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Das Leben Franz Liszts

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Schlesinger'scheMusik-BibliotheKMeisterfuhrerElnfilhrungen In das Schaffen einzelnerTonmeister1. Beethoven, 9 Sinfonien (Pochhaiiiiner)2. Wagner, Der Ring des Nibelungen(Vademecmii von Smolian)3. ^rahms. Sinfonien nnd Serenaden4. Bruckner, 9 Sinfonien5. Wagner, Der Ring des Nibelungen(Pochhammer)6. Strauss, Sinfonien nnd Tondichtnngen7. Wagner, Opera8. Liszt, Sinfonische Dichtnngen9. Strauss, Musikdramen10. Mahler, Sinfonien11. Wagner, Musikdramen12. Beethoven, StreichquartetteJeder Band geschmackvoll und dauerhaft eingebundenM. 1.80


agilEBIi{^i[^illi^i^il^rl^Die Schlesinger'sche MusiK - BibliotheKwill weHeste Kreisc des musikliebenden Pubiikums ZQ verstandigAr,wistendar uad damm tiefster Freude an den Werketi derA. HusikfuhrerTonkunst befahi^en.^nM.B._i,i_ii...__^^^_i_^.i^^^M400 populire Eialfihruacen iadie bedcutendstca TonarerkePrcis jeder Nummer 20 Pf.•ollcn car Vorbcreitaof fSr das Begcpiea mrt bedeutendea Tonwerkea aad alableibetidc EHaneniMf an aolchc BeECcnungea ditaen.B. Opernfiihrer180 {riindliche ErIIatcranfeaaller bekaaalen Opera... Prate Je««r IfMtpiar 5« PCwerdcn jedcm Kanstfreunde «ia intincs Vertrautwerdcn mit den hervorra{eodsteabSbscMBiutikaliacbca Scbdplanfcn der klassiacken Meiater and dcr Komponiataaoeacrcr Zeit eraiOflicbea.C. MeisterfuhrerWegweiser darch die SchSpfangeneinzelner Tonmeistcr-^1^^—_..—.-i^.^^^..^... Praia jadaa Baadaa 1.80 M.dienen — wlhrend die Matik- and OperniQbrer im aiatalnaa anregen anddea Otnafi yerticfea sollen — der allgemeinen Aufgabe , den Blick auf {rSQercVeitca za ricfatea and daa Schaffen eines Sinfonikers, eines Oratorienmeisters,tiaea Opemkooiponialea ioi G«SAaiUilld vorxaHlbrea.L BaathoTen, Si nf onion (Pocb'hammer).2. Warner, RIaf (Vademecum vonA. Smoliaa).3. Brahma, Sinfonien.4. Bmckaar, Sinfonien.5. W«(aar, Rin( (Pochhammer).6. StrauB, TondicbtunKen.7. Waj^ar, Opern.8. Uszt, Sinfon. Dichtungen.9. Straiifi, Musikdramen.10. nahler, Sinfonien.11. Wagner, Musikdramen.12. Be«tiioven,Streichquartetta.Die BSnde sind getchmackvoll und dauerhaft eln^^ebunden.D. OpernwegweiserKlein e, karzo EinfChningenPraU ledar Nommer 20 Pf.cnthaltan ganz kurzgefalte Inhaltsangabe, Geschichtlicbes, tinf&hrung nebatTheoianUfal trad aollen naaontlicta wXtarend ilar Aattiibrungen benutzt warden.27


Meisterfiihrer Nr. 8<strong>Franz</strong>SymphonischeLisztDichtungenErlSutert vonArthur Hahnmit einer Einleitung:<strong>Das</strong> <strong>Leben</strong> <strong>Franz</strong> <strong>Liszts</strong>vonA. Pochhammer--BerlinSchlesinger'sche Bucli- und Musikhandlung(Rob. Lienau)Wien. C. Haslinger qdm. TobiasAUe Rechte vom Verleger vorbehalten


InhaltSeit«Dae <strong>Leben</strong> <strong>Franz</strong> <strong>Liszts</strong>. Von A. Pochhammer .... 5Erliatenmgen von A. Habn:Uber Weeen und Form der symphonischen Dichtung . . 30Ce qa'on entend ear la montagne (Bergsymphonie) ... 32Taeso 46Les Preludes 60Orpheus 68Prometheus 75Mazeppa 91Festklange 101Harold e fun^bre (Heldenklage) 110Hungaria 120Hamlet 129Hunnenschlacht 139Die Ideale 149Faust-Symphonie 1622 Episoden aus Lenau's Faust 180Dante-Symphonie 198Plattendnick von £. HaberUnd is Leipzif-B.


mo<strong>Das</strong> <strong>Leben</strong> <strong>Franz</strong> <strong>Liszts</strong>Im Dorfe Raiding iinweit Oedenbvirg in Ungarn lebttals Gutsverrvalter des Fiirsten Esterhazy Adam Liszt, derfur Musik begabt war und dessen Yorliebe fiir dio Xanstdurch seinen Yerkehr rait Musikern der fuxstlich Ss


— 6 —Geldgeschenk. Der Yater von <strong>Franz</strong> war glQcklich darilber,in <strong>Franz</strong> sein eigenes Talent in erhOhtem Masse wiederzufindenund veranstaltete, durch das Resultat des erwUhntenKonzertes ermutigt, in Pressburg ein zweites Auftreten desWunderkindes. <strong>Franz</strong> b^eisterte sammtliche Zuhorer, undeinige ungarische Magnaten, die Grafen Amad6, Szapary undAppony, setzten fur die musikalische Ausbildung desKnaben eiu jahrliches Stipendium von 600 Gulden auf sechsJahre hinaus aus.Adam Liszt gab nun, urn sich seinem hoffnungsvollenSohne ganz widmen zu k5nnen, seine Stellung beim GrafenEsterhazy auf und siedelte nach Wien fiber, wo Czemy*)die Studien von <strong>Franz</strong> leitete. Die theoretische Ausbildungwurde dabei jedoch nioht vemachi&ssigt, denn Salieri warsein Lehrer in den diesbezilglichen Disziplinen. Schon nachISmonatlichera Studiutn liess sich <strong>Franz</strong> in Wien OffentlichhOren und im Jahre 1823 verliessen Vater und Sohn Wien,im nach Paris zu reisen, wo <strong>Franz</strong> durch den Besuch desConservatoire seine Studien abschliessen sollte. Bei dem Abs


hnuptet, aiis principieller Abneigwng gegen WimderkinderLiszt gegentiber diesen Paragraphen mit gi-6sserer Strengeals notig handhabte: Vater und Sohn waren sehr nicdergeschlagen,als ihnen weder die Empfehlungen Metternichsnoch ihre Bitten etwas halfen. Um so bereitwilliger offnetensicb die Pariser Salons dem jungen Pianisten, der bald derLiebling aller wnrde. Doch der Yater -wachte dariibi^r, dassdie Yerhatscheliing des Knaben, den die Pariser „le petitLitz" nannten, ihn nicht vom OTnsten Studitim abliielt,Avelehes bei Ferdinando Pagr in der Theorie fortgesetztwurde, wahrend Liszt sich im Klavierspiel selbst tveiterarbeitete.Anf Veranlassung seines Vaters befasste er sicli besondersmit Bachs wohltemporiertem Klavier und soil unter anderraals taglicbes Pensum die Transposition von 12 Fiigen infremde Tonarten absolviert haben. Wie er anch in derKomposition Fortschritte machte, beweist, dass sich Lisztan die Konzeption einer Oper: Don Sancho ou le Chateaude I'amour maehte. Nachdem er von London, wohin er (1824)eine Kunstreise unternommen hatte und wo er allerortenbejubelt wurde, nach Paris zuriickgekehrt war, zeigte erPaer das Manuskript der fei-tigen Oper, die durch Vermittelungseines Lehrers 1825 in der grosscn Oper aufgefQhrtwurde. Ueber das Werk selbst, welches bei dem Brande derAcademic royale ein Eaub der Flammen wurde, ist nichtsnaheres bekannt, doch mag die freundliche Aufnahme dieserJugendarbeit Liszt zu besonders eifrigen Kompositionsstudienangeregt haben, die jetzt Reicha, der seit 1818 Professor derKomposition am Konservatorium war, leitete. UebermassigesStudium und vielfache Kunstreisen griffen den ohnehin nichtsehr kraftigen Korper des Jiinglings so an, dass er mit demder auchYater — die Mutter war nach "Wien gereist — ,erholungsbediirftig war, die Biider in Boulogne sur mer aufsuchte.Im Sommer 1827 jedoch starb <strong>Liszts</strong> Yater hieiselbst.Auf Liszt wirkte dieser Schicksalsschlag korperlichund geistig sehr nachhaltig, denn es kam Yerschiedener-


— 8 —zusammen, was geeignet war, die freudigen ebenso wie dietraurigen Eindrucke auf den JQngling intensiver wirken zulassen, als es dessen Umgebung in den meisten Fallen verstehenmochte. Und wie es dem Knaben, dem Jtlnglingerging, so ging es dem gereiften Manne; oft wurde deshalbLiszt im taglichen <strong>Leben</strong>, wie auch in seinen "Werkenmissverstanden, weil man diese nicht in den richtigen Zusanunenliangmit der Entwickelung von <strong>Liszts</strong> Charakterund Seelenleben zu bringen wusste.Schon als Knabe zeigte Liszt eine tiefe FrSmmigkeit;in dem Tagebuch seines Vaters finden wir die Worte : „VonJugend an gab sich <strong>Franz</strong>ens Geist einem nattirlichen Hangeder Andacht bin, und es verschmolz sich sein lebhaftesKunstgefQhl mit einer FrOmmigkeit, welche die ganze Aufrichtigkeitseines Alters hatte." Diese Neigung wuchs mitden Jahren, sodass seine Eltem auf ihn einwirken mussten,damit er nicht seinem Wunsche Geistlicher zu werden, nachgab.Auch jetzt nach dem Tode seines Vaters regie sichdieser Wunsch in ihm. Nun besitzt der Musiker — wieGberhaupt der Ktlnstler von Geburt — eine nervQse Sensibilitat,die den meisten Menschen zwar unverstandlich ist,aber als Tragerin und Vermittlerin ausserer Eindrilcke tHrdas Empfinden und damit auch fiir den Ausdruck desEmpfindens, in jeder KtLQstlematur eine ausserst wiehtigeRolle spielt. Sie ist der Grund der schnellen und tiefgehendenBegeisterungsfahigkeit fflr Dinge und Gedanken, die an demAlltagsmenschen belanglos vortlbergleiten, oder die er derMtlhe naheren Eingehens nicht fdr wert halt, die jedochfOr den Kflnstler imd sein Werk von oft weittragender Bedeutungwerden. Yon Graf Claude Henri Saint-Simon war namlichim Jahre 1825 das Buch: „Le nouveau christianisme"erschienen und hatte in dem Herzen der vom Zauber derRomantik umstrickten Jugend eine hohe Begeisterung erweckt.<strong>Das</strong>s die Saint-Simonisten im Laufe der Zeit zu weitgingen, war Schuld daran, dass die Besonneren unter ihnensich von dem Bunde lossagten. Wie hatte Liszt der edle


Kem jener Lehre, deren Sekte er ilbrigens nie aiigeh5rt hat,nicht sympatisch beriihren soUen? Die Predigt von der allgemeinenMenschenliebe war es nicht minder, als die Stellung,die der Verfasser jenes Werkes der Kunst und demKunstler einraumte, wodurch sich Liszt zu den Bestrebungendes Saint-Simonismus hingezogen fiihlte. Nach Abzug dessen,was dem gereiften Ktinstler und welterfahrenen Manne derspateren Zeit nicht mehr zusagte, hat zweifellos der Idealistin ihm einen dauernden Nutzen aus der Vertiefung in diesereligiSs-socialistische Philosophie gezogen. Augenblicklichallerdings vermehrte diese leider infolge seines Charakters,seiner kiinstlerischen Friihreife und des herben Verlustesin ihm das Gefuhl der Unsicherheit im Hin und Her zwischen"Welt, Kirche und Kunst in ihren A.nspruchen an denMenschen. Liszt siedelte nunmehr mit seiner Mutter nachParis tiber, wo er seinen Unterhalt als Klavierlehrer bestritt,sich mehr und mehr in sich selbst zuriickzog, dabeinicht sowohl musikalischen, als besonders wissenschaftlichenStudien oblag, und, um sich selbst zu geniigen, geistlicheTonwerke schrieb. An Stunden fehlte es dem als Yirtuosenso hoch Geschatzten selbstverstandlich nicht. Unter seinenSchiilern befand sich die liebenswiirdige, geistvolle jungeGrafin Caroline Saint-Criq; er verliebte sich leidenschaftlichin sie und seine Liebe fand Erwiderung, doch der Yater,der nachmalige Minister fiir Handel und Colonie, der vondieser Neigung seiner Tochter fiir den Klavierlehrer nichterbaut war, schnitt den weiteren Yerkehr ab, eine Trennung,die beiden sehr nahe ging und <strong>Liszts</strong> Gemxitsstimmungnur verschhmmerte. Da waren es Eindrucke verschiedenerGeschehnisse, die jeder in seiner "Weise daran Teil hatten,dass Liszt dem offentlichen <strong>Leben</strong> und der Kunst in erneuterAnspannung seine Krafte widmete. Die Julirevo ution desJahres 1830 riittelte ihn zunachst aus seinen Traimien auf,und indem er sich fiir diese kraftvoUe Bewegung begeisterte,gewann er seine Schaffensfreude und innere Spannkraftwieder. Hierzu kam im Keiche der Kunst eine Erscheinung,


- 10 -(lie gleich einein gianzenden Meteor die Augen Aller aufsich zog. Nioolo Paganini, der fabelhafte Geigenktlnstterfascinierte 1831 Paris, und fachte in unseres jnngen KGnstlei*sSeele neben grenzenloser Begeisterung das Verlangen an,der Technik seines Instrument es gleichfalls neue Seiten abzngewinnen.Mit eisernem Fleisse arbeitete er an der Vervollkommnungseines pianistischen KSnnens, deren Resultatihn zum BegrQnder der heutigen Spieltechnik erhob, nnd,damit zugleich auch die Klavierkompositions-Technik in neueBahnen lenkte. Zunachst iibertrug Liszt Paganinis Etuden(op. 1) fOr Klavier, wobei er sich Miihe gab, die Technikder Charakteristik dienstbar zu machen. Grossen Einflussgewann besonders der junge Chopin, der 1832 in Paris auftrat,auf Liszt, den der Mensch ebenso wie der Spielerund der Komponist in jenem anzog. Chopin und Liszt wurdenFreunde und des letztgenannten Buch iiber Chopin, welchesnach dessen Tode (1849) im Jahr 1852 erschien, legtein Zeugniss far die Freundschaft beider und fQr das tiefeVeretfindniss ab, mit dem Liszt in Chopins Sdiaffen eingedrungenwar. In die OriginalitSt und Innerlichkeit, dasCharakteristische und Edle im Spiel und in den Kompositionendes feurigen polnischen JQnglings suchte Liszt sich zu versenken,und es wird erzahlt, dass ihm dieses in so voUkommenemMasse gelungen sei, da^ <strong>Liszts</strong> Spiel und Fantasie,wenn er es gewollt, dem Spiel des Freundes zum Verwechselnahnlich gewesen sei. Auf <strong>Liszts</strong> Spiel wird demnaehdie Chopinsclie Spielweise ihren Einfluss nicht verfehlthalien, und die Ausbildong des Figurenwerkes in den <strong>Liszts</strong>clienKompositionen mag auch auf Chopins EinwirkungZTim Teil zurflckzufQhren sein. Von entscheidender Bedeutungfflr <strong>Liszts</strong> SchaflFensrichtung war seine Bekanntschaft mitden "Werken des genialen franzosischen Roniantikers : Hectorlierlioz, des BegrOnders der Programm-Musik. Liszt, dervon jeher Eigonart und Charakterisienmgs - Bestrebungendes produzierenden und reproduzierenden Kiinstlers hochachteteund an seinem eigenen SchafFen bewahrheitete, mussto


— 11 —not"wendigerweise die Balinen der Berlioz'schenKunst, welchedie motivische Gestaltung und die in ungeahnter Weise erweiterteAusdnicksfahigkeit der Instrumentation lediglichder Charakteristik dienstbar machte, fiir die richtigen halten.Den Gnindgedanken, dass die Mnsik etwas darstellen mtisse,erfasste er, als seinem eigenen Empfinden naheliegend mitder ganzen Kraft seines Konnens; und ausserdem standder auf jedem Gebiete dem Weiterschreiten Gewogene demBichtbar Neuen des Berlioz'schen SchafFens schon allein umdes Fortschritts willen sympatiscli gegeniiber. Die Aufftihnmgder Simphonie fantastique : *) „Episode de la vied'un artiste" von Berlioz bewegte den Jiingling gewaltig, sodasser sich an die Ueberti-agung dieser Symphonie fiir dasKlavier machte; Schumann lernte, nebenbei bemerkt, ausdieser Uebertragung das Werk kennen und schatzen.Im Jahre 1834 wurde Liszt, der nun wieder in alienSalons des kunstgewogeneu Paris eine hervorragende Rollespielte, bei George Sand eingefiihrt und lernte nm diese Zeitanch die Grafin Marie d'Agoult kennen, die sich mit ihremGatten nicht verstand und sich leidenschaftlich in Liszt verliebte.Dieser mochte die Gefahr ahnen, die ihm die Naheder Grafin, die auch er verehrte, bringen konnte, denn alsder Tod einer Tochter der Grafin d'Agoult ihm ein geeigneterMoment schien, sich aus ihren Banden loszureissen, ging ernach der Schweiz, \vohin ihm jedoch eines schonen Tagesdie Grafin folgte, welche ihren Gatten verlassen hatte.<strong>Liszts</strong> Vorhaben, die Grafin zu seiner rechtmassigen Gattinzu machen, scheiterte an dem Stolz dieser Frau, von derder Ausspruch: „Eine Grafin d'Agoult wird nie eine FrauLiszt" berichtet wird, eine Weigerung, die den Kunstlerdoppelt schwer betriibte. In Genf studierte Liszt eifrigweiter, horte auch Yorlesungen an der Universitat und gabKlavierunterricht. Als im Jahre 1835 hierselbst ein Konser-) Uebripens bietet dieses "Werk das erste Beispiel eines durchgefiihrteBLeitmotivs.


— 12 —vatorium er5£&iet wurde, unteretfltzte er die junge Anstaltdadurch, dass er an ihr unentgeltlich unterrichtete.<strong>Liszts</strong> Ruf als Pianist schien unantastbar. Da trat inParis 1835 Thalberg, ein Schiller von Sechter und Hummelauf, der schon 1830 in Wien grosse Erfolge zu verzeichnengehabt hatte und dem nunmehr auch Paris zujubelte. ThalbergsTechnik war glanzend, glatt und liebenswilrdig, auchkraftvoll, aber doch ausschliesslich auf VirtuosenefFekte zugeschnitten; er kapricierte sich auf gewisse blendende Verwendungvon Accorden, die fast den ganzen Tonumfang desKlaviers einnehmend, die graciSsen, doch meist inhaltslosenMelodieen seiner brUlanten Improvisationen und Kompositionenumspielten. 1836 trat Liszt mit ihm in die Schrankenund obgleich Thalberg ehrenvoll aus diesem Kampfe hervorging,zeigte es sich doch, dass Liszt nicht nur die ThalbergscheTechnik beherrschte, sondem durch die Tiefe derAuffassung seines Spiels uberbot Leicht wurde es Lisztaber dennoch nicht gemacht, sofort die Pariser fiir sich zugewinnen, und das lag an dem Verhaltnis zur Grafin d'Agoult,welches in Paris wShrend der zwei Jahre seines Fembleibensin Unkenntnis der Thatsachen Anlass zu thOrichtem Geredegegeben hatte ; dieses legte sich jedoch, als es bekannt wurde,wie taktvoll Liszt sich benommen. Yon Paris aus ging ermit der Grafin nach dem Familienschloss von George Sand,j^ohaut", und arbeitete hier eifrig an seinen Kompositionen,unter denen der Beginn der Bearbeitungen der Beethoven-Bchen Symphonieen fur das Klavier, fiber die wir noch desweiteren sprechen werden, ihm besonders am Herzen lag.1837 brach der Kfinstler nach dem Siiden auf, er bereisteMaUand, FJorenz, Yenedig, uberall Konzerte gebend, iiberallgefeiert! Auch kompositorisch rastete er nicht, er schriebKlavierstflcke, arbeitete an den Beethoven-Symphonien undan den Transskriptionen Schubertscher Lieder fQr Klavier.Wir woUen an dieser Stelle gleich erwahnen, dass er mitder Uebertragung Schubertscher Lieder ^iesen den Bodenebnete. Schuberts „Erlk5nig" zum Beispiel hat seinen Ein-


— 13 —zug in die KonzertsJile nicht zum wenigsten der <strong>Liszts</strong>chenKomposition zu dankcn, die in meisterhafter Weise Gesangstimmeund Begleitung charakterisierend, beide zu einem einheitlicliwirkenden Kunstwerk fiir ihr Instrument verschmolz.Liszt war entziickt von Italien und sprach selbst Aviederlioltvon dera giinstigen Einfluss der Natur auf sich undsein Schaifen. Hierauf unternahm er Reisen nach Karlsruhe,Miinchen, Stuttgart u. s. w. In Yenedig las er 1838 voneiner Wassersnot in Ungarn, und sofort war der allzeitHilfsbereite auf der Fahrt nach Pest, wo er zum "Wohle derNotleidenden mehrere Konzerte gab. Die Begeisterung, diesein Spiel hervorrief, war grenzenlos, umsomehr, als manin ihm nicht nur den Kiinstler, sondern auch den Wohlthaterund vor alien Dingen den Landsmann feierte. EineErkrankung der Grafin rief ihn nach Yenedig zuruck, woraufer sich mit ihr nach Lugano begab. In Italien entstandenauch die ersten Lieder <strong>Liszts</strong>.<strong>Das</strong> Yerhaltnis zur Grafin d'Agoult, die ihm dreiKinder geboren hatte (1836 eine Tochter Blandine, 1837Cosima, 1838 einen Sohn Daniel), war mit der Zeit fiir ihnein unerquickliches geworden und wurde sehr gelockert,als sie es Liszt gegeniiber, der seine Kinder sehr liebte,durchzusetzen suchte, dass diese in eine Pension kamen, Lisztjedoch sandte die Kinder nach Paris zur Mutter (wohin dieGrafin zunachst folgte) und ging selbst nach Wien, umnunmehr eifriger als je seine Kunstziele zu verfolgen.Es begann nun ffir den Kiinstler eine ruhelose, doch ruhmvolleWanderzeit, aus der wir nur die wichtigsten Datenhervorheben wollen.Ein hervorstechender Zug in <strong>Liszts</strong> gross angelegtemCharakter war seine grenzenlose Wohlthatigkeit und Bereitwilligkeitdie Kunst und ihre Yertreter in uneigenniitzigsterWeise zu fordern und iiberhaupt AUem, was der Gemeinnutzigkeit,diente oder ideale Zwecke verfolgte, seine Kraftezur Yerfiigung zu stellen, Als daher Liszt horte, dass zuder Yerwirklichung eines Beethoven-Denkmals in Bonn noch


:~ 14 —eine grosse Gteldsumme fehlte, verpflichtete er sich fur dieRestsumme (von crc. 18 000 Thalern), die er durch Konzertein kurzer Zeit aufbrachte. In Ungarn spielte Liszt unteranderm fur das Nationaltheater, -wofiir ihm seine Landsleutefeierlichst ofFentlich einen kostbaren Ehrensabel uberreichten,den Liszt mit der schfinen Motivirung, er werde sich derAuszeiehnung als Kampe fur die Kunst und sein VaterlandA^'urdig zu er\veisen vereuchen, geruhrt annahm. Zu einemTriumphziige gestaltete sich der Besuch seines Geburtsortes.Es war ihm als Knabe prophezeit worden, er wurde in einemglasernen Wagen hochgeelii-t in sein Vaterland zuriickkehrenes hatte sich erfullt. Die gesammte Bevolkerung strSmte ihmentgegen, ilin, der in einem vierspSnnigen Galawagen denEinzug in die Statte seiner Kindheit hielt, gleich einemFQrsten einzuholen. Er hielt sich einige Zeit hier auf undlauschte besonders den ihm vertrauten Klangen der Zigeuner,die er auch in der Puszta aufsuchte, um sich von ihnen dieschwarmerisch feurigen Weisen ihres Stammes vorspieien zulassen. Die kunstlerische Ausbeute dieser Studien finden wirin den ungarischen Rhapsodieen unseres Meisters wieder,es wie Eeiner vor ihm verstanden hat, nicht nur den nationalenTjrpus der ungarischen Musik in di^ ser Form zum Ausdnickzu bringen, sondem auch, durch diesen zu unsermEmpfinden zu sprechen. 1840 ging Liszt nach Paris, vonda aus machte er eine liingere Kunstreise durch Norddeutschland,nachdem er in London durch den Leichtsinneines Bankiers den Ertrag von 300 Konzerten eingebussthatte. Auch in Kopenhagen fiouht Liszt frische Lorbeerenin den Kranz seines Rnhmes. In Hamburg legte er durchseine Freigebigkeit den Grund zum Theaterorchester-Pensionsfond ; in Leipzig empfingen den gewaltigen SpielerMendelssohn und Schumann mit offenen Armen, von denenzumal der Letztgenannte nicht genug Ruhmendes uber <strong>Liszts</strong>Spiel zu sagen weisa. Mendelssohn meint, dass „wohl nirgendsseines Gleichen'* ein solches durcli und durch musikalischesGefClhl gefunden werden mochte und Schumann schreibt ander


:— 15 —seine Braut: „Liszt erscheint mir alle Tage gewaltiger; lieutehat er wieder gespielt, dass wir alle zitterten nnd jubolten."Mit dem Fiirsten Liclmowsky, den Liszt in Briissel kenneagelernt hatte, zog er im Triumphzug durch Schottland; inParis spielte er ebenso wie in London, wohin ihm gegenseinen Willen die Grafin gefolgt war, und in Coin, wo erzum Besten der Yollendung des Domes konzertierte, mitbeispiellosem Erfolge. In Frankfurt a. M. trat Liszt demOrden der Freimaurer bei, zu denen er im Innersten seinesHerzens mit seinen Anschauungen uber Mensehenpflicht undEecht schon lauge gehort hatte. Im November des Jahres1841 begann dann wieder eine Eeise durch Norddeutschlandin Cassel lernte Liszt Spohr keimen und in Weimar kniipfteer Beziehungen zn dem Hofe an, die fur sein spateres <strong>Leben</strong>beeinflussend werden. sollten ; in Jena wurde er mit Dr. CarlGille bekannt, dem er naher trat, und am 29. December warsein erstes Auftreten in Berlin. Dieser Aufenthalt in BerlinbUdet in <strong>Liszts</strong> <strong>Leben</strong> wohl den Hohepunkt der HuldigungenNicht allein sein Spiel, welches in einer Eeihe von zwanzigConzerten den entzxickten Berlinern fast die gesammte Klavierlitteraturvorfuhrte, sondern auch sein edelmiithiges Unternehmen,zum Besten bediirftiger Studenten einen grossen Teilseiner Einnahmen der Universitat zu uberweisen, enthusiasmiertedie Bevolkerung und selbstverstandlich in erster Liniedie studierende Jugend, die ihm in iiberschwanglicher Weisehuldigte. Friedrich Wilhelm IV., der kunstsinnige Herrscher,zeichnete ihn aus und die Konigliche Akademie der Ktinsteernannte ihn zu ihrem Ehrenmitgliede. Sehr erfreut wurde Lisztdurch das Ehrendoktorat der Universitat Konigsberg, derenCuratorium er in einem schwungvollen Briefe in deutscherSprache, welcher er sich von jetzt ab neben der ihm gelaufigeren<strong>Franz</strong>osischen haufiger bediente, dankte. Auch Russland, wo erAdolf Henselt schatzen lernte (er widmete ihm spater eineKomposition), besuchte Liszt, der dann wieder nach Pariszuriickkehrte und von hier aus der Einladung des Grossherzogsvon "Weimar folgend, die Stellimg eines „Kapellmeisters


— 16 —in ausserordentlichein Dienste" annahm, eine Emennung, dieihn verpflichtete, jahrlich drei Monate in Weimar thatig zusein. In das Jahx 1842 fallt die Enthiillung des Beethoven-Denkmals in Bonn. Nicht genug damit, dass er seinerzeitmit jenem Beitrage die Fertigstellung des Denkmals ennSglichthatte, war Liszt nun wiederum unermiidlich thatig, die Feierder Enthiillung wflrdig vorzubereiten und durch seine Mitwirkungbedeutungsvoll zu gestalten. Die Grafin d'Agoulthatte unterdessen durch den Tod ihrer Mutter ein nicht unbedeutendesVerm5gen geerbt, ihre Salons der Welt geoffnetimd fasste nun ihre Beziehungen zu Liszt als eine unniitzeBurde auf, aus welchem Grunde der ofifizielle Bruch zwischenbeiden im Jahre 1844 unvermeidlich war. Noch einmal ginges, nachdem Liszt far die gute Unterbringung seiner Kindergesorgt, im Fluge durch Lander und Stadte, bis das Jahr 1848ihn in Weimar und auf der Altenburg bei Weimar, als Abschlussseiner Wanderjahre findet.Schon 10 Jahre friiher, in Paris, hatten sich die WegeEichard Wagners mit denen <strong>Liszts</strong> gekreuzt, ohne dass sichbeide Manner, die spater durch ein inniges Freundschaftsbandverbunden wurden, naher getreten waren ; da leisteteim Jahre 1849 Liszt dem Kunstgenossen einen Freundschaftsdienst,den ihm Wagner hoch anrechnete : in Weimar wurdedurch Liszt die Auffiihrung des Tannhauser, der in Dresdenbei seiner Erstauffflhrung 1845 so vielem Missverstandnisbegegnet war, erm5glicht. Wagner selbst konnte als politischerFluchtling, dem auf der Altenburg fflr kurze Zeit eine Zufluchtgewahrt worden war, unentdeckt eine Probe seines Werkesmit anhOren und wurde durch diese von <strong>Liszts</strong> AufFassungvollkommen flberwaltigt: „Ich war erstaunt, durch dieseLeistung in ihm mein zweites Ich wiederzuerkennen : wasich fiihite, als ich diese Musik erfand, filhlte er, als er sieauffflhrte; was ich sagen wollte, als ich sie niederschrieb,sagte er, als er sie ertOnen liess", sagt Wagner selbst.<strong>Liszts</strong> Thatigkeit in Weimar war eine umfassende : alsDirigent ftthrte er den ^Lohengrin" von Richard Wagner


— 17 —erstmalig auf, riickte Berlioz's „Beiivenuto Cellini" uudWagners „Fliegenclen Hollander" dem Yerstandnis des Publikumsnaher und fuhrte die Orchesterwerke alterer und neuererZeit auf. Wie seine Befahigung und Bethatigung als Komponist,vvie wir noch eingehender sehen werden, oft angefeindetwurden, so war man auch tiber <strong>Liszts</strong> Direktionstalent verschiedenerMeinung. Allerdings T^aDdGlto er als Dirigentnicht in den ausgetretenen Bahaen seiner Yorganger, Zunachstwaren Tempo und dynamisnhp Scbattierung in seiner Auffassungfreier; was man jedoch als eire Erl.8sung aus denBanden des konventioneUen Schlendrianp batte auffassensoUen, wTirde ibm als Gewaltthatigkeit und unerlaubte Freiheitin der Wiedergabe ausgelegt. liszt, der so tief in den GeistBeetbovenscher Schopfungen eingedrungen war — er batmit der Uebertragung der Meisterwerke dieses bewiesen!-musste es sich gefallen lassen, dass seine Auffiibrung derrX"° Sympbonie, gelegentlicb des Musikfestes zu Karlsrube1853, fiir deren Reproduktion man ibm batte dankbar seinsollen, denn dieses Werk war noch so gut wie nnbekannt,beftig angegriffen wurde. Yon dem Orcbester, welcbes ermit grosser Gewissenbaftigkeit vorbereitete, verlangte Lisztunbescbrankte Souveranitat iiber die Tecbnik. Im Jabre 1852batte Liszt das Musikfest in Ballenstaedt geleitet, bei welcberGelegenbeit zum ersten Mai sein junger Scbuler Hans vonBillow auftrat. <strong>Das</strong>s <strong>Liszts</strong> Art und Weise das Orcbester zuleiten, nicbt die falscbe gewesen ist, werden diejenigenunserer Leser zu beurteilen wissen, welcbe die Leistungendieses Scbillers Jenes, als Dirigenten kennen gelernt babenNicht weniger tbatig als der Dirigent war der Xomponist,den wir uns jetzt etwas genauer betracbten wcllen, insofernwir Liszt bis hierber mebr als liebenswerthen Menscben,Pianisten und Dirigenten zu wiirdigen Gelegenheit hatten.<strong>Das</strong>s Liszt fiir Komposition begabt war, zeigte uns scnonsein erstes Qffentlicbes Auftreten, bei dem er sich in derfreien Phantasie produzierte, die er in bervorragender Weisebeherrscbte; auch in der spateren Zeit liebte er es, sich invni.2


— 18 —den Salons in freier Phantasie zu ergehen, vobei er sichdadurch mit den H5rem in engen Konnex zu setzen wusste,dass er beliebte Melodieen der betreffenden Gegend seinenImprovisationen zu Grunde legte. Mit den Uebertragungender Vokal- und Orchesterwerke Mr Klavier schuf Liszt furdas Pianoforte einen ganz neuen Styl, den der reprSsentativenPhonetik, indem er mittelst eines musikalischen Satzesfur das Pianoforte den Orchestersatz, ja sogar dessen Klangfarbe,oder das Wesen des Yokalsatzes entgegen dem derBegleitung zu reprasentieren trachtete. Wie ihm das gelungenist, m5gen seine trefflichen Arrangements der schon genanntenWerke bevreisen, denen wir noch den Hinweis auf die vorzfiglichenUebertragungen und Phantasieen von Bruchsttickenaus den Opem und Musikdramen Wagners, von Berlioz,Meyerbeer, Mendelssohn und Verdi und die Bearbeitungenvon Bachschen Originalkompositionen fur Klavier hinzufugen•vrollen. Ebenso ernst und gewissenhaft, -wie im Hinblick aufseine Leistungen bescheiden, fasste Liszt dergleichen Arbeitenauf, aus dessen Briefen*) wir folgende an den Verlag vonBreitkopf & Hartel gerichtete Zeilen anfuhren wollen, diesich auf die Uebertragungen Beethovenscher Kompositionenbeziehen:„. . . . Es soil meinerseits nicht an gutem "Willen undFleiss fehlen, Ihren Auftrag entsprechend zu erfullen. Allerdingsmuss sich ein Klavier-Arrangement dieser Schopfimgen damitbegnflgen, ein sehr dOrftiges Ungefahr zu verbleiben. Woherden nichtigen HSmmern des Klaviers Athem und Seele, Schallund Kraft, Fulle und Weiche, Colorit und Accent einflQssen ?— Doch wiU ich es versuchen, wenigstens die schlimmstenUebelstande zu beseitigen und der klavierspielenden Weltein mOglichst getreues Schema des Beethovenschen Geniuszu liefern Je vertrauter man mit Beethoven geworden,desto mehr haftet man an gewissen Einzelheiten undfindet, dass selbst Geringffigiges nicht wertlos ist."*) Liszt> Briafe, gMammelt ron La Man.


— 19 —Die symphonischen Dichtungen unseres Komponisten,deren eine Anzahl in Weimar das Licht der "Welt erblickte(ii. A. komponierte er zur Feier des hundertjahrigen Geburtstagesvon Goethe: „Torquato Tasso, Lamento e Trionfo"),diese genialen Tondichtungen, in denen ihr SchSpfer zumersten Male seinem kompositorischen Konnen und "Wollenden Stempel ausgesprochenster Eigenart aufgedriickt hat,haben viele Anfeindungen fiber sich ergehen lassen miissen.Die Kuhnheit musikalischer Architektonik und besonders desAufbaus der Harmonik und Melodik hatten sich bei Liszt,mit angeregt dutch die neuen Ideen von der Entwickelungder Harmonie, mit Aufhebung des alten Tonartenbegriffs,welche Fetis in seinen musikphilosophischen und historischenVortragen 1832 nach eifrigem Studium der alten und neuenTheoretiker befiirwortet, zu einer den Klassikern gegeniiberunerhorten Freiheit aufgeschwungen. "VVesen und Form dersymphonischen Dichtungen begegneten voUkommenem Nichtverstehen!Zur Erganzung der Einleitung fiir die Sondererlauterungender symphonischen Dichtungen, die wir samtlichunseren Lesern bieten, sei darauf hingewiesen, dass die Formin ihrer Einsatzigkeit — ausgenommen die von Liszt als Symphonieenbezeichneten Riesenwerke: Dante- und Faust-Symphonie— die allerdings im Innem unter Umstanden sehr bedeutungsvollgegliedert ist, mit einer bewunderungswiirdigenVielgestaltigkeit die cyklische Form der Klassiker zuvertretenbestrebt ist, wahrend die Einheitlichkeit des motivischenMaterials der Einheitlichkeit des poetischen Q-edankens ingeradezu vollendeter "Weise entspricht, Der Unterschiedzwischen dem Programm-Musiker Berlioz und dem Programm-Musiker Liszt in ihren symphonischen Dichtungen ist wohlkaum treffender pracisiert worden als durch Richard Wagner,der in „Ueber <strong>Liszts</strong> symphonische Dichtungen" Folgendesausfiihrt : „Die grosste Hingerissenheit, in die mich dieEntwickelung des Hauptmotivs (Wagner spricht hier vonder Liebesscene aus „ Romeo et Juliette" von HectorBerlioz) gebracht hatte, verfliichtigte und erntichterte sich


— 20 -im Gefolge des ganzen Satzes bis zum unleugbaren Missbehagen; ich errieth sogleich, dass, wahrend der musikalischeFaden verloren gegangen war (d. h. der konsequente iibersichtliche"Wechsel bestimmter Motive), ich mich nuu anBcenische Motive zu halten hatte, die mir nicht gegenwartigund auch nicht im Programm aufgezeichnet waren, DieseMotive waren unstreitig in der berilhmten Shakespeare' schenBalkonscene vorhanden. Darin, dass sie getreu der Dispositiondes Dramatikers gemSss festgehalten waren, lag aber der grosseFehler des Komponisten. Dieser, sobald er diese Scene alsMotiv zu einer symphonischen Dichtung benutzen wollte,hatte fflhlen mflssen, dass der Dramatiker, um ungefahr dieselbeIdee auszudriicken, zu ganz anderen Mitteln greifenmuss als der Musiker ; er steht dem gemeinen <strong>Leben</strong> vielnaher und wird nur dann verstandlich, wenn er eine Ideein einer Handlung uns vorfiihrt, die in ihren mannigfaltigzusammengesetzten Momenten einem Yorgang dieses <strong>Leben</strong>sso gleicht, dass jeder Zuschauer sie mit zu erleben glaubt.Der Musiker dagegen sieht vom Yorgange des gemeinen<strong>Leben</strong>s ganzlich ab, hebt die Zufalligkeitenund Einzelheiten desselben voUstandigauf und sublimiert dagegen alles in ihnen Liegendenach seinem konkreten Gef flhlsinhalte,der sich einzig bestimmt eben nur in derMusikgeben lasst. Ein echter musikalischer Dichter hattedaher Berlioz diese Scene in durchaus konkret idealer FormvorgefQhrt, und jedenfalls hatte sie ein Shakespeare, wenner sie einem Berlioz zur musikalischen Reproduktion dbergebenwollte, gerade um so viel anders gedichtet, als dasBerliozsche Mueiksttlck jetzt anders sein sollte, um an sichverstandlich zu sein. Soviel ist gewiss, dass es mit <strong>Liszts</strong>Anschauung eines pogtischen Objektes eine gnmdverschiedeneBewandtnis von der Berliozschen haben muss, und zwarmuss sie derart sein, wie ich sie bei Erwahnung der Romeo-Scene dem Dichter zumuthe, sobald er seinen Gegenstanddem Musiker zur Ausffihrung tlberliefem wollte."


