strong>wichtigen Aspekte zu nennen.Hinzu kommen makro- und mikro-ökonomischeRahmenbedingungen, die als entschei<strong>den</strong>deBestimmungsfaktoren auf das Gescheheneinwirken: makro-ökonomisch die seitJahrzehnten abnehmende Bedeutung <strong>der</strong>Landwirtschaft und im Verbund damit dieunelastische, ebenso seit Jahrzehnten im Vergleichzu an<strong>der</strong>en Ausgabebereichen des privatenKonsums ten<strong>den</strong>ziell rückläufige Nachfragenach Nahrungsmitteln und Getränken;mikro-ökonomisch die geringe o<strong>der</strong> rückläufigeRentabilität von Dorfwirtshäusern. Es gibtdurchaus noch Dorfwirtshäuser, in <strong>den</strong>en diehalbe Bier o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Schoppen Wein keine zweiEuro kostet, wo <strong>der</strong> Wirt mit einigen wenigenverbliebenen Gästen am Stammtisch sitztund einen mehr o<strong>der</strong> weniger vergnüglichenAbend verbringt, aber ökonomisch nicht in <strong>der</strong>Lage ist, auf Basis beschei<strong>den</strong>er Gewinne fürdie dringend erfor<strong>der</strong>lichen Investitionen zusorgen. Häufig sorgt dann <strong>der</strong> Generationenwechseldafür, dass <strong>der</strong>artige Betriebe nichtweitergeführt wer<strong>den</strong>.Die Folgen und Auswirkungen <strong>der</strong> Abnahmevon Dorfwirtshäusern sind enorm. Radikalbringt sie einer <strong>der</strong> Gesprächspartner in <strong>der</strong><strong>Studie</strong> auf <strong>den</strong> Punkt: „Wo die Wirtschaft stirbt,74 | Genuss mit Geschichte?


stirbt <strong>der</strong> Ort!“ In <strong>der</strong> Tat scheint <strong>der</strong> Rückgang<strong>der</strong> <strong>Wirtshauskultur</strong> mit enormen Folgen für<strong>den</strong> ländlichen Raum verbun<strong>den</strong> zu sein, <strong>der</strong>jenseits <strong>der</strong> Speckgürtel großstädtischer Zentrenseit Jahren ohnehin einem beträchtlichenFunktionsverlust ausgesetzt ist. Das Wirtshausals soziale Institution bricht weg, als Ort <strong>der</strong>Geselligkeit und Unterhaltung, als Treffpunktfür Jung und Alt, als Austausch- und Informationsbörse,als Bühne für Feste und das örtlicheGeschehen sowie durchaus auch als Einrichtungmit sozialer Kontrollfunktion.Mit dem Wirtshaus schließt aber auch somancher Lieferant, nicht zuletzt kleine undmittelständische Brauereien, die mit <strong>der</strong> Konkurrenzbilliger Getränkemärkte ohnehin zukämpfen haben und <strong>den</strong>en das Wirtshaussterbenschließlich <strong>den</strong> Garaus macht. Ein Rattenschwanznegativer Wirkungen und Folgen, wobeisich die Wirtshäuser in guter Gesellschaftbefin<strong>den</strong>, <strong>den</strong>n selbst die Kirchen auf demLand kämpfen mit schrumpfen<strong>den</strong> Besucherzahlen,von <strong>den</strong> Kirchen in <strong>den</strong> Städten ganzzu schweigen.Trotz rückläufiger Zahlen: Verhungern o<strong>der</strong>verdursten muss in Bayern niemand! 2011 gabes nach Ausweis <strong>der</strong> amtlichen Statistik in 764<strong>der</strong> insgesamt 2.056 <strong>bayerischen</strong> Gemein<strong>den</strong>keinen getränkeorientierten Gastronomiebetriebmehr, was 37,2% aller Gemein<strong>den</strong> entspricht.2006 war dieser Wert noch bei 30,2%gelegen, was <strong>den</strong> beschriebenen Rückgangsichtbar wer<strong>den</strong> lässt. Doch neben <strong>den</strong> getränkeorientiertenFormen des <strong>bayerischen</strong>Gastgewerbes gibt es die Kategorie <strong>der</strong> speisenorientiertenBetriebe. Hier stellt sich dieSituation insofern günstiger dar, als es 2011 in257 <strong>der</strong> insgesamt 2.056 <strong>bayerischen</strong> Gemein<strong>den</strong>keinen solchen Betrieb gab, was 12,5% allerGemein<strong>den</strong> entspricht. Diese Zahl hat sichgegenüber 2006 nur unwesentlich verän<strong>der</strong>t.2006 waren es 253 Gemein<strong>den</strong> ohne speisenorientiertenBetrieb und das entspricht einemkaum verän<strong>der</strong>ten Prozentsatz von 12,3% allerGemein<strong>den</strong>.Führt man nun beide Kategorien zusammen,wie das in <strong>der</strong> Karte in Abb. 7.1 in einer Synthesegetan wird und stellt die Frage, welcheGemein<strong>den</strong> in Bayern we<strong>der</strong> über einen getränke-noch über einen speisenorientiertenWirtshausbetrieb verfügen, fällt das Ergebnisdoch etwas überraschend aus, relativiert injedem Fall beträchtlich das allzu reißerischeSchlagwort vom ‚Wirthaussterben’ in Bayern.Im Jahr 2006 gab es in 116 gleich 5,6% <strong>der</strong> insgesamt2.056 <strong>bayerischen</strong> Gemein<strong>den</strong> we<strong>der</strong>ein getränke- noch ein speisenorientiertes gastronomischesAngebot in einem entsprechen<strong>den</strong>Wirtshaus. Bis 2011 ist dieser Wert zwar auf137 Gemein<strong>den</strong> gleich 6,7% aller <strong>bayerischen</strong>Gemein<strong>den</strong> leicht angestiegen – bewegt sichaber sowohl in absoluten Zahlenwerten alsauch im Verlauf des zeitlichen Wandels in engenGrenzen.<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 75