— 21 -Kichard Wagner vertritt also hier den selir richtigeaStandpunkt, dass eine symphonische Dichtung nicht an derHandlung des dichterischenVorwurfs vorwarts kriechen soil, urndurch musikalische Illustration dasselbe erreichen zu wollensondern dass der Musiker den konkreten Gehalt der Dichtungin musikaLisch ausdriickbare (!) Vorgange und Stimmungenderartig musikalisch-poetisch verwandeln soil, dass diese iniliren musikalisclieu Erscheinungs- bezw. Ausdrucksformengleichsam das idealisierte Facit bilden, und so Alles in derDichtung Liegende viel einheitlicher motivisch entwickelbarist. Auf dem Grunde dieser Anschauung kann die symphonischeDichtung sozusagen der absoluten Musik die Handreichen, denn der Tondichter hat so den dichterischen Yorw\u^,um ihn durch seine Kunst wirken zu lassen, zu einerpoetischen Anregung umgedichtet, bei Liszt unter Umstandennur skizziert ; man konnte sagen : er beleuchtet musikalisch,was der Dichter nur mit der Sprache wiederzugeben imStande ist. Es liesse sich in Anknupfuug hieran noch vieleaausfiihren, doch der Raum wie auch die Tendenz dieserEinleitung zwingen mich, theoretisch mehr Andeutung undAnregung als Erschopfendes zu bieten. Ein eingehenderesStudium der „Syniphonisehen Dichtungen" von Liszt undderen Programm wird das soeben Gesagte am beaten ergiinzen.<strong>Das</strong>s Liszt die Errungenschaften des BerliozschenOrchesterapparates in ausgiebigster, aber darum doch hochstzweckmassiger "Weise, wenn auch gelegentlich unbekiimmertum das „Musikalisch-Schone'' derb-charakteristisch verwendet,kann uns nicht wundern. Die "Wahl und Entwickelung derMotive und Themen zeigt Einheitlichkeit und dramatischenSciiwung und steht unter dem obersten Gesichtspunkte desCharakteristischen als der conditio sine qua non!Liszt selbst schreibt uber seine symphonischen Dich-


— 22 —tungen : „Sie bleiben fOr mich die notwendige Entwickelungsetufemeiner inneren Erlebnisse, welche mich zu der UeberzeugunggefClhrt haben, dass Erfinden und Empfinden nichtBO gar vom Uebel sind. Am Ende kommt es doch hauptsachlichauf das "Was der Ideen und das "Wie der Ausftlhrungund Bearbeitung derselben an ... . und das fQhrtims immer auf das Empfinden und Erfinden zurtick, wenn•wir nicht im Geleise des Handwerks herumkrabbeln undzappeln wollen."Man wollte Liszt, da man ihn nicht verstand, nichtals Komponisten gelten lassen, und in dem hyperkonservativenLeipzig passierte es sogar seiner symphonischenDichtung „Mazeppa", dass sie mit larmenden Kundgebungenvom Publikum abgelehnt wurde. Es musste ihn geradezufreuen, wenn die Sondershauser Kapelle mit Erfolg vorurtheilsfreian seine Kompositionen herangegangen war:„Und iiberbringen Sie (schreibt Liszt an Brendel) meinenbesten Dank der muthigen Kapelle, fur welche die „SymphonischenDichtungen" kein Aergernis geblieben."An anderer Stelle heisst es in einem Briefe an W,Gottschlag in Weimar von Rom (1863) aus: „Leider abermuss ich mich darauf gefasst machen, fiir meine Kompositionennur ausnahmsweise Freunden zu begegnen. Die Schuldliegt an mir; warum sich anmassen, selbstandig empfindenzu wollen und das behabige Wohlgefallen anderer schlechtweghintenanzusetzen? An Allem, was ich seit Jahren schreibe,haftet ein urspnlnglicher Fehler, der mir ebensowenig verziehenwird, als ich ihn vermeiden kann. Allerdings liegtauch in diesem Fehler der <strong>Leben</strong>snerv meiner Kompositionen,die eben nur so und nicht anders sein diirfen."Die zahlreich zu Weimar komponierten Lieder <strong>Liszts</strong>zeigen uns wiederum die Grundprinzipien des symphonischenTondichters; in vielen von ihnen glaubt der Komponistnicht genug gethan zu haben, wenn er die Musik demTexte folgen l^st, sondern hailt das ganze Tonwerk in dieGrundstimmung der Dichtung. Li diesem illustrativen Be-


— 23 —streben geht er auch zuweilen zu weit, wie er selbst ineinem Briefe an J. Dessauer eingesteht: „Meine friilierenLieder sind meistens zu aufgeblaht sentimental nnd haufigzu vollgepfropft in der Begleitung."Man sieht, Liszt legte an seine Arbeiten selbst eineukritischen Massstab an. Wir merken das auch an den Aenderungen,die er im Laufe der Zeit freimutig an seinenArbeiten anbringt ; seine XII Etuden op. 1 beispielsweisekamen 1826 heraus, wurden 1839 neu bearbeitet und 1852einer nochmaligen Umgestaltung unterzogen. Liszt blieb ebennie stille stehen. „So viel ist gewiss", bekennt unser Komponist,„dass an dem langwierigen Geschaft des Selbstkorrigierenswenige so zu leiden baben als eben ich, damein geistiger Entwickelungsprozess durch so verschiedenartigeYor- und Zwischenfalle, wo nicht behindert, so dochsonderlich erschwert war."Ehe wir <strong>Liszts</strong> <strong>Leben</strong> weiter verfolgen, sei schliesslichin Ankniipfung an die "Weimarer Zeit seiner Verdiensteals Schriftsteller gedacht. Seine ersten schriftstellerischenErzeugnisse geringeren Umfangs finden wir inder Zeitschrift „ Gazette musicale**. Dann folgen (1851) seineArtikel iiber Lohengrin und Tannhauser von Eichard Wagner,uber die Wagner an ihn schreibt: „Du hast den Leutenmeine Oper beschreiben woUen und hast statt dessen selbstein wahres Kunstwerk hervorgebracht. Gerade wie Du dieOper dirigiertest (es handelt sich hier una den vorher zunachstfranzosisch in dem „ Journal des D§bats" geschriebenenAufsatz iiber den Tannhauser), so hast Du tiber siegeschrieben: neu, ganz neu aus Dir heraus." Weitere Arbeitenauf diesem Gebiete sind: „De la fondation Goethea Weimar" (1851), das schon erwahnte Buch: „Fr6d6ricChopin" (1852), Aufsatze uber „ Berlioz und seine Harald-Symphonie", „Robert Schumann", „Robert <strong>Franz</strong>", liberFields Nocturnes u. s. w. ; im Jahre 1859 entstand auchsein Werk: „Die Zigeuner und ihre Musik in Ungarn."<strong>Liszts</strong> Styl zeigt sich in alien diesen Schriften als ausserst


— 24 —geistreich und gewandt und von schwarmerischer Idealitatdurchwirkt.Im Jahre 1856 wurde Liszt von dem Kardinal-Primasvon Ungarn aiifgefordert, zur Festlichkeit der Einweihungdes Domes in Gran eine Festmusik zu komponieren, wodurchfur ilin der langersehnte Wunsch, in einem grQsserenkirchlichen Stucke sein christliches Denken und Filhlenauszusprechen, Anregung erhielt und in der Kompositionder ,Graner Fest-Messe" verwirklicht wurde. — Dieses"Werk bezeichnet, wenn man so will, den Beginn der drittenSchaffensperiode unseres Kunstlers, dessen Wirken man fiirgewOhnlich einteilt in die Jugend-, Virtuosen- und Wanderjahre:1811—1848, in die "Weimarer (Dirigenten - Kompositions-)Schriftsteller- und Lehr-Thatigkeit : 1849—1856,und in die Periode der geistlichen Kompositionen (wenn auchnicht ausschliesslich) und Lehr-Thatigkeit: 1856— 1886.Die genannte Messe ist nicht die erste geistliche Komposition<strong>Liszts</strong>, aber die erste bedeutende, in der er nichtnur eine wirklich stimmungsvoile, wahre geistliche Musik,d. h. eine von tiefer Fr5mmigkeit getragene, in Styl und"Wirkung wilrdige, ergreifende Musik geschafFen, sondemauch in gewissem Sinne reformatorisch gewirkt hat. Ohnedem Styl der Opernkomposition, der im allgemeinen dieKompositionen der Oratorien (und sogar auch Messen) derZeit nach Handel und Bach beeinflusst, irgend welche Konzessionenzu machen, legt Liszt in dem dramatischen Inhaltden Grundstein zur tondichterischen Wirkung, bei derenErzielung sich ihm, abgeseheu von den stylistischen Prinzipienausserdem seine im Verhaltnis zu der herrschendenPraxis ungebundenen Ansichten uber Melodie imd Harmonie,sowie die Emingenschaften der modernen Listrumentationdienstbar erweisen. Auch die raOglichste Beschrilnkung derTextwiederholungen leistete der Erh5hung der dramatischenWirkung imter Umstanden nicht unwesentlichen Vorschub.<strong>Das</strong>s sich in <strong>Liszts</strong> geistlichen Kompositionen motivischesMaterial aus den gregorianischen Melodieen und alten Kirchen-


— 25 —liedem findet, darf nicht nur als eine ausserliche Zuthataufgefasst werden, erstens nicht vom religiosen Standpunkt<strong>Liszts</strong> aus, dann aber auch nicht in Bezug auf seine Beziehungzu der Komposition, denn die, wie den meisten unserer Leserbekannt sein wird, nach ganz anderen Ideen von TonzusammengehSrigkeitkonzipierten alten Kirchenmelodienzwingen, wenn sie iiberhaupt als charakteristisch oder wesentlichBedeutung liaben sollen, zu einer von der modernen,abweichenden harmonischen Behandlung, des, sei es polyphonensei es horaoplionen Satzes. Hieran anschliessendseien zugleich die librigen umfangreicheren geistlichen Kompositionenerwahnt, welche nunmehr entstanden. Von seinenbeiden Oratorien entstand zuerst „Die Legende von derheiligen Elisabeth" (1865 zum ersten Male in Pest aufgefiihrt).Wir mussen uns hier leider mit dem Hinweiseauf die Specialerlauterung und deren einleitende Bemerkungenzu diesem Werke begnugen ; aus ihr wird dem Leserauch die hochst geniale Verarbeitung der Motive, die sichzum Teil ahnlich Leitmotiven verhalten, ersichtlich. DieArbeit des Oratoriums ^Christus" (1866 voUendet, Erstauffiihrungzu Wien 1817) konnte man einesteils als eineSteigerung oder Verscharfung der in den beiden genanntenWerken aufgesteUten Grundsatze betrachten, andererseits aberwiederum jenen gegenuber als einen Fortschritt; und zwarliegt der Fortschritt in der Wahl des Textes begnindet.Der (iibrigens lateinische) Text schildert uns keine Handlimg,sondern reprasentiert in seiner Gesamtheit gleichsamdie Lehren des Christenthums, die uns aus dem MundeChristi, der Junger, der Propheten und des Chors entgegentSnen,welch' letztgenanntem uberhaupt eine bedeutsameEoUe zufallt. "Wenn der Komponist sogar Worte aus derBergpredigt durch den Chor singen lasst, so greift er


— 26 —eigentlich auf die Praxis der Eomponisten zu und Tor dieZeit von Heinrich Schiltz zurQck; nur dtirfte dieses imSinne <strong>Liszts</strong> nicht ais ein Rtickschritt aufgefasst warden,sondem als Wahl des Eeprasentanten der Mehrheit zumTrager der Grundideen dee Christenthums. Und in diesemSinne wirkt es sogar dramatisch, wie denn auch tiberhauptim „Chri8tu8" das dramatische Element nicht fehlt, -welcheszudem in dem solistisch in wiinderbarer Weise angewandtenOrchestersatz einen hOchst wirkiingsvoUen Interpreten findetEin gross angelegtes Werk ist weiterhin die UngarischeKr5nungsmesse, auf die wir nicht naher eingehen wollen;unvollendet blieb das Oratorium „Salve Polonia"; aus derspateren Zeit sind „Der heilige <strong>Franz</strong>iskns von Paula tlberdie Wogen schreitend", eine Legende Mr Klavier und die„YogeIpredigt des heiligen <strong>Franz</strong>iskus von Assisi." Femersind bemerkenswert zwei Orgelmessen (C-moll und A-moll),mehrere Psalmen, ein Requiem fiir Mannerstimmen undkleinere kirchliche bezw. geistliche GesSnge und Kantaten.Infolge der Graner Festmesse wurde Ldszt zum Ehrenmitgliededer „Gesellschaft fiir rSmisch-katholische Kirchenmusikkreiert", eine von den Anerkennungen, die dem Eomponisteneine wirkliche Freude bereiteten; denn wiedem Tonsetzer der weltlichen, wurde auch dem der geistlichenMusik meist nun bedingte Anerkennung zuteil. Wennihm das in unangenehmer Weise, wie wir erwahnten, inLeipzig zum Bewusstsein gebracht wurde, so war es, wennauch weniger ausgesprochen, doch ein Teil der Stimmender Allgemeinheit, und auch in Weimar verstand man wederden Komponisten noch den in selbstlosester Weise fiirAndere eintretenden Kapellmeister geniigend zu wtlrdigen.Als nun der „Barbier von Bagdad" von Cornelius, eineOper, die Liszt hochschatzte und deren Einstudierung ermit grosser Sorgfalt betrieben, beim Publikum mit Eklatdurchfiel, wozu ausserdem noch kam, dass der als Theater-


— 27 —intendant nach Weimar berufene Dingelstadt mit <strong>Liszts</strong> Standpunttnicht einverstanden war, verstimmte ihn das dermassen,dass er seine Stellung in "Weimar aufgab. TJebrigenshatte er in letzter Zeit auch unliebsame Erlebnisse andererArt durchzximachen. Seit der Weimarer Zeit hatte Liszt sichnamlich der Furstin Wittgenstein genahert, die sich hattescheiden lassen und nun Liszt heirathen wollte; ihr Gattehatte sich wieder verheirathet, aber sie als russische Unterthaninund Angehorige der romisch-katholischen Kirche,wurde als nicht geschieden betrachtet. Da der Kaiser vonRussland zudem den Pass der Furstin nicht prolongierte,verfiel ihr gesamtes Yermogen; heimats- und vermogenslosversuchte nun die Furstin bei der Kirche alle ihr durchProtektion m5gKchen Wege zur Erreichung einer Yerbindungmit Liszt. Hierdurch und durch die Erlebnisse in Weimar,und ausserdem durch den Tod seines Sohnes, der Jurastudiert hatte, bekummert, zog sich der Kunstler auf dieAltenburg zuruck, wo er fleissig (unter andem an der Legendeder heiligen Elisabeth) arbeitete. Seine letzte That in Weimarwar 1859 die Gxiindung des „Allgemeinen Deutschen Musik-Yereins" zusammen mit Fr. Brendel und Louis K5hler. DerZweck dieses rasch tiber ganz Deutschland verbreiteten Musik-Yereins kann nicht treffender als mit <strong>Liszts</strong> eigenen Wortenaus dem Antwortschreiben an den Yerein charakterisiertwerden, als dieser ihm spater die Ehrenprasidentschaftdes Yereins angeboten hatte : „Sein Zweck ist : zeitgemasseunparteiische"Forderung der Musik und MusikerDer Yerein, dessen Ort wechseln sollte, setzte sich das Ziel,altere, seltener gehorte und besonders bemerkenswerthe Werkezeitgenossischer Tondichter zur Auffuhrung zu bringen. Solange Liszt lebte, hat er unermudlich dem Literesse desYereins gedient, der ausser den Werken der damals zeitgenossischenKomponisten der neuen Richtxmg solche vonCalvisius, Carissimi, Haendel, Gabrieli, Hassler, Marcello,Palaestrina u. s. w. brachte und spater sich der seltenergehorten Werke von Schubert, Schumann, Yolkmann, <strong>Franz</strong>,


— 28 —Brahms und anderen armahm. — mit einem Wort, der Vereinhat lange Zeit redlich seinem Zweck gemass genutzt.Im Jahre 1861 hatte es die Filrstin "Wittgensteinendlich nach vielen Schwierigkeiten erreicht, dass ihr dieEhe mit Liszt gestattet wurde; Liszt kam nach Rom undnahm das heilige Abendmahl mit der Furstin zusammen , . .,da, in der Nacht noch, kam ein Interdikt des Papstes, derdurch Intriguen der Verwandten der Furstin zu diesemSchritt veranlasst worden war. Die Widerstandsfahigkeit derFilrstin war gebrochen ; sie untemahm keine weiteren Schrittemehr, und Liszt zog sich ebenfalls zuruck. So finden wirihn 1863 in Rom, wo er in einem leerstehenden Hause derOratorianer auf dem Monte Mario Unterkimft gefunden hatte,still fur sich in der Natur und seiner Arbeit Ruhe undBefriedigung suchend ; auch der Papst (Pius IX.) besuchteihn hier. Als im Oktober in K51n das Domfest stattfand,forderte man ihn auf, hinzukomraen und pianistisch mitzuwirken,doch er sandte dem Komitee eine abschlagige Antwortund schreibt als Grund der Absage an anderer Stelle:^ scheinen die Herren daran zu denken, in welcherArt meine Wirksamkeit angemessen sein kSnnte und hiltensich klQglichst, mir etwa von einer kirchlichen Kompositionzu sprechen, obschon sie vermuthen kunnten, dass ioh geradein dieser Gattung einiges zu leisten im Stande bin. Allerdingsist fur den verehrlichen Ausschuss die alte Leier vonmeiner Glanzperiode der bezaubemden Tone, d.ie ich denTasten entlockte, gelauftger und bequemer." 1865 nahmLiszt die niederen kirchlichen Weihen mit dem Titel „Abbe",bezog eine Wohnung im Vatican und war fortgesetzt kompositorischund schriftstellerisch thatig. Unterdessen warenin Weimar Stimmen laut geworden, welche darauf hinwiesen,was man an Liszt gehabt, und dass es migerecht gewesensei, ihn so ziehen zu lassen ; darum hatte man ihn zumEhrenbflrger gemacht und vom Grossherzog war er zumKammerherrn ernannt worden, liess sich auch schliesslich aufdringendes Bitten des Grossherzogs dazu bewegen, wieder


— 29 -naeh "Weimar iiberzusiedeln, wo er, wie bekannt, die Hoigiixtnereibezog.Nun sammelte sich um den Meister eine stattlicheAnzahl von Schiilern, und mit derselben Selbstlosigkeit, mitder liszt seiner Zeit die Einnahmen seiner Konzerte zumBesten Anderer verwandt hatte, unterrichtete er jetzt ohneHonorar, obgleich seine Mittel nur sein Auskommen deckten.Ueber seine Lehrthatigkeit ist wohl genug bekannt, sodasses kaum notig ist, an dieser Stelle auf dieses segensreicheWirken zurnckzukommen. Wie er seinerzeit nnermtidlichbemiiht war, das Yerstandnis tiefangelegter Werke der alterenwie der neueren Zeit z. B. der letzten Beethoven'schenSonaten ebenso gut wie der Berlioz'schen Kompositionen inden Konzerten zu fordern, so erzog er hier die Jugend inErfurcht vor den Heroen der Tonkunst aller Zeiten, anderen "Werken er die Kunstjunger analysieren, empfinden,und Empfundenes wiederzugeben lehrte. Er selbst trat nuran die Oeifentlichkeit, wenn es sich um das "Wohl und"^''ehe kiinstlerischer Untemehmungen oder um "Wohlthatigkeitbesonders im Interesse der Kunst und ihrer Yertreterbandelte. So spielte er beispielsweise ftir das Bach-Denkmalund fi'u- das Bayreuther Festspielhaus.Dem energischen Eintreten fiir die Sache Eichard"Wagners, in der seine eigenen Interessen geradezu aufgingen,blieb unser Kiinstler treu bis zum Tode.Liszt starb in der Nacht des 31. Juli 1886 zu Bayreuth,wo er noch einer Auffiihrung des Tristan beigewohnthatte, infolge einer Lungenentziindung. Sein Andenken aberlebt fort in dem, was dieser als Kiinstler und Mensch gleichliebens- und bewundernswerte Mann uns „aere perennius!"in seinem "Wirken hinterlassen hat.A. Poehhammer.


(}1)erWesen nnd Form der sppboniscben DicMim^.*ie Kunstgattung der symphonischen Dichtnnggeli5rt ihrem "Wesen nach zur „Programniilusik",d. h. zu jener Art Musik, welche essich zur Aufgabe macht, einen beetimmten poetischen Q^egexi-Btand zu schildem uDd dem Empfinden des ZuhOreni naherzu bringen.Yon der Symphonie der Klassiker imterscheidet sichdie symphonische Dichtung vor AUem durch das im Vergleichlu jener hier vOllig veranderte Yerhaltnis zwischen Inhaltnnd Form. Der im Programm enthaltene dichterischeGedanke hat sich bei seiner musikalischen Darstellung nichtdem Zwange feststehender Formen anzupassen, sondern dieForm selbst aus sich heraus, seinem Wesen entsprechendzu bestimmen. Die musikalischen Hauptgedanken, durchwelche der Hauptgegenstand und die neben ihm nochwichtigen Momente des Programms symbolisiert erscheinen,gewinnen in der symphoni»chen Dichtung die Bedeutimgvon Leitmotiven, In der Aufeinanderfolge derselben,in ihrera kontrastierenden Auftreten, ihrer Verknflpfung,Yerarbeitung und mannigfachen TonflLrbung stellen sich dieGedankenverbindungen des Programms und die darin zuTage tretenden Empfindungen, Situationen, geistigen undseelischen Stimmungen dar, wobei es die Sonderaufgabe derMusik bleibt, das auszusprechen, was das Wort meist nuranzudeuten vermag. Die symphonische Dichtung hat gomit


31als eine besondere Gattung der den Kernpunkt moderaerschOpferischer Bestrebungea auf musikalischein Gebiete bildendenVerschmelzungen von Wort- und Tonpoesie zu gelten.Der Begrunder der symphonischen Dichtung war<strong>Franz</strong> Liszt. "Wie das Prinzip derselben im lebendigenKunstwerk zu verwirklichen sei, haben seine Schopfungendieser Art zuerst gezeigt. Ein weiter, weltumspannender{jed~nkenkreis ist es, "welcher sich in dem symphonischenSchaffen dieses Meisters vor uns aufthut, "Was immer dasMenschengemut in seinen Tiefen zu erregen vermag, vnrd"von ihm zum Objekt musikalischer Behandlung gemacht.An die verschiedensten Yorgange, Bilder und Gestalteniniipft Liszt an und was er vermoge einer tiefen Auffassungder Erscheinungen der Welt und des <strong>Leben</strong>s erschaut,kundet er uns in Tonen von ebenso flberzeugender Blraftwie ergreifender Linerlichkeit. <strong>Das</strong> eine Mai schopft er ausDichtungen lyrischen und philosophisch-reflektierenden CharaktersAnregung, dann wieder wahlt er Beobachtungen ausdem <strong>Leben</strong> der Yolker und der Gesamtmenschheit zum Yorwurf,Oder er macht Helden des Geistes, Gestalten ausMythe oder Wirklichkeit, zum Gegenstand seiner Tondichtungen,wobei ihm die Gestalt selbst oder der aussere Yorgangallerdings fast immer von symbolischer Bedeutung sind undals Trager einer grossen, aUgemeinen Idee gelten.Durch die kunstlerische That Liszt's, die Befreiungdes poetischen Gedankens vom Zwange musikalischerFormen wurde der Instrumentalmusik ein neues, reichesGebiet erschlossen, wie gleichzeitig die SchOpfungen diesesTondichters einer ktinstlerischen Nachfolgerschaft die Bahngewiesen haboa.


<strong>Franz</strong> Liszt,Ce qu^on entend sur la montagne.(Was man auf dem Berge hOrt).Symphonische Dichtung.[Erste Entwfirfe : 1833 bis 85 ; instrumentiert : 1849. Erete Anfffthrung : 'WpiniM1853. Im Drnck erschienen : Leipztg 1867, bei Breitkopf u. H&rtel ; Bearb«itnntrenfni 2 Elavlere, (Or Klavicr za 4 H&nden ^rom Eomponistea), f&r Klavier zu 2 H&nden(VOB L. Starck) ebendaselbst].lleich einem machtig aufragenden Gipfel vor einerKette killm und gewaltig emporetrebender Bergriesensteht die erete der symphoniachen Dichtungen<strong>Franz</strong> Liszt's an der Spitze der imposanten Reihegleichartiger SchSpfungen. <strong>Das</strong> hohe Zie!, welches in denInstrumentaldichtungen dieses Meistera der Kunst des Symphonikeregesteckt ist, tritt uns in der „Bergsymphonie",wie das Werk vielfach korz genannt wird, sofort in vollerDeutlichkeit vor Augen. Von alien ihm sich bietenden Stoffenund Gedanken ergrff hier der Tondichter sogleich dergrSssten einen, indem er an eine der bedeutsamsten Fragen,ja an das Weltenratsel selbst rflhrtNatur und Menschheit setzt er in Gegensatz zneinander. Beiden leiht er Stimme durch die flberzeugendeEigenkraft, die Gewalt und innere Wahrheit seiner Ton-


:— 33 —sprache, una uns mit sich fortzureissen zu machtigemPhantasiefluge tiber Hohen und Abgriinde des Seins, unsmit sich zu ziehen in die geheimen Tiefen still sinnenderBetrachtung.Mag das Naturleben, wenn man ihm bis in seine einzelnenErscheinungen nachspurt, genug des Schreckenvollenbieten, immer wird es uns doch als Ganzes einheitlich erscheinenmiissen; man wird seine Stimme vemehmen, vollerhabener Harmonie gegenuber dem Treiben der Menschen,das mit seiner furchtbaren Zerrissenheit, seiner raffinirtenGrausamkeit, der FBUe und Trostlosigkeit seiner Leiden wiein ungeheuer endloser Dissonanz erklingt und den Erdkreisdurchzittert.<strong>Das</strong> ist es, -was dem tiefer Empfindenden nirgendslebendiger ins Bewusstsein tritt, als wenn er aus des AlltagslebensWirmiss sich hinausgerettet hat zur ewigen Natur,<strong>Das</strong> ist es: was man auf dem Berge hSrt.„Die "Welt ist voUkommen flberaU,Wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual.**So sagt ein deutscher Dichter und der <strong>Franz</strong>ose ViktorHugo nimmt in seinem Gedicht „Ce qu'on entend sur lamontagne", welches der Bergsymphonie als Programm zuGrunde liegt, den gleichen Gedanken zum Ausgangspunkt,um Betrachtungen tiber jenen tiefen, unbegreiflichen Widerspruchzwischen Naturerhabenheit und Menschenelend poetischenAusdruck zu geben. Wir folgen dem Dichter inherrliche Einsamkeit, auf BergeshShe, am Meeresufer, wo erder Tonflut lauscht, die hier das Ohr umwogt„Zuerst verworr'ner, unermess'ner Larm,Undeutlich wie der Wind in dichten Baumen,Voll klarer T5ne, sflssen Lispelns, sanftWie'n Abendlied, und stark wie Waffenklirren.VIII.


Es war ein_„ 34 -Ttoen, tief und unaussprechlich,<strong>Das</strong> fliitend Kreise zog rings um die "WeltUnd dui-cli die Himmel — — — —Die Welt, gehtlllt in diese Symphonie,Schwamm "wie in Luft, so in der Harmonie.**Diesem poetischen Stimmungsgemalde verleiht der dieLiszt'sche Tondichtung einleitende Satz die intensiverenFarben musikalischen SchilderungsvermSgens. "Wir vernehmenau8 dem dumpfen "Wirbel der grossen Trommel, welcherpiatiissimo das Tonstiick erSffnet und gleich einem in unbestimmterTiefe ausgehaltenen Grundton weiterklingt, sowieaus dem nach zwei Takten sich hinzugeseUenden tiefenWellengemurmel der pedamnften Streichinstrumente dasRauschen des Meeres. Fanfarenartige wie von fernem KampfgetOsewiderhallende Accorde der H5mer und Holzblaserheben sich ab und zu deutlicher aus dem Tongewoge hervor.Dann steigert sich das Tempo allgemach. Aus Violinen undHarfe erklingen lichtere Tonspiele in gebrochenen Accorden.wie Flftstern des Windes. Eine ilberaus liebliche melodischePassage (1), „sanft wie'n Abendlied", in der Oboe beginnend,von FlQte und Klarinette fortgesetzt, malt uns den idyllischenFrieden einer glucklichen Natur, wahrend gleichzeitig inElarinetten und Fagotten die fanfarenartigen Accorde wiedererklingen.s^m±A


— 35 —Die ilelodie, welche sicli zuerst iiber klarer Dur-Hannonie ausbreitet, wiederholt sich daan in entsprechenderVariante iiber einem dissonierenden Accord, Aus demWechselspiel der bisher erwahnten Tongebilde zaubert derKomponist ein Naturbild von hohem Reiz vor uns herauf,dabei die romantisch-mysteriose Grundstimmung der Hugo'-schen Yerse auf das glucklichste festhaltend.Nachdem er einige Zeit dem geheimnisvollen Zauberder ihn umrauschenden Tonflut sich Mngegeben, unterscheidetder Dicliter allmalilich immer deutlicher zwei Stimmen:„Yom Meer die eine; wie ein Sang von Kuhm und GliicklDie and're hob von uns'rer Erde sich,Sie war voll Trauer: das Gerausch der Menschen."Yon diesen beiden Stimmen ist es bei Liszt derMenschenlaut, "welcher sich zuerst scharfer abhebt in Gestaltdes nachstehendeu Motivs,2. Klar. Fag.von dem vor Allem der rhythmische Charakter festziihaltenist. <strong>Das</strong> Motiv gleicht einem gebieterisch antreibendenRufe, Oder bei grosserer Steigerung des Ausdnicks wohlauch den Stimmen wutender Yerfolger. Es tritt zuerst pia?ioauf, wahrend die Yiolinen die Melodie des Naturfriedens(1) in schnellerem Tempo aufgenommen haben, auf der sie,von Floten imd Oboen unterstutzt, eine Steigerung einleiten,wobei die Melodie bald ihren idyllischen Charakter verliertund in die Wirren des Menschentreibens hineingezogen wird,bis sie endlich ganz darin verschwindet und unter einemTremolo der Geigen das Thema 2 in den Blasern zu immergrosserer Geltung gelangt. Und in der Tiefe grollt dazu,gleich einem gewaltigen Orgelpunkt in der Symphonie des


:— 36 -WeltgetOses, wieder daa Rauschen des Meeres, indem derschon Eingangs erwahnte dumpfe Wirbel der grossen Trommelvon Neuem einsetzt.Nun lUsst sich aach die andere der beiden Stimmenvemehmen. Nach einer plOtzlicli eingetretenen Pause folgtein Maestoso-Satz, in welchem die Natur sich zu einemgewaltigen Hymnus erhebt.„Der pracht'ge Ocean — — — — —Liess eine friedlich frohe Stimme hSren,Sang, wie die Harfe siugt in Sions Tempeln,Und pries der SchOpfung SchCnheit"3. Stretcher a. HolzbL uniaono.VoUes Orcheatar.&*"Vr-liJiL?if^^^Die oben von Streichem und HolzblSsem ausgefillirteFigur gewinnt ftlr die Folge die Be- 4,deutung eines selbstSndigen, die Natur ^^ 4^.^ If:in ihrerErhabenheit cbarakterisierendenMotivs


37 --Der HyTniius klingt ziiletzt piano in aufwarts steigendeoEarmonieen der Streicher aus. Die ruhige Klarheit, inwelcher dieselben verharren wollen, wird durch ein gleich-/eitig in den Holzblasern auftretendes Thema gestort.5.r^rr-^VJ, ,1^ M ^^ Ji^pDer Mensch erscheint wieder „mit seiner Qual." Hattenns Thema 2 den Yerfolger gezeigt, so glauben wir jetztden Angstschrei des Gehetzten zn vemehmen. Wahrend dasThema 5 sich immer eindringlicher geltend macht, verlierensich die lichten Streicher- gAccorde in ein unruhiges iiTremolo, mit dem zugleich :^i|j&^^^ein neues Motiv,welches spater noch bedeutend in den Yordergnmd tretenwird, bei den Klarinetten erklingt, wie duster fragend nachdem Grande der Storung. Die Menschenlaute iibertonen esjedoch sogleich. In dem folgenden Allegro con moto beginntnun ein wildes Treiben,,,Ein Weinen, Zreischen, Schmahen und YerfluchenUnd Hohn und Lasterung und wust' GeschreiTaucht' aus des Menschenlarmes Wirbelwogen."Trompeten, Oboen und Klarinetten ringen sich inhr.stiger Tonfolge unter heftigen Dissonanzen empor,7.^y^^^^^r't±r-^ldie Streichinstrumente tumultuieren in wild bewegten Figiirenund dazwischen gellt der Schmerzensschrei (5). Nun mischtaich das Meer seine Stimme in das Getose und das Motiv^


— 38 —der Naturerhabenheit (4) klingt ebenfalls an, aber es erscheintjetzt in entstellter Gestalt. Allmahlich ISsst dasToben •wieder nach und verhallt endlicli. Eine letzte, bangeKlage ertQnt in den Streicbern, dann folgt Schweigen. Nurzwei ganz leise erklingende Tamtamsclilage malen die Schauer,in denen die Brust bebt unter dem Eindruck der schreckenvoUenBilder, welche die Menschenlaute vor der Phantasieheraufbeschworen haben. Der Seele des Dichters entringtBich jetzt die bange, zweifelvolle Frage:^^_ _ _ — warum man Mer ist, wasDer Zweck von allemdiesem endlich,Und warum Gott — — — — — —Bestandig einet zu des Liedes MisstonSang der Natur mit seiner Menschen Schreien."Klarinetten, Fagotte und dilstere Posaunenklange gebenmit dem schon oben erwahnten fragenden Motir jenem„Warum?" Ausdruck:S. mf dolente^^g—xrff?T-*f?^=%^^f—^=ti=—=—»7 • ' I^Tp lugubrt Pk. $ $Ein in Bassklarinette und Violoncello aufsteigenderGang verleiht der Frage noch besonderen Nachdruck.fP9.^2!i^i J n^^^m^r-^A^H^Doch das grtlblerische Sinnen und die tiefen Seufzer, inwelche die Frage sich verliert, werden von den lieblichen


Bildern verdriingt, welche die Natur jetzt von Neuem und:n erhohtem Eeize heraufzaubert. Holzblaser, von der Harfeanterstutzt, lialten in lichter Hohe sonneuhelle HarmonienVioline die Melodie des Naturfriedens, aber diesmal erweitertand in sanfter Kadonz verhauchend:is.- .^ ^8va.^^^^=^^^M^^Ei4^^^Viol, dolce, tranquillo moltolang aus und mit bestrickender Anmut bringt die Solo-8va-I fe^^'^ti-^is *-iJz^sempre dolciasimo8va^^^^^'-JklJ^perdendosLtjJ^ I^^^SW^ -f^^6 rallentWieder, und verstarkt im Ausdruck, meldet sich diediistere Frage (8.), aber die Natur setzt ihr abermals ihrenholdesten Zauber entgegen, bis endlich das Menschentreiben,dessen mid dahin hetzende Jagd noch durch ein neuesselir charakteristisches Motiv


U.40Pos.:£=g?^s^^^^etwrgttogekennzeichnet wird, wieder seine furchtbaren Laute erschallenlasst und alles Andere mit seinem chaotischenGewirre tibertont. Mit leidenschaftlicher Kraft setzt dann•wieder der Naturhymnus (3.) ein, aber der Menschenlarmverdrangt auch ihn und das „Waruni'' ert5nt daneben immervemehmlicher. Endlich tritt wieder ein Moment vollkommenenScbweigens ein. <strong>Das</strong> von Zweifeln gequalte GemClt verlangtnacli einem Ruhepunkt, einem Trost Wo es diesen sucht,das wird naturgemass immer von den subjektiven Anschauungendes Einzelnen iiber Welt und Dinge abhangen, mSgendiese nun in Wissenschaft, Kunst, Religion oder Philosophieihren Stiitzpunkt haben. Der Dichter hat im vorliegendenFaUe mit der qualvollen Frage geschlossen. Der Musikerkann uns auf dieselbe eine Antwort von allgemeiner G«ltungnaturlich auch nicht geben, aber er bringt uns mittels seinerKunst wenigstens das zum Ausdruck, was ihm selbst filrden Zwiespalt in seiner Seele Beruhigiing zu gewShrenvermag. Der glaubige Sinn eines Liszt nimmt seine Zufluchtdorthin, wohin seine individuelle C'berzeugung ihn weisenmusste. <strong>Das</strong> Andante religiose, welches jetzt folgt, sagtuns, wo die Seele des Tondichters Frieden gesucht hat inder ZweifelWirrniss:12. Andante nliffioso.^^' r4 f i r.inirf^j


— 41 —Diese choralahnliche Melodie wird zuerst von denPosaunen vorgetragen, worauf sie sich in den Holzblasernwiederholt, Sie setzt sich darauf in den Streichinstrumentenfort, zuletzt sanft verklingend. Der Tondicliter scheint ausdieser religiosen Vertiefung den Glauben gewonnen zu liaben,das3 die ausserliche Zwiespaltigkeit im Wesen von Naturund Menschheit sich doch zuletzt in einer hoheren Einheitauflosen miisse. Yon Neuem erheben sich jetzt die beidenStimmen und steigem sich nach und nach zu hochsterEJraft. „Sie ringen sich", wie es in der kurzen programmatischenErlauterung zu dem "Werke heisst, „einander naherund naher, durchkreuzen und verschmelzen sich, bis sieendlich in geweihter Betrachtung aufgehen und verhalien."Die musikalische Darstellung dieses Vorganges, welche dengrossten Teil der Partitiu" ausliillt, gab dem Komponistenhinreichend Gelegenheit, seine Meisterschaft zu betkatigen.Die hauptsachlichsten der fiir die beiden grossen Gegensatzecharakteristischen Themen erscheinen wieder, oftmalsgleichzeitig ertonend, sich einander anpassend, nach Yereiuigungstrebend. Auch die inhaltsschwere Frage mischtsich "wieder und wieder darein, im. Ausdruck besonders gesteigertin einer den Blecliinstrumenten zufallenden imitatorischenStelle (nachahmende Fiihrung der Stimmen):t9HnmerTuba '-


— 42Der Glaube des Tondichteis steigert sich endlich zumAusdruck hOchster Ziiversicht, welchen wir in einem plStzlichmit grSsstem orchestralen Glanz in die Erscheinung tretendenneuen Thema verkSrpert finden.14.con 8va-BIteer^]£ 2z: a ^^1 - 7 1Streicberm 4444 ^'.rrririiTi^^^'i'T' rri'-m *^—»—•-r1^~i f<strong>Das</strong>selbe wiederholt sich spater in noch gesteigertemMasse und seine gewaltigen Klange fibertOnen die KaturundMenschenlaute und nehmen Beide in sich auf. DieStimmen der Elemente und der Menschheit beruhigen sich,bis endlich der letzte Seufzer verhallt und die Welle schweigt.StiUe herrscht ringsum. Die Seele des Tondichters hat sichganz in sich selbst versenkt. Wahrend in der Tiefe nochmalsganz leise die Frage (8.) auftritt, 16st sich eine vonden HOrnern gebrachte Reminiscenz an das Menschentreibenin breite, mysteriOse Harmonien der Bmtschen, Violoncelleund Kontrabas*it».


- 4815. (vergl. Beispiel 7.)^U^T^Ji^> jjjj^^^^^fs-ffj ry^8va bassa con 8va bassaDurch diese hindurch erklingen feierlich leise Trompetentone,welche zu einer "Wiederholung des Andante religiosofiikren, das seine weilievoll andachtige Stimmung und seineberuhigende MUde noclimals iiber den Horer ergiesst. Ineinen geheimnisvollen, orgelartig-feierliclien , von Harfengangendurchrauschten Accord klingt es aus. <strong>Das</strong> Motivdes Natui'hymnus (4.) meldet sich noch wiederholt leise impizzicato der Basse, gefolgt von Blaserharmonien und Harfenpassagen.Leise Paukenschlage beschliessen das ganze Tongedicht.Die Bergsymphonie bietet, wie schon vorher betontvnirde, eine auf rein subjektives Empfinden gegriindeteLosung der gescMlderten grossen Weltdissonanz. Ob dieseLSsung fiir Jedermann eine befriedigende sein kann, oderob der Tondichter mit dem Betreteu des religiSsen Gebietesnur auf seine Zuiluchtsstatte hinweisen wollte, — dies zu erorternist nicht der Zweck der vorliegenden Erlauterungen.Immerhin kann es jedoch nicht ganz unbeachtet bleiben,dass in dem kurzen Schlusssatz, dem eigentiimlich diisterenAustonen im leeren Einklang und den beiden Paukensclilagennoch immer etwas wie ein Wiederhall der vorangegangenenStfirme auch in der Seele des Komponistendumpf nachzuzittern scheint. Sei dem indes "wie ihm v^olle —durch seine packende Charakteristik des Gegenstandes, durchseinen Eeichtum an fesselnder Stimmungsmalerei, durchTiefe des Empfindens bei der Schilderung seelischer Yorgange,durch Ktihnheit und Sch^vung in der Gesamtausfiihrungwird das Werk auf jeden empfanglichen Horer


— 44 —eiuen Eindruck von machtvollster GrSsse hervorzurufea imStande sein. Im Anschluss an die eingangs gegebenen historischenDaten sei iibrigens hier noch mitgeteilt, dass dieBergsymphonie zu den Mlhesten symphonischen EntwtlrfenLiszt's gehSrt. Zwischen der ersten Skizze und der erstenAuffiihrung lag ein Zeitraum von nicht weniger als 20Jahren.Aber auch nach dem ersten Erscheinen im Konzertsaalebis zu seiner Drucklegung hat das Werk noch wiederholte^erarbeitungen erfahren — ein Zeichen, wie reiflicbder SchQpfer desselben mit sich zu Rate gegangen, bevorer seiner kunstlerischen DarsteUung des bedeutungsvollenGegenstandes die endgiltige Fassung gab.Arthur Hahu.


I.<strong>Franz</strong> Liszt,Tasso. Lamento e Trionfo.Symphonische Dichtung.FErste Anffuhruniir : "Weimar. 28. August 1849 (Goethe's 100. Geburtstag). NochmaligiOberarbeitung : 1854. Im Drnck eischienen: Leipzig 1866, bei Breitkopf u. H&rteljBearbeitungen ffir 2 Klaviere, ffir Klavier za 4 Handen (vom Eomponisten), ffliElavier zn 2 E&nden (von Tb. Forchhammer) ebendaselbstj.[eid und Triumph — bereits im Titel seinea"Werkes hat Liszt durch Hinzufiigung dieser "Wortelu^^ es deutlich ausgesprochen, was er im „Tasso" zumusikalischer Darstellung bringen wollte. Die zweite seinersymphonischen Dichtungen soil — um seine eigenen Wortezu gebrauchen — „die grosse Antithese des im <strong>Leben</strong> verkannten,im Tode aber von strahlender GHorie umgebenenGenius schildem" „Lamento e Trionfo: so heissendie beiden grossen Contraste im Geschick der Poeten, vondenen mit Recht gesagt wurde, dass, ob auch oft mit Muchihr <strong>Leben</strong> belastet werde, nimmer der Segen ausbleibe aufihrem Grabe."Die Dichtergestalt des Torquato Tasso hatte somit furden Komponisten die Bedeutung einer typischen Erscheinung,in der sich das allgemeine Loos der Dichter, der Kunstler,ilberhaupt erlesener Geister widerspiegelt.


— 46 —Listz's „Tasso" war bestimmt, die Feicr des lOOjahrigenGeburtstages Goethe's in "Weimar verherrlichen zu helfen;zu der dort veranstalteten Festauffahrung der Goethe'schenDichtung diente das Werk als Ouverture. Gleich-vrohl gestehtLiszt spater ein, dass bei der Verwirklicbung seiner ktlnstlerischenAbsichten ibm, teilweise wenigstens, als poetischeGrundlage die Tasso-Dichtung Lord Byron's nSher gelegenhabe, als diejenige Goethe's. Er sagt selbst daruber:„<strong>Das</strong> herbe Geschick dieses unglQcklichen Dichtershat den beiden grOssten Poeten, welche Deutschland iindEngland im letzten Jahrhundert hervorbraehten, Stoffzu dichterischen Gebilden gegeben: Goethe und Byron;Goethe, dem das glanzendste <strong>Leben</strong>sloos fiel, Byron,welchem die Yorzilge des Ranges und der Geburt durchdie tiefsten Dichterleiden verktimmert -wurden. Wirwollen nicht in Abrede stellen, dass, als wir im Jahre1849 den Auftrag bekamen, eine Ouverture zu Goethe'sDrama zu schreiben, das ehrfurchtsroUe Mitleid, mitwelchem Byron die Manen des grossen Dichters beschwOrt,einen vorherrschend bestimmenden Einfluss auf unsereGestaltung dieses Gegenstandes fibte. Aber Byron konnte,indem er Tasso im Kerker selbstredend einfQhrt, mitder Erinnerung der tCtlichen Schmerzen, denen er inseiner Klage eine so hinreissende Gewalt edlen Ausdrucksverleiht, nicht das Andenken des Triumphesverbinden, durch welchen dem ritterlichen Sanger desj.Befreiten Jerusalem" eine spite aber glanzende Vergeltungward."Der Byron'sche Einfluss hat sich demnach nur inBezug auf den ersten Teil des Liszt'schen Werkes, imjjjamento", geltend gemacht Bezflglich der Gedanken undUmstande, welche ihn bei der Konzeption der TonschOpfungleiteten, Sussert sich Liszt des weiteren noch in dem programmatischenVorwort:„Tasso liebte und litt in Ferrara, er wurde in Romgericht, und er lebt noch heute in den Yolksges&ngen


l IIder—— 47 —Venedig's. Diese drei Momente sind von seinem unverganglichenRuhni untrennbar. Um sie mupikalisch•wiederzugeben, riefen wir zuerst seincn grossen Schattenherauf, wie er noch heute an Yenedig's Lagunen wandelt;dann erschien iins sein Antlitz stolz und schwermutigden Festen Ferrara's zuschauend, wo er seine ileisterverkegeschaffen, und folgten wir ihm endlicli naehRom, der ewigen Stadt, die ihm die Ruhmeskrone reichteund so den Martyrer und Dichter in ihm feioite."„ Um aber unserer Idee nicht allein diestrenge Autoritat, sondern auch den Glanz der Thatsachenzu verleihen, entlehnten wir selbst die Form zuihrer kiinstlerischen Gestaltung aus der Wirklichkeit undwahlten deshalb zum Theraa unseres musikalischen Gedichtesdie Melodie, auf welche wir venetianische Lagunenschifferdrei Jahrhunderte nach des Dichters Tode dieAnfangsstrophen seines „Jerusalem" singen hSrten ....Der Gesang hatte uns einst lebhaft ergriifen und drangtesich nun zum Text unserer Gedanken auf, als ein fortlebenderBeweis der Huldigung seiner Nation fur denGenius,"1. Lento. Mit nebenstehendem,3 schwer und duster ein-?-*- -»- #-#. r^^-0-'ic\-} 1.17 1L ^^ setzenden, m die iieie-— "^5^ i I•^t-


—48wir eret spSter in vollstandiger Gestalt begegnen werden.Es bringt hier die auf dem <strong>Das</strong>ein dee Dichters lastendeTragik in ihrer ganzen, zu Boden drtlckenden Wucht zumAusdruck. G^z unter _diesem finsteren Banne^'Btehend, lasst die Seele^>"'i' i' i'des Helden ihr tiefesl !rtJ,]. .1^Weh in heftiger Klagedim.(2) ausstrSmen.Die Klage steigert sich allmahlich bis zum wildestenAusbruch des Schmerzes und Zornes,8. Allegro strepitoso.^ /ts 1 ^^m^,eon Stsl.r ^- r.^1 1aber es ist das "Wtltender Ohnmacht, welchesschliesslich vor dem mitdominierender Gewalt inStreichinstrumenten,Bassposaune and Tubaauftretenden, seine forchtbarenSchatten iiber Alles breitenden tragischen Motir (1)verstummen muss. Langgedehnt verhallt die Elage.Der eben dargestellte "Wechsel der Motive gewShrtein leicht verstandliches Bild des Seelenzustandes des Helden.<strong>Das</strong> jetzt folgende Adagio mesto bringt zum ersten Maleda8 ToUst&ndige fiauptthema, und zwar in Moll.4. »*prt*t.a.^^^5ii^f^^-i.^ii^


:49 -dim. fit.^m^i-i ^ -t*.?r-«-tef-tri^etc"Wir haben in diesem Thema jene Melodie der venetianischenGondoliere vor tins, -welclie Liszt in dem Eingangszitirten Yorwort erwahnt. Dieselbe erscheint hier,von der Bassklarinette vorgetragen, mit der dusteren Begleitungvon Streicherpizzicato, H5mem und Harfe, in tiefnachtliches Kolorit getaucht. Sie ist, wie Liszt sagt, „80voll von unheilbarer Trauer, von nagendem Schmerz, dassihre einfache "Wiedergabe gentigt, um Tasso's Seele zuschildem." Bleicben Angesichts, umflorten Blickes, auf denZtlgen der Ausdruck tiefer Melancholia, so glauben wir denDichter hier vor uns zu sehen. Kein einziger Lichtstrahlglanzt noch seiner Seele. <strong>Das</strong> Bewnsstsein eigener GrSsseund die Ahnung dereinstigen Sieges schlummert noch unungeborenim Schoosse der Leiden. Die VioUnen fuhrendas Thema in hOhere Regionen, aber immer beschliesst esder Anklang an das tragische Motiv, -welches dem Dichterfolgt wie sein Schatten. "Wie ein inniges, tiefes Sehnennach Gltick erklingt die nachfolgende Kantilenestelle.#. ^ -•-.^x *-?^f^^s iVIII.esprus. moUo


— 50Doch das Sehnen bleibt ungestillt and die Klage ertOntvon Neuem. Da plOtzlich scheint sich im Innem des Dichteraeine energische Wandlung vollzogen zu haben. Der Glaubean eigenen Werth und eigene Kraft erwacht in ihm undund erhebt ihn mit einem Male hoch fiber alle "Widrigkeitendes Erdendaseins. <strong>Das</strong> Hauptthema (Tassomotiy) erschalltjetzt, yon samtlichen Blechinstrumenten, unter Begleitun^sehr energischer Passagen der Streiter ausgefdhrt in gl&nzendemDur: das editeste musikalische Abbild des ,^tterlichenS&ngers."6.\^n=f^JJ ^iJTli^icon grandtxxaylfr-^\- i i-in jn 1IE¥etc.<strong>Das</strong> Motiy yerliert sich diesmal nicht vrieder in dietragischen Klaoge, sondem nimmt am Schluss einen gewaltigtriomphierenden Aufiscliwung. £s ist, als wtlrde der Schleier,der yor der Zukunft liegt, auf einen Augenblick gelflftetVon dem Qlanze zuktinftigen Huhmes hat bereits ein Strahldas Seherauge des (Jenius getroffen,Doch da erscheint ihm in mitten des lichten Schimmers,der in der HOhe flutet, auch wieder das tragische Motry.Leise hemiederschauemd und allm&hlich in der Tonstftrkesich steigemd, will es ihn wieder hinabziehen in die ddstere


— 51 —Gegenwart. Allein wie es auch strebt, die rolle Herrschaftvdederzugewinnen, die Brust des Dichtera erfailt jetzt dieKraft reinsten, edelsten Selbstbewusstseins, vrelche endliohauch jenen finsteren TOnea ihren belastenden Oharakteraimmt und sie mit sich fortreisst in den Jubel, zu demsich die Musik von Neuem aufschwingt.Als er verklimgen, entrollt sich vor uns ein neueaBild : Tasso am Hofe von Ferrara. Der Zeit der Yereinsamungfolgen die gleissenden Tauschungen des <strong>Leben</strong>s.Ein Allegretto-Satz im Menuettstil, aus dem uns des DichteraHerzensgeschichte mit ihrem unheilvollen Ausgang widerklingt,zeichnet in sehr charakteristischen Farben das Hoflebeneiner fruheren Zeit.Vol.^i^>p l\T \i^nSti.pixx.mij-irf^rjUA.LlHSfischer Ton und hSfische Sitte fitUierer Jahrhundertesind hier trefflich geschildert in ihrer anziehenden Aussenseite,in ihrer Grazie und ihrer ge^llig tSuschenden Anmut:Fag.8.#^rrFFjf^T=f^Nach einer auf dem vorstehenden Motiv entvickeltenleichten Steigenmg wird das Menuetthema von Holzblasera


— 52 —ana ersten Violinen flbemommen. von letzterendurch Trillerin reizvoUer Weise verziert. Nun erecheint Tasso inmittendieser Welt des lockenden Scheins, musikalisch durch seinMotiv vertreten, welches, jetzt sentimental und graziOs inden Violinen erklingend und von den HolzblHsern mit denRhythmen des Menuettmotivs leicht und flatterhaft unaspielt,ganz in dem Charakter des Menuettsatzes aufgehen zuwollen scheinta.-lum.UbLs nmWir sehen den Dichter, vrie er sich ganz einem holden,bestrickenden Wahne hingegeben hat, aus dem er nur allzujah gerissen werden soil. Er hat sein Auge zu Leonoreaerhoben. Immer glilhender wird die Sprache seines Motivs,auch im Banne der hSfischen Formen. Der Menuettsatzgewinnt eine immer leidenschaftlichere Farbung — da erfolgtdie Katastrophe. Ihren Eintritt verktlndet uns das pl5tzlichund ganz unerwartet wieder erscheinende Allege strepitoso(3). In ihm tOnt nun der Schmerz der plOtzlich in den unermessenenAbgrund furchtbarster Enttauschung gestiirztenSeeleaus.„ . . . . AUes ist dahin! — Nur Eines bleibt:Die Thrine hat uns die Natur verliehen,Den Schrei des Schmerzee, wenn der Mann zuletztEb nicht mehr tnlgt."


— 53 —"Wie vorher fQhrt der Ausbruch wilder Verzweiflungzu dem nun wieder wie unerschtitterlich dastehendentragischen Motiv. Des Erdendaseins tiefste Nacht umgiebtden Helden wieder, dessen Leiden endlich in einem letztenschweren Seufzer ausklingtHier schliesst der erste Teil der Tondichtung. DemErdenleid folgt jetzt die Yerklanmg, folgt jene Genugthuung,welche dem Genius — oft erst so spat — au Teil wird,wenn seine Thaten die Herzen eines Voltes, einer Weltbezwungen.Eine kurze Pause nur trennt die beiden Hauptabschnitte,in welche sich die Liszt'sche TonschOpfung demProgramm entsprechend teilt. Der in einem Allegro conbrio beginnende machtige Aufschwung wird von StOssender Trompeten und Horner eingeleitet, an welche sich raschaufsteigende Skalengange der Streicher schliessen. DieserAllegrosatz baut sich aus einer Yariante des Menuetthemasauf, in der auch der Rhjrthmus des tragischen Motivs instark beschleunigtem Tempo anklingt.Q^^r*T^^ g j VhDurch derartige Yerschmelzung jener* beiden Motive aus der ersten HSlftedes "Werkes zu den frohbewegtenRhythmen dieses Satzes scheint der Tondichter nochmalaauf aU' die Leiden hindeuten zu wollen, fur welche dieHuldigungen einer Nation nun Yergeltung bieten sollen.Immer machtiger schwillt der Tonstrom an, gleich demBrausen einer zu begeisterter Kundgebung herbeistrSmenden,starker und starker anwachsenden Yolksmenge. Ankiangean das Hauptthema sagen uns, wem der Jubel gilt. AmSchlusse eines mitQuasi Presto bezeichneten Satzes erreichen


— 54 ~die Ausbrfiche des Enthueiasmus sun&chtt ihr^i HOhepunktGin Moment allgemeioen Schweigens folgt — ein Atexnholender Menge — und nun intoniert der gesamte Bl&ser"chor, gleich einem gewaltigen Tolksgesange, in feierlicher,majestlLtischer Breite die Hauptmelodie. Ein ganzes Tolkfeiert in seinem Liede den (Genius. Der Hymnus derBlAser wird begleitet von sSmtlicben Schlaginstrumenten.Paseag^ der Yiolinen und Bratschen und jubelnd bew^tenFiguren der Yioloncelle und EontrabSsse. Die letzterenerinnern rhythmisch nochmals entfernt an das tragischeMotiT, als mfisste anoh der letzte Nachball aus der Zeitder Leiden Bich jetzt in SiegesklSnge wandeln, um zuletstT511ig aufzugeben in dem Jubelgebraus der Stretta, in weichen)da£ Lied yom Sohickeal des Genius ausklingtArthur Hahn.


II.<strong>Franz</strong> Liszt.Le Triomphe funebredu Tasse.(Epilogzur sympheiHScben Oichtung „Ta88o".)[Erste Anfftihmng: NeiryorV 1877 anter Damrosch's Leitanx in einem Koniert dor„PhilhanBonic Society". Im Drnck •raehienen: Leipzig, bei Breitkopf a. Htlrtel;Bearbeitanges ffir Klarier zu 2 E&nden (vom Komponisten) and xu 4 BSnden (vooArth. Hahn) ebandaielbit.]lehen und Schicksale Tasso's haben Liszt nichtju allein zu der soeben erlauterten TonschOpfuag^^ inspiriert, sie sind ihm auch bis in spate Jahreein Gegenstand gewesen, zu dem er sich stets wieder hingezogenfiihlte und in den er sich anscheinend oft und mitVorliebe vertiefte. Waren doch auch ihm die tiefsten Leidendes schaffenden Ktinstlers beschieden gewesen, Leiden, dieer freilich mit Stolz und SeelengrOsse sondergleichen ertrug,wenn dieselben auch mit der Zeit eine immer tiefere Abneigimgin ihm nahren mussten gegen die Gewohnheit derWelt, erlauchten (Jeistem nach dem Tode Yergeltung bietenzu -wollen ftir das, was man ihnen bei Lebzeiten schuldiggeblieben.In semer Liszt - Biographie erzShlt A. GOllerich,*)dasB der Meister sioh einmal gelegentlich eines Aufenthaltesin Italien eines Nachts in geschlossenem Wagen langsam*) Reklam's Unirersalbibliothek Ko. 2392.


— 56 —den Weg fahren liess, welchen Tasso's Leiche dereinst zurttckgelegthatte. Spater ausserte er sich, wie die Biographiewelter berichtet, darilber mit den Worten:„Ich habe die traurige Foesie dieses Pfades mitgemachtin der Hoffnung, dass man eines Tages jenen, welchen manwahrend ihrer <strong>Leben</strong>szeit schlecht begegnete, Poeten oderEtlnstlern tlberhaupt, diese blutige Ironie der eitlen Apotkeosenerspare. Rnhe den Toten!"Wie es aber eben nur wahrhafte geistige GrOsse vermag,wusste Liszt auch seinen bittersten ErJEahmngen einektlnstlerische SchOpfung abzugewinnen, Dieselbe erschiennnter dem Titel: Le Triomphe fundbre du Tasse.Dieee musikaliscbe Schilderung von Tasso's Totenfeier ist,wie schon der Titel sagt, als Epilog zu der symphomschenBichttmg gedacht, weshalb auch eine kurze analysierendeBesprechung an dieser Stelle wohl am Platze erscheint.Ein schauriger Weheruf erOSnet dasTonsttLck:1. Lattto.T^^^ sr*•Tot einer der Helden des Qelstes! Bang hallt derRuf durch das Land, tiberall ein dtLsteres, schmerzvollesEcho weekend. Und nun tauchen die gewohnten Begleiterscheinungensolcher erschtlttemder Ereignisse vor demgeistigen Blicke des HOrers auf. Die langgehaltenen Bosstflnegehen in die feierlich-dumpfen Rhythmen eines Totenmarschestlber. Man glaubt einen ddsteren Zug von femeherannahen zu sehen, den KlagetOne begleiten.


:Bii,— 57:i:.5 H t'i^-i^n^T^-^r~TT^rT^~Tr^poco wiarcotoCOD 8va.Dann tritt una gewaltiger Leichenpomp entgegen (indem Bl^erthema yernehmen wir eine Reminiscenz an dasTassomotiv).3. Tromp. coa Sva.^t^fREj-T-Q 1cou Sra bassaA... iP H—^=^+^^^~^=^i$.*^1'^^ IT=i=etc.Der Ansdruck steigert sich bis zu feierlicli gemessenenTriumplikl^gen7j p QJ ^^Nach diesen hebt eine innig ergrdfende Melodie an,


'I— 58m.1dole$ ttyrttt.1^iJ J ^j^ Ily-ji.r 'r iv-^ir y r rf|r=y=f=fdkn.T.^^^IT r r^ riokiu.- - ' 'g«folgt von Thranen'r r - ^^^ Seufieni ©hneZahl.^ elc.6. I* r r rMannigfach klingt in der Folge noch das Motar Tasso'san, des Dichters, an dessen Bahre jetzt trauernd ein ganzesYolk Bteht Alle Phasen des ihnpfindens, Tom Ausdrucksanfter "WehmutIIf7.ibis zum schneidendenSchmerzensaccent,W^rj'n/.;»«) ri


:I *550 —und sich machtig steigert bis zu dem im starksten fortissimoerfolgenden Wiedereintritt der Hauptthemen. Aberall' diese Xlange des Totentriumphes, sie milBsen zuletztverstummen vor dem -unnennbaren Schmerz lun Dnwiederbringliches,der in einer Flut von KJagen und Thranen ausstrSmt,in leidenschaftlichem Schluchzen hervorbrechend undin langer chromatischer Tonfolge verrinnend. „Ruhe denTotenI" ruft es uns zu, wahrend dumpf die TrauerglockeerschalltmGlocke ppooD 8vadole*^j,,^^^E. 'ti^±iii^fErnst und edel aber, voll milder Hoheit, erhebt sichnochmals hoch uber Alles das Bild des Gescbiedenen, Terklartim Gedenken derer, die ihn geliebt auf Erden.10.^^^p fiobiie^^iipoco rii.^^a ternpeJ^^ 1^ -^ ^ :^ ^^^^4^^Arthur Hahn.


<strong>Franz</strong> Liszt,Les Preludes.Symphonische Oichtung.fErstOT Entwnrf: 1846; erste Anffiihninj: 1854 in Weimar. Im Drnck erschienon:1856, Leipzig, bei Breitkopf a. H&rtel. Bearboitnngea fiir 2 Klaviere, fOr Kia\aer za4 H&nden (vom Komponisten) and za 2 H&ndea (7on E. Elaaser) ebendaselbst].ieses Werk bedeutet einen frischen, vollen Griffin das menschliche <strong>Leben</strong>. Situationen unddaraus sich ergebende Empfindungen, Seelenvorgangeund GemutvSStimmungen, wie sie dem SchicksalUnzahliger gemeinsam, bilden den Inhalt dieser in leuchtenderFarbenfulle prangenden TonschSpfung.Der Titel derselben wird in den der Partitur beigefflgtenEinleitungsworten erklart. Im Anschluss an Lamartinefasst Liszt das Menschendasein mit seinen verschiedenartigenErscheinungen auf„als eine Reihe von PrSludien zu jenem unbekannten Gesang,dessen erste und feierliche Note der Tod anstimmt''Betrachtet man unter diesem Gesichtspimkt das "Werk,so lasst sich wohl darflber streiten, ob die Wahl des Titelseine vollkommen gltlckliche genannt werden darf. ObwohJpoetisch in Fassung und Auslegung, kann derselbe doch zufalschen Voraussetzungen fflhren, Man kOnnte fQglich erwarten,dass die damit angedeuteten Beziehungen des <strong>Leben</strong>a


— 61 —nnd seiner Vorgange zu einer angenommenen Fortdauer derPers5nlichkeit nach dem Tode, die Auffassung des realen„Diesseits" als Yorspiel zu einem iibersinnlichen „Jenseit8",der Gedanke einer Yollendung des Einen im Anderen oderAhnliches den Inhalt des Werkes, das A und desselbenbnden. Dem ist jedoch nicht so. Jene Einleitungswortemachen mehr den Eindnick einer — fast mSchte mansagen nur gelegentlichen Bemerknng. <strong>Das</strong> Yorwort kommtnicht wieder darauf zuriick. Es greift aus der Fulle undMannigfaltigkeit von Bildern des <strong>Leben</strong>s eine Reihe zusammenhangenderEpisoden und Stimmungen heraus. ImMittelpunkt und unter ihrem Einfluss stehend, sehen wirden Mann, der sie durcblebt. Die Tondichtung folgt genauden Spuren des Programms. Der Einleitungssatz entsprichtdem im Titel angeregten Yergleich. AHes "weiterhin folgende,den Hauptinhalt Bildende aber ist absolute, auf sich selbstgestellte Schilderung, Stimmungs- und Empfindungsmalerei,reich an den mannigfaltigsten Farbenbrechungen ; ein Tongedicbtvoll Kraft und hohem Schwung, wie voll Lieblichkeitund Anmuth, aber ohne alien metaphysischen Hintergrund; ein volltoniger Sang, einzig und mit ganzer Hingabeverweilend bei Mensch und Erde.Mit zwei geheimnisvoU feierlichen Pizzicatotonen beginntdas Tonstuck und die damit zunacbst gegebene Grundstimmungwird in dem Folgenden kurze Zeit beibehalten,in dem Unisono der Streicher^f^# Itund in den sich unmittelbar anschliessenden Holzblaserharmonien,


— 62 —HW.Hbl.#»^frH- nVioLaus denen uns ein Hauch aus unbekannten "Welten streift.Dieser musikalische Vorgang wiederholt sich auf erhShterTonstufe. Der mystische Schleier, der auf dem Ganzen gelegen,verliert sich in der Folge, wShrend die Streicherunter Begleitimg der darfiber schwebenden Accorde derHolzblaser das Thema 1 weiterspinnen, allmahlich undschwindet ganz in der immer kraftvoller sich entwickelndenSteigerung. Mit einem in reichstem Orchesterglanz einsetzendenAndante maestoso tritt uns das <strong>Leben</strong> in seinervollen Realitat entgegen. Erdenluft und Sonnenglanz umflutenuns. Yor uns aber steht der Mann in der ganzenFfllle seiner Kraft.3. VioL(fetc.oon 8t»Pos. Tub. Basse.Nachdem das Thema eine Folge prunkvoUer Har-gehen die glanzenden Violinpassagenmonien durchschritten,rasch in leicht wogende Figuren fiber. <strong>Das</strong> Bild der Eraftmacht sanfteren Eindrflcken Platz.„Die Liebe ist das leuchtende Frilhrot jedes Herzens" —heisst es im Programm weiter und die Musik zeigt uns nundas Wesen des Mannes ganz im Banne des keuschen Zauberseiner ersten Neigxmg, mit ihrer zarten Schwarmerei


iiij. J ri^&63gy i- i. i^ P^^uad seligen Hing^abe an reine "Wonnen.5.gLfeEEg^k^k^i isHr Br.


64 —TY?I^-^Ujschmerzlich-sOfcisertJ^^beschvrichtigend entgegen. DieStimmung wird wieder ruhiger;wie trauraverloren erklingt imHorn das Theraa 4. um darauf'*'>'''"bei den Holzinstrumenten inHannonie auszutSnen.In welchem Geschick aber -vnirden nicht dieereten Wonnen des Gluckes von dem Brausen des Sturmesunterbrochen, der mit rauhem Odem die holden Illusionenverweht. mit tMtlichem Blitz den Altar zerstSrt . . ."Diesen Sturm, der des Herzens zarte Bliiten knickt,hOreu "wir in einem Allegro non troppo von fern herannahen.Starker und starker braust er einher, bis er im AUegrotempestuoso mit voller, vemichtender Gewalt losbricht.9. ^-^ ^Str. Bl. 8vaV f f l,lgiI^M y|fg^^'LSJ ' r «?P08.^'f^^SrStr. con 8t*earotkoloritDie KraftLiszt'schenderOrchestermalereimacht sich auchin dieser kurzenEpisode im GeweiterenMotiven, wie


:6510. molto agitato1 ^ yJ.J. ir g I J- ¥=^^^^Oder in den wild dreinschmetternden St6ssen von Trompetenund Homern11.Hiiitnareatissimoi. iii ii^in der gleichen Eindringlichkeit geltend, wie bei der Darstellungverwandter Gegenstande an anderem Orte. Der Sturmzieht voruber; als er ausgetobt hat, ertSnt das jetzt etwaserweiterte Thema 4 wieder in seiner ganzen Milde, von ver-^arten Harmonien begleitet, wie eine Erinnerung an entschwundenesGltick.„. . . Welcbe im Innersten verwnndete Seele suchtenicht gem nach solchen Erschuttenmgen in der lieblichenStille des Landlebens die eigenen Erinnerungeneinzuwiegen?"Ein Pastoralsatz voll reichen melodischen und instrumentalenKlangzaubers scMldert die sanftigende und beilendeMacht des NaturMedens, in welchem der Mann nach Yernichtungseiner holdesten Traume jetzt das heisse Verlangennach Einsamkeit und Abgeschiedenheit stillt. Ein nulderLuftstrom umwogt uns in breit ausgehaltenen Harmoniender Streicher ; ein endlos blauer Himme] scheint sich iibereinem wunderbar lieblichen Landschaftsbilde zu wolben. ImHorn erklingt zuerst das pastorale ThemaVIII. 5


66(lotei$9.iJ^^^P^^^und spater, gleich Hirtenschalmeien, in den Holzinstrumenten ;18^^ti^y^^um mit den charakteristischen Sechzehnteln des zweitenTaktes fflr die Folge den ganzen Satz zu beherrschen. Leichttandelnde Scherzando-Figuren ( 1 4) antworten ihm. <strong>Das</strong> anmutigeJ.. 3^Spiel fahrt uns schliesslich zum.^ j~p "j^ Wiedereintreten des Thema 5^^ ^:^^L-\ -^ ir \ Z** " "^ ^^^ Violinen, zu denen sich-fe— p"^^=t ~y bei der Wiederholung die F15-^ - ^ - ten gesellen. Dana erscheintdas Thema im romantisohenDuft der HOrner. Der Zauber der Erinnerung ist lebendiggeworden und verklSrt durch sein "Walten das Vergangene,dass die Frflhrotstimmung des ersten Liebestraumes immerleuchtender und herrlicher emporsteigt vor der Phantasie.Mann nicht lange die wohlige Ruhe„Dennocli tragt derinmitten besanftigender Naturstimmungen, und »wenn derDrommete Sturmsignal eit5nt« eilt or, wie immer derKrieg heissen moge, der ihn in die Reihen der Streitendenruft, auf den gefahrvollsten Posten, um im Gedrangedes Kampfes wieder zum ganzen Bewusstsein seiner selbstund in den vollen Besitz seiner Kraft zu gelangen-Eine grosse Steigerung leitet musikalisch diesen Dmschwungein. <strong>Das</strong> Thema 5 erscheint endlich, ebenso wiedas zu kraftvoUen Rhythmen gestaltete Pastoralmotiv ingewaltiger TonftUle, wobei das gesamte Orchester in Aktiontritt und fflhrt schliesslich zu einem energischen und schwnng-


— 67 —vollen Allegro marziale. Der Drang zur That ist erwacht,der Mann, der auf die Dauer nicht weltfliichtig werdenkonnte, stiirzt sich wieder in die hochaufrauschenden Wogendes <strong>Leben</strong>s. "Wie jetzt alia weichen Stimmungen des Herzenssich in Thatenlust und Kampfbegier gewandelt haben, soerscheinen nun auch die ehemals sanften Themen in kriegerischeMarschrhythmen umgeformt und dem Charakter diesesSatzes angepasst. Wie ein anfeuemder Streitruf erklingtjetzt unter schwirrenden Yiolinpassagen das friihere Thema4 in dieser Fassung:^15. Tiomp. Hr.Es folgt Thema 5 in folgender Gestalt16. Orch.^^:2i=S^^^Tromp. Hr.^m^ ^3SWINachdem auch das erste dieser beiden Themen imGlanze des vollen Orchesters aufgetreten, fiihrt der Satzzuletzt zu einer 'Wiederholung des zu Anfang bereits dagewesenenAndante maestoso mit dem Thema 3, womit dasganze Tonstiick in glanzvoUster "Weise schliesst. Der Mannsteht wieder vor uns im Yollgefuhl wiedergewonnener "Willensstarkeund Thatkraft.Arthur Hahn.5*


<strong>Franz</strong> LisztOrpheus.Symphonische Dichtung.[Entstehong lud arste Aaffiihrnn^ des Werkes : 1854 in Weimar. Im Drnckerechienen : 1866, Leipzig, bei Breitkopf & Hartel ; Bearbeitungen fttr 2 Klaviere,fSr Elavier zn 4 E&oden (vom Eomponisten) und za 2 Eanden (Ton F. Spiio)ebendaselbst].^re es uns gelungen, iinsern GedankenvoUstandig zu verkOrpern, so hattenwir gewunscht, den verklarten ethi-Bchen Charakter der Hannonien, welche von jedem Kunstwerkausstrahlen, zu vergegenwartigen ; die Zauber unddie Fiille zu schildern, womit sie die Seele uberwaltigen ;•wie sie wogen gleich elysischen Ltlften, Weihrauchwolkenahnlich mahlig sich verbreiten; den lichtblauen Ather,womit sie die Erde und das ganze Weltall wie mit einerAtmosphare unsagliehen mysteriSsen WohlJauts umgeben."Schon in einem friiheren Werke Liszt's, in welchemons die Erinnerung an eine Dichtergestalt wachgerufenwurde, in der symphonischen Dichtung „Tas8o", hatte es


:— 69 —sich gezeigt, was auch beim „Orpheus" wieder bereits ausdem Programm und besonders aus dem vorstehend wiedergegebenenSchlussresume klar und in einei jedes Missverstandnisvon vornherein ausschliessenden "Weise hervorgeht: dass Liszt bei der musikalischen Behandlung seinerStoffe mit Vorliebe den tieferen poetischen Sinn derselbenbetont. So sehen wir ihn denn, nachdem er zuvor in den„Pr61udes" einmal etwas mehr an der Oberflache der Dinge,beider Schilderung von einfachen <strong>Leben</strong>svorgSngen verweilthatte, wie er im „0rpheu8" wieder ganz und gar nur „i^der "Wesen Tiefe trachtet.Bezuglich seiner kunstlerischen Absichten wie derEntstehungsgeschichte des Werkes macht uns Liszt selbstim Vorwort noch weitere Mitteilungen. Es heisst da„Als wir vor einigen Jahren den Orpheus von Gluckeinstudierten, konnten wir wahrend der Proben unserePhantasie nicht verhindern, von dem in seiner Einfachheitergreifenden Standpunkt des grossen Meisters zu abstrahieren,und sich jenem Orpheus zuzuwenden, dessenName so majestatisch und voll Harmonie uber den Mythender Griechen schwebt. Es ward dabei das Andenken aneine etrurische Vase in der Sammlung des Louvre in unswieder lebendig, auf welcher jener erste Dichter-Musikerdargestellt ist, mit dem mystischen koniglichen Reif umdie Schlafe, von einem stembesaeten Mantel umwallt, dieLippen zu gSttlichen Worten und Gesangen geSffnet, undmit machtigem Griff der feingeformten schlanken Fingerdie Saiten der Lyra schlagend. Da scheirien die Steinegertihrt zu lauschen und aus versteinten Herzen losen sichkarge, brennende Thranen. Entziickt aufhorchend stehendie Thiere des "Waldes, besiegt verstummen die rohenTriebe der Mensehen. Es schweigt der Yogel Gesang,der Bach halt ein mit seinem melodischen Rauschen, daslaute Lachen der Lust weicht einem zuckenden Schauer


— 70 —vor diesen Klangen, welche der Menschheit die mildeGewalt der Kunst, den Glanz ihrer Glorie, ihre vSlkererziehendeHannonie offenbaren."So gilt denn auch die mythische Gestalt des hellenischenSangere dem Tondicshter nur als symbolische Figur.Er identifiziert sie mit der Kunst selbst, deren veredelnde miderlCsende Macht sich in dem Sange des Orpheus offenbait.Die seelenbezwingende Macht des Kunsfrwerkes ist etwas sotief Geheimnisvolles und Unergrflndliches, dass ihr Wesenam ehesten in T6nen geschildert werden konnte, in einerSprache, von der man ja selbst nicht weiss, von wannensie uns kommt und woher sie stammt. Dabei musste aberauch der Symphoniker, wenn er sich sonst meist in fastgleichem Maasse an Denken und Fuhlen des ZuhQrers gewandthatte, diesmal das Empfindungsvermogen des Letzterenuberwiegend in Anspruch nehmen. Dementsprechendwird sich nicht nur der HQrer, sondem auch der Erklarerdem "Werke gegeniiber zu verhalten haben, indem Letztererden Empfindungsgehalt dieser Tonsprache dort fflr sich selbstwirken lasst, wo es unangebracht, ja mitunter fast unthunlicherscheinen muss, den Einzelheiten mit dem kommentierendenWorte zu folgen.Auch sonst, beziiglich der Ausdrucksweise wie derForm unterscheidet sich der „Orpheus" in so mancherleiHinsicht von der Mehrzahl der ubrigen symphonischenDichtungen Liszt's. Der Gegenstand forderte hier vom Musikerbei weitem nicht in gleichem Maasse die EntwickelungBcharfer Kontraste, wie anderwarts; auch jenen kurzenpragnanten Motiven, durch welche oftmals die Hauptmomentedes Programms zu charakterisieren waren, begegnen wiihier weit weniger. Dem "Wesen des poetischen Stoffes musstevielmehr diesmal ein breiterer melodischer Fluss im Vereinmit einer ruhigen Erhabenheit und GrOsse des Gesammt*au&drucks entsprechen.


71 —Der geheimnisvolle Zauber, den das Wesen der Kunstatmet, weht uns sogleich mit den ersten Tonen des Werkesan, den wie ans ratselvollen Fernen entsprossenen Klangender HOrner:^^m1.'5Er breitet sich aus und erfasst uns starker in dempraludierenden Harfenspiel, welches nun anhebt, aus derTiefe aufwarts steigt und in lichter Hohe verklingt, zuerstauf feierlich-rubigerS--Dreiklang-Harmonie,dann bei der Wiederholung auf dissonierendem Accord:i^'^^^^^etc.Mit dieser Gegensatzlichkeit von Konsonanz und Dissonanzscheint scbon in den einleitenden Takten auf die zwiefacheMacht der Kunst hingedeutet zu sein, kraft deren siedas Menschenherz erhebt und durchbebt.Nachdem er auf seiner Lyra priiludiert hat und ringsumAlles aufhorcht bei dem wunderbaren Saitenspiel, erhebtjetzt Orpheus seine Stimme zu erhabenem Gesang, die Machtseiner Kunst predigend.


72^f.T^^^•/'gva^^ ^jgm3!-^-"^i^i= ^ — f^uig f^-J ^'j I>|g lIIrif r rDie Homklange der Einleitung haben diesen-|^1rwMelodiesatzvon liedartiger Fonn eingeleitet und auch die "Weiterftthrungflbemehmen fortgesetzt die charakteristischen Hom-Oktavftn im Verein mit den Harfen in folgendem Rhythmus:& H5m. 1. Viol.^ t iiL ^ h^^ i krJ.^*ISti.Hbl.etc.Der Gesang des Orpheus steigert sich zu grOssterInnigkeit in der breit auslegenden Eantilene des nachfolgendenLento-Satzea.


6. Engl. Horn.i^^LJ.73^^^ .-t,^^ -Je^espreaa.Klar.fe^l^^gtl-^-^-^^ M.Ob."' P m' r fr-p Ir^fi ^g*^^^^^•^i^rr- . irr?F=^Auf den elegischen Mollschluss lasst in der Hohe eineSolo-Yioline eine kurze Phrase folgen, gleich einem seligenSchauer, "wie er unter dem Einfluss des "Wunderwaltens derKunst die Brust durchzittert.Viol. solo.Hbly- Tf-Iminer machtiger steigert sich unter dem Wechselder angefuhrten Themen von teils mild erhabenem, teilsfeierlichem, teils innigem oder schmerzlich-sussem Cliarakterder Gesamtausdruck des Tonstuckes. Den Hohepunkt bildetdas Auftreten des Hauptthemas (4) im glanzendsten For-


74tissimo des Orchesters, die Allgewalt der Kunst verkiindend,„welche ihre melodischen "Wogen, ihre gewaltigen Accordewie ein mildes, unwiderstehliches Licht fiber die widerstrebendenElemente ergiesst, die sich in der Seele jedesMenschen und im Innersten jeder Gesellschaft in blutigemKampfe befehden." Wie diese sich auch aufbaumen wollenin den dnmpf grollenden Bassen, die darviber liegendenbreiten Accorde treten ihnen feierlich entgegen8.L=ST=% =tnnd der nochmals in hSchster Kraft ert5nende Orpheus-Sangbringt sie endlich ganz zum Schweigen. Leise erklingt dasThema 7, immer mehr verhallend. Ein Schauer tiefsterErgriffenheit bebt nur noch in der Menschenseele. EineFolge zauberhafter Schlussharmonien erhebt sich immerleuchtender; wunderbarer Glanz entstr5mt ihnen immerreicher und umfangt uns ganz.iazffinvTm^i^:^ =i?-^8ra~^P»V/TV1»<strong>Das</strong> ganze All scheint in eine schimmemde Tonflutgetaucht, scheint aufgegangen und erlQst im WunderreichdesElanges.Arthur Hahn.


<strong>Franz</strong> Liszt,Prometheus.Symphonische Dichtung.[Eomponiert nnd eietmalig aafgefUhit: Weimar, lo60. Im Dnick erschienen : Leipzig,1866, bei Breitkopf & Httrtel; Bearbeitungen fur rwei Klaviere, Klavier zu vierH&nden (vom Komponisten) und f'"- Klavier zu 2 HUnden (von L. Stark) ebendas.].Als Sondererscheinung von herber GroBe steht unterden Gestalten, denen wir in Liszt's symphonischen Dichtungenbegegnen, der ungeheure Titane da, der Segen-Bpender der Menschheit, der ihr einst den Himmelsfunkengebracht, der dann mit furchtbarsten Leiden seine Ktihnheitbflsst und doch in unbezwingbar ubennachtiger Kraft, imBewusstsein der Hoheit und Lauterkeit seines Wollens wieseiner That, Allen Trotz zu bieten wagt, selbst den GSttemund dem, der ihr Haupt. Die Prometheusgestalt, wie sie dasFragment des Aeschylos, den Mythos der Griechen in seinemUrwesen erfassend, uns zeigt : als die groBartigste imd machtvollstePersonification der menschliclien Natur selbst, sie istauch das dichterische Urbild zu der symphonischen SchSpfungLiszt's. Der machtige Zug elementarer Kraft und gigantischerGrosse, welcher in der antiken dichterischen Gestaltungdes Gegenstandes waltet, weht uns auch aus der modemenmusikalischen Darstellur-g an. Hier wie dort tritt


— 76 —una das herrliche Bild des gewaltigea Menschen eiitg^;eii,der durch zfth ausdauemde Eigenkraft and unbeugsamenSinn allein endlich den Sieg davon zu tragen vermag flboralle Leiden, die tiber den hochgemuten, zu ktlhnsten Thateostets bereiten Geist von den ihm neidvoll sich entgegen-Btellenden, duroh Macht und Herkommen geheiligten GewaltenverMngt werden.„Ein tiefer Schmerz, der darch trotzbietendesAusharren triumphiert": dieser Satz ausdem Yorwort des Liszt'sciien Werkes giebt in ktlrzesterFassung eigentlich schon das ganze Programm des Tongedichtes.Die scharfe Stunnluft, welche in letzterem weht,packt uns wie in jShem Wirbel sogleich mit den erstenTakten. Ein Tremolo der B&sse auf F im Yerein mit demWirbel der Pauke, letztere unter Holzschlagebi rauh undhart erklingend, steigert sich unter Hinzutritt der BlSser invrenigen Takten rasch vom Piano bis zum Fortissimo-AxxA'bruch des ganzen Orchesters. In schneidender Bissonanx1schallt uns das erste Motiv entgegen : der Trotz des Titanen.Kurze Pause. Dieganze Stelle wiederholtsich auf fis.- _ - -^ -. Zweimal hat sich die-i, -i,#7 77 $$7 77 prometheische Natur^^^in dem vomehmsten Zug ihres "Wesens manifestiert Siebietet Trotz, auch wenn sie der Cbermacht unterliegen muss,gleich dem Helden der Sage, den Kraft und Gtewalt in diefurchtbare Wildnis schleppen, damit HephSstos ihn dort amnackten Felsen anschmiede. <strong>Das</strong> grausame Werk des gOttlichenSchmiedes, das dieser selbst nur widerwillig voUzieht,klingt uns wieder aus dem nachfolgenden kurzen Maestosomit der erdrQckenden Wucht der Blechinstrumente.2. Maestoso.IT, /=^eto.