9 1018 24205 204290 28466,2 56,5308Unterfranken82,7 79,0214Oberfranken5 680,5 70,0210205 20416 16210 21076,6 66,8226OberpfalzMittelfranken20 1729 4270,6 67,1258238 241311 298Nie<strong>der</strong>bayern19 2259,7 54,1340Schwaben481 47865,2 58,8500OberbayernAbb. 7.1 |Ausstattung <strong>der</strong>Gemein<strong>den</strong> in <strong>den</strong> RegierungsbezirkenBayernsmit getränkeorientiertenund/o<strong>der</strong> speisenorientiertenGastronomiebetriebenim Vergleich <strong>der</strong>Jahre 2006 und 2011Quelle: Bayer. Landesamt fürStatistik und Datenverarbeitung, 2013Prozentualer Rückgang angetränkeorientiertenWirtshäusern (bezogenauf Gemein<strong>den</strong>):Jahr200665,2 58,8 Jahr2011Anzahl Gemein<strong>den</strong>100400Jahr2006200300Jahr2011Gemein<strong>den</strong>ohne WirtshäuserGemein<strong>den</strong> mitWirtshäusern(getränke- und/o<strong>der</strong>speisenorientiert)0 25 50kmKartographie: S. Bauer, 201376 | Genuss mit Geschichte?


Eigentlich sind das positive Aspekte in einemFeld, das gern mit negativen Begriffen undSchlagzeilen behaftet ist und wird. Dennochist auffällig, dass sowohl bei vielen <strong>der</strong> praktizieren<strong>den</strong>als auch <strong>der</strong> ehemaligen Wirtinnenund Wirten eine gewisse reservierte, um nichtzu sagen negative Grundhaltung hinsichtlich<strong>der</strong> geschil<strong>der</strong>ten sozio-ökonomischen Entwicklungenund <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ungen, diesich während <strong>der</strong> vergangenen Jahre und Jahrzehnteergeben haben, auszumachen ist. Doch– und das zeigen die Ergebnisse von Bürgerbefragungensehr deutlich – die Wirtinnen undWirte selbst sind aufgefor<strong>der</strong>t, mit Kreativitätund Innovationsgeist eine adäquate Antwortauf die zahlreichen Herausfor<strong>der</strong>ungen undSchwierigkeiten zu fin<strong>den</strong> und viele tun es jaauch.Mit Sicherheit stellen Entwicklungen, wie siein vorliegen<strong>der</strong> <strong>Studie</strong> beschrieben wur<strong>den</strong>,Wirtinnen und Wirte vor große Herausfor<strong>der</strong>ungen,doch es ergeben sich daraus auchviele Möglichkeiten, die es zu nutzen gilt. GeradeWirtshäuser im ländlichen Raum, die sichoftmals weitab von Orten höherer Zentralitätbefin<strong>den</strong>, haben die Chance, über Internet undsoziale Netzwerke neuen Bekanntheitsgrad zuerlangen. In diesem Kontext gewinnt <strong>der</strong> Aspekt<strong>der</strong> Mobilität eine neue Bedeutung, da esheutzutage vielen Menschen möglich ist, auchOrte mit geringerer Zentralität aufzusuchenund dort zu konsumieren.Hinzu kommt, dass ein Wirtshaus ein hochemotionaler Ort sein kann. Viele <strong>der</strong> befragtenExperten meinen, dass die neuen sozialenMedien diese Emotionalität nicht ersetzenkönnen, da die entsprechen<strong>den</strong> Interaktionenauf einer persönlichen Ebene erfolgen, die imWirtshaus gefun<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> kann. Dieser Aspektist insofern sehr wichtig, als Emotionenim Zusammenleben <strong>der</strong> Menschen generelleine grundlegende Rolle zugeschrieben wird.Deshalb sollten sich Wirtinnen und Wirte aufdie neuen Formen <strong>der</strong> Kommunikation bessereinstellen. Hier sind wie<strong>der</strong>um neue Konzepte,gute Ideen und innovative Ansätze gefragt.Und diese gibt es. Die Autoren <strong>der</strong> vorliegen<strong>den</strong><strong>Studie</strong> waren hin und wie<strong>der</strong> erstaunt,dass sie in Orten, in <strong>den</strong>en sie aufgrund ungünstigerRahmenbedingungen o<strong>der</strong> dezentralerLage kein Wirtshaus erwarteten, auf Betriebestießen, die sich putzmunter und mitbeachtlichem Erfolg dem Wirtshaussterbenentgegenstemmten. Hoffnung machte dabeieine unerwartete Beobachtung: Vor allem jugendlicheGesprächspartner waren von <strong>der</strong>Thematik des Wirtshaussterbens emotionalin beson<strong>der</strong>er Weise ergriffen und schil<strong>der</strong>tenmit durchaus leuchten<strong>den</strong> Augen eine Reihepersönlicher Erfahrungen, in <strong>den</strong>en das Bedauernüber <strong>den</strong> Verlust <strong>der</strong> Wirtshäuser deutlichzum Ausdruck kam.<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 77