:!:77In den wild sich aufbaumenden Sechzehntelfigiiren der Streichermalt sich gleichzeitig das ohnmachtige Widerstreben desTitanen und aus dem schwer lastenden Charakter des Ganzenspricht das furchtbare Geftlhl, gewaltsam in unl6sliche Bandegezwungen zu sein, oder, den Gedanken im Liszt'schen Sinneverallgemeinert : das tief niederdrilckende, selbst kuhnstenHeldensinn zeitweise lahmende Bewusstsein, „angesclimiedetru sein an den Oden Uferfelsen unserer irdisclien Natur."Immer machtiger lehnt sich der mlde Trotz dagegenanf, in heftigstemToben , welchespl5tzlichausbricht8.'m-f'' rr ^-^mit dem Motiv des^ZomesEs ist der Yersuch, die Fesseln mit Gewalt zu sprengen.So jah aber, wie es gekommen, ist auch das nutzlose Wutenmit dem der Gefesselte nur sich selbst neue Schmerzenbereitet, wieder verstummt. Der Schmerz uber die eigeueOhnmacht und das entsetzliche, schmachvolle Loos str5mtjetzt in einem Instrumental-Eecitativ aus:~rinf.espress. molto.Aus dem heftig aufseufzenden Accord der Oboen und Klarinettenund dem von englisch Horn, Fagott und Bratschenvorgetragenen, die eindringlichste Sprache des Leidens redendenKecitativ vemehmen wir dieerschiittemde Klage des TitanenMutter, du heiVgef — Ather,Lichtquell des All's! —Seht, welch' Unrecht ich erduldeIn die Basse ubergehend, verliert sich das Recitativzuletzt ia dQsterer Tiefe. Der gefesselte Riese vermag jedoch


—78 —nicht in yergeblicher Klage zu beharren.Von Neuem erwachtseine ungeetflme Kraft Ijia Allegro molto appassionato bringteine Steigerung auf dem jetzt noch ungesttlmer auftretendenZommotiv (3.). Dieselbe Mhrt zu wild tobendem Sturmesausbruch.In alien ihren Tiefen wird die Brast durchwtlhlt,aus der sich rasende Aufschreie losringen.i5. ^mi^:nij>,j>,m i*-TTTTIn Bchrecklichem Grimm schleudert der "Wfltende die geballtenFSuste drohend nach den Stemen empor:„Die Qbtter alle trifft mein Boss!"Und nim erschallt im starksten Fortissimo das Motirdes Titanentrotzes in den Posaunen und Trompeten; durcheinen Halbtonschritt aufwarts am Schlusse, sowie durchgestossene Achtelbegleitung $_der Holzblaser und TrillerNi ^^der Streichinstrumente erscheintes jetzt mit herausfordemdemHohn gepaart:Noch gesteigert in seiner Wirkung zeigt sich daraufdas Motiv durch folgende Erweitenmg:7.(f^^^ sempre~ *y ~S'^'~~5~ Es ist der Trotz in seinervOlligenUnbeugsamkeit, derselbst fttr den Zom des Zeus nur Verachtung hat:


:— 79 —ffUnd mag er schleudem seines feurigen Blitzes LoK'n^In weissen Schneesturms Ungewittern, im Donnerkcdi,Der unierirdischen liefe vermirrend mischen das All:Nichts dessen wird mich beugen/"Auf dem Motiv de8 Zorns dauert das Toben fort, inwelches sich sclineidend auch der Ton der Klage mischt,Pietzlich bricht der Sturm ab. Ganzliche Erschopfung isteingetreten. Nur abgerissene Schmerzenslaute ertonen noch,die sich zum Motiv der Klage erweitern. Da mit einemMale bricht es herein in die tiefe Nacht der Seele, erst wieimgewisser Dammerschein. Eine Melodie wogt auf und nieder,schwingt sich in rascher Steigerung zu immer bestimmteremAusdmck machtig gehobener Empfindung auf und wird unazum leuchtenden Abbild dessen, was im tiefsten Q-rund derSeele des Helden lebt: „ein unentreissbares Bewusstseinangeborener Grosse und kiinftiger ErlSsung, untilgbarer Q-laubean einen Befreier*^8.i m^^^-wi^^^ Vt^<strong>Das</strong> Thema erscheint zuerstleise imVioloncello und Horn,wird dann in den Yiolinenaufwarts gefdhrt und klingtendlich auf hohem As fiber dem bis zum fortissimo anschwellenden,pianissimo verhallenden Septimenaccord as-ces-ge^lang aus. Schnell ist die lichte Stimmung wiederverflogen. Noch ist die Erlosung ja fern und ungezahlteLeiden sind noch zu ertragen. Die Schilderung der letzterenbeginnt mit einem Fugatosatz {Allegro moderato) auf folgendemThema:


— 80 —9.Dieser Teil der Tondichtungdilrfte mit seinorsich immer rastloser entwickelndenDurchfQhnmgsarbeit etwa aufzufassen sein alsdas Ringen der Titanennatur mit dem Ansturm immerpeinigender werdender Qualen, oder wie es im Vorwort heisst,^Btindentilgender Schmerzen, welche unablassig am <strong>Leben</strong>snervunseres <strong>Das</strong>eins nagen, ohne es zu zerstOren." Auchein Prometheus bedarf der LSuterung, soil dieses RiesenKraft immerdar segensreich walten und nicht auch einesTages zur Vemichterin werden. Die ziemlich ausgedehnteDurchfnhnmg des Themas 9 fSllt zunachst vorwiegend denStreichem zu. Wahrend das Thema dann spater von diesenaus der angefOhrten Fassung heraus weiter gesponnen wird,tritt 68 gleichzeitig vergrOssert bei den Blftsem auf, solcherweisezu einer erst am Schluss der symphonischen Dichtungzur Geltung kommenden hjnnnenartigen Breite anwachsend.Der Durchfahrung gesellen sich andere bereits dagewesenoMomenta der musikalischen Leidensschilderung bei, bis endlichder ganze Satz nach einem mit grOsster Oewalt erfolgtenWiederauftreten des Themas 1 auf dem sich eng an diesesanschliessenden Motiv des Zomes abbricht Mit furchtbarerSchwere in Trompete, Bassposaune und Tuba einsetzend,erschallt wieder die Elage. Dann ^hebt sich noch einmalwild der Sturm, aber diesmal "wird er zum Vorboten derFreiheit Wieder beginnt, jetzi unter zitternder Streicherbegleitung,ein Aufschwung auf dem Thema 8, dessenHebungen und Sentungen dem Wogen der von Freiheitsahnungengeschwellten Brust gleichen.Nach rascher Steigemngsetzt, diesmal breit und prachtvoll, das Thema desL&uterungswerkes (vgl. 9) ein:


81 —10.Pos. Hz.f marc.In glanzenden, packenden Accordfolgen wiederholt essich. Wie reine, herbe Freiheitsluft weht es uns aus denhell aufleuchtenden Dur-Harmonien entgegen. Die Themendes Befreiungsglaiibens (8) und des Titanentrotzes (1) erhebensich nacheinander zu hSchster Kraft, und das letzterebehauptet scMiesslich allein als Sieger das Feld. Immersturmischer im Ausdruck werdend, beschliesst es in wUdemTriumphe die ganze, von himmelsturmender Kraft und KfihnheiterfuUte Tondichtung, in welcher selbst der den ErlSsungsgedankenreprSsentierenden Melodie der trotzig-kiihne Grundzugdes Ganzen eigen ist.Unbezwungen ist der Mut des Titanen geblieben. Solasst er diesen selbst zu einem iDberwinder werden, wie ereinzig der Befreiung wert. Mag diese dann ausserHchkommen, wann und durch wen sie wolle, — der gewaltigeGeist hat langst triumphiert uber alle Qualen und Leiden.Er ist schon jetzt frei von alien Banden, die den Leib nochhalteii. Als trotzig Ausharrender wurde er sein eigenerErldser.Arthur Hahn.VIII.


<strong>Franz</strong> Liszt,Chore m Herder's „Eiitfes8elteni Prometheus."Componiert and etst.nalig aafgefShrt: Weimar, 1360. Im Drack erschienen;eipzi^, 1861, boi C. F. Kahnt; Klavieraaszo^ mit Toxt sowie Sonderaiugabeneinzelner GiSie im Ohgioal and in Klavierttkartngang ebeadaselbst].^on der Prometheus - Trilogie dea Aeschylos iatder Nachwelt nur das mittlere Sttlck erhaltengeblieben, der „gefesselte Prometheus", in dessenGeiste die symphonische SchOpfung Liszt's gedacht istDer „feuerbringende" und der ,^15ste Prometheus", alsodie dramatische Schilderung der That und diejenige derendlichen Befreiung des um jener willen leidenden Helden,Bind verloren gegangen. Mehr als zwei Jahrtausende nachdem grossen griechischen Tragiker hat ein deutscher Dichteiund Denker dem letztgenannten StofF poetische Form gegeben.Es war Johann Gottfried Herder. Indem erauf die uralten tTberlieferungen der hellenischen SagenweltzurflckgrifF, deutete er sie gleichzeitig in seinem Sinne."NVahrend wir bei Aschylos die ganze Herbheit des antikenMythos athmen, waltet in der von der milden und reinenFlamme des modemen Humanitdtsgedankens durchleuchtetenPrometheus-Dichtung Herder's der Geist unserer Zeiten.


— 83 —Am 25. August des Jahres 1850 hat man zu "Weimar einDenkmal dieses Dichters und Philosophen enthullt und beidieser Gelegenheit das Andenken des „Apostels der Humanitat"auch durch eine Vorstellung im Theater gefeiert, fQrwelche man seinen „Entfesselten Prometheus", die Yerherrlichung„der Bildung und FortbOdung des Menschengeschlechteszu jeder Kiiltur". als den geeignetsten und•wtlrdigsten Gegenstand gewahlt hatte. Zu dieser Festauffilhrungbildete die symphonische Dichtung Liszt's alsSchilderung des gefesselten Prometheus das musikalischeTorspiel, wahrend gleichzeitig zu den Herder'schen Scenender Tondichter noch die lyrischen Partieen fiir Chor undOrchester komponiert hatte. Da solchermaassen das symphonische"Werk und die ChOre ein eng zusammenhangendesGanzes bilden, so lassen wir auch eine Erlauterung derletzteren hier folgen. Gleich der symphonischen Dichtunghat auch das Chorwerk, da die "Weimarer Auffiihrung derHerder'schen Scenen nur als eine ausnahmsweise geltenkonnte, heute seinen Platz nur mehr im Konzertsaal, farweichen Richard Pohl der Partitur einen verbindendenText eingefdgt hat. Man begegnet in solcher Form denPrometheus-ChSren sowohl in Yerbindung mit dem symphonischenWerke, vrie auch in gesonderten Auffuhrungen.In der symphonischen Dichtung erleben wir am Schlussden geistigen Sieg des Helden. Aus diesem tSnt uns auchschon die Yerheissung seiner endlichen Erl5sung aus denkorperlichen Leiden entgegen, welche sich nun in den folgendenScenen wirklich vollzieht.Auf seinem Felsen sitzt, noch immer in demant'neBande geschlagen, der Titane. Aber das Toben der "Wutund des Schmerzes ist voriiber. Gefassten Mutes erwarteter die Erfiillung seines Schicksals.„Die Zeit Ml ft Alles tragen. DieLindernde macht alleQualen leicht."So spricht er zu sich selbst. "Was jedoch dem gewaltigen


. I i— 84 —Dulder noch mehr als dies sein Loos erleichtert, das istdie erhabenste Gtenugthuung, die ihm mit jedem Tage reicherzu Teil wird: er sieht „8ein grosses Werk gedeih'n aui„Ja gedeih'n! Die Oabe^Die meinen Menschen ich gefahrvoU gab^<strong>Das</strong> Fetter, das ich ihnen nicht im RohrAllein xubrachte, das in ihren OeistIch hauchie,das in ihrer FelsenbrustIch still entxilndete, es glimmt und brennei,Und strahlt und xiindet. Davon sjyracJien mirZu Tag und Ndchien Luft und Meer. Es UmienSiegslieder mir vom stemenreichen Ather;Und von der Erde meiner Menschen — daBesuchten mich Oestalten mancher Art.Verkilndeten,Vernunft ^edeiht auf Erden,"-. . . Alle siewas laut mein Herx mir sprach:Begltlckt durch das Geschenk des Titanen, aus demdie Segnungen der Kultur machtig emporzuwachsen beginnen,•wandeln jetzt die Menschen in Medlicher Kraftbethatigungfiber die prangende Erde. Dire Werke preisen ihren "Wohlthater.Die Geister der Natur jedoch schauen noch oft mit feindlichenBlicken auf das Treiben der Sterblichen, das ihrenFrieden stOrt, und mit Klagen und VerwUnschungen wendcDsie sich gegen Prometheus. Es nahen sich ihm die TOchterdes Meeres. Ihr Wenrui erf&lit die Ltlfte und findet imChor der Okeaniden (ftir FrauenstimmenimdOrchester)musikalischen Ausdruck. Okeanos' Kinder klagen laut, dassihrer Meere heilige Ruhe durch -die kdhn tlber ihre Haupterdahinsegelnden Menschen ver- I .l ,*"nichtet sei. Ein kurzes, Ofters ^^ ^' j|J '"wiederkehrendes Motiv giebtIJ J '^


— 85 —ihrer Klage besonders Ausdruck, dazu die Dissonanzen undMollklange, welche in dem Stuck reichlich vorhanden sind.Den Klagenden aber und dem Meeresgotte selbst, -welcherztlrnt, dass die Menschen in sein unberflhrbar heilig Eeichgedrungen sind, entgegnet Prometheus:„Dein Reich, Okeanos? Dein imherilhrharHeiliges Reich? — Im weiten WeltenraumQehoret Alles Allen. Droben, drunten,Eerrschet ein gleich Oesetz : Was irgend lebtUnd tvirkt, toirkt fiir einanderfBu WeltumgUrter solist der Mittler sein,Der Friedensstifter xivischen alien Volkern!Der Erde fem^ tvird dein Oebiet xuerst<strong>Das</strong> unverletzbar frete, heilige, —Frei taie die Luft, unteilbar wie die Woge,Ein Band der Nationen aller Welt!"Von Neuem setzt die Musik ein und2._^Jg.m^ I ,^'Frie - - de! Frie Vie - - delBO tOnt es jetzt von alien Seiten in sanften Accorden. Undin lebhafter, freudiger Bevregung singt der Chor derTritonen: „TFb Winde wehen und Segel fiiegen undWellen rauschen,3.hemchtQe - mein • um - keit and Frel • heit, 9*-4 ; J J.


— 86mein>( keit vnd Frai heit'^,Heil Prometheusl^^So erklingt ee vonFrauenstiinmeiL „MitPerlen umwindentoir einst dein Haupt, die ScfUafe mit Krystallen,4.m^^m^ MFladiei^EiJ-J-a.J-1iScfnUUflXWfWi iSdoJee eon j^raxto.gold' - ne Zeit scheint"In schOn geschwungenen melodischen Linien setzt derGesang sich fort, allmahlig anschwellend, bis der ganzeChor wieder in bewegtem Rhythmus mit dem Thema 3einfallt:„Heiligund hehr und frei1st die Himmelsgabe^<strong>Das</strong> unteilbare Meert'Getragen von dem majestatischen GtetOn der "Wogen,erhebt er sich zu machtiger StSrke, um endlich in klarenHarmonien mit dem „Heil Prometheus !" leise und feierlichzu verklingen. Neue Wehlaute folgen auf den erhabenenGesang der MeergOtter. Allmutter Erde, GSa selbst, siekommt herbeigezogen und ihrer Dienerinnen Klagen ertOnenim Cher der Dryaden:,.,Weh dir, Prometheus^ weh!Zerrissen istdeiner Mutter BrustjBefleckt mit ihrer Kinder Blut!"


:::— 87 —Nach den schmerzvollen Harmonien, die zu diesenWorteii erklingen, erhebt sich ein besonderes Motiv derKlage, Avelches in seiner Tonfolge, trotzdem es etwas breiterausgefiilii't ist, eigentiimlicher "Weise der uns aus der symphonischenDichtung bekannten Klage des Prometheus selbstT511ig gleiclit, obwolil doch die Dryadenklage von derjenigendes Titanen ihrem Wesen nach sehr verschieden ist. EineAltsiirame deklamiert mit tragischem Pathos auf diesem Motiv£3 S sa 7&-Ver o - det stoh'u im al - ten Haiu der Got - ter AJ-*>^' ff Nachdem die Stimme dasMotiv weiter verfolgt hat,niischt der Chor seine KlagenAvieder darein und schliesstsie mit den Worten„Oeschont wird keines heiligen Baums,KeinerDryade geschoiit!"im trftbsten Moll. Den bangen Klagen der Waldesnymphenfolgt als frohes, der Menschen Thun rechtfertigendes Gegenstuckder Einzug der Shrenbekranzten Ceres-Demeter, welcherein Chor der Schnitter Dankeslieder singt in einemvoii heitersten Lichtern erfiillten Pastoralsatz. Die TenorebeginnenOroh,TenCref rrX-^-^-^i± A t==^'5:i iIh. - ren - be - krinzDie iibrigen Stimmen gesellen sich allmahlig den frohbewegtenRhythmen. Lerchengetriller mischt sich hinein inGat


das sonnig helle Bild, wenn die Scknitter davon singen,wie sie die Saaten streutenJ- ^?^?^? ^?^?^?O I 111an-ter Ler chen g« • saa ge-Zu lautestem Freudenausdruck erhebt sich der Dankesgesang,bis endlich die frOhliche Schaar von dannea ziehtTind im Orchester ihre anmutig heitere "Weise feme verhallt.Gleich frohe, wenn auch nicht so unschuldsvoll heitere T5neschlfigt der nachfolgende Chor der Winzer an, der nachbewegter Orchestereinleitung mit dem jauchzenden Bufeinsetzt and sich zum feurigen Preisgesang auf Bacchus,den KOnig der Freude, aufschwingt.Den rauschenden Klangen der Lust folgt ein dfLstergroUendee TonstQck. Aus des Hades Reiche herauf dringtverworrenes GetOse, vennischt mit den Stimmen der Unterirdischen.Herkules hat der Toten Ruhe gestOrt und dieUnterwelt gesttont, um Theseus, den Freund, ihr zu entreissen.Der Chor der Unterirdischen erhebt sich,indeni erj mit Tdnen des Entsetzens den Kampf begleitet,zu wuchtiger Starke. Mit einem kurzen, energischen Orchestersatzsteigt Herkules als Sieger empor. Mit Freuden erkenntPrometheus aus 'der That des Starksten seiner Menschen,dass das menschliche Geschlecht zu jedem grossen undidealen Thun fahig ist. Der sein <strong>Leben</strong> einsetzte filr denFreund, er sprengt jetzt auch mit dem gewaltigen Schlag


:— 89 —seiner Keule des Prometheus Fesseln und erlegt den Adlerdes Zeus, der blutgierig noch das Haupt des Titanen umkreist.Prometheus, der Befreite, aber wendet sich zu seinemFelsensitz zuruck; dem er so oft geflucht, dem harten Steine,dem Genossen seiner Schmerzen, ihm weiht er jetzt seinenSegensspruch;,. . Bluhe dennEin Paradies auf dir durch meiner MenschenSieghafte Hand!"Pallas Athene hat diesen "Wunsch vemommen. ZumZeichen der ErhSrung desselben entspriesst unter sanftenOrchesterklangen ein Olbaum dem kahlen Felsen. EinChor der Unsichtbaren aber erhebt seine Stimme zumPreise der Themis, vor deren Thron Prometheus geladenist In dem Gesang:„Der Menschen Vorsicht irret m Nacht umher,-Der Menschen Trugsinn findet der Wege viel:^n^ ^^ ^ ^g ^^Had da al - lein list, die sia ord - net,^ £^ S ^ mgCtt - li - che, mensch-li - che, •wei - se The - mia !"wir das Thema des ErlSsungsgedankens aus der sym-findenphonischen Dichtimg wieder. In demselben fand derGlaubedes Helden an seine Befreiung einst Ausdruck und dieserGlaube schloss auch die zuversichtliche Hoffnung in sich,dass ihm einst Gerechtigkeit widerfahren werde. Nun trittdie hOchste Eichterin uber GOtter und Menschen selbst fOrPrometheus ein, indem sie auch die forchtbarsten Ausbrildieseines Zornes und Trotzee rechtfertigt:


90 —„Und darf die Zunge schtceigen, wenn der AarBern Mmmer-tJberxeugien am Herxen frisst?Oewalt und Macht sind nichiGerechiigkeit."Damit spricht sie Aber Zeus selbst das Urteil. Aberauch dem Prometheus spait sie es nicht:„Auch Geistes -Vbermut ist nicht gerecht!Fur ihn hast du geliiien, und dadurchDie grossteBeharrlichkeit /"Tiint gelernet und geilbt:In der hochsten Verwirklichung seines WoUens darfendlich der prometheische Geist den erhabensten Lohn erblickenfiir das, was er gelitten. Durch die ISutemde Machtdes Leidens aber wurde auch das Gefahrliche tlberwunden,was die elementare Unbandigkeit seiner Kraft in sich bargund so diese letztere durch Befreiung von alien Schlackenden hOchsten Aufgaben allein und fOr immer geweiht. DiesemGedanken leiht der Tondichter Ausdnick, indem er dasMotiv der Lauterung, aus dor symphonischen Dichtung, breitund triumphierend als thematische Grundlage des Hymnusauftreten lasst, mit welchem jetzt im Schlusschor die Humanitatals aller menschlichen Kulturbestrebungen edelste und^10.£kOstlichste Frucht gepriesen wird, als das,^^was Uimm-li • sches aafuf Er - donbluJit,Mea-scben hoch lu Got tern hebt.^^^^^ iHeil Prometheus ! Der Menschheit Heil ! Mit diesen Wortekschliesst in breiten Feierklangen das Werk.Arthur Hahn.


<strong>Franz</strong> Liszt,M a z e p p a.Symphonische Diclitung.[Erste Entwiirfe: 1830—36. Vollendet: 1850. Erete AuffiihmnR: "Weimai, 186*Partitur im Dmck erschiencn: Leipzig, 1856, bei Breitkopf & HSrtel; Bearbeitun;,-*)!*fur 2 Eiaviere, Klavier zu 4 HSnden (vom Komponisten), fiir Klavier zu 2 H&udoo(von L. Starck) ebendkselbst.]7'er Held der Ukraine und seine merkwurdigenSchicksale, sein schreokenvoller Eitt durch die"Wildnis auf rasendem Rosse, an das ein barbarischerUrteilsspruch ibn gefesselt, sein Sturz und seineendliche Wiedererhebung haben Dichter yne Byron und YiktorHugo zu poetischen Schopfungen inspiriert. Nicht minderaber war wobl der ganze, von einer wildkulinen Romantikerfiillte Gegenstand darnach angethan, auf einen Musikergerade von der sch5pferiscben Eigenart eines Liszt machtiganregend zu vrirken und ibn zu kiinstlerischer Gestaltung zudrangen. Die erste Frucht dieser Anregung war die Ende derdreissiger Jahre bereits erschienene Klavieretude „Mazeppa",welcher erst viel spater die in weit grosseren Proportionenangelegte, zu jener etwa wie ein farbenstrahlendes Kolossalgemaldezur ersten Skizze sich verhaltende symphonischeDichtung folgte.Liszt hat sich bei der musikalischen Ausgestaltungdes Gegenstandes an das Yiktor Hugo'sche Mazeppa-Qedicht


:;— 92 ~gehalten. Letzteree eetzt an dem Punkte ein, da der fflrsein Vergehen zu grauser Suhne Verdammte seinen furchtbaren Eittt beginnen soil:Wie sie Maxeppa trotx Knvrschen und Toben,Oehunden an alien Oliederti, gehobenAuf das sehnaubende Ross,Dem gliihend die weiten Niistern dampften,Dess Hufe den bebenden Boden 8ta7npften,<strong>Das</strong>s er Funken ergossWie schlangengleich er in Banden gerungen,<strong>Das</strong>s rings Oeldchter schallend erklungenSeiner Henker im Chor,Bis loiderstandslos ihn die Fessel xivinget,Und Schaum vom Munde, Blut ihm dringetAus den Augen hervor:Da gellt ein Schrei •••Mit diesem beginnt das Tonstflck:ff— Rasch dahinjagende Fassagen folgen nnmittelbar^S~r!;•1.a.^^0^=£^=Sf}=0Fliegt— und schneUer als Pfeilemit dem Mann in rasender FileIn die Weite das Ross;Staubwirbel hiillet die Atemlosen,Der Wolke gleich, darin Donner tosenUnd der BUtxe Oeschoss.


— 93 —Sie flieh'n; m die unermesslichen, wildenOeden, tvo endlos sich Kreise bildeii,Immer neu, immer mehr;Ihr Ritt ist ein Flug ; und die Tiirm' und StddteTJnd Bdiime und riesiger Berge KetteTanxen wild um sie her.Sf i;F=i r sfYf i8va bassaUnd wenn der C el undone im Krampf sich rilhret,wie vom Sturm entfUhret,Dann sprengt das Boss,Immer jdher erschrecki:% ^ A ? lL_g-^t=fJ^_=g^^TJm^^^mg^^fj^y^-^sirigendoMit fortreissender, damonischer Ge^yalt schildert nunin einer Folge von eng zusammenhangenden Perioden, dieeinavdpr ablosend dahinsturmen, die Musik den Ritt Mazeppa's,seine immer wachsende Wildheit bis zum Eintrittder Katastrophe. Jede dieser Perioden wird von bestimratea,rhythmisch eharakteristischen Figuren beherrsclit, von denendie Beispiele 2 bis 4 die ersten zeigen, wahrend ein spaternoch. zn erwabnendes Hauptthema (5.) dazwischen von Zeitzu Zeit immer wieder auftaucht. Im "Wechsel jener Tonfigiuenmalen sich die verscMedenen Stadien und zugleich


— 94 —die furchtbare Steigerung des Rittes. OhnmSclitig muss sichder Gefesselte in sein Schicksal ergeben. Wie ein Nebellegt es sich bald urn seine Sinne. Bilder von furchtbarerPracht und GrOsse tauchen vor seinen Blicken auf und ver-Bch-winden. Gleich wilden Traumerscheinungen zieht allesan ihm vorQber.Rings alles in diisieren Farben brennet,Es remit der Wald, die Wolke rennetIhm vorbei, und der TurmUnd der Berg in rotliches Licht sich tauchend,die schnaubend und rauchendOaloppieren im Sturm.Und hinter ihm Rosse,Und hoch der abendlich strahlende Bogen,Der Ocean, der aus den WolkenwogenNeue Wolken entrollt!Die Sonne, eh' ihm die Sinne vergehen,Sieht er, ein marmomes Rod, sich drehen,Mit Oedder von Gold.Und aus dem wirbelnden Tanze, in welchem die "Weltringsum zu wogen scheint, unter dem donnemden Rhythmusder Hufschlage, ertOnt es dem vom Fieberwahn ErfasstenplOtzlich wie eine gewaltige Melodie. Es ist, als liesse dieganze Wliste ringsum einen grossen Gesang ertOnen. Wiedieser aber nur era Gebilde der eigenen Phantasie des Gefesseltenist, so ist es auch nui- sein eigenes Ich, welchesin dieser eigenartigen Mischimg von trotzig wildem und zugleichschmerzvollem Ausdruck musikalische Gestalt gewonnenhat: es ist Mazeppa in seinem gewaltigen Leiden.ffOOQ SraPot. Bta*


—95 —^Av^^^m=F=F=S?-^s


— 96 —7.tr9^^Ibis^»"^r^rt7TtrtrSSi J=A^.=J=^5^,7^r!i^^^^^ ^fSC77i^ rasender immer tobt und schiesset<strong>Das</strong> Ross dahin, dem Blut enifliessetAtis xerrissenem Fleisch:--M^f^HV Str. nnis.rrHbl.^^t=;tStr.eta"Wie zahllose tanzende, flimmemde Lichter schwirrt esTor Mazeppa's Augen. Die etwas veranderte Hauptmelodietritt in Trompeten und Holzinstrumenten auf, von einerausserst reich und mannigfaltig gestalteten, in seltsamstenFarben schillemden Orchesterbegleitung umspielt.Die frtlheren Erscheinungen wiederholen sich, zum Teilin gesteigertem Mafie, in der Wiederkehr verscMedener derbisher dagewesenen Klanggebilde, zu denen neue hinzutreten.Scbon wollen die feindlichen Gewalten xlber den fast zu TodeGehetzten triumphieren. Doch atemlos geht es weiter, immereiter. Mit grOsster Energie und wildester Kraft setztendlich noch einmal das Hauptthema (5) ein. Die wxitendeJagd flbertaubt es zuletzt. Endlich wird auch dieser einZielgesetzt.Und nach dem rasenden Ritt dreier Tage,Der sie durch Wilsten, Steppen und Hagetjber Eisbriicken trug,Hinstiirxi das Ross — — —


pPauke r rrTiTT r rT rf rIn einem kurzen Andante-Satzist jetzt der Situation Ausdmck1'^ jt'f igegeben. Ode und still ist esplotzlich in der Runde Gedehnte Klagelaute vernehmenwirnur,10. Andante.a;^^^^^^=F=ffi^^^gTfc=5Muntermischt mit abgerissenen, schmerzvoll gezogenen Anklangenan das Hauptthema:11.^.^^^^MJeJ£44fe=Mi^'l^^Da liegt er niedergeschmeiiert und gliihetVom Blute voter als Ahorn bliihet . . .Ein dumpfes Stohnen verklingt zuletzt in den Bassenand verschwindet in einem Tremolo in der Tiefe.Und dock! der sichDer lebende Leichnam, von Raben umkrdchxet,windet im Siaub und dchzet,Wird ein Herrscher, ein HeidiAls Herr der Ukraine vrird er einst streiten,Und reichliche Mahlxeit den Oeiem bereitenAuf blutigem Feld.vni. 7


98Ihm blilhet Chrbsse aus QucU und Leiden,Der Mantel des<strong>Das</strong>s ihm alles sich neigt;Der Zelte Volk tvird sich huldigend scharenUm seinen Thron, ihn begriissen Fanfaren,Wenn er herrlich sich xeigt.Hetmatm's tmrd ihn umkleiden,12. AllegroS 5^^^ ^^m ^ W^k7^-^4 ^^^Tromp. mareiale, ±nobilt.DiesenTrompetenMangen,Ip^tc. welche plQtzlich in diedustere Situation hineinerschallen, folgen weitere Fanfaren in wecliselnder Tonart,wie wenn von verschiedenen Seiten die VOlker der Steppe,die Mazeppa's Befreier geworden, herbeiz5gen, um ihrenHelden zu grilssen. Die Fanfaren leiten den Trimnphmarschein, welcher den Sohluss und das glanzende Gegenstflck zuden bisherigen Bildern der Tondichtung bietet, und dessenEange die Prophezeiung bereits erfullt erscheinen lassen,welche in den obigen Versen ausgesprochen war. Mazeppa,der FCrst der Ukraine, der gewaltige Kosakenhetman, deraus Leiden zum Glanze emporgestiegen ist, stelit jezt vor una.13. Allegro mareiaieuO-t-L:±=iz^^rtf ^ ffEin weiteres, reizvoll instnimentiertesThema, erst in Moll,spSter in leuchtendem Dur auftretend,bringt das nationaleKolorit, das der ganze, rhythmischungemein packende Kosakenmarsch aufweist, am si&rkstenzum Ausdruck.


99VloL14.^'^^^^^^*^^»^^^i^»i»ilti m JTiTjMHbl.Dann erscheint wieder Mazeppa's Heldenmotir, mit denBegleitungsfanfaren vereinigt,^^M15.:S5:^und schliesslich auch das Hauptthema (5) aus der LeidensgeschichteMazeppa's, jetzt im Tone einer Siegesmelodie,vorauf der Marsch mit seinen kriegerisch-wilden Rhythmenund Harmonien rasch zum Schlusse diangt."Was die Form des ganzen Werkes anlangt, so kOnnenwir beim Mazeppa eine ahnliche, aus dem poetischen Grundgedankensich ergebende Zweiteilung beobachten, wie etwafrtllier beim „Tasso" desselben Meisters. Wenn auch. sonstGegenstand und Ausffllirung in beiden Tondichtungen grundverschiedensind, so erscheinen sie doch hinsichtlich ihresgeistigen Kernes, der zwei grossen Gegensatze, •welche inden beiden Halften eines jeden Werkes sich gegentlberstehen,nahe verwandt. „Lamento e trionfo" "war auf dem Titelblattdes „Tasso" zu lesen — „Per aspera ad astra" oder etwasAhnliches k5nnte auf der Partitur des „Mazeppa" als Mottostehen. Auch mit dem „Prometheus" zeigen in solcherHinsicht beide Tonwerke bei aller sonstigen Verschiedenheitder Gestalten und Yorgange eine ideelle Yerwandtschaft,7*


— 100 —Beim Mazeppa giebt tibrigens auch der Dichter bereitadem Gegenstand eine allgemeinere Deutang in einem zweitenGedichte, welches er dem die oben zitierten Stellen enthaltendenfolgen lasst. Dun ist der Held „der Sterbliche,der den Gott empfunden in seiner Bnist." Wie Mazeppaan sein Ross, so fuhlt jener sich gebunden „an den Geist,der ihn tragi" und mit sich fortreisst „auf nie betret'neBahnen".Genius^ feurig Rossi umsonst sem RingenlDes <strong>Leben</strong>s Schranken unrst du iiberspringen,Die dein Hiiftritt xerschldgt.Du Idssest ihn auf deinen FeuerschwingenDie Kbrperwelt, die Oeisierwelt durchdritigen,An dem ewigen StromTrdnkest du ihn, und wo Kometen streifen,Ldsst du sein Haupthaar unter Siemen schweifen,Hoch am himmlischen Dom.Er sWhnt entsetzt — du reissesi unaufhalisamDen Schreckensbleichen fort im Flug getoaltsam,Doss er xittertund bebt,Bei jedem Schritt scheint er dem Tod xum Raube,Bis er sich neigt und siiirxi — und aus dem StauMSich ein Konig erhebt.Arthur Hahn.


<strong>Franz</strong> Liszt,Festklange,Symphonische Dichtung.[Entstanden : 1853. Eistmalig aafgeffihrt : Weimar , 1854. Im Dmck erchienen: Leipzig, 1866, bei Breitkopf & Hfirtel ; Bearbeitnngen f&r 2 Elaviere,ElaTier za 4 HMnden (vom Eomponisten) , Elaviei za 2 Hilndea (v. L. Stark)ebondaselbst.l^er Partitur der „Festkl5nge" hat Liszt nicht,"wie er es bei der grosseren Mehrzahl seinersymphonischen Dichtungen gethan, ein ausfdhrlichesProgramm in Poesie oder Prosa vorausgeschickt.Man wird daher leicht geneigt sein, aus dem Titel zunSchstauf einen Inhalt von ganz allgemeiner Bedeutung zu schliessenund das Ganze vielleicht als eine Festmusik ansehen, etwanach Art jener „Fest-Ouverturen", welche bei besonderenAnlassen der gehobenen Stimmung der Teilnehmer einenallgemeinen kunstlerischen Ausdruck zu geben bestimmt sind,ohne dass sie sich an einen besonderen Q-egenstand halten.Einer solchen Annahme widerspricht indess das "Wesen derBymphonischen Dichtung an sich, wie es gerade durch Lisztund seine SchSpfungen festgestellt erscheint, indem in dieserKunstgattung, wie bereits in der vorstehenden allgemeinenEinleitung uber das "Wesen derselben ausgefiihrt wurde, dermusikalische Inhalt und seine Form eben durch einen bestimmten Yorwurf bedingt sind, dessen Kenntnis beim


— 102 —H6rer vorausgesetzt wird. Wir werden dementsprechenduns veranlasst filhlen, nach dem besonderen Gegenstand zuforechen, dem gerade diese FestklUnge etwa gelten kSnnten.Leider wird uns jedoch dieser Weg, vne schon im Yorausbemerkt sei, nicht zum gewiinschten Ziele fiihren, zu hinreichendenAufklarungen fiber besondere leitende Gnindgedankendes Werkes. <strong>Das</strong>s solche bei der Konzeption fSrden Komponisten unbedingt vorhanden gewesen sein milssen,diese C^berzeugung dtlrfte wohl Jeder gewinnen, -vrelcherdem Werke selbst naher tritt und seine ganze Art denCharakter seiner Themen, deren Yerarbeitung und wecbselweisesAuftreten, und so manche eigentilmliche aus reinmusikalischer Logik heraus nicht so ohne weiteres zuerklarende "Wendungen betrachtet, wie man gleichzeitig auch•wieder wird erkennen mussen, dass es nicht leicht, ja vielfachunmSglich sein dflrfte, der Bedeutung der einzelnenmusikalischen Bildungen mit Sicherheit auf die Spur zukommen.Da das Tonstiick bei einer festlichen Yeranstaltungseine erete AuffQhrung erlebte, so liegt es natilrlich amnachsten, es direkt mit dieser in Beziehung zu bringen.Damit aber dilrfte man dennoch schwerlich zu einem Resultatgelangen. Die „Festklange" gelangten am 9. November 1854in Weimar zum ersten Male zu Geh5r, als Ouverture zueiner AuffQhrung von Schiller's „Huldigung der Ktinste'',gelegentlich eines Festes am Weimarischen Hofe. <strong>Das</strong>s sieindess zu diesem Gegenstand in irgend einer engeren Beziehungstehen kSnnten, wird wohl Keiner behaupten wollen,der sie kennt. Der aUgemeingehaltene Titel der Komposition,wie der Umstand, dass sie zu jener Zeit etwas Neuesvon Liszt war, dem musikalischen Haupt der damaligen"Weimarer Kilnstlergemeinde , mOgen wohl im vorliegendenFalle far die Aufnahme in das Festprogramm massgebendgewesen sein.<strong>Das</strong>s man denn auch das "Werk in den Kreisen, welchedem Meister zu seinen Lebzeiten nahe standen, mit den


:— 103 —erwahnten Festlichkeiten in keinerlei inneren Zusammenhanggebracht hat, dies beweisen u. A. die Andeutungen, welcheRichard Pohl darflber macht. Er schi-eibt gelegentlich„ Dieses Werk ist das intimste, subjektivste der ganzen Gruppe.Es steht im Zusammenhang mit persSnlichen Erlebnissendes Komponisten, die wir hier nicht naher andeuten woUen.Deshalb fiigte Liszt auch keine Erlauterungen bei, und wirmussen sein Schweigen respektieren. „Festlich" ist dieStimmung dieses "Werkes: es ist das Fest nach einem errungenenSiege — des Herzens." Spater, nach Liszt's Tode,hat der Genannte sich etwas weniger geheimnisvoll geSussert,indem er direkt die Ansicht aussprach, dass jene „ personlichenErlebnisse" Liszt's, an vrelche die Festklange anknupften,mit der seiner Zeit geplant gewesenen, aber bekanntlichnicht zur Thatsache gewordenen ehelichen Yerbindungdes Meisters mit der Furstin Caroline von Wittgenstein inengster Beziehung standen. Eine nahere Begriindung seinerBehauptung hat Pohl jedoch nicht vorgebracht und so kanndenn auch die letztere, mag sie vielleicht auch an sich nichtuninteressant sein, beztiglich ihres thatsachlichen Untergrundesund ihrer Eichtigkeit fiir den Fernerstehenden, der den angenommenenGegenstand und die musikalische Sprache verschiedenerTelle des Werkes nicht so ohne weiteres -wirdinEinklang mit einander bringen k(5nnen, nicht kontrolierbarsein. Jedenfalls kann damit noch nicht uber die, die musikalischeEntwickelung des Werkes bestimmenden Gedankengentigend Licht verbreitet, geschweige denn Sinn und Bedeutungder einzelnen Telle dem Horer erschlossen werden.Waren so die „Festklange'' von einer Seite zu einerin hSherem Stil gehaltenen Hochzeitsmusik gestempelt worden,w hatte eine andere, ziemlich verbreitete Auslegung in denselben,-wahrscheinlich veranlasst durch den etwas popularenZug einzelner thematischer BUdungen uud auch instrumentalerFarben, eine ScMlderung von verschiedenartigen Stimmungenund Empfindungen erblicken wollen, wie sie derAnblick eines grossen Yolksfestes weckt. Eine derartige


Dentung mag J»,— 104«af einzelne Partien dee Werkes angewandt,im ersten Moment scheinbar etwaa fflr sich haben. DemGanzen gegentiber kommt man mit ihr ebensowenig durch,•wie mit jeder anderen, da man schliesslich doch immer beidieser oder jener damit in Widerspruch stehenden Stellewild Halt machen mtlssen.Rein vom musikalischen Standpunkte aus betrachtet,wollen uns die ^Festklange", trotzdem man sie mit intimstenErlebnissen ihrea SchOpfers in Verbindung zu bringen versuchthat, nicht ganz in demselben Masse wie ihre symphonischenGeschwister den Eindruck machen, als seien sieaus jenem tiefen inneren Drange geschaffen, aus jener Not-•wendigkeit, aus "welcher allein das Kunstwerk im hOchstenSinne geboren vnid. imd der die tibrigen symphoniachenDichtungen Liszt's eamtlich entsprossen sind. Sowohl diethematische Erfindung, bezflglich deren sich der Komponisthier nicht immer allzu skrupulOs zeigt, wie die Ausgestaltungund der Aufbau des Ganzen, die meist episodenhaft auftauchendenund rerschwindenden , nur selten etwas breitersich entwickelnden musikalischen Bilder, lassen bei den^Festklangen" doch etwss von jener GrSsse, jenem Schwungund einheitlichen Zug vermissen, die wir sonst bei Lisztgewohnt sind, wenn auch in den Einzelheiten Verschiedenesnicht ohne Reiz und Wirkung ist.Ein kurzer, festmarschahnlicher Allegro-Satz leitet dasWerk ein. Paukenschlage und Fanfaren1. Pk.p '4 ' . ' . —: 4 ' ^ * • .''or««e.'..* 4 . *Hr.Hhbl.


105fuhrenzu folgendem Thema:m^J I '^^r'TT-- ^ ^.. T ^- ^ T T 7 T. ( ii ' . I8va_fr'Dem Einleitungssatz folgt ein Andante sostenuto voneinem gewissen feierlichen Charakter, mit einer, zunachstvon den Streichem getragenen, als Hauptthema anzusehendenMelodie:3.[4^±t^lj=^^^h ^-Jrl ^J^j^b^dT^^ _ 1^ _Die Stimmung vird rasch wieder bewegter indem unmittelbarsich anschliessenden Motiv,!u^^welches zu einem lebhafteren Satze (Allegro mosso conbrio) uberleitet, ihn fortissimo eroffnend, um dann zu einerdem Tempo und der Rhythmik des Satzes angepassteastark veranderten Fassung des fruheren Thema 3 zu fiihre«


:— 106 —welches jetzt seinen solennen Charakter vollstandig abgestreiftund den Ausdruck vlbennQtigen , kecken Humors, gepaartmit einem sehr stark volkstflmlichen Zuge angeaommen hat:5.^ ^^,,ff\flfr j\fffjffiT Ti\^fIn dieser Gestalt erfUhrt das Thema jetzt eine etwas ausgedehntereDurchfuhmng, in welche sich schliesslich dieFanfarenklange der Einleitung (1) mischen, worauf der Satzrasch abbricht und auf zwei einzelnen PaukenschlSgen einRuhepunkt eintritt.Ein anderes Bild entrollt sich in einem Allegretto^welches jetzt folgt Der derben Lustigkeit folgen Themenvon noblerem, hier und da auch graziQsem und lieblichem,ja selbst auch etwas sentimentalem Ausdruck. Der Satzbeginnt mit nachstehendem Motiv,6.welches mit seinem leicht melancholischen Anflug eigenartiggegen die Festesklange kontrastiert und das zu jenen Stellendes Werkes gehSrt, welche deutlich auf bestimmte zu Grundeliegende, uns aber vom Komponisten nicht mitgeteilte Gedankenhinweisen. Die Oboe wiederholt das zuerst vomYioloncell gegebene Thema in der hSheren Oktave, Fagottund Klarinette spinnen es weiter, um zu folgender anmutiggraziOsenmelodischen Bildung zu gelangen, die ein wenigan das frilhere Thema 3 anklingtt ^ t=^'^:^ IT-


@107^^mDann folgt eine Steigerung auf dem Motiv:die sich in einem OichesteT-Fortissimo entladet mit demjetzt in folgender Weise:9.^^m « t^ ^tf*f^^^-^-^—rhythmisch kraftvoll nnd glanzend umgestalteten Thema 6,an welches sich dann wieder die festlichen Fanfaren nebstdem Marschmotiv aus dem Beginn des Tonstiickes schliessen.In Beispiel 9 hat das ehemalige Thema 6 vollstandig denchevaleresken Charakter der Polonaise angenommen. "Werdie ^Festklange" nach der Klavierbearbeitung studiert, "wirddarin die ganze mit Beispiel 6 beginnende, mit Beispiel 9abschliessende Partie in der "Weise variiert finden, dass sievon Yornherein im ausgesprochenen Polaccastil auftritt10.(vergl. Boisp. 6)^^-f^rf^


108 —and ihn durchgehends mit entsprechenden Modifikationenund Abanderungen der oben angefflhrten Themen beibehalt.Der -weitere Inhalt der Komposition setzt sich inwechselweisem Erecheinen der bislier dagewesenen Tongebildefort, teil8 in notengetreuer Repetition derselben, teilsauch in veranderter instnunentaler Gestaltung. So er-Bcheint z. B. das Hauptthema (3) plStzlich im grSsstenOrchesterprunk , um sich gleich darauf nach einer Fermatein tlberraschend zarter Instrumentierung (Streicher mit Sordinen)fortausetzen, oder spSterhin, nachdem wieder die bewegterenBilder in buntem Wechsel dazwischengetreten, ineeltsam schillerndem Tremolo der hochliegenden Streichinstrumentewiederzukehren. Stellen dieser Art — auch diefnlher schon erwahnte Umformung des Hauptthemas ausdem Seriosen (3) in's Burleske (5) gehort dazu — deutenebenfalls in einer dem denkenden H5rer vernehmlichen Weiseauf ein unbekannt gebliebenes ausfuhrlicheres Programm hin.Am Schluss erfolgt noch einmal ein allgemeiner Aufschwungbis zur glSnzenden VerkSrperung des Hauptmotivs, woraufdie Fanfaren (1) und und das Festmarschthema (2) demGanzen den Abschluss geben.Von einem Yersuch, den einzelnen Motiven und ihrerDurchfahrung eine bestimmtere Deutung zu geben, wurdehier abgesehen, nachdem authentische Grundlagen hierfdr unsnicht in gentlgendem Masse vorhanden erschienen, der Phantasiealso schliesslich doch ein zu weiter Spielraum gewahrtwerden milsste. Im Obrigen bleibe es dem H5rer tlberlassen,sich mit einem der Eingangs mitgeteilten Erklarungsvereucheauf seine "Weise abzulinden, oder, wie dies wohlbishermeist von Seiten des Publikums geschehen sein dtlrfte,das Werk einzig unter Benicksichtigung des im Titel hin-Bichtlich des Grundcharakters gegebenen allgemeinen Finger-


— 109 —zeig als Musikstiick schlechthin auf sich "wirken zu lassen.Man -wird hiergegen, wie schon oben hervorgehoben wurde,den sehr gewichtigen Einwand erheben kSnnen, dass einderartiges Yerfahren zu den Gnmdprinzipien der symphonischenDichtung im direkten Widerspnich steht, aUeinder SchSpfer der „Festklange" selbst zwingt uns ja durchsein Schweigen hier zu einem Ausnahmeverhalten. "WiesederTitel wenigstens auf eiuen allgemein bekannten, b e s t i m m-ten Q-egensfcand hin, wie dies bei anderen, auch nicht mit besonderenErlauterungen versehenen symphonischen Sch5-pfungen Liszt's, z. B. bei „Hungaria" ^Hunnenschlacht**Oder „Hamlet" der Fall, so lage ja eine eingehendere Deutungsehr wohl noch im Bereich der MSglichkeit. In Anbetrachtdes unbestimmten, allgemeinen Cbarakters des yorliegendenThemas aber durfte es doch "wohl vorzuziehensein, darauf zu verzichten, als etwa im Eifer des Auslegenssich zum U n t e r legen zu verirren und damit demSpott des bekannten Goethe -Wortes zu verfallen.Arthur Hahn.


<strong>Franz</strong> Liszt,Heroide funebre(Heldenklage).Symphonische Dichtung.[Ansgearbeitet in der heate vorli^enden Gestalt: 1849. Ersto Auffiihrang:In Breslaa. Im Drnck erschieDen : Leipzig, 1857, bei Breitkopf & Hftrtel ; Bearbeitongennir rwei Klaviere, fiir Elaviar za T-ier B&ndea (vom Komponisten) uaiKlavier za 2 H&nden (von Th. Forcbhammer) ebendaselbst]'f^f^va. Gemalde von gewaltig dusteren Farben, Nacht-^^^^^ d®s <strong>Das</strong>eins von furchtbarster und er-M^ x'^^T^S'^^schutterndster GrSsse und Gewalt entrollen sichDem, welcher die Partitur der achten unter den symphonischenDichtungen Liszt's aufschlagt.Der Schmerz und seine alles niederzwingende undGberwSltigende Macht: sie bilden das Thema dieses "Werkes,in welchem der Tondichter zugleich ein gigantisch emporstrebendes,in ernstester GrOsse sich. erhebendes Totenmal aufgerichtethat, Allen denen zum Gedachtnis, die, gleichvielurn welcher Sache "willen, einst Leib und <strong>Leben</strong> geopfertund ihr Heldentum bezeugt haben mit ihrem Blute.Nicht allein zu den durch die Bedeutung des Gegenstandeswie durch Tiefe ' der Auffassung besonders hervorragendenSttlcken unter den symphonischen Dichtungen<strong>Franz</strong> Liszt's gehOrt diese SchOpfung, sie hat uns auch als


— Ill —der frulieste unter alien seinen symphonischen. Entwiirfenzu gelten und zugleich mit ihrem Grundgedanken wie miteinzelnen ihrer Themenbildungen als ein beredtes Zeichen,mit welcher Grosse der poetischen und musikalischen IntentionenLiszt dereinst in die Bahnen des Schaffenden eingetretenist. Die franzosische Julirevolution mit ihren Scenendes Schreckens und der Trauer hatte ihm im Jahre 1830die Anregung gegeben, eine „Symplionie revolutionnaire" zuschreiben. In ihrer damaligen Gestalt ist dieselbe derOffentliclikeit niemals bekannt geworden. Als Liszt dannein voiles Vierteljahrliundert spater seine symphonischenDichtungen im Druck erscheinen Hess, sollte jedoch einTeil dieser Symphonie, nach seinen eigenen Mitteilungender erste, der Yergessenheit entrissen und, nach entsprechendertJberarbeitung natiirlich, jener Reihe musikalischerSchopfungen als ein selbststandiges Gauzes eingefugt werden.Es war die gewaltige Totenklage: die j,Heroide funebre."Von der ganzen Grosse des Yorwurfs ergibt sich imsaus dem, nach Seite der darin vertretenen 'Weltanschauungme der poetischen Gedanken gleich hochbedeutenden Yorwort,sogleich ein vollkommenes Bild, wenn "wir die "wichtigstenSiitze desselben hier folgen lassen. Horen wir alsozunachst den Schopfer des Werkes selbst:„ .... In stetem "Wechsel erscheinen und vergehen dieDinge me ein Traum, wie die Wellen einer ewig zu denIliisten der Jahrhunderte emporschwellenden Flut, so dasseinerseits der Anblick unaufhorlich sich andert,mr andrerseitssie verschieden auffassen. . . . Yon dieser immerwahrendenUmwandlung der Gegenstande und Eindriickesind aber einige ausgenommen, welche jedenWechsel iiberdauern, welche ihrer Natur nach unveranderlichsind. So unter Andern und vor Allem derSchmerz, dessen finstre Gegenwart uns immerdenselben Schauer einflosst, uns zu ehrerbietigem Beugenzwingt, uns sympathisch anzieht, wahrend er uns mitSchreken erfullt, uns immer gleiches Beben empfinden


— 112 —Iftsst, suche er nun Gute oder BOse, Sieger oder Besiegte,Weise oder Sinnlose, MSchtige oder Schwacheheim. In welchem Herzen, auf welchem Boden erimmer seine giftschwangere Vegetation ausbreiten mSge,woher er stamme, welches sein Ursprung sei, sobalder in seiner wahrhaften Grosse vor uns steht, ist ererhaben und erheischt unsere Ehrfurcht. Aus zweifeindlichen Lagern hervorgegangen und rauchend vonjttngst vergwesenem Blut, erkennen die Sclinierzen sichals Sprossen desselben Stammes ; sie sind die schicksalswaltendenunabwendbaren Schnitter jedes Stolzes, dieunerbittlichen Ebner aller Geschicke, Alles ist in dermenschlichen Gesellschaft dem Wechsel unterthan,Sitte und Kultus, Gesetze und Ideen: der Schmerzbleibt stets ein und derselbe, wie er seit dem Anfangder Dinge gewesen ist. Reiche warden erscktlttert,Civilisationen verbluhen, die Wissenschaft erobert neueWelten, der menscbliche Geist leuchtet stets intensive!— durch nichts aber wird die Intensitat des Schmerzesgebleicht, durch nichts wird er von dem Sitz envthront, auf welchem er herrscht in unsrer Seele, nichtsvennag ihm die Yorrechte der Erstgeburt zu entreissen,nichts mildert sein feierlickes, unerbittlicheaObwalten. Die ThrSnen, die er erzeugt, sind immeidasselbe bittere, brennende Nass, sein Schluchzenmoduliert immer •» '^^"selben durchschneidenden T5nen,mit unveranderlicher alonotonie pflanzt sbiu Terzagensich fort. Seine dunkle Ader str6mt durch alle Herzenimd verbreitet unheilbare Wunden in ihnen. tJheialle Zeiten und Orte weht sein Leichenpanier.Wenn es uns gelungen- ist, einige seiner Accentazu KlSngen zu gestalten, .las Kolorit 'seiner roterPinstemisse wiederzugeben, w%an wir vermocht haben,die Verheerung zu schildem, welche sich niedersenktauf Trflmmer, die Majestat, welche um verOdete Ruinenschwebt, dem Schweigen eine Stimmp *^ leihen , das


- 113 -auf Katastrophen folgt, den Schrei des Entaetzens•wahrend Schreckensereigiiissen nachtSnen zu machen,wenn wir die triiben Scenen erschaut und richtig erfassthaben, wie sie die, den Hingang einer altenOrdnung der Dinge oder das Entstehen einer neuenstets begleitende allgemeine Not im Gefolge hat —BO mochte unser Bild iramer irnd tiberall als •wahibefunden vrerden,"So-weit Liszt, der Programmdichter. Und nun znmTonpoeten. "Wendet sich Ersterer, wie dies schon das IWesendes Gegenstandes mit sich bringt, an die "weiteste Allgemeinheit,so schlfigt auch der Letztere Tone an, welche tiefsten"Wiederhall in der Bnist eines Jeden wecken mflssen, dessenInnerstes auch nur einmal von der vollen Gewalt des Schmerzesdurchsohtittert wurde, der auch nur einmal ganz unteidem Banne jener finsteren Majestat gestanden. Der Naturdes Gegenstandes entsprechend ist auch die Sprache desilusikers: von erschuttemder Gewalt und einem starrenund herben Qrundcharakter. Nur wenige mildere und lichtere,dafOr aber die Seele inmitten all' der Tone des Entsetzensund der Trauer nur um so tiefer bewegende Elangebrechen sich Bahn durch das allgemeine Dunkel. <strong>Das</strong>thematische Material an sich ist ein sehr einfaches, wenigeund meist kurze, aber wie immer bei Liszt ausserst prSgnanteMotive. Wie flberaU in seinen symphonischen Sch6-pfungen, so entfesselt Liszt natfirlich auch in diesem Werkedie ganze Gewalt des modemen Orchesters. Die Instrumentahnittelgelangen oft zu ausgiebigster Verwendung, umdie furchtbare Tragik, die hier wie mit ehernen Fussen einherschreitet,in all ihrer zu Boden drfickenden "Wucht zumAusdruck zu bringen. So begegnen wir dem Hauptthemazeitweise im gewaltigsten Unisono der Trompeten undPosaunen, beinahe samtliche Schlaginstrumente treten inAktion und selbst Qlocken fehlen nicht mit ihren dumpfenTrauerklangen.VIII. 8


— 114 —Sogleich bei den ersten Takten, dem ged^mpftenTrommelwirbel und den nachfolgenden, von grosser Trommelund Tamtam untersttitzten dumpfen SchlSgen glauben -wirumnittelbar unter dem Eindruck irgend eines schreckenvollenEreignisses zu stehen. In kurzen, laut bebenden Klagetdnenmacht sich dann das erste Entsetzen Luft:Bl.1- "^:^^:^:Po».Bttsse4 [|g^ y '1Nun steigt mit erschfittemder Gewalt in den Blechinstmmentenein Motiv (2 a) aufwarte , welches spator zumHauptthema (2) ausgestaltet auftritt In ihm ist der Schmerzselbst, in seiner Harte und Qrausamkeit, in seinem „unerbittHchenObwalten" verkOrpert:^-^yi/, I,«v, i --^Ifjfgr'] gg f r |~ MAn eine Wiederholung der einleitenden Takte ichliessen sichdann abwarts ziehende KlagetOne, "welche acli im Yereinmit dem Motiv 2 a zu heftigerem Ausbruch steigem -woUen,aber in einem tiefen Wehlautpl5tzlich verhallen. Diese eben geschildertenmusikalischen Yorg&ngebilden die Introduktion zu dem grandiosenTrauermarsch, in dessen Formdas ganze Werk gekleidet ist und dessen Haaptsatz sichnun auf dem von feierlichen RhythmenW'-'^^-hJffl4=Wf po$antteto.


getragenen Thema 2 in115diisterster Erhabenheit und gewaltigerBreite aufbaut. Weichere Q-egensStze zeigen sich nur hierund da vereinzelt in fliichtig auftauchenden Phrasen undMelismen, in denen es widerklingt von „gepresstem Schluchzenund Scheidegrtissen."5. Engl. Horn HornN§)^ J i l '^r^l^^i'i petpresa. dolenteSchwarze Trauerzflge glauben vni herannahen zu sehen,Venn die Streicher^6. ^ -^U Iff [ I^^'sich abwarts be-wegen und die Glooken bang dazu ertOneiLWie ein thrSnenumflortes Aufblicken aus der Nacht decSchmerzes ringt sich eine kurze Phrase los:f flebiUWie schwere Schritte naht es sich uns dann wieder mitfeierlichem Ernst, -wenn die BSsse in gleiohmassigem Rhythmuseinsetzen,8.^—* II —I- worauf der -wiederpma semprt pesanteholt heftig aufseufzenden Phrase 7 drohend und g^bieterisch das Hauptmotiv entgegentritt, bis uns dann anStellen -wie dieser:


:116 —• Pos0]^ Str,ai^f, ri->^fi%^^^rvon Neuem alle Schauer und Furchtbaxkeiten grauenvollerGeschehnisse ergreifen wollen. Yon hinschmelzender "Wehmuterfullt gleitet im Englisch Horn ein melodischer Gangabwarts,10. lagrimoaol^^'VIS kfri J 4'i.ibei der Wiederholung noch inniger im Ausdruck -werdenddurcli die Triole:11.i teg^ T=i=^Schwachere NachklSngedes Thema 9 und des Hauptthemas melden sich nochmals,unterbrochen von stockenden Accorden der Holzblaserund Streicher, bis endlicli nur noch dumpfe T6ne der Schlaginstnimentetlbrig bleiben, in deren durch Pausen unterbrochenenkurzen Schlftgen das schwere Beben des Herzenswiderklingt.Doch aut" die Dauer vennag das Menschenherz diefurchtbar drilckende Last nicht zu tragen. Es verlangtnach Trost und sucht ErlOsung in Thranen. Eine wunderbareMelodie hebt jetzt, gewissennaassen das Trio des Trauermarschesvertretend, nach einer Pause an


117dole« eantabiU12. Hr.J1~J.^i>j-^Mf i7rrrT^.rrrirM.m^Fioia oon Sori^^^i^rfffMit ihrer herzergreifenden Innigkeit -will sie alien Schmerzin sanfte Wehmut I5sen. Wahrend sie zuletzt anf demB-dur-Accord ausklingt, setzt gleichzeitig die Trompete mitfeierlichen TOnen ein:18. marxiaU t solennt.'.P% ^Tromp.V^^A^'t^Str. (87a bassa.)^»w'T=! ^ 1 r^Die Siegesfanfare erschallt uber blutiger Walstatt, als -wolltesie uns kunden, dass all' der Schmerz nicht umsonst getragenwerde, dass Blut und Thranen nicht vergebens geflossen.Tiefemst freilich ert5nt anfangs auch sie, alsbrache Sonnenlicht gedSmpft durch Trauerflor herein. Baldaber erschallen ihre Klange lauter imd lauter iind steigemsich, vom ganzen Orchester ergriffen, zu machtigstem Auf-Bchwung. Die sanfte Melodic (12) wiederholt sich, jetztgesteigert und verklart, durch Hinzutritt der Yiolinen inhOchster Lage. Am Schluss wendet sie sich diesmal nachdem C-dur-Accord , auf -welchem nun nochmals die siegkundendeFanfare glanzend emporsteigt.Doch ungeheure Opfer hat der Sieg gekostet! DerGedanke an den Preis, um den er erkauft -wnrde, muss


— 118 —nach den costenden und erhebenden KlSngen doch -medeidie Oberhand gewinnen. Der Schmerz bricht von Neueromit voUflter Qewalt hervor. Ein Tail des ersten Satzebiederholt aich, aber verstarkt und bewegter im Ausdruck.Die vorher ruhig abwSrts schreitenden Bassfiguren (6 u. 8)Bind in unruhiges Tremolo verwandelt, chromatisohe Qangetreten darwiscben und das Hauptthema (2), wenn es dieMacht des Schmerzes von Neueni mit ein


—•119 —Einsam klagt noch einmal das wehmutsvolleThema 10.Dann fuhren die diisteren Eindriicke, welche schon denersten Teil der Tondichtung beschlossen , zum Ende der/etzteren hin. Aus diesem Ausgang des Werkes sprichtnochmals jener tiefe Pessimismus, welcher das Ganze durchklingtnnd der schon im Yorwort zum Ausdruck kommt,wenn es dort n. A. heisst, dass der ,Trauerflor wie einEpiderm verwachsen ist mit der sterblichen Htille des Menschen",oder dass „alleFalmen, •welclie sich kuhn und stolzin feindlichen Lagern gegeneinander stellen, in Heldenblut,in unversiegbare ThrSnen getaucht sind.""Wenn aber selbst alle Siege der Menschheit zuletztdoch nicht den Schmerz aufzuwiegen vermSgen uber die Opfer,die sie gekostet, so kann es sich jetzt einzig noch danuniiandeln, die G-edanken tiber das Entsetzliche des <strong>Das</strong>eins,una mit einem modernen Philosophen zu reden, in Yorstellungenumzubiegen, mit denen sich leben Msst.In diesem Sinne diirft^ der, zwar gleichmassig in tiefnSchtliche Farben getauchte, zuletzt aber dennoch in Duxausklingende Schluss, "wie uberhaupt die tiefere Bedeutungder ganzen Tondichtung zu verstehen sein.So bliebe denn endlich nur noch die Erage nach jenerwunderwirkenden Macht, welche uns uber das Furchtbaredes <strong>Leben</strong>s hinwegheben soil.Der Philosoph in "Worten imd der Philosoph in Tonen,begegnen sich in der Antwort, wenn Jener die Kunst als„die rettende heilkundige Zauberin" preist und Dieser inder Yorrede zu seinem Werke von ihr sagt: „8ie naht undhuUt den Grabhtigel der Tapferen in ihren schimmemdenSchleier und kront Sterbende und Tote mit ihrer Glorie.a;if dass ihr Loos neidenswert sei vor den <strong>Leben</strong>den."Arthur Hahn.


<strong>Franz</strong> Liszt,H u n g a r i a.Symphonische Dichtung.Entworfen 1846; ansgefiUirt 1853—56. Erste AufRUirung: Pest, 1859.Im Drack erschienon: Leipzig, 1857, bei Breitkopf k Hftrtel; Bearbeitnngen fOrtwei Elayiere, Elavier sn i HAnden (vom Komponisten) and ElaTier zu 2 H&aden(von F. Spiro) ebendaselbst.'n seinem reichen und vielgestaltigen kiinstlerischenWirken, velches sich mit Ansnahme des musikalischenDramas so ziemlich auf alle Gebiete der Tonkunsterstreckte, hat <strong>Franz</strong> Liszt es auch nicht unterlassen, durcheine Reihe ktlnstlerischer SchOpfungen dasjenige zu verherrlichen,woran gerade er, der "Weitgewanderte, Yielgereisteund als Virtuose allerwarts auf das Gllnzendste Gtefeierte,immerdar mit inniger Liebe gehangen hat: sein Heimatland.Im heimatlichen Mutterboden vird ja jedes echte,ursprilngliche Kunstschaffen, mag es auch imter den Einflilssenmoderner Bildung eine "Weltsprache und eine Weltbedeutunggewonnen haben, fflr die es keine GrenzpfShlegibt, schliesslich doch immer die Wurzeln seiner Eraft haben.Bei keiner kiinstlerischen Erscheinung hat sich dies woh'glanzender bewahrt, als bei Liszt's grossem Kunst-, GteistesundKampfgenossen, bei Richard Wagner. Finden in desletzteren Werken deutsches Wesen und deutsche Art ihrengrossartigsten kiinstlerischen Ausdruck, so ist man immer


121 -gern geneigt, neben dem Deutschtum Wagner's der Eunsteines Liszt eine mehr kosmopolitische Stellung anzuweisen.Sein ganzer <strong>Leben</strong>sgang -wie seine geistige Entwickelungmnssten allerdings nach einem eolchen Ziele treiben. Seinreichbewegtes Kunstlerdasein wie seine eigenttimliche Anpassungsfahigkeitund sein ungemein flexibler Geist hattenee ihm leicht gemacht, sich die Bildungselemente undgeistigen Guter der verschiedensten Kultumationen zu eigenzu machen und seine Eunst vermochte mit gleichem Erfolgan den deutschen ^Fausf wie an die Poesie Dante'sOder Petrarca's oder an die Dichtweise eines Yiktor Hugo,Byron, Schiller, Lenau und vieler Anderen anzukntlpfen undin gleichem Grade das "Wesen deraelben zu erfassen, um esin kongenialer Tonsprache wiederzugeben. Der universeUeZug im Wesen Liszt's hatte aber nichts weniger als etwa,wie man vielleicht hatte befurchten k5nnen, eine gewisseintemationale Yerschwommenheit des Ausdrucks zur Folge.Im Gegenteil erscheint seine kunstlerische PersSnlichkeit beialler Akkomodationsfflhigkeit seines Geistes iiberall geradeals eine Individualitat von aUerscharfster Eigenpragung, wiewenig Andere, und neben dem kosmopolitischen Zuge seinerEunst macht sich an anderem Orte bei ihm gerade wiederein nationales Element oft in hervorstechendster Weise undkraftvoUster UrsprGnglichkeit geltend, in SchSpfungen, diemit ihrer hinreissenden und packenden GewaJt des Ausdmckseine musikalische Gattung fur sich bilden.Mit der Reihe lebenspruhender musikalischer Bilder undSkizzen, welche sich in den ungarischen Rhapsodienuns darbieten, hat Liszt die nationale Sonderart seinesHeimatlandes in die Konzertsale der ganzen Welt getragen.Ein besonders hochragendes Monument aber hat er ihr nochin der symphonischen Dichtimg „Hungaria" errichtet.All' jene tiefen, unauslQschlichen Eindriicke, wie sie derMeister in dem Lande seiner Eindheit schon fruh und dannbei jeder spateren Wiederkehr auf's Neue empfangen, unddie sich ihm, dem Tondichter, vor aEem in den heimatlichen


— 122 —KUngen wiederspiegeln museten, sie hat er in diesem Werkezn einem grossen, farbenreichen Gemalde zusammengefasst,aus 'welchem Land und Yolk in jener idealen Auffassungand doch zugleich natiirlichen Frische, Treue und Wahrhaftdgkeituns anblicken, wie sie die Tonkunst in so einz'^rerWeise zu vereinigenim Stande ist.Die Studien, welche er zu jenen Werken direkt ander Quelle machte, gestalteten sich zugleich zu Erlebnissenvon interessanteater und reizvollster Art. Im Jahre 1838betrat Liszt nach lUngerem, durch die kilnstlerische Lehrzeitund erste Thatigkeit bedingtem Femsein wieder UngamsBoden. Mit der ganzen gltlhenden Hingabe, mit der erBtets dem jeweiligen Qegenstand seines geistigen Interessessich widmete, warf er sich hier auf die Erforschung jenes,mit dem Ungartum so eng und innig verwachsenenmusikalischen Idioms: der Zigeunermusik, welche mitihrer eigenartig seltsamen Melodik und Rhythmik imd deraufregenden Ktlhnheit ihrer Harmonien schon von je ihrenmachtigen Zauber auf ihn ausgetlbt hatte. Mitten unterdem Wandervolke, den Kindem der Haide selbst, brachte erdamals seine Tage zu. ,Jch besuchte sie draussen in ihremReich, schlief mit ihnen unter freiem Himmel, spielte mitden Kindem, beschenkte die Madchen, plauderte mit denHerzOgen und Hauptlingen, lauschte den Konzerten vorihrem eigenen nicht bezahlenden Publikum im Schein derHerdfeuer, deren Platz der Zufall angewiesen" — soschreibt er dar&ber. Eb waren wundersame Tage undN&chte voU romantLBchen Zaubers und toller Schw&rmerei,die er dort bei ihnen in Wald und Flur, fern von allerKultarmenschheit, zugebracht, in denen er Zeuge ihresganzen <strong>Leben</strong>s und Treibens wurde und vor aUem ihreSCerkwHrdige Art aus den Weisen ihrer improvisiertenQrchester in sich aufnahm. Die geistigen und ktlnstlerischenFrllchte der damaligen Erlebnisse blieben nicht aus. Dieeinen erbUcken vrir in dem wertvoUen literarischen Dokument,Die Zigeuner und ihre Musik in Ungam'*, welcheB den


^'- - 129 —sechsten Band von Liszt's gesammelten Schriften (Leipzig,Breitkopf & Hartel) bildet, die anderen in der schon erwahntenReihe musikalischer Gebilde: den Rhapsodien. Und alsLiszt 68 iinteraahm, sein Ungarland in einer symphonischenDichtung zu schildern, da musste das dem Zigeunertuineigene musikalische Element so gut ein "Wort mit zu sprechenhaben, wie es mit dem ganzen Voltstum und den nationalenWeisen des Ungam innig verbunden erscheint.1st die „Hungaria" schon hinsichtlich des musikaliscnenGedankenmaterials den Rhapsodien \md anderen auf nationalenThemen aufgebauten Tonwerken Liszt's nahe verwandt, soerinnert sie auch sonst, in ihrem Gesamtcharakter an jene,wennschon sie in weit gr5sseren Verhaltnissen und aufbreiterer Gnindlage angelegt ist. "Wie so oft in denRhapsodien, so wechseln auch in der „Hungaria" die gegen-Batzlichsten Stimmungsmomente, Melancholie und wildesFeuer, tiefe Trauer und tiberschaumende Lust, traumerischesSchwannen und das dem Magyarenstamme eigene stolze, im<strong>Leben</strong> so oft in's Masslose sich steigemde Selbstbewusstsein,kurz alles, "was uns aus den Weisen des Ungamvolkes inso ausgesprochener Eigenart entgegenklingt, rasch und vielfachim scharfsten Kontrast mit einander ab: ein getreuesAbbild des oft jah und plOtzlich von einem Extrem in'sandere uberspringenden ungarischen Nationalcharakters.Yon eines Yolies Freud' und Leid, seinem Jauchzenund Klagen, seinen Kampfen und Siegen erzahlt uns dieses"Werk. Dumpf lastender Schmerz, dtlstere Schwermut, bildetden Lihalt des knrzen, der Tondichtung als Einleitungdienenden Largo con duolo, welches mit einem klagendenHalbtonschritt in Hornem und Fagotten beginnt.1.^Ein dflster abwartssteigende*'^tr_ Motiv folgt unmittelbar in den^*'jf^t-^'*' Bassen.


w^^mtn124 —Die schmerzliche Stmunungdes Ganzen steigert sich dann^tz um schliesslich in einenlangeren Gang der Basse auszutSnen,worauf die letzterenmit oem Eintritt eines Andante marxiale in marschmassigenRhythmus iibergehen. Ein mehr stolzer Zug — auch inZeiten des Ungemachs meldet sich das nationals Bewusstsein— herrecht jetzt vor,- im Charakter der Begleitung -wie inden Themen:^^44^jb^^bi-^t^^r-?-andvon denen die mit abezeichnetenStellen filr die Folge als Motivevon hervorragender Bedeutungsind. Nach mehrfacher Wiederholungder Themen auf ktlhn-wechselnden Harmonien fuhrt 4a zu einigen tief melancholischgestimmten Lar^o-Takten. Wie einsame Klagelaute aufveiter, Oder Haide lasst daa englische Horn nach vorausgegangenenschmerzlichen Accorden der Holzblaser einekurze melodische Phrase ertOnen, welche in der Klarinetteechoartignachklingt5.^F^ft-^j-^^Gleich einer flflchtigvorQbergehenden Stimmimghat das Largo denMarziale-Satz unter-


— 125brochen, welcher jetzt wieder einsetzt Zwei neue, mit 3und 4 einigermassen verwandt erscheinende Themen (6, aund b) treten gleichzeitig miteinader auf:6,^T^-nj-r^\[ j fp J^§:^^^ * H'^nHA^S ^^Danii fiilirt uns das Motiv 4 a zu einem weiteren Thema;7»Jj-OiJ^.' 11.^:I^#^4^^aus "welchem ein Yiolinsolo pl5tzlich aufsteigt und ineiner Kadenz in hSchster HShe sehnsuchtsvoll verklingUDer braune Sohn der Pnszta, der Zigeuner stelit vor unsund lasst sein phantastischee Geigenspiel ert5nen. Einenach "Wiederholung des Yiolinsolo sich aufbauendo Steigerungmit immer leidenschaftUcher werdendem Ausdrucsk endigt ineinem glanzenden Allegro eroico, in deesen feierlich kraftvollen,von Blechinstnimenten und Pauken auagefilhrtenRhythmen der selbstbewusste Stolz und das ausgepragte^ationalgefflhl des Ungam am deutlichsten sicli malt


126 —8.itfnv^M'' M JTromp. Pos. Paak«.IAnklange an das Thema 3 ftlhren von dem vorfitehendenrasch zn einem neuen, in "welchem eine mit Stoligepaarte FrOhlichkeit blitzartig aufleuchtet.Rasch verklingt sie wieder, noch flflchtig in Triangelkl&ngennachzittemd. Die Themen 4a und 2 TerdQstemdie Situation wieder. Doch von Neuem tritt die gehobeneStimmung des Eroico -Sa.tieB und des nachfolgenden Vivoin den Vordei^nmd. Ein lAngerer DurchfilliruHgasatz aufden bisher dagewesenen, in immer scharferen Kontrast zueinander tretenden Themen entwickelt sich zu einem Tumultder widerstreitendsten Empfindungen. Der Eampf, den Lustund Schmerz, der dem Yolke in der Tiefe seiner Seelelebende unzerstOrbare Geist des Frohsinns und das eigoneKraftbewusstsein wider alle feindlichen Gewalten, iussereand innere, fOhren, erreicht hier seinen Hflhepuntt. Wieeine Entscheidungsschlacht zwischen jenen Maohten mutetdieeer ganze Teil an, und man hat sogar Ofters behauptet,


127 -dass in der That eine wirkliche kriegerische Episode auatJngarns Geschiclite dem Komponisten vorgeschwebt habe.Noch einmal, nachdem sich das Motiv der Freude (9) bereitssiegreich manifestiert hat, sehen wir dann das Volk plStzlichwieder in tiefer Trauer. Ein grosser, allgemeiner Schmerz,ein nationales Ungluok, der Tod vieler Helden vielieicht,lastet furchtbar auf alien Gemutern. <strong>Das</strong> Largo con duolo (5)taucht wieder auf und bildet den Ubergang zu einem kurzenTrauermarsch. <strong>Das</strong> jetzt duster klagende Thema 6aund das spaterhin folgende Thema ? bilden das melodischeElement desselben, -wahrend die jetzt in Moll intonierendeu^roico-Accorde Rhythmus und Harmonie dazu geben.10. Vol.lamentoso.^Auf einem lang gehaltenen Kontra-B tont endHch dieKlage aus, um zuletzt in einem auf A anhebenden leisenPaukenwirbel ganzlich unterzugehen. Derselbe leitet,pianissimo beginnend, begleitet von Trommelschlagenin marschahnlichem Rhythmus einen gewaltigenSieges-Aufschwung ein. Der tiefen Niederlage folgt diesiegreiche Wiedererhebung aus eigener Kraft. Gleieh fluchtigenLichtbUtzen zuckt zuerst Thema 3a auf, dann beginntauf Thema 9 die Steigerung, die schliesslich zum glanzendstenWiedereintritt des jetzt als Allegro trionfante bezeichneten^ro^co -Satzes gelangt, in welchem die alles Leidbezwingende Kraft unbeugsamen Heldensinns ihren Triumphfeiert Und alle Geister der Freude sind mit einem Malewiedererstanden. In dem Stretto (Thema 8) lassen sieihren Siegesjubel erschaUen, der in einem Presto giocoso


- 128in lant au^auchzende Lust umschl&gt Dann geht es welterbis ZTim bacchantischeii Taumel, endlich bis znr dSmonischen"Wildheit, in dem Moment, da der Freudenrausch plCtzliclidurch einen breiten, von einem ;f-Tamtamschlag begleitetenAccord der Blaser unterbrochen wird. Eine Folge vomganzen Orchester mit gleich kolossaler Gtewalt und erschiittemderEindringlichkeit wiedergegebener Accorde fllhrt zu denSchlusstakten, einem majestatisch auf- und niedersteigenden,rhytkmisch an das Thema 3 eiinnemden Gang der Posaunenmit dem dardber nochmals anklingenden Heldenthema.Arthur Halm.


<strong>Franz</strong> Liszt,Hamlet.SjTnphonischeDiclitung.eEntstanden : 1859. Erste Auffiihrung: 1886 in Sondershaasen. Partitur erschienenei Breitkopf & HSirtel in Leipzig; Bearbeitungen flir 2 Klaviere, Klavier zu vierHfinden (vom Komponisten) nnd Klavier zu zwei Htoden (von Th. Forchhammer)ebendaselbst]Sekr langsam und diister,Ri.sfKl. Fag, Pk. Kb. ppp schwan-=^?5^-4^V-^-kend.perdendo.So tritt uns die Gestalt Hamlet's bei Liszt entgegen,in den ersten Takten des Tonstiickes sogleich den -wichtigstenund fur ihre Entwiekelung bedeutsamsten Zug ihres Wesen?offenbarend.VIII.