Der Wunsch nach Geselligkeit, persönlichemAustausch und nach sozialem Eingebun<strong>den</strong>sein,Grundbedürfnis eines je<strong>den</strong> Mensch,scheint ein wichtiger Aspekt zu sein, nach demdie Jugend trotz (o<strong>der</strong> gerade wegen) Smartphoneund Co. ein deutliches Verlangen zeigt.Dieses Bedürfnis wird von <strong>den</strong> jungen Menschenheutzutage meist an an<strong>der</strong>en Orten alsim Wirtshaus ausgelebt, in Diskotheken, aufselbst organisierten Feiern o<strong>der</strong> in Bars. Hiersind gute Ideen, kreative Konzepte und innovativeStrategien auf Seiten <strong>der</strong> Wirtinnen undWirte gefragt, mit <strong>den</strong>en für eine für <strong>den</strong> Fortbestand<strong>der</strong> Wirtshäuser so wichtige Zielgruppestarke Anreize geschaffen wer<strong>den</strong>, wie<strong>der</strong>einmal öfter „beim Wirt“ vorbeizuschauen.78 | Genuss mit Geschichte?


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FragebogenAnlagenProf. Dr. Hans HopfingerLehrstuhl für KulturgeographieKatholische Universität Eichstätt-Ingolstadt | Ostenstr. 18 | 85072 EichstättAllgemeine Fragen1 | Ist Ihnen ein geschlossenes Wirtshaus in Vorra bekannt?janein2 | Gibt es Ihrer Meinung nach ein „Wirtshaussterben“ in Bayern?janein… Falls Sie mit „ja“ geantwortet haben, worin liegen Ihrer Meinung nach dieGründe für das „Wirtshaussterben“?3 | Welchen Stellenwert messen Sie einem Wirtshaus im ländlichen Raum bei?84 | Genuss mit Geschichte?


Prof. Dr. Hans HopfingerLehrstuhl für KulturgeographieKatholische Universität Eichstätt-Ingolstadt | Ostenstr. 18 | 85072 EichstättFragebogenAnlagen4 | Wie stehen Sie zu <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> Aussagen?Bitte machen Sie auch von <strong>den</strong> Begründungsfel<strong>der</strong>n Gebrauch.4.1 | „Fallen die Wirtshäuser weg, nimmt <strong>der</strong> inner- und zwischenörtlicheAustausch <strong>der</strong> regionalen Bevölkerung ab.“trifft gar nicht zutrifft nur teilweise zutrifft überwiegend zutrifft voll zuBegründung:4.2 | „Mit <strong>der</strong> Schließung <strong>der</strong> Wirtshäuser nimmt <strong>der</strong> generationenübergreifendeAustausch ab.“trifft gar nicht zutrifft nur teilweise zutrifft überwiegend zutrifft voll zuBegründung:4.3 | „Der Verlust von Dorfwirtshäusern ist kein Scha<strong>den</strong> für das soziale undkulturelle Leben im Dorf.“trifft gar nicht zutrifft nur teilweise zutrifft überwiegend zutrifft voll zuBegründung:<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 85