— 130 —Oder besser gesagt: jenen Charakterzug, welcher nachder Auffassung des Tondichters in ereter Linie beetimmendist fiir die Entwickelung und das endlicbe Schicksal seinesHelden. Denn von einer allgeinein giltigen Auffassung kannja fast nirgends so wenig gesprochen werden, als geradebei diesem Gegenstande. Besitzen wir doch eine ganzeLegion aller mOglichen Arten von EEamlet-Erklaningen undnoch darf die Reihe von Versuchen, das bier sicb bietendedichteriscbe Problem zu iSsen, sch-werlich als abgescblossengelten. Insbesondere hat die deutsche Litteratur nock immerAussicbt, nach dieser Seito bin eine mitunter sogar bedenk-Uche Bereicherung zu erfahren, denn neben den respektgebietendenArbeiten emsthafter und zum Teil bedeutendsterGeister treibt gelegentlich auch der unfreiwillige Humor derHerren Deutobold, Mystifizinski und Q^nossen auf demgedachten Gebiete sein lustiges Wesen. Soviel Hamlet-Erklarer, soviel verschiedenartige Auslegungen des Gegenstandes,kann man beinahe sagen. Nicht weniger divergierendwerden demgemass natdrlich auch stets die Ansichten fibereine kdnstlerische Darstellung der Shakespeare'schen Gestaltsein. Man forsche einmal nach, wie viele Urteile und Meinungenbeziiglich der Richtigkeit oder Unrichtigkeit derAuffassung eines Schauspielers, der den Hamlet giebt, etwaunter einen Hut zu bringen sein wilrden, und man wird,wenn man auch nur die wesentlichsten Punkte dabei imAuge hat, aUer Wahrscheinlichkeit nach eine sehr drastischeniustration zu unserer Behauptung erhalten.Ebensowenig aber wird wohl eine musikalische Schilderungdes Hamlet-Charakters, was die zu Grunde liegendeAiiffassung anlangt, allgemeine Beistimmung finden und sogleichdem VerstSndnis weiterer Kreise zugangUch seinkOnnen, wenn auch andererseits dem empfSnglichen HOrerdie Musik als unmittelbarster Ausdruck des Empfindensmanche verborgenen Tiefen wieder leichter zu erschliessenvermag, als dies den b^xifFlichen Entwickelungen des Analytikers,oder selbet dem, gleich dem Mosiker mit rein


— 131 —kiinstlerischen Mitteln zu Werke gehenden SchauspielermQglich ist.In dem miisikalischen Charakterbilde, welches Lisztuns von Hamlet giebt, scheint uns der Tondichter jenerAuffassung zu folgen, •weleher der Danenprinz in ersterLinie als der „Held der Reflexion" gilt. Jener Wesenszug,den uns das Eingangs wiedergegebene Tongebilde als denhervorstechendsten an Hamlet's geistiger Personlichkeit zumBewusstsein bringen will, stellt sicli als ein Gemisch vongrubleriscliem Sinnen und Fragen und unentschlossenemScliwanken dar. Es versinnbildlicht sicli uns in dieserganzen Toncharakteristik eine ISTatur, bei der die Neigungzu reflektierender Betrachtung in ausgesprochenstem undvollig iiberwiegendem Maasse vorhanden ist, in einem Maasse,dass sie sich leicht zu einer endlicli alle Thatkraft lahmendenZweifelsucht steigern kann. Sie ist es, die dem Heldenscliliesslicli zum Yerliangnis werden muss. "Was sich inseinem Ringen und Leiden vor uns abspielt, ware dann dieTragodie des Zweifels.In diesem Sinne durften wir uns die Liszt'sche Auffassungund musikalische Nachdichtung des Hamletdramaszu deuten haben. Nicht als Tragodie jenes Zweifels freilich,aus welchem neue Wahrheiten geboren werden, welehervorwiii'ts fiihrt auf der Balm des Erkennens, sondern desZweifels, „welcher zu genau bedenkt den Ausgang", dermit unaufhorlichem Nagen jedwede That im Keime ersticktund einen kaum betretenen Boden sofort wieder unterminiert.Es ist der unfruchtbarste Zweifel mit dem wir es hier zuthun haben, der Zweifel, der zuletzt nur zu dem absolutenNichts fiihren kann. Um Hamlet voUends zu diesem Zielezu drangen, gesellt sich jenem Hauptzug seines "Wesensnoch sein Ekel vor dem schmachvoUen Treiben der Welt,wie es sich in seiner nachsten Umgebung wiederspiegelt.Als poetische Ausgangspunkte der musikalischen Hamletcharakteristikwaren also neben den oben zitierten Worten


::— 132 —in erster Linie etwa noch die Stelle aus dem „Sem oderNichtsein "-MonologDer angebornen Farbe der EnischliessuivjWij'd des Oedankens Bldsse angekrdnkelt —und sodann jene Worte anzusehen, in die Hamlet, zum erstenMale tief angewidert von Welt und Menschen, ausbricht,als er gewahr wird, wie leicht das Andenken an seinentrefflichen Yater bei Allen, selbst bei seiner Mutter, durcbdessen unwiirdigen I^'achfolger ausgelOscht werden konnte:Wie ekel, schaal und flach und unerspriesslichScheint mir das ganxe Treiben dieser Welt!Pfui! pfui daruber! 's ist ein unister Oarten,Der auf in Samen schiesst; venvorfnes UnkrautErfiilH ihn ganxlich.Die aUzu starke Neigung zur Reflexion, die Zweifelsuchtund die aus dem Ekel schliesslich entspringende Weltverachtungsind die Ursachen, dass Hamlet tiber leere Zomesausbruche,seien dieselben nun gegen seine Umgebung oderdie eigene Person gerichtet, nicht hinauskommt. Der Zweifellasst ihn das Handeln zu lange erwagen, der Ekel iSsst esihn verschmahen und er gelangt erst dann zu einer That,als es fQr ihn selbst zu spat ist. Ein derartiger Sinn klingtuns aus den musikalischen Hauptgedanken heraus, welchein jahem Wechsel als zweifelndes Sinnen und Bedenken,als wilder Hohn, Zorn und wfitende Raserei in dem Tongedichtsich folgen und einander abl5sen.<strong>Das</strong> Bild Hamlet's, des Grftblers und Zweiflere, welchesuns die ersten Takte des Tonstuckes malen, wird in demFolgenden noch weiter ausgefuhrt. Die in der zu Anfangcitierten Tongnippe bereits enthaltene erste motivische Bildung,die wicbtigste und bedeutungsvollste, werden wir zu bezeichnenhaben als das Motiv des nagenden Zweifels selbst


^m 5EErkenntnis^empor,=rg3:133Aus diisterem Sinnen ringtsich das nachste Thema vne eineheftig drangende Frage, ein heissesYerlangen nach Gewissheit undaber immer vom Zweifel begleitet:2. Viol.VI.Ob.Kl. Str. ilotiv d. Zweifels (1),Nach mehrfacher, sich steigemder Wiederholung diesesThemas scheint es plotzlich, als soUte dem fragenden undzweifelnden Gemiit Klarheit zu Teil werden. Ein im Violoncelloaufsteigender Gang, der das Thema bisher immer eingeleitethat, gelangt zu einem Kuhepunkt auf Dis, gleichsamauf festeren Boden, und von oben her bricht in Holzblaserharmonieen(H-dur u, Es-dur) plotzlicher Lichtschein herein,der seine Strahlen in die Seele des Helden senden will.3. Hbl.^ Vcl. Hr.Aber schneU triibt sich der Blick ; den Dur-Accordenfolgt sogleich ein schon leicht verschleiert erscheinendesC-moU, gleich einer neuen Regung des Zweifels. Eine zweitaktigeGeneralpause tritt ein, wie ein Moment des Nachdenkens.Und nun bricht der Zweifel aufs Neue hervorund durchwiihlt mit voUer, zersetzender Gewalt die Brust:die Einleitungstakte des Tonstiickes wiederholen sich, durch


:c134 -Hinzutreten des ganzen Orchesters bedeutend verstarkt, undstatt der Paukenschlage diesmal von einem Sturm der Streichinstrumentebeschlossen, in welchem der heftige Unmut tlberdie aus der Neigung zum Zweifel hervorgehende Unfahigkeitzur That sich Luft macht.Wahrend das Tempo allmahlig etwas schneller wird,fClhrt des Motiv des Zweifels aus dumpfem Grubelnmf pesante.zu einem neuen leidenschaftlichen Ausbruch,dem wohl eineahnliche Deutung wie dem vorangegangenen zu geben ist.Rasch verhallt derselbe wieder. In dem nun folgendenbewegten Satz spiegelt sich Hamlet's schon oben erwahntesYerhaltnis zur Welt vieder. Fur diese Welt, deren Zwecker nicht zu erkennen vermag und vor der er nur tiefen Abscheuempfindet, hat er nichts mehr ubrig, als vernichtendenHohn5. Dieses wie hShnendesgi*—n,— -giIS~ -^uflachen erklingende, vonigq h jJ^i^ * tiefer Ironie erfflllte Motiv"^f*i^"^ steigert sich rasch bis zueiner abermaligen, diesmal aussert heftigen Kundgebung desZweifels (1), wahrend gleichzeitig ein spSter zu gr5ssererGeltung gelangendes Thema (7) hier bereits fragmentarischanklingt. Hohn und Zweifel gehen endlich in wildes Wiitenauf, bis wir bei der, mit ilirer leeren Quinte laut aufschreiendenFigur der Trompeten, HSmer und Holzblascrendlich vor demgahnenden Nichtsangelangtscheinen,zu dem jetzt


— 135 —das schon erwahnte Thema (7) in seiner vollstandigen Fassung,von Posaunen iind Streichern ausgefflhrt, wie ein trotzigesBekenntnis emporschaUt:'-»< J r-» *-T-.»-?:?=i:»:g^ a^=i=?Eetc.<strong>Das</strong> Thema -wiederholt sich in D-moll und erscheintdann in der Hohe (Holzbl,), zuerst wechselnd auf Es-duriind As-moll, daun auf H-dur und E-moll, bis zuletzt nurnoch der schneidende Hauptaccent, gefolgt Yon einer mitgrOsster "VVucht gebrachten Figur der Streicher, ertont: einenochmalige nachdriicklichste und •wtitendste Bekraftigung derEinsicht in das Nichts:8.:i^^^h^^m^^i±^J±3Ji -wD^WtJOCZSZ8va bassa.Orch.7^-vfffStr.^^^Orch.Eine lange Pause folgt. Die Erinnerung an eine derverlockendsten Erscheinungen der "Welt wird in Hamlet nocheinmal wach. Gleich einem SchattenbUde zieht Ophelia'sGestalt voruber:fffStr.Hbl.pp dolce ed espressivo.


^— 136 —Diese Takte •wiederholen sich sogleich in hOherer9a.^3Id «tHbLi ^IIOktave, worauf die Tonschilderung folgendermaassen weitergefiihrtwird:^f=r-^ %=^VioL Solo.-J d Jnpoco rail.smorx.Dies ist Ophelia's Gestalt, wie sie Hamlet erschaut,als sein Herz bereits von dem lieblichen Bilde Abschiednimmt. Ophelia's Worte, mit denen sie jenen merkwiirdigenBesuch Hamlet's bei ihr schildert, werden ims dabei lebendig:Er ergriff mieh bei CLer Hana und Melt mich fest,Dann lehnf er sich xuriick, so long sein Arm;Und mit der andern Hand so iiberm Auge,Betrachtet er so priifend meinxeichnenAls wolW er'sOesicht,iind iiber seine SchulternBen Kopf xuriickgedrehi, schien er den WegZu finden ohne seine Augen; dennEr ging xur Thiir hinaus ohn' ihre HilfeUnd wandte bis xuletxt ihr lAcht auf mich.Hamlet sieht auch in dieser SchOnheit und ^usserenAnmut nnr trfigerischen Schein. Mit dem ironischen Motiv(5), dem der Zweifel und die trotzige Weltverneinung (7'folgen, reisst er sich los. Diese musikalische Oedankf


137 -verbindung entspricht wieder melir dem Inhalt der spaterenScene, in welclier Hamlet Ophelia die "Worte :„ Oeh' in einKlosier!"" zuruft. Noch einmal steigt dann das Schattenbildder "Weibesschonheit vor seinem Geiste empor, um fur iminerzu entschwinden.Ein nouer leidenschaftlicher Ausbruch folgt jetzt.dem wie verzweifelt empordriingenden ThemaIn10. Viol, appassion. assai.^W m^^dispernfo.feEIt^*?^ ?Ob.Hbl.Su;> l^ *—ir-9'r^gferkennen wir eine Yeranderung und Erweiterung des Thema2. Heftig schliesst sich Thema 7 daran, wild folgt dasironische Motiv. Der Hohn, das gellende Auflachen steigertsich zu jahen Aufschreien. Der Zweifel macht der VerzweiflungPlatz. Ausserst heftige Stosse des ganzen Orchestersgeben derselben Ausdruck. Plotzlich werden sieschwacher — wir glauben den Helden zusammensinken zusehen. Ersterbend, dutch Pausen zerrissen, verhaucht dasironische Motiv. Dann scheint AUes voruber zu sein.Nach einer Pause erklingen wieder die Einleitungstakteder Tondichtung. <strong>Das</strong> geistige Bild des Helden taucht nocheinmal vor uns auf, wie es sich uns zuerst gezeigt, mitjenem unheilvollen Charakterzug, der uns das Schicksal unddas tragische Ende Hamlet's erklaren soil. Unverandert stehtdas Tongebilde vor uns nach all' den vorausgegangenenStiirmen. Alles Ringen ist vergeblich gewesen. All'jene leidenschaftlichen Eruptionen haben zuletzt dochwuT die Luft erschuttert, ohne dass dadurch am "VVesen der


— 138 —Dinge etwas geandert werden konnte. Keine walire Thatkonnte geschehen, der Zweifel hat alles Wollen vemichtet.Die feierlichen Trauennarsch-Rhythmen eines gewisserraassenals Epilog dienenden Andante funebrebeschliessendas Tonstuck. Die vomehmsten Motive des Werkes, derZweifel, die 'Weltvemeiniing, die Ironie klingen sammtlichdarin nochmals an. Seinen HQhepunkt erreicht dieser Satz,als fortissimo das Motiv des Zweifels in eigentflmlichfahlem Lichte erscheiut. Es ist das letzte Mai, dass wir esvemehmen. <strong>Das</strong> ironische Motiv ftlhrt endlich zum Schluss.Wie aus Ghrabestiefe klingt es herauf, um sich rasch zuzweimaligem schmerzlichen Aufschrei zu steigem. Noch zweidumpfe Paukenschlage und Basspizzicatos — und die erschilttemdste,nahezu jedes Ldchtblicks entbehrende TragOdiaist zu Ende.Arthur Hahn.


<strong>Franz</strong> Liszt,Hunnenscl^lacht.Symphonische Dichtung.[Entworfen TiBd ansgeftihrt: 1856—57. Erste Anffflhrnng: Weimar, 1858.Im Drnck erschienen: Leipzig, 1858, tei Breitkopf & Hiirtel; Bearbeitangen Jfurzwei Klaviere, fiir Klavier zu vier HSnden (vom Kompoiiisten), fur Klavier zaz-wei Handen (von L. Stark) ebondaselbst].'ilhelm v. Kaulbach's bekanntes grossesWandgemalde „Die HunnenscMacht" imTreppenhause des Neuen Museums zu Berlinhatte auf <strong>Franz</strong> Liszt, als er es zum erstenMale gesehen,sogleich einen ungewohnlichen Eindruck gemacht. Sein furalles Machtvolle, in grossen Gedanken und Formen sich Ergehendeso ungemein empfanglicher Geist fuhlte sich hierauf das allerstarkste angeregt, so tief und nachhaltig, dasser endlich selbst zum kunstlerischen Scliaffen gedrangt wurdeund in der ihm verliehenen Sprache das zu tonendem Ausdruckbringen musste, was bei der Erinnerung an Kaulbach'sSchopfung sein Innerstes bewegte und ihm als leitende Ideedaraus entgegeuleuchtete. Es war das erste Mai', dass derSymphoniker Liszt von einem Werke der bUdenden Kunstdirekt seine Inspiration empfing. Wohl hatte auch seinerZeit bei der Konzeption des „ Orpheus" eine bildnerischeBehandlung des Stoffes seiner Erinnerung vorgeschwebt,


- 140 —doch wird man deshalb noch nicht behaupten kSiinen, dasadaraus die unmittelbare Anregung zu jenem "Werke hervorgegangensei. Bei der „Hunnenschlacht" aber war dasWerk des Malers von vom herein von bestimmendeni Einflussauf dem Musiker, den die Grundidee des Gkinzen sowohl,"wie der sie vereinnbildlichende Gegenstand durch seine be-BondereNatnr gleichermassen angezogen haben dflrften.Der Anschluss des Tonkilnstlers an den Maler, denwir hier finden, war ilbrigens von Ersterem anfanglich innoch weit ausgedehnterem Maasse gedacht. Liszt beabsichtigtenamlich, den tlbrigen funf am gleichen Orte befindlichenKaulbach'schen Gemalden ebenfalls symphonische Gebildean die Seite zu stellen. Ja, es soil sogar noch die eigenartigeAbsicht bestanden haben, mit einer malerisch-musikalischenDarstellung der Gegenstande auch das poetische"Wort eng zu verbinden, wahrscheinlich in Theaterauffuhrungen,Tind zwar soil, wie uns in der von La Mara herausgegebenenSammlung von Briefen Liszt's*) mitgeteilt wird, Dingelstedtdie Nachdichtung in Versen geplant haben. Kaulbach selbststand der ganzen Idee durchaus sympathisch gegenCLber,cenn er schreibt darfiber einmal an Liszt:„Dein origin eller und geistreicher Gedanke, diemusikalische und dichterische Gestaltung der historischenBilder im Berliner Museum, hat mich lebhaftergrififen und beschaftigt. Sehr verlangt mich, vonDir und Dingelstedt die Ideen fiber dessen Ausfiihnmgzu hOren. Die Darstellung dieser gewaltigen Gegenstandein poetischer, musikalischer und malerischerForm muss ein harmonisches, abgerundetes und sichgegenseitig erganzendes "Werk bilden. <strong>Das</strong> soil klingenund leuchten durch alle Lande! !"Wie dieses Projekt hinsichtlich seiner Einzelheiten gedachtwar, darQber ist uns nichts bekannt geworden. DerGedanke ist unausgefilhrt und selbst die musikalische Be-') „Fraaz Liazt'i Briefe" (Leipzig, Breitkopf * Hirtal), Band I, Seite 280.


- 141 --handlung des Yorwurfs auf d.a Ji ihrer heutigen Form aus-Bchliesslich fiir den Konzertsaal bestimmte ,HunnenschlacM"beschrankt geblieben, deren Yorgange und poetiscbe Grundgedankensich der Horer nunmehr wie bei den ubrigensymplionisclien Dichtungen geistig zu vergegenwartigen hat.Kaulbach's Bild schildert iiiclit einen der historischenHunnenkiimpfe, sondern kniipft an eine tTberlieferung derSage an. Letztere -weiss Yon einer gewaltigen Schlacht zuerzahlen, die dereinst von Hunnen nnd Eomem vor denThoren der ewigen Stadt geschlagen worden sein soil. Mitfurchttarster Erbitterung war auf beiden Seiten gekampftworden bis zur ganzlichen Yemichtung beider Heere. Daaber erhoben sich die Geister der Erschlagenen und nahmenhoch in den Liiften den Kampf von Neuem auf. DieseGeisterschlacht stellt das Gemiilde dar. Gleich einer machtigdrauenden Wetterwolke schwebt das Kampfgetummel der zugespeastigem <strong>Das</strong>ein wieder belebten Krieger uber Rom'sGefilden. Yon der mit den Leibern der Gefallenen bedecktenWalstatt erheben sich neue Auferstehende. Den schmerzvoUenZug des vor Kurzem erst iiberstandenen Todeskampfesnoch auf dem Antlitz, drangen sie bereits den oben kampfendenGeisterschaaren nach. Zur Rechten erblickt man diewilden Hunnenstreiter, ihren Fiirsten, den furchtbaren, diemachtige Geissel schwingeuden Attila, auf hoch erhobenemSchilde tragend, wahrend links die Schaaren der Romergruppiert sind. Ihr Feldzeichen mit dem Kreuze daraufragt hoch iiber Alles hinaus. Damit ist in leicht erkennbarer"VVeise das Grundmotiv des Ganzen angedeutet: DerSi eg des Ereuzes.Heidentum und Christen turn heissen die Gegensatze,welche in der „Hunnenschlacht" mit einander inKampf treten, Oder auch: Barbarei und Civilisation.Denn nicht mit einem Heidentum haben -wir es hier zuthun, welches einst als Griechentum der hochste Reprasentantder alten Kultur war, sondern mit der ungezahmten Wildheitdes Naturvolkes, dessen Horden zur Zeit der grossen Yolker-


— 142 —flut von Osten hereinbrachen als Vemichtende Elementarkraft.Dem Christentum, dessen Streiter jenen verheerendenGewalten schliesslich doch einen Damm entgegensetzten,fclUt demnach in diesem Falle zugleich die RoUe des Kulturtragerszu. Sein endlicher Sieg muss einen Triumph derWaffen und des Geistes zugleich bedeuten.So -wird denn in dieser Liszt'schen Tondichtung einfur den Symphoniker stets dankbares Thema ergriffen: dieSchilderung von Kampf und Sieg, ein Thema, welches sichso leicht nicht ersch5pft, sobald die Darstellung des jeweiligenGegenstandes , die Sonderart der einander gegeniiber-Btehenden Elemente, eine ausgesprochene charakteristischeEigenart der musikalischen Farben erheischt und so demGanzen besonderen Reiz zu verleihen gestattet. <strong>Das</strong>s solchesgerade hier in ungewohnlichem Grade der Fall ist, dariiberkann angesichts der Natur des malerisch-poetischen Yorwurfswohl ebensowenig ein Zweifel bestehen, wie dariiber,dass filr diesen Stoff gerade Liszt [der berufene Tondichtersein musste. Seine ganze musikalische Individualitat fandliier reichliche Gelegenheit, sich nach alien Seiten bin zubethatigen,Neben der Pragnanz der Liszt'schen Themenbildungkonnte hier namentlich auch die geniale Instrumentationskunstdes Meisters auf das "Wirkungsvollste zu Tage treten. Dieszeigt sofort der Beginn des Tonstilckes, welcher durchinstnimentale wio thematische Charakteristik den Kampf vonvomherein auf das Treffendste als G e i s t e r schlacht kennzeichnet.Die Pauken beginnen (Tempestuoso, Allegro nontroppo) mit dumpfem Wirbel, pianissimo, und in denFagotten erhebt sich, von unheimlichem Beben der Violoncelleunterstiitzt, gleich darauf folgendes Thema:1.


:__ 143 —Schemenhaft und dabei doch in kriegerischen Rliytlimenftteigt es empor, um eogleich auch von anderen Instrumenten,zuletzt von samtlichen Holzblasern und Streichern ergriffenzu werden. Die Sordinen, mit denen die Streichinstrumentespielen, verleihen durcli die damit erzielte Klangfarbe denTongebilden noch besonders das "Wesen gespenstiger Schattengestalten.Immer grosser wird die ZaM der eben aus derTodesstarre erwachenden, sich emporrichtenden und aufsNeue zu grimmigem Streite anriickenden Kriegerschaaren."Wie der wilde Charakter der Themen und des Gesamtkoloritszeigt, sind es die Hunnen, deren Geister zuerst denKampf wieder begonnen liaben, Immer heftiger drangt manvorwarts2.^JR^Holzbl. Str.^?=t^Aufreizende und drohende Hornfanfaren erklingen:3.7 ^ -1—3-^I-j ''~j=j^=jjj^Starker und starker wird das Getiimmel mit der gesteigerten"Wiederholung der vorstehenden Motive, mit der Tempobeschleunigung{Allegro energico assai) und dem aus Thema2 und 3 hervorgegangenen Motiv:p^^ ^_X¥^^^f violcnieSchlachtrufe erheben sich, dumpf, geisterhaft, aus der Tiefedes grossen Leichenfeldes, in Fagotten und Yioloncellen unterPaukenvnrbel und Bratschentremolo , zuerst nur yne verloreneNachklange aus dem Kampfe der <strong>Leben</strong>den erklingend;


:144Diese sicheren, festgefflgten Rhythmen stehen im ausgesprochenstenGegensatz zii den bisherigen Motiven. Wirerkennen sofort, dass sie den abendlandischen Streiterngelten, die auf dieses Signal nun ihrerseits zur Schlachtvorrilcken. Die HunnenvSlker sttlrmen an mit der nachstehendencharakteristischen Fignr:^6.9=^i=^Nj^g^g^DuTch den Rhythmus dereelben hat Liszt, im Gegensatz zuder nur Kampfer zn Fuss zeigenden Kaulbach'schen Darstellung,den Charakter der Hunnen als Reitervolk 'gekennzeichnetund in der angehangten, heftig aufzischendenSechzehntel-Figiir ihrer ebenso wilden und unstaten wiekampfgewandten Art, welche dem Gegner durch blitzartigeaDreinfahren und ebenso sicheres Ausweichen hart zuzusetzenweiss, besonderen Ausdruck verliehen.Mitten unter dem wiitenden Ansturm der Barbarenhordenlasst sich nun auch das Hauptthema der Christenvemehmen, das „Ornx fidelis^, eine alte Choralweise zumPreise des Kreuzes7. con Svs-^^i^r—rp —^-r^—^—^—^-i—&'"^— ~-^ /., iu V ®^—2—'- [__*. —IJ^mpmaroalo


145 —9^"^r — t""?""""" ^ emsten Einklang derPosaunen hebt sie sich schlicht und einfach, aber voll Festigkeitund Zuversicht von der ungestilmen, fanatischen Hastder Gegner ab. Die gegensHtzlichen Elemente, die ungeztigelteund die geordnete Kraft, sind hier in scharfsterZeichnung einander gegentlber gestellt. Heisser entbrenntder Kampf. Dem christlichen Choralmotiv stellt sich dasKampfthema der Hunnen entgegen, als welches una |dienachstehende Erweiterung des Thema 1 zu gelten hat:8.&j j,.^j,.ff ttrepiioio.l^^ii* r • 5 f ?fe? »¥l.J^pW^fH:^If ?r f ^tS^i^-dr4>?rf0=^^-^^h u '! ^;IgDie Holzblaser, zu denen jetzt die durchdringenden T5neder kleinen Fl5te treten, bringen das Thema, wahrend dieStreicher gleichzeitig das Reitmotiv (6) weiterfuhren und diemit Paukenschlageln behandelten Becken wild dazu wirbelnund so die Charakteristik des Barbarenelements noch verscharfen.Laut und heftig schmettern jetzt die Schlachtrufeder Christen dazwischen hinein, abwechselnd in Trompetenund Posaunen wie von verschiedenen Seiten her erschaUend;vm. 10


V.— 146 —Fat.mW:Immer wutender treibt das Thema 8 die Streitenden an,iaimer Bturmischer wird das SchlachtgetOse. Da setzt pldt2-lioh inmitten des aligememen Tobens piano der Choral•wieder ein und schwingt aich im gesamten Chor der Blaserin michtigem crescendo empor. Kicht mehr im Einklang,sondem in vollt5nender Hannonie, in •welche auch das bisher80 wirre Reitmotiv in geklSrterer Form10.rp-3m=4^^^=^^^^^^etc.mit einstimmen muss, macht er Seine Siegkraft geltend.Aus den Reihen der Ohristenstreiter aber, denen diese Weisedas Bewusstsein der Unuberwindlichkeit verleiht, ertOnttausendstimmiger Jubel in einem mit kolossaler Wucht einsetzenden,viele Takte lang ausgehaltenen Es-dur-Accorddes ganzen Orchesters, durch den breit und maclitvoU dieSchlachtfanfare (5) auf und nieder scbreitet. Mit diesemAusdruck einmiltigster Siegeszuversicht wirft sich die ganzegeschlossene Heeresmacht auf den Feind. Als der Tonsturmverrauscht ist, setzt — eine Kontrastwirkimg ganz unvergleichlicherArt — die Orgel mit grosser Zartheit ein undetimmt, jetzt einer Friedensbotschaft gleich, den Choral anund naoh jedem Absatz erschallt emeuter Orcheaterjubelmit der gleichen eindringlichen Kraft wie vorher. DieOrgel fuhrt den Choral in sanften Klangen zu Ende. Diebesondere Klangfarbe dieses spezifisch cbristlichen Instrumentesmusste dem Komponisten als geeignetstes Ausdrucksmittelerscheinen, um durch die vorher als christlichesKampfmotiv gebrauchte Choralweise jetst auch den nun-


— 147 —mehr zur tinerschtltterlicheii Gewissheit gewordenen Siegdes Friedensevangeliums zu verkunden. Nicht aus Streitbegehr,nicht tun des Kampfes "willen batten die Christendas Schwert erhoben, sondern um den durch den grimmenGegner erschutterten Frieden wieder zn gewinnen und denSegnungen der Humanitat, wie sie ein ideal gedachtesChristentum bringen sollte, zum Siege zu verhelfen tlberdie widerstrebenden und feindlichen Gewalten. WeihevoUeAndachtstimmung haben die Orgelklange tlber das Ganzeausgegossen, welche in aufwarts steigenden, in lichten Regionenverhauchenden Gangen der Yiolinen ausklingtDoch auf Erden t5nt die friedenverktindende Weisefort und fort und verklart den Triumph Derer, die unterihren Klangen gestritten und gesiegt. Wie sie ihre Herrschaftirnmer starker und allgemeiner geltend macht, diesmalt sich ims in einem Durchfiihrungssatz, der jetzt, mitden in ruhiger Energie gebietenden Figuren der zweitenYiolinen als Grundrhythmus, eintritt und das Choralthemain variierter Form verarbeitet:U.espressivo pietoso.'I IS, ^f,|,f;rmII.Viol.»/ maralio*^^^|-fT-^Dann folgt mit dem Eintritt eines Allegro unter Streicherpassagender Choral wieder in seiner Urform, leise anhebend,darauf im Ausdruck sich steigemd und schliesslichvon frohen Jubelklangen


— 148 —12.p^^'^\^§f\^'^r\f-beflchlossen. Nach nochmaliger kurzer Steigerung fallt endlichder Choral fortissimo ein, jetzt in rascheiii Tempo alsrauschender Siegesgesang daliiiistiirinend , in don das jje-Bamte Orchester im Verein mit der Oreel einstimmt. DieJubelklange (12) tmd die Schlachtfanfare (5) schliessen sichunmittelbar an. Mit letzterer bricht nach kfUm •wechselnden,in geradezn tiberwaltigender Instnimentalpracht £trahlendenAccorden (H-dur und As-diir) der Tonsliom ploteliohab. Leise erbebt es sich bei den Holzblasem "wie ein einstimmiger,kurzer Dankgesang,13.HolzbL.htm -9^i :2a=dim..Str.^der Bogleich wieder zu rauschenden Siegesklangen auschwillt.AUes iibertOnend breitet sich das Orgelbrausea iiber dieOrchestennassen. Am Schlusse lang nachhallend, verkflndetes nochmals mit mSchtiger Stimme den Sieg des Xreuzesand den Triumph des christlichen Princips.Arthur Hahn.


Die<strong>Franz</strong> Liszt,Ideale.Symphonische Oichtung.nromponiert and eistmalig anf^eftihrt: Weimar, 1857. Partitnr im Drnek enohieneaLeipzig, 1858, bei Breitkopf & HSrtel ; Bearbeitnngen fur zwei Klaviere (vom Kompomsten).for Elavier za 4 H^dea (von F. Sgambati) and Klavier za 2 H&nden(von Arth. Hahn) ebendaselbst)^Is in den Septembertagen des Jahres 1857 dasGoethe - Schiller - Denkmal in "Weimar enthtllltwurde, da widmete auch <strong>Franz</strong> liszt den andieses Ereignis sich knQpfenden Festlichkeiten einen kiinstlerischenBeitrag. "Wie er bereits einige Jahre fruher zurGroethe-Sacularfeier den „Tasso" symphonisch behandelt hatteso gab er anch diesmal wieder in der gleichen muaikalischenForm auf seine "Weise der festlichen Stdmmung des TageaAusdruck. Auf der GrundJage von Schiller's Gedicht „DieIdeale" entstand damals die zw51fte seiner symphonischenDichtungen: gewiss ein glflcklicher Gedanke fur ein Festdes Geistes!An eine der bedeutungsschwersten und gerade die Seeledes Ktinstlers so oft bewegenden Fragen yrird hier herangetreten,an die Frage: was uns bleibt, wenn uns derJugend Ideale zu entschwinden drohen im heissen<strong>Leben</strong>skampfe, in den Tauschungen des "Weltgetriebes?— diese furchtbar bange Frage, welche die Brustjedes nach hSheren Zielen Ringenden, jede tiefer angelegteNatur wenigstens einmal schmerzYoll durchzittem muss.


I— 150 —Und rwei der Erlesenen unter jenen Geistern, welche ihr<strong>Leben</strong>lang f(ir die Heilighaltung des Ideals gewirkt, gek^pftund geningen, geben uns, indem denWorten Schiller's sichdie TSne Liszt's gesellen, Antwort darauf. Den stillen,tiefen Trost, den uns der Dichter spendet, hat der Tonmeisterzum jubelnden Triumphlied gesteigert, um das zu feiern undpreisen, was in der Brust des wahren Ktlnstlers untilgbar lebtliszt hat in seinem Werke den Inhalt auch der einzelnenTeile von vornherein auf das Bestimmteste angegeben, indemer ihnen die fflr die Fixierung des Gedankenganges markantestenStellen des Gedichtes voranstellte. Wie das letztere,so beginnt auch die symphonische Dichtung mit dor Klageum das Entschwinden der Jugendideale:So willst du ireulos von mir scheidenMit deinen holden Fantasien,Mit deinen Schmerxen, deinen Freuden,Mit alien unerbittlich flieh'nfKann nichts dich, Fliehende, verweilen,tneines <strong>Leben</strong>s gold'ne Zeit?Vergebe7is! deine Wellen eilenHinab ins Meer der Ewigkeit.Erloschen sind die heitern Sonnen,Die meiner Jugend Pfad erheUt;Die Ideale sind xerronnen,Die einst das trunk'ne Herx geschwellt.Diesen Worten entepricht der kurze Andante - Satz,welcher das Werk*einleitet Eine^f—=^—schmerzliche ^^ u '^' U—-, ~^ p^tmon.Frage der Holz- - ^— --^^-^blasererOffnetdenselben, wah- » ^^. *-,- —rend die Basse inI ^dumpfemPizzicato ^"*« y***- ^^ *••"abw&rts steigen.' ""—"I


151^<strong>Das</strong> 1. Horn stinunt eine weiche, klagende Melodie an.-. p dolento pp^:rt.:=-'^W=^^^*-Ohne Begleitungshannonien, wie in trauriger Einsamkeitund Ode ertonend, erscheint diese Melodie mit der leiseverhauchenden Schlussterz der beiden Homer wie eine wehmutrolleEuckerinnerung an „des <strong>Leben</strong>s gold'ne Zeit". DieJragen der Holzblaser und das Tliema 1 wechseln noehmalsmiteinander ab, erstere harmoniscli verscharft, letzteres jetztvon den Klarinetten in veranderter Tonlage vorgetragen.Gleicli schmerzlichen Seufzern treten Merauf die Holzblaserharmonienimmer kurzer und drangender auf, bis sie sichplStzlich in einen lichten, langgehaltenen Accord auflosen.8.i ^^^s £^-=^^^i^8vft bassaAus weiter, traumhaft schimmemder Feme griisstheruber, wonach das Herz in heissem Sehnen verlangt:Jugendzeit — Jugendgluck! Als der Accord verklungen,steigen in Cello und Bratsche, von Fagott und Horn unterstutzt,zwei Passagen aufwarts, das durch Erscbauen jenealichten Traumbildee nur noch gesteigerte Verlangen desHerzens zum Ausdruck bringend:


— 152 —In dem dcli jetzt anschliessenden Allegro spiritosowerden wir zurdckversetzt in jene Tage, um deren Verganglichkeitdas Andante klagt. "Wir durchleben noch einmaljene Zeiten, in denen dem begeisterungstrunkenen Junglingdie Ideale erstanden. Unter HinzuMgung der ensprechendenWorte des Gedichtee betitelte Liszt diesen Satz:Aufschwung*.Es dehnte mit allmdchfgem StrebenDie enge Brust ein kreisend All,Herausxutreten in das <strong>Leben</strong>^In That und Wort, in Bild und SchalUWie aus des Berges stillen QuellenEin Strom die Ume langsam fUlltUnd dann mit koniglichen WellenDie hohen TJfer Uberschvnllt.Es werfen Sidney FelsenlastenUnd Wdlder sich in seine Bahn,Er aber stUrxt mit stohen HastenSich vauschend in den Ocean:So sprang^ von kiihnem Mut beflugelt,Begliickt in seines Traumes Wahn,Von keiner Sorge noch gexiigelt,Der Jungling in des <strong>Leben</strong>s Bahn.Bis an des Aethers bleichste SterneErhob ihn der Entunirfe Plug;Nichts war so hoeh und nichts so feme,Wohin ihr Fliigel ihn nicht trug.Den Allegro-Satz erOfi&iet ein Mbn ansttlrmendes, die ungezihmteJugendkraft charakterisierendes Thema der Violinen •


II— 153 —Von kuTz und heftig gestossenen Accorden begleitet, erscheintdasselbe in verschiedenen, immer liOheren Tonlagen, immeratemloser und leidenschaftlicher, bis es in eine langere Folgeabwarts stiirzender, schwirrender Geigenpassagen ausstrSmt.Es baut sich nun eine grosse Steigerung auf, in welcli»ein machtiges Emporstreben, tlberschaumender Jugendmut,Begeisterungsrausch und fesselloser Fantasieflug ihr Abbildin Klangen finden. Glanzende Violinpassagen fliegen gleichkilhnen Gedanken auf, Horn- und Trompetenrufe schmetternaufmuntemd und kampfesfroh darein, und das ganze Orchesterbeteiligt sich nach und nach an dem immer machtigerwerdenden Ansturm. Alle Kraft des Strebens scheint sichzu konzentrieren auf die Erreichung eines einzigen Zieles.Und als die Steigerung auf ihrem H5hepunkt angelangt ist,da steht er mit einem Male leuchtend vor uns: der Idealgedanke.^ —^IJ i J —^^-—-« -f -|- -^ •«•—-«• •^iB^Wir haben hier das Hauptmotiv des ganzen Werkeavor uns. Eine Phrase leitet zu einer gesteigerten Wiederholungdes Themas. Dann setzt sie dasselbe fort7.#i^y^iIZ*::^f-t^^rftan it'r^nr^m ?=?=^und fiihrt zu sanfteren Tonspielen,welche auf einem neuenThema begimien.


— 154 —8. KB.doleeiViol._'Die beiden Gruppen der Streicher und HolzblSser vertaiischenbei der Wiedergabe des Themas wiederholt die Rollen, graziOseAchtelfiguren umspielen dabei die aus Beispiel 7 fiberkommeneSchlussfigwr (NB.) und leiten zu den Wiederholungen desGanzen fiber. Es ist ein seliges Schwannen in reineren,weltferaen Regionen. Dazwischen lUsst das Horn eine zarteReminiszenz an das Idealmotiv (G.) anklingen. Der Blickdes Menschen scheint sich jetzt nach innen zu kehren, indie Tiefe der eigenen Brust. wo das Ideal sein Heim gefiinden.Leise nnd weich ertOnt im Violoncello das Hauptmotiv,von Violin- und Bratschenfiguren umzittert; spatertreten die Holzblaser hinzu, wahrend das melodiefiihrendeInstrument eine aus dem ersten Takt des Beispiel 7 entnommeneFigur steigernd "vdederholt, bis endlich all' dieseStimmen schweigen und nur noch ein Oktavengang in denBassen aufsteigt, um sich, wie tiefes Sinnen, nach abwartswieder zu verlieren.Nun hebt sich das nach innen gewandte Auge wieder,und der verklSrte Blick gewahrt jetzt die Natiir ringsumin ihrer Herrlichkeit.ha lebie mir der Baum, die Rose,Mir sang der Quellen Silberfall^Es fiihlte selbst das SeelenloseVon meines <strong>Leben</strong>s Wiederhall.Es beginnt ein ruhiger,andante-ahnlicher Satz (Quietos sosienuio assai, D-dur), voll unendlicher Zartheit und Poesie.Wundersamer Zauber nimmt uns gefangen. Eine kurze, abersehr empfindungsvolle ilelodie


155Viol. c. sord.dolciss.bewegt sich bei den Holzbiasem und einem Telle der StrelcherIn mehrfacher Wiederholung aus hOchster H5he allmaMlchabwarts, von Triolenfiguren der Viollnen nnd Bratscben wievon sanft flfistemden Stimmen der Natur umwoben, wahrendnnten die Basse auf einem lang ausgehaltenen Tone(Orgelpunkt auf A) mben. Die Melodle klingt in dentiefsten KlarinettentOnen lang aus, dazu regt sich in den Bassenleise das Idealmotiv. Die Figuren der Strelcher schwebenallmahlich wieder aufwarts, wahrend das Horn das Im Andantezu Anfang bereits dagewesene Thema 2 intoniert, welchesjetzt aber den klagenden Charakter verloren hat und, inDur ertSnend, uns anmutet wie ein zauberischer Klangaus dem Wunderreich der Jugendtraume. Noch zweimalwiederholt sich der ganze, eben gesclulderte Yorgang, gesteigertdurch jedesmaligen "Wechsel der Tonart (H-dur undE&-dur). Immer reicher haben sich Herz und Sinne an derSch5nheit der Natur entziickt.Wie einst mit flehendem VerlangenPygmalion den Stein umschloss,Bis in des Marmors kalte WangenEmpfindung gliihend sich ergoss:So schlang ich mich mit LiebesarmenTJm die Natur, mit Jugendlust,Bis sie xu atmen, xu erwarmenBegann an meiner Dichiei'brust.Dieses heisse Werben schildert die Musik, Indem sieauf dem etwas veranderten Thema 8, welches jetzt rhythmiscbweit ruhiger erscheint,


— 15610.h''jL^-^t-f-ff^c^^'eine lange Steigerung aufbaut, die una wieder zum Mofiydes Ideals (6) fOlirt. Und gleicsh darauf setzt mit UngeettLmdas Thema 5 ein. <strong>Das</strong> Verlangen nach den hOchsten Zielenhat leidenschaftlichsten Ausdruck erlialteiLEs folgt ein kurzer Satz mit leichtbeschwingten, fliiclitigenRhythmen, im Scherzando-Ton. Lichte Erscheinungensind vor des Jtlnglings Blicken aufgetaucht und zeigen ikmschimmernde Gaben:Wie tanxte vor des Lehens WagenDie luftige Begleitung her:Die Liebe mit dem siissen Lohne,<strong>Das</strong> Oliick mit seinem goldnen Kratix,Der Ruhm mit seiner Sternenkrone,Die Wahrheit in der Sonne Olanx!Auf diese verschiedenen VerkSrpeningen des Idealsdeutet das in fortwahrend veranderter harmonischer Fassungauftretende Hauptthema hin, welches endlich wieder denSchwarmereien des Themas 8 Platz macht. Doch mitten indenselben weht den von gianzenden Illusionen Berauschtenganz plOtzlich ein Geftlhl der Elinsamkeit an. Wie er jetztverwundert und fragend um sich schaut, als er sich miteinem Male allein sieht, dies will una ein einsamer Gangder Violinen malen, in welchen das Ganze unerwartet ausklingt,auf langgehaltener hoher Schlussnote hinsterbend.Dem Traum von Ruhm, von Glflck und Liebe folgtdas schmerzlichste Erwachen, folgt die EnttSuschung.Doch ach! schon auf des Weges MitieVerloren die Begleiter sich;Sie wandten treulos ihre Schritte,Und einer nach dem andern wich.


157TJnd immer stiller ward's und immerVerlass'ner auf dem rmihen Steg.AUer Zauber ist plotzlich verflogen, die rauheste Wirklichkeitsteht vor uns. Wir sind wieder an jenem diisteren"Wendepunkte angelangt, an dem wir uns zu Anfang derTondichtung befanden. Der Andante-Satz mit seinen schmerzvollenFragen und Klagen (Beispiel 1 und 2)setzt von neueraein. Und traurige Antworten vemehmen wir nur aus derOde ringsum. Alle die Lichtgestalten sind entflohen. Selbstdie Natur hat iliren Reiz verloren, welk und tot erscheintsie jetzt; trub und schattenhaft senkt sieh in dem folgendenAndante mestoso das Motiv des Naturzaubers (9), jetzt verzerrtund entstellt durch dissonierende Harmonien, uber einemin der Tiefe bebenden Tremolo abwarts, um ganzlich zuverschwinden.<strong>Das</strong> Motiv des Ideals ertSnt leise klagend in Klarinetteund Bratschen, wahrend Violoncello und Basse es mit dusterenAccorden und in trauermarechalinliehen Rhythmen zu Grabezu tragen scheinen.Gleieh einer aus tiefster Seele aufsteigenden sehnsuchtsvoUenKlage erklingt das Thema, welches die Klariaette jetatanstinimt:


158 —und nach mehrfacher "Wiederholung mit banger Frage be-14^schliesst, welche in dennachsten Takten noch ge-^5 5^ "' 'j^^= steigerten Ausdruck erhalt.t=i:Von air dem rauschenden OeleiteWer harrie liebend bet mir aus?Wer steht mir trbstend noch xur SeiteUnd folgt mir bis xum finstern Haus?Dumpfe Paukenschlage deuten auf das letzte diistreZiel der Erdenlaufbahn — auf Grab und Tod. Wieder imdwieder klopfen sie an, von immer schmerzlicher drSngendenFragen der Holzblaeer unterbrochen, in denen man einenAnklang an das Idealmotiv finden kann. Stille des Grabesherrscht dann weit und breit. Folgt mir niemand? — soentringt es sich nochmals in Seufzem der Bnist des Verlassenen:h I1 14-1I?B'^=Und diesmal geschah die Frage nicht vergebens. Ein milderTrost senkt sich in die Seele des Hoffnungslosen. NichtAlles ist von ihm gewichen, Eines noch blieb und wahrteihm Treue:Du, die du alle Wunden heilest,Der Freundschaft leise, xarte Hand,De3 <strong>Leben</strong>s Biirden liebend teilest,Du, die ich friilie suchf und fund!


,I— 159Eine innig empfundene Melodie der Streichinstnimenteschildert die Freundesliebe, die stille, leidenschaftslose Warme,welche sie in die Herzen giesst.Es ist, als ob mildes Abendlicht hereinflutete, bei dessensanftem Glanze entschlafene Gefuhle sich neu beleben wollen.Eine Variante des verkurzten Themas der Naturherrlichkeitschliesstsich an die "Weiter->^ fahining des Thema 16. Inff P M"g"^~S"^~ » ^^®^ ^^^ hervorgestossenenII~';'"^^ j*i?i *~rg ,..Zweiunddreissigstel-Figurenjder Yiolinen und Bratschenmelden sich aber bald wieder finstere Gedanken. <strong>Das</strong> Hauptmotiv(6) tritt im Violoncello auf, doch neben den emstenRhythmen in der Tiefe umspielen es jetzt bereits lichtereFiguren der Violinen, einem HofEnungsschimmer gleich, "woraufallmahlich wieder Stille eintreten zu wollen scheint. Dochda beginnt auch schon eine neue Erscheinung sich ganz leisezu regen. Noch ein anderer guter Genius lebt uns, tief inunserem eigenen Innem, auf den wir bauen kSnnen: zurFreundschaft geseUt sich der Trieb zur Thal!lgkeitUnd du, die gern mit ihr sich gaitet,Wie sie der Seek Sturm beschwort,JBeschdffigung, die nie ermatiet,Die kmgsam schafft,doch nie xerst&rt^


— 160 —Die xu dem Bau der EungkeiienZwar Sandkom nur filrDock von der grossen Schuld der ZeitenMinuien, Tage, Jahre streicht. —Der Segen der FreundschaftSandkom reicht,imd der Segen der Arbeit,in diesen beiden niht zuletzt noch unser Heil, wenn allesBonst ir TrQmmer ging. Mit dem Erwachen des unzerstSrbarenThatigkeitsdranges aber und des Bewusstseins, dassein jeder doch etwas, und ware es selbst noch so wenig,air FCrderung der Gesamtheit beizutragen vennag, lebt auchder Glaube an das Ideal unbewusst wieder auf im Herzendes Menschen. Dies wollte der Tondichter sagen, als erdas Motiv der Beschaftigung (18) aus dem Idealmotiv selbstheraus bildete und so in ersterem auf letzteres hinwies.<strong>Das</strong> Thema 18 klingt zuerst bruchetfickweise in denBratschen an. Dann geht es an die zweiten Violinea tlber,bis es endlich mit Eintritt eines Allegretto mosso in deroben angegebener Gestalt erscheint. Bei der weiteren Durchftlhrungentwickelt sich ein immer regeres Treiben, dessenEmsigkeit noch intensiver zimi Ausdruck kommt, als an einerStelle das Thema imitatorisch verarbeitet wird. Immerlebendiger und reicher entfaltet sich die Thatigkeit, aUe bisherverborgen gewesenen KrlLftc scheinen hervortreten to woUen.Leise klingen dazu in det Posaunen Fragmente des Idealmotivsan. Bei stetig wachsender Steigening des Ausdrucksgelangen wir zur Wiederholung eines Teils des friiher dagewesenenAllegro spiritoso moUo. Die Eraft der Jagend


— 161 —scheint wiedergekehxt mit der Hingabe an den Idealismuader Arbeit, den nun das fortissimo in glSnzendster instrumentalerYerkorperung auftretende Hauptmotiv mit gewaltigerStimme predigt.„<strong>Das</strong> Festhalten und dabei die unaufhaltsameBethatigung des Ideals ist unseres <strong>Leben</strong>shSchster Zweck. In diesem Sinne erlaubte ichmir das Schiller'sche Gedicht zu erganzen durchdie jubelnd bekraftigende Wiederaufnahmeder im ersten Satz vorausgegangenen Motiveals S chlussap otheose."Diese "Worte Liszt's finden sich an entsprechenderStella der Partitur beigefiigt, die Schlusswendung begrundend,welche er seinem Werke gegeben, eingedenk der erlosendenMission seiner Kunst. Dem Hauptmotiv folgt das Themades Naturzaubers (9), in verkurzter Form und raschem Tempogleich. einer leuchtenden Erschdinung veruberziehend. Auchdas Motiv der Hingabe an die Natur (10) erwacht wieder.Nach langer vorbereitender Steigening aber erschallt zumSchluss in machtvoUster Breite fff mit einer prachtvollenharmonischen Yariante nochmals das Motiv des Ideals,19.i10" a ^^ ^fff^—^".^m^ '^ -* ^ erwahlten aber, den Kiinstlern^ vor allem, als heiligster Mahnruf,3^^__ alien Strebenden und Schaffen-.^ ^, .p^.den, der Menschheit Aus-als Losung '"m Kampfe, als erhabenste Siegesverheissung.Arthur Hahu.vm. 11


<strong>Franz</strong> Liszt,Einc Fau8r-8ympl]cniein drei Charakterbildern.(Nach Qoethe).[Entwtirfe: 1840-45; AusfUhrung : 1854-57. Erste Auffilhruag: Weimar1857, bei der Goethe-Schiller-Feier. Partitur erschienen : Leipzig 1861,bei Schuberth & Co. Bearbeitungen fiir 2 Elayiere (rom Eompoaisten), fiirEUavier zu 4 Handen von F. Stade) und Elavier zu 2 Handen (von A. Stradal),der zweite Satz alieiu auch yom Eomponisteu ebendaselbst].'n seinen symphonischen Dichtungen hatte Lwzt bereitseiner ganzen Anzahl von Vorwtlrfen undGedanken bedeutendster Art in einer Denken undEmpfinden des HOrers in gleichem Grade in Anspruchnehjnenden Tonsprache Ausdruck gegeben, als er es unternahm,das hierbei von ihm fflr die an ein bestiramtes Programmankntlpfende Gattung symphonischer SchOpfungen aufgeetellteund erprobte Kunstprincip in zwei Werken grOssten Stileszur Anwendung zu bringen. Er schuf zwei grosse Symphonien,zu welchen ihm MonumentalachOpfungen der WeltliteraturGegenstand und ktlnstlerische Anregung boten:Goethe's „Fau8t" und Dante's „GOttliche KomOdie"


— 163 —Die „Faustsyinphoiiie", welche uns in dem folgendenru beschaftigen hat, ist Hector Berlioz gewidmet. Siebesteht aus drei grossen Satzen, denen ein vokal-instnimentalerSchluss (Mannerchor, Tenorsolo uud Orchester) angefiigt ist.Ein Blick in den ganzen Bau der Partitur wird dem Kundigenbald zeigen, dass diese Satze mit der Symphonieform klassischenStiles im Gninde nichts mehr zu thun haben, wennauch, der Gattungsname fflr das ganze Werk beibehaltenwurde. Mogen sicli beim „ Faust" im Einzelnen hier undund da auch noch gewisse Beziehungen zu den alterenI'ormen entdecken las sen, so kSnnen dieselben doch fur denGesamtbau als etwas "Wesentliches und Bestimmendes nichtmehr in Betracht kommen, denn dieser letztere folgt ebeneinzig und allein nur mehr den durch den dichterischenGegenstand vorgezeichneten Grundlinien.Liszt entrollt in den einzelnen Satzen seiner Symphonicdrei grosse Charakterbilder vor dem H5rer: Faust,Gretchen, Mephistopheles, die Hauptgestalten desGoethe'schen Werkes, treten nacheinander vor uns hin inalien Kundgebungen ihres Eigenwesens, das hier zu hellemTonen und Erklingen gebracht ist. Hier hat Liszt wohl imhochsten und voUkommensten Masse bethatigt, was das Grundprincipseines symphonischen Schaffens bildet: vor Allemstets den innersten Wesenskem der Gestalten und Dinge zuenthtillen. Faust und Margarete entschleiern hier ihre Seeleund zeigen sich uns in alien Offenbarungen ihrer Natur, inall' den Seelenzustanden und den Wandlungen ihres ganzenWesens, denen sie dui"ch ihre inneren Erlebnisse unterworfenwarden ; Mephisto wird vor uns lebendig als das, was derDichter mit der Figur gemeint und gewollt hat; und der„ Chorus mysticus" spricht, wie in der Dichtung, endlichauch das Sclilusswort in der Tonschopfung, welche imterden zahlreichen und vielgestaltigen musikalischen Behandlungendes „ Faust" als eine dem AVerke Goethe's wahrhaft kongenialeeinen hervorragenden Sonderplatz beanspruchen darf.Die beiden grossen Symphonien Liszt's reprasentieren11*


— 164 —in dem symphonischen Schaffen dieses TonmeiBters nichtnnr die Susserlich und fonnell umfangreichsteii nnd ausgedehntestenWerke, eondern auch gleichzeitig die ktlnstleiischenHOhepunkte. Von einem Vergleich zwischen FaustundDante-Symphonie bezflglich ihrer Eindrflcke und ihresmusikalischen Wertea soil hier abgesehen werden. BeideerschSpfen, jede in ihrer Weise, ihren StofF, und beide sindjedenfalls Geistesoffenbarungen hSchster und exceptionellsterArt. Dem Herzen und Empfinden des deutschen HOrersdtlrfte allerdings wohl immer der ^ Faust'' am nfichsten stehen.LFaust.<strong>Das</strong> erste Ton symbol, mit welchem der Satz beginnt,Btellt uns sogleich in vollendeter plastischer Klarheit denFaust des Studierzimmere dar, den grossen "Welterforscher.Grtibler und Zweifler, der das Wesen aller Dinge erkennenund durchdringen will und in nie stillharemDrang immer und immer wieder mit seiner grossen Fragenach Zweck und Ursache alles Bestehenden vor dasWeltenallIjenio assai.hintritt:i r=?rr'rf i.- ^rJ" ; I I B - »J£n,-|t>cJ£=,»-,^rIr f!ia^:^^i^n-rr^:^^^:Der flbermassige Dreiklang, auf welchem das Motiydurchweg aufgebaiit ist, dieser vage, rStselvolle Accord mitseinem eigentfimlich expansiven Wesen, kennzeichnet aufdas pragnanteste den inalle unermessenen Fernen schweifenden,aber auch ewig unbefriedigten Sinn. Dem so bedeutsamfragenden Motiv hangt sich, als es nach freieren H5henemporklimmen will, sofort eine hier tief schmerzlich er^klingende Phrase an, der Ausdruck heissen Sehnens undVerlangens •


:— 165Ob.Viol.fcAlleindotenttdieses Sehnen findet nirgends Frieden und Ruhe.Faust "wird hier -n auf das tiefste niedergebeugt und versiaktmit der sciunerzvollen Erkenntnis : „und sehe^ dosstvir nichts tvissen kdnnen/^ in dumpfes, hof&iungslosesGrQbeln und Briiten:Clar.Fag.Die Schilderung des ganzen seelischen Vorgangs, zuder sich die drei hier angefuhrten Tongebilde eng vereinigen,•wiederholt sich. Dann erwacht pl5tzlich tiefer Ingrimm undheftiger Zorn tiber die Yergeblichkeit und Zwecklosigkeitalias Muhen? in Faust's Brust. In einem leidenschaftlichenOrchestersturm kommt derselbe zum Ausbruch^^4. Allegro impetucso.Str. f.:i=U=^FW.|E^iS=feIn raschester Steigerung geht es waiter, bis auf demHObepunkt de«r latzteren unter grail schillemdem Tremoloder Streiclier und wilden Trillern der Holzblaser das Thema 1,gebiatensch Eikexintiiis heischend, in den Blechinstrumentenuns fortissimo entgegenschallt Der ror niclits zurilck-


:166 —Bchreckende, trotzig-kiihne Geist, dessen Wissensdrang raitwildestera Ungestam hervorbricht, fordert die Welt des Unbekanntenin die Schranken:IJir schwebt^ ihr Oeister, neben mir;Antwortet mir, wenn ihr mich hortfAber mit einigen Stossen von furchtbarster Kraft undunter wild grollendem Conner (Pauke mit Holzschlageln)bricht das Orchester plotzlich ab. Umsonst hat Faust anden Thoren gerQttelt, die ibm die Eatsel des Seins verschliessen.Fvlrchterliclie Leere gahnt ihm entgegen undnur das niederschmettemde Bewusstsein seiner Ohnmachtregt sich in ihm, als nach einer Pause tief unten im Fagottdas Thema des unbefriedigten Sehnens (2) anklingtDoch ob er auch augenblicklich zu Boden geworfenwird, unzerstOrbar bleibt doch sein Yerlangen nach Lichtund Wahrheit. Wie es von Neuem und immer heisser hervorbricht,malt uns ein langererjSatz mit dem fur den Gegen-Btand besonders charakteristischen Thema:O. Allegro agiiaU ed appassionato assai.molio rinf.|r^XJ:x4^zJ-ijt=w^£Edas sich spSter folgendermassen^fortsetzt:EE:5«.I& :l^f-^±^=^^und dem welter hinzutretenden


— 167 —fp£^t3rp:^#r^%f;^j4^von denen das erstere mehr der thatkraftigen, das letzteremehr der sehnend-verlangenden Seite des Wissens- und ErkenntnisdrangesAusdruck leiht. Mitten hinein in die Durchftlhrungdieser musikalischen Gedanken senkt sich plStzlichder Geist des Mystischen, Uebersinnlichen, zu dem esFaust von je mit wnnderbarer Macht gezogen schwebendeHolzblaserklange, auf- imd abwogende, seltsam fltlsterndeYiolinfiguren , und mitten darin der fragende Faust (dasThema 1 auf veranderter harmonischer Gnindlage), wie inverwundertem Staunen sich dem Zauber des GeheimnisvollenMngebend, mit dem das Geisterreich in sein Seelenlebenhineingreift.^ ^^ *«5 ^ ? ^ 1 rWieder meldet sich faustisches Sehnen in der tief aufseufzenden.dem Beispiel 2 entstammenden Figur,Viol. I.Vd.Vol.^Viol.^^1-V-t^i7 1welche nach oftmaliger WiederholungGndlich in einer, bereitsau3 dem spateren Gretchen-Satzeinen Hauch herubertragendensanften PhraseausstrOmt. Faust's grosses, das All umfassendes Sehnenwendet sich jetzt einer bcstimmten Richtung zu, Liebeund Liebeesehnsucht regen sich ihm im tiefsten Herzena-


(— 168 —grunde. Ein knrzer Satz (Affettaoso, poco Andante) miteinem wnnderbar innigen, schwarmerisch schwungvoUen Thema,in welchem wir eine vollkommen verklSrte Umgestaltung desBeispiel 2 (Motiv des Sehnens) zu erblickeu haben, malt dasneue Gefulil in Faust's Seele.^Hr. Clar.^ii^^^g^Sdolcc— if^m^ff ^LlLfl^l—z^^espresstvoViola--^vr—?=^^ii^r-rH'=r=F^g^Faust gibt sich eine Zeit lang den seligen Empfindungenbin, doch Befriedigung wird ibm auch hier nichtund bald ist er wieder zu neuem leidenschaftlichen Drangenund Sttlrmen fortgerissen. Aus demselben heraus kflndigtsich in den Bassen ein stolz und selbstbewusst auftretendesMotiv an, welches sich immer energischer emporrichtet, imigleich darauf im vollsten Orchesterglanz als eine weiterebedeutende Kundgebung der Faustnatur machtig in die Erscheinungzu treten:10. Otandioso.Z^-ffi—ir-^marcalo -^


!169 —^g^^^^^^^^^^^^fi^^^^^con 8va.IItt^etc.Hoch erhobenen Hauptes steht hier der willensgewaltigeUebermensch vor ims, der es mit Allem aufnimmt, der denErdgeist mit seinem „Du musst! und kostet es mein <strong>Leben</strong>!"'herbeizwingt, der nach gewaltigen Tiiaten dilrstend sagt:Ich fuhle Milt, mich in die Welt xu tvageii,Der Erde Weh, der Erde Olilck xu traoen,Mit Stiirmen mich herurtixuschlagenUnd in des Scluffbruchs Knirschen nickt xu xagen —und der zuletzt ein <strong>Das</strong>ein, das ihn ewig unbefriedigt lasst,on sich werfen will mit den furchtlos-kuhnen Worten:Vermesse dich^ die Pforten aufxureissen,An denen jeder gern vorilberschleichtHier ist es Zeit, diirch Thateti xu beweisen,<strong>Das</strong>s ManneswUrde nicht der Ootterhohe weicht.Diesem faustischen Stolz und Trotz geseUt sich baldias Motiv des faustischen Sehnens und wie diese beiden, sotreten nun auch die wichtigsten der ubrigen Motive imweiteren Yerlauf des in reichster und bedeutungsvollsterAusgestaltung und Yerknupfung des poetisch-musikalischen&edanienmaterials sich aufbauenden Satzes in mannigfachsteBeziehungen zu einander. So vereinigt sich das erste derFaustmotive mit dem heftig drangenden Thema 6 zumlebendigsten Ausdruck des faustischen Strebens. Eine "Wieder*holung der Lento-E inleitung fiihrt uns auf den Punkt zuriick,


— 170 -an welchem der grtibelncle Forscher und Zweifler iminerwieder Halt machen muss:Da steh' ich nun^ ieh armer Thor!Und bin so klug, als ime xuvor.Ein unter unheimlichem "Weben und Zittern der Streichererfolgendes Auftreten des Sehnsuchts-Motivs (2) und desThema 1 im diisteren Kolorit der Klarinetten, Fagotte undBSsse, in -welches spSter noch gestopfte H5rner geisterhafthineinklingen, durfte una wieder an Stellen der Dichtungerinnern, an denen Faust mit den Machten einer anderenWelt Zwiesprache halten will, ein vergebliches Beginnen,das filr ihn immer nur wieder die Ursache zu neuen Kundgebungendes Zorns fiber die engen Grenzen menseMichenErkenntnisvermSgens wird. <strong>Das</strong> Motiv des Liebessehnens (9)taucht im Yioloncell wieder auf, von zarten Geigenfigurenumspielt <strong>Das</strong> Thema der stolzen Eraft (10) unterbricht es,diesmal in feierlicher C-dur-Klarheit, von Trompeten, HCrnem,Fagotten und Pauken getragen, als Ausdruck einerruhig erhabenen, abgeklarten Gemiitsstimmung xmd hochsinnigenDenkens und Empfindens. Von diesem Bilde stillerGr5sse fOhrt eine allgemeine Steigerung fiber eigentfimlichgeheimnisvoll in Skalen auf- und absteigenden Basspizzicatoszum Wiedereintritt des namlichen Themas 10 im ursprfingliehenOrchesterglanz, zu einer wieder die ganze Welt umepannendenKundgebung faustischen Wollens.Neue Sturme folgen. <strong>Das</strong> Motiv der stolzen Kraft unddes kfihnen, freien Selbstbewusstseins (10) will das Feldbehaupten, aber das Grundthema der nie befriedigten Faustnatur(1) tritt dazwischen und wird endlich wieder Herrder Situation. Die Manifestationen des Faustcharakters werdenin bruchstflckweisem Anklingen einzelner HauptsymboleBchwUcher und schwacher, und das letzte Wort spricht endlichdas Thema 2, das ewig sehnende Verlangen, der nie gestillteDrang, Faust's ewig unzertrennliche Begleiter aufseiner Erdenlauf bahn, die unabl^sig treibenden Xrafte seinesganzen <strong>Das</strong>eins.


::— 171 —n.Gretciien.Auf das gewaltige Stiirineu und. titanische Ringen desereten Satzes folgt in mildester Ruhe und friedvoller Yerklarungder zTR^eite, der in demselben Stimmungsverhaltniazu jenem steht, vie schon das Andante der alteren Symphoniezum Allegro. Wir treten jetzt in die schlichte, geistdgeng umgrenzte, aber von lieblichster Herzenseinfalt undreichster, innigster Poesie erfullte Welt Gretchen's.Wie aimet rings Geftihl der Stille,Der Ordnung, der Zufriedenheii /In dieser Armut welche Fillle!In diesem Kerker welche Seligkeit!Yon solchen Empfindungen werden wir sogleich inder, nur den FlOten und Xlarinetten zufaUenden Einleitungdes Tonsttickes ganz und gar durchdrungenII-Andante soave.mr=M=^MNun erscbeint Qretcben'sUnschulds-^^^^^ gestalt selbst vor uns, in einem, ibrganzes Sein und "Wesen in einzigvollendeter "Weise zeichnenden Tongebilde^ S^ %12. Oboe, dolce semplice.Viola. *mmmn


III172 —m^etc.<strong>Das</strong> saafte, gleichmassige Weiterspinnen desselben inverschiedenen Instrumenten schildert uns Margaretensstilles "Walten, die ruhige Harmonie ihres Seelen- und Gemfltslebens,in welchem erst das erwachende Liebesempfindeneine Veranderung hervomift. In leichter Verwiming ihresWesens aussert sich diese zunachst, die in der allmahligetwas unruliiger gewordenen FErbung dee Themas leise angedeutet,in dem, zartes Sehnen atmenden Motiv18. Oboe^=^f-^f-^^-ir±t-3f^noch deutlicher ausgedrflckt ist. Gleich darauf zeigt sichuns das Seelenbild Gretchens (Thema 12) wieder in dervorherigen ruhigen Klarheit, die kaum vorflbergehend durch•inen sanft bewegenden Hauch gestreift wird, bis endlichin einer neuen thematischen Bildung!«•^^iIMm amoroso.mj]I^,^-^u-^-j us i:un poco pxu erttc^^^S^^'X'b^ Ly 1^=^


m 9—*^^t=t5^iiFE— 173 —Gretchen's Seele ihrenganzen reichen Schatz hingebender\md opferfreudigerLiebe erschliessen will. Diese von tiefster Innigkeit erftillte,den milden Glanz voller Herzensreinheit ausstrSmende Liebefindet nun ihren Gegenstand: Faust kreuzt den <strong>Leben</strong>spfadMargaretens ; mit dem Motiv des sehnenden Verlangens (2)erscheint er vor ihr und aus dem unmittelbar im Violoncellosich15.anschliessendenappassioiialoscheint uns das EmpfindenGretchen's bei seinem Anbhckentgegenzuklingen. Faust'sMotiv spncht leidenschaftlicherund drangender. Da beginnt plozlich ein uberaus zartesWogen und zauberhaftes Weben und Schweben auf einerFolge von Dur-Harmonien. Sie umfluten mit wunderbaremSchimmer das zweite der sehnenden Motive aus dem Faust-Satze (6), das jetzt die Solo-ViolonceUe und Violinen ininnigem "Wechselgesang erklingen lassen. <strong>Das</strong> erste Liebesentziickengiesst seine seligen Schauer fiber Faust und Margareteaus. Yon hSchstem Glucksempfinden verklart, erscheintuns nun das Wesen Faust's auch in anderen seinerMotive: in denjenigen des Liebessehnens (9), dieser verklartenUmgestaltung des Thema 2, und dem ebenfaUs imAusdruck veranderten, des wilden und schmerzvollen Zugesjetzt entkleideten Motiv des faustischen Dranges (5).Mit jener Motivbildung (13), welche das erste LiebesempfindenGretchen's malte, kommt jetzt auch ihre ganzeHingabe an Faust zum Ausdruck, die im endlichen Ersterbendes TongebUdes ein v5Uiges Aufgehen in dem Geliebtenwird. Ihr von zartem Figurenwerk durchwobenes erstes


— 174 —Thema (12) erklingt vrie ein seligea Durchbebtsein ihresganzen "Wesens. In Shnlicher Weise tritt uns auch dassechste der Faustthemen von Neuem entgegen und dieWiederkebr des den Liebesreichtum echter, reiner WeiblichkeitenthtUlenden Motivs (14) mit seiner wundersamen Ruheund Innigkeit spricht von einer Ftllle heimlich stillenGlilckes in Gretchen's Seele, welches in den atherischenKlangen der Schlusstakte, dem Boden der Alltaglichkeit desErdendaseins unnennbar weit entrilckt, auf das zarteste austOnt.<strong>Das</strong> hSchste Glflcksbewusstsein des liebenden "Weibesherzenswird uns bier offenbar, dasjenige —Was unaussprechlich ist:Sich hinxugehen ganx und eineZu fiihlen, die ewig sein muss!Ewig!Wonnem.Meplilstoplieles.Zu den genialsten Hervorbringungen nicht nur unterLiszt's TonschOpfungen , sondem hinsichtlich des reincharakteristisch-pragnanten Gestaltens auf dem Gebiate derTonkunst uberbaupt, zahlt unstreitig die musikalische VerkOrperungdes mephistophelischen Geistes. Sie dtlrfte nachder eben erwahnten Seite bin wolil wenig ihres Gleichenhaben. Durch die Art der Yerwendung der musikalischenMittel aber und die Ktlhnheit und Sicherheit, mit der das VermOgender Musik, einen Gegenstand selbst zu ironisieren imdzu persiflieren, hier nun sogleich auf die Susserste Probe ge-Btellt •worden ist, musste dieses Tonsttlck, namentlich z\\sZeit seines Erscheinens, geradezu verblaffen und berechtigtesErstaunen hervomifen.Bei Goethe wie in der Faustsage flberhaupt trittMephisto als hOUisoher Abgesandter von aussen her an Faoit


f- 175heran. Aber dieser Damon haust eb«nsogut tief drinnenin der Brust des Menschen, und nicht zum wenigsten geradeauch in der nach dem Hoclisten strebenden faustischenPersOnlichkeit. Wir erblicken in ibm nun denjenigen Geist,welcher im Dienste der allem Idealen entgegengesetztenund feindlich widerstrebenden Machte jeden hohen, grosssinnigenGedanken herunterzieht und verzerrt; den Geist,der jede gute, oder stolzem und kflhnem Wollen entsprosseneThat speziell durch die zersetzende Kraft des Spottes unddas dieser zu Grunde liegende negierende Princip im Keimzu ersticken und uns dadurch unserer hSheren Natur zuentfremden trachtet. Seine Art und sein ganzes Treibenkonnte durch den Musiker gar nicht besser, nicht treffenderund uberzeugender dargestellt werden, als Liszt dies gethan,indem er die gesammten Toncharaktere, aus welchen aichvorher das musikalische Abbild von Faust's Wesen zusammensetzte,jetzt zmn grinsenden, hellen Hohn iachenden Zerrbildumgestaltetc. Dies ist wohl die allergeistvoUste von alienk^nstlerischen Intentionen, welche aus der Partitur der „Fau8t-Symphonie" hervorleuchten.Erschienen im Gretchen-Satz Faust's ganzes Wesenand Empfinden in der versch5nerten Umgestaltung seinermusikalischen Motive, durch die verklarende Macht der reinenLdebe zu h5heren Regionen emporgehoben, so mflht sichjetzt MepMsto weidlich und vorerst, wie wir sogleich sehenwerden, mit vollem Erfolg, jede Bethatigung des hochstrebendenGeistes grtlndlich herabzuziehen. „ Staub soil er fressen, undmit Lust!"' — lautet seine Devise. Mit dieser erscheinter, y^der Oeist, der steis verneint^, unter diabolischem Gelachterauf dem Plane:16.g^4—f^B3 Hbl. Str.B«cken n. Triangol.con 8va^±=lZiI^


— 176^^^^^^^W^^^A=£iFanst's m&chtiges, weltumspannendes Sehnen (Thema 2)ist das erste, woran er seinen Sarkasmus tibt Es tritt unsin folgender Umfonnung entgegen:17 U. Viol. I. Viol. pixx.qiiti! i 7 VHorn Jr^"^^Fag.if^ji/1fifTr ifI:; :/ 1-^ izDer tiefsinnige Grilbler und Forscher (Beispiel 1) musssich eine hOiinende chromatische Begleitung gefallen lassen.18. a«r. Vol. ipixx^ViolaA tir^^^^MFtg.^^^ ^ erscheint der grosse faustisch*f v^. ^^^ ^y— Thatendrang (5) im Lichte der mephistophelischenSpottlust:^^S1».Nachdem diese letxtere edch an den erw&hnten Seitecder Faust-Natur eine Zait lang GenQge gethan, kommt aucb


:— 177 —das, bekanntlich aus Thema 2 hervorgegangene Motiv desLiebesverlangens (9) an die Reihe, das in dieser Weise zurFratze entstellt wird:20.g^^^| 3^^^^ffe^^-F 1^in. ^'^^^^^^^^^^^An dem Liebesempfinden Faust's iibt Mephisto, wiein dcr Diclitung, seinen beissenden Witz olfenbar mit besonderemBehagen, worauf die langere fugierte Durcbfuhrungdes Tliemas scliliessen lasst,Und auch der letzte nocli tibrige faustische Zug entgehtdem zersetzenden und zerfetzenden Treiben nicht. DerStolz (Thema 10) muss ebenfalls noch in den Staub gezogenwerden und dem vemiclitenden Holin zum Opfer fallen^=if-&* So geht das diabolischeVergnugen fort bis zumteuflisch "wilden Frohlocken.Kurze Unterbrechungenbringen das-Belbe auf Momenta zum Scbweigen. Unter einem dusteren,unheimliclien Moll-Accord der gestopften Horner erscbeintpl5tzlich Faust's erstes Motiv, der Harmonic angepasst. Ausverborgenster Tiefe taucbt es empor, "wie eine dunkle, unvni.12


— 178 —bewusste Regung seiner hQheren Natur, in dem Moment,da die zereetzenden Elemente diese ganzlich vernichtenwollen. Der Geist des Yerneinens hat nnr ein wild-flberlegenesAuflachen dafflr ilbrig. Mit einem Male steht aberauch das (Jretchenmotiv vor uns — „ mitten im Heulen undBllappen der H5lle" — in seiner ganzen ungetriibten ReinheitAuch die Erinnerung an die Lichtgestalt, deren LiebeFaust's wilden Drang veredelt hatte, sucht Mephisto zutQten. Aber so toll und trotzig wQd er sich auch geberdet— hier muss er doch zu guterletzt die WafFen strecken.Seine Macht ist aus, er weicht zuriick und verschwindetzuletzt ganzlich vor dem milden Glanze, der sich von obeuhemiedersenkt Noch einmal erscheint Gretchen's Gestaltvor uns, dann erlischt das letzte Zittem und Beben desOrchesters und nach einem Moment allgemeinen Schweigenssetzen Strdchinstrumente und Orgel mit einem feierlich tiefenC-dur-Accord ein und Mannerstimmen intonieren in ernstemUnisono den Chorus mysticus:82. AnianU miatieo.^^^isi Al-les Ver-g8ng - li-cheM- a ^-l-f^f aotio voea ist nor ein Oleioh - nis.^S j^=^ etaAu8 seiner geheimnisvoll dSmmeraden Tiefe erhebt ersich zu sanftem Aufschwung mit einer verklirenden harmonischen"Wendung, und der Solo-Tenor beginnt, in tiefbedeutungsvoller Weise den melodischen Linien des Gretchen-Motivs folgend:


— 179 —<strong>Das</strong> £ wig Weib-li-2^me:eep dolce Tenorsolo.che zieht uns hi nan, zieht uns hi - nani ?s ^^^ :-^=::: ^^Chor.ppDer Tonsatz steigert sich hue zu irLmer kraftvollereniAusdruck imd schwillt zuletzt zu grossartigster Ftille an.Aus den erhaben auf und niederschreitenden Bassen derSchlusstakte vernehmen wir nochmals einen entfernten Anklangan das Motiv faustischer Grosse (10) ala den vollendendenAbschluss des musikalischen Faust-Q-emaldes, deain Tonen durchJ :bten gewaltigen Menschendaseins.)Arthur Hahn.12*


Fran^ LiJ§t.Zwei Episoden aus Lenau's „Faust",fiir grosses Orchester.Eomp. 1858/1859.Erschienen 1862 beiSchuberth & Co.Fast sein gauzes <strong>Leben</strong> lang hat sich Liszt mitder Person Fausts, noch rnehr aber mit der CharaktergestaltMephistos beschaftigt. 1853 schuf er seine gewaltigeFaustsymphonie, deren dritter, machtigsterTeil sich mit dem Hollengeiste beschaftigt, dann folgtendie beiden hier zu behandelnden Episoden, denener die Lenau'sche Dichtung zu Gninde legte, und endlichnoch in seinen siebziger Jahren, zwischen 1880und 1883, komponierte er nicht weniger als drei Mephistowalzerund eine Mephistopolka. Fiir ihn istMephistopheles der weitaus interessantere Charakter.Wie er selbst in seinen Briefen wiederholt sich ausdriickt,sieht er in diesem Teufel das verkorperte Prinzipder Ironie, weniger den „Geist, der stets verneint",als den frechen, sarkastischen Spotter, derselbst das Heiligste durch sein Lachen in denStaub zieht. Daher verwendet Liszt in dem zweitenStiick auch nur wenige, der Dorfmusik entnommeneThemen und lasst diese nach dem Eintreten Mephi-


— 181 —stos in der Handlung nur durch diesen karikiertdurchfiilireii ; dadurch hat der Mephistowalzer seinegrosse Einheitlichkeit erhalten, er ist vielleicht dieam leichtesten verstandliche Komposition seiner symphonisclienDichtungen; denn zu diesen sind die beidenFaustepisoden, wenn sie auch nicht in der Keiheder beriihmten Zwolf stehen, zweifellos zu zahlen —der Komponisu halt sich eng an sein poetisches Sujetund giebt nur eine knappe musikalische Illustration.Man konnte sie sich fast als melodramatische Begleitungdes Textes vorstellen.


182I. Der nachtliche Zug,Am Himmei Bchwere dunkle Wolken hangenUnd harrend schon zuin Walde niederlauschcn.Tiefnacht; doch weht ein susses FriihlingsbangeQIm Wald, ein warmes, seelenvolles Rauschen,Die bliitentrunknen Ltifte schwinden, schwellen,Und horbar rieseln alle <strong>Leben</strong>squellen.Nachtigall, du teure, rufe, singe!Dein Wonnelied ein jedes Blatt durchdringe!Du willst des Frtihlings fltichtige GestaltenAuch nachts in Lieb' und Sehnsucht wach erhalten,<strong>Das</strong>s sie, so lang die holden Stunden saumen,Vom Gliicke nichts verschlafen und vertraumen! —Faust aber reitet fiirder durch die Nacht,Und hat im diistern Unmut nimmer achtDer wunderbar bewegten Priihlingsstimmen.£r l^sst nunmelir sein Ross gelassen schlendernDen Weg dahin an frischen Waldesrandern.Leuchtkafer nur, die bin und wieder glimmen,Bedammem ihm die Pfade manchesmiU,Und selten ein verirrter Sternenstrahl.Je tiefer ihn die Bahn waldeinwSrts fiihrt,Je stiller wird's, und ferner stets verhallenDer Bache Lauf, das Lied der Nachtigallen,Der Wind stets leiser an den Zweigen xtihrt.Was leuchtet dort so hell zum Wald herein,<strong>Das</strong>s Busch und Himmei gltlh'n im Pnrpurschein ?Was singt so mild in feierlichen T6nen,Als woUt' es jedes Erdenleid versOhnen?<strong>Das</strong> feme, dunkle, eehnsuchtfivolle LiedWeht siisserschuttemd durch die stille Luft.Wie einem Glaubigen, der an der GraftVon seinen Lieben weinend, betend kniet,In seine hoffnungsmilden SchmerzenstriumeHinter den Grabem fltistern die GesfingeDer Seligen: bo sauseln diese KlangeWohllautend durch die aufhorchsamen Bftume.