FragebogenAnlagenProf. Dr. Hans HopfingerLehrstuhl für KulturgeographieKatholische Universität Eichstätt-Ingolstadt | Ostenstr. 18 | 85072 Eichstätt4 | Wie stehen Sie zu <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> Aussagen?Bitte machen Sie auch von <strong>den</strong> Begründungsfel<strong>der</strong>n Gebrauch.4.4 | „Die Schließung <strong>der</strong> Wirtshäuser wirkt sich negativ auf <strong>den</strong> Zusammenhaltim Ort aus.“trifft gar nicht zutrifft nur teilweise zutrifft überwiegend zutrifft voll zuBegründung:4.5 | „Internet und Handy haben das Kommunikationsverhalten verän<strong>der</strong>t undwirken sich negativ auf die Attraktivität eines Wirtshausbesuchs aus.“trifft gar nicht zutrifft nur teilweise zutrifft überwiegend zutrifft voll zuBegründung:5 | In Vorra (OT Vorra) gab es einst sechs Wirtshäuser, heute ist kein traditionellfränkisches mehr übrig geblieben …… worin liegen Ihrer Meinung nach die Ursachen und Hintergründedieser Entwicklung?86 | Genuss mit Geschichte?


Prof. Dr. Hans HopfingerLehrstuhl für KulturgeographieKatholische Universität Eichstätt-Ingolstadt | Ostenstr. 18 | 85072 EichstättFragebogenAnlagen5 | … und welche Konsequenzen ergeben sich daraus?6 | Was bräuchte ein traditionell fränkisches Wirtshaus, um in Vorra überleben zukönnen?7| Wie häufig haben Sie in <strong>den</strong> vergangenen 14 Tagen ein traditionell fränkischesWirtshaus aufgesucht?nie ein Mal zwei Mal drei Malvier Mal fünf Mal häufiger als fünf Mal… falls Sie „nie“ angekreuzt haben, worin lagen die Gründe?… falls Sie mindestens einmal ein Wirtshaus in <strong>den</strong> vergangenen 14 Tagen be -sucht haben, was war die weiteste Strecke, die Sie dabei zurück gelegt haben?________ km<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 87


FragebogenAnlagenProf. Dr. Hans HopfingerLehrstuhl für KulturgeographieKatholische Universität Eichstätt-Ingolstadt | Ostenstr. 18 | 85072 Eichstätt8 | Sind Sie Mitglied in einem Verein?nieein Mal… falls Sie Vereinsmitglied sind, wo wer<strong>den</strong> die Veranstaltungen meistabgehalten?WirtshausVereinsheimsonstige Einrichtung:9 | Angenommen, in Vorra würde wie<strong>der</strong> ein traditionell fränkisches Wirtshauseröffnen, wür<strong>den</strong> Sie es besuchen?… ja, darum:… nein, darum nicht:88 | Genuss mit Geschichte?


Prof. Dr. Hans HopfingerLehrstuhl für KulturgeographieKatholische Universität Eichstätt-Ingolstadt | Ostenstr. 18 | 85072 EichstättFragebogenAnlagenFragen zur Person10 | Seit wann wohnen Sie hier im Ort?Jahr _______11| Geschlechtmännlichweiblich12| AlterGeburtsjahrgang: 19 ___13| Berufstätigkeitin Ausbildungin Teilzeit beschäftigtarbeitssuchendvoll berufstätigin Rente / PensionHausfrau / -mannSonstiges:<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 89


AutorenAnlagenProf. Dr. Hans Hopfinger ist Inhaberdes Lehrstuhls für Kulturgeographiean <strong>der</strong> Kath. UniversitätEichstätt-Ingolstadt, ist auf Kulturund Tourismus spezialisiert und istLeiter <strong>der</strong> <strong>Studie</strong> zur Situation <strong>der</strong>Wirtshäuser in BayernFlorian Kohnle promoviert am Lehrstuhlfür Kulturgeographie an <strong>der</strong>Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und hat sich seit 2011intensiv mit <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> Wirtshäuserin Bayern befasstDr. Tim Wätzold absolvierte eineKochlehre und arbeitete viele Jahrein <strong>der</strong> Gastronomie. Studium <strong>der</strong>Geschichte und Anthropologie an<strong>der</strong> Universität zu Köln und Promotionals Ernährungshistoriker überdie Bedeutung <strong>der</strong> Küche für dieI<strong>den</strong>tität.90 | Genuss mit Geschichte? <strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 90


<strong>Wirtshauskultur</strong> im Wandel | 91


92 | Genuss mit Geschichte?

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