— 183 —FauBt halt sein Ross und lauscht gespanntcr Sinne,Ob nicht der helle Schein und Klang zerrinneVor Blick und Ohr, ein traumerischer Tnig?Doch kommt's heran, ein feierlicher Zug,Da scheucht es ihn, ins Dunkel hoher EichenSeital) des Wegs mit seinem Ross zu weichenUnd ubzuschreiten zwingt uuwiderstehlichDer Zug ihn jetzt, der naher wallt allmahlich.Mit Fackellichtern wandelt Paar an Paar,In "weissen Kleidem eine Kinderschar,Zur heilig nachtlichen Johannisfeier,In zarten Handen Blumenkranze tragend;Junglrauen danu, im ernsten NonnenschleierFreudvoil dem sussen Erdeugluck entsagend;Mit Kreuzen dann, im dunkeln Ordensrocke,Ziehn priesterliche Greise, streng gereiht,Gesenkten Hauptes, und in Bart und LockeDen weissen Morgenreif der Ewigkeit.Sie schreiten singend fort die Waldesbahnen.Horch! wie in hellen Kinderstimmen singtDie <strong>Leben</strong>sahnung, und zusammenklingtMit greiser Stimmen tiefem Todesahnen!Horch, Faust, wie ernster Tod und heitres <strong>Leben</strong>,In Gott verloren, hier so schSn verschweben!Er starrt hervor aus dunklem Buschesgitter,Die Frommen und ihr Gliick beneidend bitter.Als sie voriiber und der letzte TonDes immer fernern, leisern Lieds entflohn,Und als der fernen Fackel letzter ScheinDen Wald noch einmal zauberhell verklartUnd nun dahin am Laube zittemd fahrt,Als Faust im Finstern wieder steht allein:Da fasst er fest und wild sein treues RossUnd driickt das Antlitz tief in seine MahnenUnd weint an seinem Halse heisse Thranen.Wie er aoch nie so bitter sie yergoss.Lenau,


— 184 —Die schonheitsgesattigten Verse Lenaus und ihrergreifender Stimmungsgehalt mussten zur Kompositionverlocken. Liszt folgte dem Dichter getreulich;ohne sich allzusehr von seiner Phantasie verleitenzu lass en und den Faden der Handlung aus demAuge zu verlieren, verweilt er nur kurz bei der Schilderungder nachtlichen Waldesstimmung ; die Hauptsachefiir ihn ist die diistere Prozession, deren tieferErnst in seltsamem Kontrast zu dem begliickendenSchlagen der Nachtigall in der warmen Sommemachtsteht. Die Personlichkeit Fausts tritt nur zu Beginnund am Schluss in den Vordergrund, alles andere istobjektive Darstellung ohne Beziehung zum Helden.Mit dem energischen Motiv;!•I>angsam und dQster.m^s £S:^"Tt: 'Kl, gest.Hr.Un.j^j4^^^ff Sir.A Kn.beginnt die Komposition.Es driickt die von innerenQualen zerrissene Seele Fausts aus, dem die Blaser eindeutliches „Halt!" zuzurufen scheinen; er soil umkehren,zuriickkehren zur Natur, der er sich entfremdethat, und die sich ihm jetzt in ihrer ganzen Prachtenthiillt. Nach einigen mahnenden Akkorden, die in denHolzblasern verhallen, schildert der Tondichter dieseMondnacht in weichen Klangen:


LL Hbl. tnisteriosnS^185 —Viol. I. con sord.divisi con sord.^^JB^EB.i=^i=^Br.div. con sord.SteVc. con sord.:iirC:ir±


— 186In der mliigen akkordischen Aufwartsbewegung derVioloncelli glaubt man das Aufsteigen des Mondes zuerkennen; nur ganz leise ertont darein das ungeduldigeStampfen von Fausts Boss, das der Euhe entwohntist:I'k.wqpS^P fPP&^Immer warmer und wohliger entfaltet sich der Zauberder Nacht, in einer sehnsiichtigen Passage erhebensich die Violinen, indes die anderen Streichinstnimentewie von leisem Windhauch bewegt erzittem unddie Oboe einen einsamen Seufzer ausspricht. Da beginntein Chor von Nachtigallen sein Lied.m.Viol. I. VloL n, 1-pitz.Die andern Vogel stimmen ein, wie Zwitschem klingt63 in den Oboen und Klarinetten, nur das Horn ruftcinen freundlichen, menschlichen Ton in die Harmoniedes Waldgesangs.Auch in Fausts Brust scheint sich tiefes Sehneneu regen im Verein mit dem Drangen in der Natur. <strong>Das</strong>inbriinstig wachsende Thema


:187^mIVa.BEEi^^$=^^=SMtM=i^MViol.Fl. Ob.Br.Vc.^^ r^_i±=B. Fag.SEzizzz^-zii dem die Homer mit dem Ehythmus [iJJJlJJJi!auf F einen harmonischen Stutzpunkt geben, wirdchromatisch durchgefiihrt ; einen kurzen Kuhepunkt,nach dem es sich aber immer starker erhebt, erhalt esin der absteigenden Figur<strong>Das</strong> <strong>Leben</strong> in der Natur wacbst von Takt zu Takt, nurwie von feme erklingt im Pizzicato der Streichereine kurze Zeit das Faustmotiv im Miytlimus des trabendenPferdes hinzn:mk ^mEI u- n. P==fr^^¥=f^bis allmahlich die froh-zufriedenen Klange einem emstenTone weichen miissen. Von feme ertont das


:188Glockchen des Messners, auf dem cis' halt es hartnackigaus, bis dann der Chor mit seiner Liturgie anstimmt,Zu diesem leisen Glockenklang, den Harfenakkorde,leichte Holzblaserharmonien und Geigenarpeggienzart umranken, vemimmt man schon in Fagott undHorn eine emste Weise, die dem spateren Hauptthemasehr ahnlich istV.:^l^z=^ P-» fc=fe £Fag. Hr.Vc. B.Diese, sowie das Hauptthema VI sind der altchristlichenHyumensequenz des „Pange lingua gloriosiCorporis mysterium" (aus dem altgregorianischenMagnificat) entnommen. Bei den Niederlandem findenwir sie in folerender Form:m^:z::^£i ^^igt:Sie ist dann friihzeitig auch in die evangelische Eirchelibemommen worden, schon im Enchiridion Wittenbergensevon 1525 steht sie auf die Textworte : „MeinZung erkling und frohlich sing" (Zahn Nr. 3682a).Liszt hat fiir diese Melodie eine grosse Vorliebe gehegt;er verwendet sie im „Crux fidelis" der Hunnenschlacht,in der heiligen Elisabeth und im Magnificatder Dante-Symphonie. Hier, im „Nachtlichen Zug",denkt er sich als Textworte eben die des Thomas vonAquino „Pange lingua" dazu. Die oben in beiden Beispieleneingeklammerte Stelle bezeichnet er selbst als„das tonische Symbol des Kreuzes". Aehnlich demVorsanger in seinen Psalmenkompositionen fiihrt Liszt


— 189 —hier die Sequenz durch ein einzelnes Instrument ein;das Englische Horn stimmt mit scliwermiitigem Tonedie Weise an:Engl. Hrl=tJ^Ht.immer melir Sanger treten hinzu, immer voller wirdder Chor. <strong>Das</strong> pomphafte Bild einer feierlichen Prozessionsteht vor uns, Deutlich lioren wir die vomDichter geschilderten Gruppen des Zuges heraus, Nonnenund ehrwiirdige Priester schreiten voriiber, allein gemeinsamem Gesang die Gottheit preisend. DesMessners Glocklein lautet unaufhorlich, dann verschwindetlangsam der Zug, der Choral und die Glockeverstummt.Faust hat tiefbewegt abseits gestanden, nun brichtsein Schmerz gewaltsam durch. <strong>Das</strong> erste Motiv ertontin lautem Aufschrei seines gequalten Herzens,aufschluchzend erzittern die Geigen, er bricht zusammenin ohnmachtigen Thranen, „wie er noch nie sobitter sie vergoss."


— 100 —n. Der Tanz in der Dorfschenke.(Mephisto'sWalzer).Der Spielmann dem JSger die Fiedel reicht,Der Jager die Fiedel gewaltig streicht,Bald wogen und schwinden die scherzeaden ToneWie selig hinsterbendes Lustgestohne,Wie sttsses Geplauder, so heimlich and sicher,In schwulen Nachten verliebtes Gekicher.Bald wieder ein Steigen und Fallen und Schwellen;So schmiegen sich liisterne BadeswellenUrn bltihende nackte Madchengestalt.Jetzt gellend ein Schrei ins Gemurmel schallt:<strong>Das</strong> Madchen erschrickt, sie ruft nach Hilfe,Der Bursche, der feurige, springt aus dem Schilfe.Da hassen sich, fassen sich machtig die Klinge,Und kampfen verschlungen im wirren GedrSnge.Die badende Jungfrau, die lange gerungen,Wild endlich vom Mann zur Umannung gezwungen.Dort fleht ein Buhle, das Weib hat Erbannen.Man hort sie von seinen Ktissen erwarmen.Jetzt klingen im Dreigriff die lustigen Saiten,Wie wenn um ein Madel zwei Buben sich streiten;Der eine, besiegte, verstummt allmahlich,Die Uebenden Beiden umklammcrn sich selig,Im DoppelgetSn die verschmolzenen StimmenAufraseud die Leiter der Lust erklimmen.Und feuriger, brausender, stUrmischer nimmcr.Wie Mannergejauchze, Jungferngewimmer,Erschallen der Geige verfiihrende Weisen,Und alle verschlingt ein bacchantisches Kreisen.Wie niirrisch die Geiger des Dorfs sich geberden.Sie werfen ja samtlich die Fiedel zu Erden.Der zauberergriifene Wirbel bewegt,Was irgend die Schenke <strong>Leben</strong>diges hegt.Vor alien aber der selige FaustMit seiner Brtlnette den Tanz hinbraust;Er drlickt ihr die HSndchen, er stammelt SchwUre,Und tauzt sie hinaus durch die ofifene Thiire.


— 191 —Sie tanzen dutch Flur und Gartengangc,Uad hinterher jagen die Geigenklange,Sie tanzen taumclnd hinaus zum Wald,Und leiser und leiser die Geige verhallt.Die schwlndenden Tone durchsauseln die Banmo.Wie lUsteme, schmeichelnde Liebestraume.Da hebt den flotenden WonneschallAus duftigen Biischen die Nachtigall,Die heisser die Lust der Trunkenen schwellt,Als ware der Sanger vom Teufel bestellt.Da ziehet sie nieder die Sehnsucht schwer,Und brauseud verschlingt sie das Wonnemeer.Lenau.Hat Liszt in seinem ,,Nachtlichen Zug" hauptsachlichein diisteres Gemalde mit fast tragischemHintergmnd vor uns entrollt, so bietet er in seinem,,Tanz in der Dorfschenke" ein Bild von iibermiitigemHumor und tollster Laune. Etwa wie die derbenBauemscenen der vlamischen Meister, David Teniersund Jan Steen, mutet uns dieses geistvolle Orchesterstiickan: die ungeziigelte landliche Lust noch zumwilden Sinnestaumel gesteigert durch die Zaubergeigedes Teufels.Faust kommt mit Mephistopheles, der sich imGewande eines Jagers prasentiert, am Sonntag in eineDorfschenke; er sehnt sich, die gleiche Lust wie dasBauernvolk empfinden zu konnen, besonders eine feurigeBriinette zieht ihn an. Aber er ist zu schiichtem,er wagt sich erst in den Tanz zu mischen, als Mephistodem Dorfmusikanten die Fiedel entreisst und nunselbst seinen Hollenwalzer herunterspielt.Tritt schon im „IS[achtlichen Zug" Faust sehr inden Hintergmnd, so verschwindet er im „Mephistowalzer"vollstandig. Deutlich aber heben sich diezwei Teile der Komposition voneinander ab : der ersteschildert den lebhaften Landler des Bauemvolkes, der


:192zweite, sehr markant eingeleitet durch das schrilleLachen des Hollenfiirsten, die bacchantische Kasereiinfolge Mephistos Geigenspiel. Innerlicli hangen beideTelle eng miteinander zusammen, denn sie enthaltendie gleichen Them en, nur erscheinen diese im zweitenAbschnitt durch Mephistos Ironie verzerrt. Auch dieThemen unter sich sind nah verwandt; bedingt dochschon der schnelle Rhythmus (vier Takte ^/g gleicheneinem */4 Takt, so auch zu dirigierenl) eine gewisseAehnlichkeit. Nur wenig tritt das Gefiihlsleben hervor;selbst das als Liebesmotiv aufzufassende Themazeigt in seinem leichtgeschiirzten, hiipfenden Rhythmus,dass die Leidenschaft nur eine augenblickliche,voriibergehende Liebelei ist.Mit einer charakteristischen Imitation der Dorfmusikbeginnt die Komposition. Im polternden Doppelgriffmarkiert der Bnimmbass den Takt, wahrenddie Virtuosen der Dorfgeiger sich vorzugsweise aufden leeren Saiten (d, a, e) im schnellen Landlertempobewegen ; Griffe auf den Saiten sind diesen Kiinstlemoffenbar zu schwer. Klarinette und Oboe spielen dieMelodie mit, wahrend die Tagotte und Horner denBass unterstiitzenI. V. Ob.


IC:— 193 —Doch dies ist alles erst ein Probieren; es klingt auchfast noch, als ob die Musikanten ihre Instnimentestimmen oder erst die noch saumigen Tanzer in dierichtige Tanzlust bringen wollten. Doch scbnell istdas Orchester nach den praludierenden, chromatischenQuartenschritten,11. Str. piiz.i^HbL•?—i*-f C -7 tt* 4^^^die im Wecbsel zwischen den Streicbem (pizz.) -iindHolzblasern Frage und Antwort wiederzugeben scheinen,aus seiner Schiichtemlieit heraus. Bald finden siedas rechte Blatt aus ihrem Kepertoire, frisch wild diebauerliche Weise aufgenommenm.' ' 'ij;''ii.'#**=: -\-^Die drei Them en spielen zunachst lebhaft durcheinander;bald tritt noch ein neues Motiv hinzu, das dieLust am Drehen nnd Walzen der Paare zu kiindenscheint, so wirblig geht es dabei zn:VIII. 13


194 —BarcoImmer toller wird das Treiben, da wagt sich derBursch mit einer tolpischen und unbeholfen schiichtemenLiebeserklarung hervor. Er fliistert sie seinerGeliebten wahrend des allgemeinen Tanzes ins Ohr.Dies kostliche Thema des Violoncelis, das durch densynkopierten Rhythmus und die Vorhklte so trefflichdas befangene Anschmachten charakterisiert,^f: «: f:m^Ju^ -W-dolce amoroio 9*tmi -V^f-V4-!^^rp=»c:B. puf. Vcwird dann besonders in der eingeklammerten Schlussphrasegewissermassen zu dem Motiv des zu seinerBriinette ergliihenden Faust. Bald wird es von ni\mterenFlotengangen in Terzenparallelen (Vi6— ^/4)'bald von sehnsiichtigen Harfenarpeggien umrankt, bisdie Erhitzung und Ermiidung die Tanzenden zu voriibergehenderRuhe zwingen will. Eine kurze, kantilenenartigeKadenz der Solovioline deutet dies an.Da aber ergreift Mephistopheles die Geige. Mitgrellem Hohnlachen iiber die StUmperei der Dorfpfeiferruft er jetzt zum Tanz und nun brausen die Paaredahin ohne Unterlass. Mit einem trillerahnlichen Motivcharakterisiert Liszt Mephistos Ironie, ahnUch dem


:— 195 —Tartinischen Teufelstriller, oder seinem eigenea Themaim dritten Satze der Faust-SymphonieVI.8va.Ein Thema der Dorfmusikanten nach dem andern wirdnun persifliert. Zuerst muss der schuchterne Liebhabermit seinem Gestohne herhalten, namentlich. dieinnige Frage (siehe die oben eingeklammerte Stellevon Motiv V) erregt den hellen Spott des teuflischenSpielmanns, Dann wird die ganze Bauernmusik karikiert(Thema III), wahrend die tiefen Streicher einenemsten Euf erklingen lassen:vll. Mit schr breitera Strich.nt^ — =Fi>^:Str. eapr. molto5^^^^ga^iE^j;^afe£gImmer wilder geht der Tanz dahin (^/^, Molto vivace),wie atemlos jagen sich die abgerissenen Sechzetintelfiguren^bisin dem wiisten Getriebe ein neues Thema (VIII)die Oberhand behalt.13*


^196mVUi.con era.Str. pill.i' ...> > . .^-4—-P^^^^ "^r^ 4"^ > 1 IHbl. /Fag.B. pisM.:j^ 2 ^::>Ti~o^^Br.Vc.B.arcoSchrill pfeifen die Floten den Teufelstriller dazwischen,das Liebesmotiv und die Bauemmelodie tretendazu, und Mephistos Ziel ist bald erreicht; bald hatdie liisteme Sinnlichkeit die harmlose derbe Lustigkeitvertrieben, und alles drangt nun nur noch zumLiebesgenuss. Dieses sehnsiichtige Verlangen wirddurch eine Flotenkadenz mit nachfolgendem Violinsoloin hochster Lage, sowie mehrere Harfengliseandiauf verminderten Akkorden ausgedriickt.Nach dieser Kadenz hat Liszt zwei Schliisse komponiert;der erste rekapituliert nur noch kurz dasLiebesthema im Ehythmus P ^ ^ ^ ^jp iind endetim //; der zweite („und brausend verschlingt sie dasWonnemeer") beschaftigt sich noch kurz mit Faustund seiner Briinette. <strong>Das</strong> voile Orchester scheint sei-


— 197 —nen Entschluss zu kennzeichnen, sich auch nicht mehrden Freuden dieser Welt verschliessen zu wollen.-^r"^^Er stiinnt mit seiner Geliebten davon, und ganz vonfern verhallt der wilde Eausch.P. Sakolowski.


<strong>Franz</strong> Liszt,Eine Symphonie zu Dante's„Divina Commedia".[Erste Entrrarfe : 1840- iS. Eomponiert: 1856. Erste AaffiUiraiig : Oietden 1857.Partitnr im Drnck enchienen: Leipzig, 185S, bei Breitkopf & H&rtel; Bearbeitanrenitir 2 Elayiore (vom Eomponisten), fUr Klavier za vier H&nden (yoa Arth. Bahn)nnd Elavier za zwei H&nden (ron Th. Forchhammer) ebendaselbst]ileichzeitig mit seinem „Fau8t** schuf Liszt auchdie andere seiner beiden ia grossen Proportionenausgefflhrten Symphonien, diejenige zur „DivinaCommedia", in welcher er uns in die Phantasie- und Gedanken-welteines Dante Alighieri fdhrt, des grossen FlorentinerPoeten.Dante's beriUimteste Dichtung, die „gOttliche KomOdie",mit ihrer Ffllle von Allegorien, hat bekanntlich im Verlaufder Jahrhunderte die verschiedenartigsten Auslegnngen e'-fahren. Den tiefen Gehalt, welcher dieser auf den christliehenund speziell katholischen Dogmen uud Anschauungenfussenden Darstellung der drei Reiche des Jenseits, derHOlle, des Fegefeuers und des Paradieses, innewohnt undder vor allem der Dichtung ihre universelle Bedeutung verleiht,hat man sowohl im moral-theologischen wie im philo-Bophischen Sinne zu ergrflnden gesucht, "wShrend Aiidere"wiedenim, denen das grosse Zeit- und Sittengemilde alsdas besondere Hervorragende an dem Werke gait, in ersterLinie eine grosse politische Satire darin erblicken wollten.


— 199 —Far den Tondichter musste bei einer, den Hauptmomentender poetischen Schilderung folgenden musikalischen Dar-Btelhmg naturlich vor allem der allgemein menschlichennd ethische Kern des Ganzen in Betracht kommen. Indemer uns zugleich diesen zu enthtOlen und zum BewusstseinEu bringen trachtete, war es ilim mOglich, uns hinwegzuhebenilber den engeren Kreis von Zeitverhaltnissen undden mit ihnen zusammenhSngenden religiSsen Begriffen undAnschauungen, an welche die Dichtung Susserlich gekntipftist, auch wenn er in seiner musikalischen Behandlung desGegenstandes an BUder nnd Vorstellungen der dichterischenDai-stellung sich zu halten hatte, die ihm als ReligionsgenossenDante's ja iiberdies auch besonders nahe liegenmussten.Liszt's „Dante- Symphonic" zerfallt ihrer ansseren Einteilnngnach in zwei grosse Hauptstucke, welche die „Hblle"und das „Fegefeuer" behandeln. Dem letzteren reiht sichdann, wis ein Ausblick auf das, den dritten Tail von Dante'sWerk bildende „Paradies", das „Magnificat" als verklarendesSchlussstuck an. Bezliglich seiner formellen Beschaffenheitist auch dieses Tonwerk ganz und gar vom Standpunkt der„symphonischen Dichtung" aus zu betrachten, d. h. seineForm ist rein aus seinem poetischen Inhalt heiaus entstanden.Zu einem Begegnen mit der altera a , stabilen Symphonieform,wie es im „Faust'' gelegentlich zu bemerken ist, kommtes in der Symphonie zur „Divina Commedia" nicht mehr.Nach diesen Vorbemerkungen werfen wir unter Fiihrungdes Tondichters einen Blick in die Welten Dante's.


:— 200Inferno*(Die H51Ie.)Durch mich gehfs ein zur wehevoUen Sidtte,Durch mich gehfs ein xum emiglichen SchmerXjDurch mich gehfs ein xu dem verlomen Volke!Dies ist der grauenvolle Empfangsgruss, der uns inungeheuren Schriftztlgen von dem n&chtlich finsteren HOllenthorentgegenstairt, wenn wir, dem SchOpfer der „DivinaCommedia'* folgend, den Ort des Schreckens betreten. MitdrOhnenden PosaunenklSngen, in denen sich forohtbareteH&rte mit langgezogenen TOnen dee Schmerzes und Entsetzenspaart, l&sst der Tondichter jene Worte in imslebendig werden als erschfitterndste Introduktion zu seinergrandiosen musikalischen HOllenschilderung^Pmv=5 ^^ fe=9=P^1. Lmio.Per me si va nel-la oit-ti do - len - te:Poa.Stx.ff^^Per me si va nell' e-ter-no do - lo - re::"»^^,=Sfc=9==tt^ ^Per me si va tra la per dut - ta gen - te I=P=9=^p=tc iEin dumpf grollender, bis zum donneraiinlichen GetOseanschwellender Wirbel der Pauken, von einem TamtamschlagbescMossen, begleitet die beiden ersten der drei>f


:— 201 —furchtbaren Verktlndigungen, denen der Komponist dieOriginalfasaung der Bmgangs citierten HQllenthor-Inschriftals den zu dem Instrumentalrecatativ hinz'izudenkendenText beigefilgt hat. Kaum ist der letzte Ton . verklungeu,so gelit uns auch schon in Trompeten und fl5mern,von schauerlichem Tremolo und OrchesterstSssen begleitet,jenes unerbittlich harte Vemichtungswort entgegen, diemusikalische Nachempflndung der bertlhnitesten Stelle ausDante: „La8st, die ihr eintretet, alle Hoffnuitgfahreni"ES^La-scia-te og - ni spe - ran - za, vol ch'en tra - te!ff Tromp. sfHr. (8va bassa)P^pJ. 3 IJ J mAuch dieses Schreckenswort weckt wieder ein dumpfes,schweres Grollen, welches aus den allertiefsten Tiefen desH5llenschlundes heraufzuklingen scheint imd das nun, zuimmer machtigerem Gebrause anschwellend, h5her und hOhersteigt, als sei das ganze nSchtige Heer der Verdammten imAnzug. Zwei spSter zu hervorragendster Bedeutung gelangendeMotive treten aus dem Tongewuhl scharf hervor,das in chromatischer Folge schwer niedersteigende3^!=^JrJ::pM-fe r |j>=^^'ff mareatound das von angstvoUem Aufseufzen bis zum wild herausforderndenSchrei sich steigernde:*•^ P^- Besonders das erstere derselben gew?p11 ff^^ ty—^: ^J^^: langt immer markanter zur Geltungfj-und stUrzt schliesslich in wuchtigsterStarke unter schmetternder Accordbegleitung (heftig gestosseneTriolen der Holzblaser und Streichertremolo) wie


— 202 —unter grasslichem HohngelSchter nieder. £s ist der Ausdruckverzweifelter Hoffnvmgslosigkeit, der alien den sonst80 verschieden gearteten Existenzen in den hier zunHchstgescMlderten Tiefen und Abgrflnden als gemeinsames Abzeichenanhaftet, dem ganzen „verlorenen Volke", unterwelcliem wir alle Jene begreifen mOgen, deren Thun undTreiben der Natur und Menschlicbkeit zuwider geht undeinen geistig hOheren Wert nicht besitzt; jene idealloseSchaar, die alles Edle und nach Licht und HOhe Strebendehasst und hOhnt, lastert und begeifert, und es in nie verlOschenderWut vemichten und zerstOren mOchte; die geborenenFeinde und ewigen Gegner alles Guten. Ihre eigeneNiedrigkeit, bei der ihnen doch zuweilen bange werdenmuss, das dumpfe, vemichtende Bewusstsein, ftlr ewig ausgeschlossenzu sein von den HOhenwelten des Geistes, diesist, wenn wir die ganze Darstellung des Dichters reinsymbolisch verstehen wollen, ihre „HOUe": ein Seelen- undGeisteszustand, fOr dessen Yorhandensein Tod und Jenseitenicht erst vonnSten sind. Im Folgenden werden wir nunmitten unter die Schrecken des „Inferno" versetzt. Derkurze, anf die oben erwS,hnten Motive (3 n. 4) gebauteTonsatz, der uns die ersten Empfindungen imd Eindrtlckebeim Durchschreiten der HOllenpforten, beim Eintritt in denEannkreis tiefster geistiger Niedrigkeit malt, fdhrt mit seinemimmer mehr beschleunigten Tempo zu einem Allegrofreneiico. Wie von tief purpumer Glut durchleuchteteFinstemisse umfUngt es xms, wie eine von undurchdringlichBtickigem Brodem geschwangerte Luft, in welcher der Atomversagt und der Schlag des Herzens stockt Themen vonteilweise zermalmender Gewalt und Hftrte, von furchtbardrohendem Charakter, eine Hannonik von schwer lastenderFfllle, eine Rhythmik von schneidender SchSrfe und eineInstrumentation von drflckendster Wucht und Schwere, diesAlles vereinigt sich zu dem grauenhaft dQsteren, in seinerFurchtbarkeit grossartigen G«samtkolorit dieses TonstQckee.


:— 203 —In dem ereten, aus dem oben als Beispiel 4 angefuhrtenMotiv sich entwickelnden Themaiffi7^^-tt^m~t;-^y^ t^^-^isj^3 mgrf ^^ T^'Ts^^^mm t^— :r" ^s«^*ff::twerden Stimmen verschiedener Art dicht neben einanderJaut: tiefes Yerzagen und trotziger Ingrimm. <strong>Das</strong>selbe kebrtnach kurzer Steigerung mit eindringlichster Kraft •wieder.Vv'ie von tosenden Yernichtiingssttirmen werden danach dieVerdammten gepackt und umbergeschleudert. Angstrufe, ohnmachtigeFliiche und Yenvilnschungen gellen und zischenimmer heftiger wie brandende Wogen aus dem Hollentobenerapor. Dann rottet sich mit eineoi Male die ganze finstereSchaar wieder zusammen wie zu einem gemeinsamen Ansturmgegen das Gute. Mit furcbtbarer Energie setzt, von gleichmassighSmmemden Accorden der Blecbinstrumente undBasse getragen, das eigentlicbe Thema hOllischen Trotzes ein6. con 8va. Str. Hbl.^^^'^P'W^ fa^^fc^rHr. Tr. Pos.~=i^^pAber wie vergeblieh derselbe ist, zeigt das Nachlassender Kraft bei der zweiten Wiederholung und das unmittel-


— 204 —bare Siohanschliessen des Motive der hoffnungslosea Verzweiflung(3). Mit gesteigerter "Wut wird der Ansturmimmer wieder (erst auf H-dur, dann auf C-dur) erneuert.Aber es ist umsonst: im Moment des wildesten Tobenswirft plOtzlich das von Trompeten und Posaunen zweimalnacheinander hinausgeschleuderte Lasdate ogni speranxa!alles nieder, am Schluss zu furchtbar gebieterischem Ausdruckgesteigert durch einen Quartenschritt aufwarta, dersich l>ei der Wiederholung noch zum tlbermassigen IntervallerIiOht. Daranf bricht vOllige Naoht und grausiges Chao8herein imd begrabt Alles mit seinen Schrecken. Nur einigedumpfe Schlage zittem noch im Rhythmus des „Lasciate'*als letzter "Widerhall nach-PlOtzlich umweht es ims wie ein milderer Lufthauch.Ein leises, aber unendlich wehevoll und sehnstlchtig erklingendesFltlstem und Sauseln dringt an imser Ohr, aus derH6he sich hemiedersenkend und in der Tiefe sich -wiederverlierend. Die Situation erscheint vOllig verwandelt. Auadem wildesten HOllentumult sind wir in einsame Stille versetzt,aus der "Welt des eigentlich BOsen in eine solche veiltiefer Leiden, die aus einem mit Schuld erkauften Gltlckentsprossen sind. An Stelle der drOhnenden, das All erschQtterndenSchreckenslaute erscheinen zart klagende TQne.Eine einzelne Stimme iSast sich vemehmen, ein elegischerGesang voll tiefer Wehmut und sanfter Trauer, den dieBassklarinette anstimmt und der sich spater, unter leisemHarfenrauschen , im Englisch-Hom und dann in anderenHolzblasinstrumenten weiterspinnt. Der Tondichter hat beidemselben an die tief bedeutimgsvollen Worte Dante's gedacht: „Kein grOsserer Schmerz, als im Elend zu gedenkenan glticklichere Zeit"7. Nes - sun mag-gior do - lo - re che ri - cor-»rDr»ativo ttprtativo moUo^__ «^ wKa^l. Horn


:—p— 205 --dar - si del tern - po fe ce-^r-7^— ifrj i r,—i—if- -i^.—f ^_x. r^--^^A J__ -^ ^1 s-^^^^nol - la mi - sc^zsc^Es ist die erste und einzige individuelle Kundgebungeines "Wesens, die sich hier aus dem Massengetammel desInferno als ein Kontrast rtlhrendster und ergreifendster Artabhebt. Francesca von Rimini's Stimme ist's, die also zuuns spricht, des heissliebenden "Weibes, die einst in yerbotenerNeigung zu Paolo, dem Bruder ihres Gatten, entbranntwar und der der Dichter, gleich so vielen seinerdahingeschiedenen Zeitgenossen, hier anf seiner HOllenfahrt•wieder begegnet. Dem obigen Recitativ gesellt sich folgendemelodische Bildung als Ausdruck eines unendlich tiefenSehnensdolet teneramenUi^i^L^tLU.jfc 4) 4# 4:ii isJa.^- J=S:5#-=-n^t=ri;f^Sie 'wird zuerst von zwei Earinetten, spater vomVioloncello gebracht und von leise nachhallenden Terzender Klarinetten bescMossen. Die tief innerliche Herzens-^dim.


:— 206 —sprache dieses Abschnitts, aus der wir bald Eins, bald dasAndere der beiden unseligen Liebenden zu vernehmenglauben, erhebt sich zu hOchster Leidenschaftlichkeit indem folgenden Andante amoroso, dem musikalischen Nachklangaus der „Liebe8mar von Rimini", das mit geradezu hinreissendemSchwung des Ausdrucks von hOchster Lust undLiebessellgkeit, von gliihendstem, keine Schranken und keinEnde kennenden Liebesverlangen erzahlt. Kier das Themades in tlppigster Melodik erbltlhenden Satzes9. AndanU amoroso.^^=v- n ily-ilsdokt, oan intmo tentimtnlo.rf-'^<strong>Das</strong>selbe steigert sich, zuerst immer von zwei Sologeigen,ohne, dann von sUmtlichen Violinen mit Sordinenvorgetragen, durch Wiederholung auf hOheren Tonstufenrasch zum bewegtesten Qesang der Leidenschaft, der inverzehrend feuriger Glut sich ergiesst:oon Sra.^'Mo{^1 r r jy^-fl^^ht¥»i |con Sto.^i!r?r fr'TH^T^^und als Ausdruck inuigster Hingabe zweier gleichfdhlenderWesen sanft dahinstirbt:U.# SE^^ -n\^) r-^--^ j^^mjires*.


207*'" Ji.j u, .^ ^^Aber der mit Schuld beladenen Liebe Paolo's undFrancesca's, so heiss und echt sie auch gewesen, konntekein Gltlck und keine Hoffnung bluhen, ihrem nie gestillten,ewig verzehrenden Sehnen heftet sich der Fluch desy^Laseiate ogni speranxa " an, das unmittelbar nach demletzten Liebesseul'zer leise, aber sehr markiert im Horn ertOntund mit seinem gedampften Klang uns jetzt beinahenoch unheimlicher und schauerlicher anweht, als zuvor inseinen erschutterndsten Kundgebungen. Mit einem schmerzlichemporfahrenden, py verrauschenden Harfenglissandofliehen die von dem Fluch erechreckten Geister davon.Nun beginnt es sich in den grausigen Tiefen wiederzu regen. Der Abgrund wird lebendig und die Laute desEntsetzens und aUer infernalischen Schrecken heben Tonneuem an. PaukenschlSge und FagotttOne beginnen pp^ abermit markantem Ehythmus. Dann dringt, zuerst wie indumpfem Gemurmel, das Thema 5 herauf, welches in folgenderYeranderung12.t^^r^^^^^^-m-^^a=^etc.in Bratschen und Klarinetten erscheint. <strong>Das</strong> „lastemde Hohngelachter",wie in der Partitur diese ganze Stelle bezeichnetwird, schwillt zu immer starkerem Get5se an. HorntSneschmettern darein und in den Holzblasern hallen wildeAufschreie und gellendes Lachen von alien Seiten wieder.In raschester Steigerung des Ausdrucks wiederholen sichalie frilheren Eindriicke zum Teil in noch verstarktem Grade.


— 208 —Anch die Themen des hOllischen Trotzee (6) and der hoffnungslosenYerzweiflung (3) kehren wieder und das letzterefOhrt endlich in gewaltigster Steigenmg, wie von dimoni-Bchem Triumphjauchzen begleitet, zum Schluss, zu der nochmaligenfurchtbarsten Manifestation des j^Lasdaie'^ ,dashohl auf leerer Quinte d-a erschallt, von alien Schauerndes entsetzlichsten Ewigkeitsgedankens durchbebt Mit einigenmarkerschtltteniden StOssen als endgiltiger Bekr^gung deavemichtenden musikalischen Schlusswortes endigt der kolossaleerste Satz der Symphonie.n.Pupgatoplo.(<strong>Das</strong> Fegefener.)Der tibergewaltigen musikalischen Schilderung der ewigenHofEnungslosigkeit im „Infemo" folgt jetzt im „Purgatorio'*die Darstellung des seelischen LHuterungsprozesses aller Jener,in denen das Verlangen nach reinerer Erkenntnis, das Strebennach hohen Zielen und geistiger Vollkommenheit lebt undin heissem Ringen mit Zweifel und Irrtum und alienM&ngeln der menschlichen Natur sich unausgesetzt bethatigt.Die Einleitung dieses Satzes bringt uns eine breitereStimmungsmalerei von friedvollem und doch eigentflmlichmystischem Charakter, welche ims zuerst den Unterschiedzwischen den ideellen Begriffen des ,Jnferno" und „Purgatorio"deutlich zum Bewusstsein gelangen und die Empfindungenin uns wach werden ISsst, die aus der SchilderungDante's zu Beginn des zweiten Teiles seines Werkes unsentgegenklingen.Zum Lauf durch bessererOewdsser FlutHebt meines Oeistes Schiff nun seine SchunngenUnd Idsst zurilck das Meer roll Schreck und Orau^n,Und singen will ich von dent xweiten Reiche,Darin sich reiniget des Menschen Oeist — —


:209 —Die holde Farbe vom Saphir des Ostens,Die rings den heiiem Himmelsbogen schmiickt,Sie schuf nun Wonne meinen Augcn ivieder,Als ich hervortrat aus der Qrahesluft,Die Augen mir und Brust so lang beschwert.Mit einer sanften Achtelbewegung der nach und nacheinsetzenden Streichinstrumente, denen sich auch die Harfegesellt, und gehaltenen TOnen der BlSser beginnt die musikaKscheSchilderung. Aus dem allgemeinen Wogen auf demD-dur-Sextaccord erheben sich, wie die ersten Atemzflge inreinerer, freierer Luft, MelodieansStze im Horn, die sichdann in der Oboe zum breiten, innig empfundenen Gesangerweitem^S ^ i3^ ETt^18. Hr. Oboe<strong>Das</strong> Englisch-Hom wiederholt den Schluss,und Bratschen faliren fortKlarinettenund treten die Melodie dann anFloten und Oboen in bohererOktave ab. Leise Harfengangedurch-wogen das G-anze und verklingenim Verein mit zarten Holzblaser-Accorden in der H5he.Noch einmal wiederholt sich auf veranderter Tonstufe(Es-dur-Accord) dieses musikalische Gemalde, aus dem dieersten Strahlen der wiedererwachten Hoffnung uns entgegenleuchten.Hierauf beginnt die Schilderung des Lauteningswerkes.Inbrunstiges Sehnen nach Befreiung von denvni. 14


210Schlacken der Menschennatur driickt die erete der jetzt unsentgegentretenden thematischen Bildungen aus:13'i=rr;-\^?3^^mollo espresa.^ T=^ mi^^l^P^^«?F=RfeAber ihr Streben nach der H5he ennattet und in ein-Bamer Klage fiihrt sie wieder abwSxts, wie verzagend an derMQgliohkeit, das Ziel zu gewinnen:16.-IzEfe^^^^^^^ ^ ^h iJ«•^J1^^^=^ =t=Trost und neuen Mut sucht die Seele mit den feierlicliemstenKl&ngen:17.^mHbl.mlETz5 =g:^ 3^^.i 3^ ^^^^r'?:pf^l^^'liimin.


211Doch sie findet ihn nur halb, wie die leere Quinte amSchluss beweist. Es folgen wieder Motive des Insichgehens,18.Pos. pp^^resprMS.Er^E=f^r^I Wic .-'—!?*derReue und Selbstanklage:19.etc.m=^^^^ l^c^^-^HJ<strong>Das</strong> Letztere wird von den Yiolinen breiter ausgefiilirtund senkt sich wie ein thranenvoller Herzenserguss in dieTiefe. Mit dem tr5stlicheren Thema 17, welches sich dartibererhebt, will das verzagende Gemtlt sich wieder anfrichten;aber das Ergebnis bleibt dasselbe wie zuvor.In einem mit j^Lamentoso"" uberschriebenen, sehr breitausgesponnenen Satze in Fugenform, der sich anf dem Thema20--Y-^^pP^^1mf^^^ ^i^-^^— j^fr-T—frSJanfbaiit, kommt das Ringen des Menschen mit sich selbstam starksten zum Ausdruck. <strong>Das</strong>selbe wird immer heisserund heftiger bis endlich auf dem Hohepunkt der Steigerungplotzlich wie eine ErlSsungsverheissung das schwungvolleund auf krSftigen Triolen-Bassen gross durchgefiihrte


I:I- 21221. Holxbl Sti.8tr.iX^S--iff ffrandiosohineinschallt und die Seele wieder emporrichtet. "WieahnungsvoUe Schauer derselben weht ee uns aus demfolgenden Tongebilde an:*f=m>'> J JBasseHOmerI !Holzbl.mj~j.u ^IBund aus dem aus geheimnisvollem Halbdunkel in den Holxblasernaufsteigenden23.i 5 S 3= i f^ #Dann macht sich noch einmal das bedrflckende GeftUilder eigenen Unvollkommenheit des Menachen geltend in derWiederkehr der entsprechenden frOheren Themen 17 und 18.Aber plOtzlich beginnt mit einera in Harfe und Violinenaufsteigenden Es-dur-Accord ein Strahl reineren Lichteasanft zu ergltlhen, in desaen mildeni Leuchten das hiererst als Anklang und Vorahnung auftretende, apSter zu auagedehntererBedeutnng gelangende Motivmpp dole*


— 213 —bei den HolzblSsem emporschwebt. Trotz dazwischen sichdrSngender Wolken erscheint der verklarende Lichtstrahlimmer wieder und vor seinem immer helleren Glanze miissenendlich audi die letzten Erdenschatten zerfliessen.Der Horer empfindet, dass der Tondichter nunmehrdie Sphare des „Purgatorio" verlassen und ihn bis zu jenemPunkte geleitet hat, wo der dritte TeU von Dante's Dichtungeinsetzt: „<strong>Das</strong> Paradies." Liszt hat, wie schon in denEingangsworten erwahnt "wnrde, demselben nicht einen inAnlage und Grossenverhaltnissen dem ^Inferno" und „Purgatorio"entsprechenden Satz gewidmet. Er will uns denZustand der gelauterten, von Erdenirrtumem befreiten Seelezum Bewusstsein bringen in dem dem ^Purgatorio" unmittelbarsich anschliessendenMagnifieat.Ein Chor von Frauen- oder Knabenstimmen intoniertdasselbe. <strong>Das</strong> vorher erst als leiser Anklang, dann immerdeutlicher hervorgetretene Motiv (24) gelangt jetzt zu seinervollen Bedeutung, wahrend in den allerzartesten Orchesterfarben(Str., Ilbl., Harfe und Harmoniujn) eine Flut wunderbarsten,durch nichts mehr getrtibten Glanzes herniederstrSmt.25. Ma -^m- gni-fi-cat7.^J J-:t==t:- ni - ma^^Do - mi - num


I214Derselbe wSchst zu immer grOsserer Ffllle ao bei deAWorten26.IS:7TZly—r^-i i•>.f^rrYTJ' r±^=in De - sa - la - ta - ri me - ^COD-^m ^!?.^..t(StmEiDann hebt nach dem kraftvollen Aufschwiing eine Solo-Btimme mit grOsster Zartheit an:27. Ma gni - fi - cat a m - mai?:e^e>-^iJ J-uMme -a Do - mi - num.imd das Orchester wiederholt die Stelle wie in rauschendemChore. Hierauf ftlhren die Singatimmem zu einer Folgeatherischer, imter HarfenklEngen den „Magnificat"-Gedanken(24) aufwarts tragender Dur-Harmonien, in die der Chormit ^Hosanna" und „Halleluja"* einstimmt, bis endlich das


:— 215 —Ganze in verklartem breitem H-dur-Schluss ausstrSmt und•pianissimo wunderbar verhallt.Diesem uberaus zarten Ausklang hat der Komponistnoch einen zweiten, „ad libitum" zu venvendenden Schlussfolgen lassen, der das Werk kraftvoll und gianzendzu Ende fiihren wurde. Fortissimo erschaUen PosaunenundTrompetenstosse, von Accorden des ganzen Orchestersgefolgtquasi AllegroTromp. Po«.Violinon^^rOrch.Hbl.Sie steigen in einer demvorausgegangenen Hallelujaanalogen Hannonienfolgegianzend empor und beschUessenim Verein mitdem nochmals einfallenden Chor wie ein begeisterter Hymnuadas "Werk.Wie Liszt's „ Faust", so tragt auch seine „Dante-Symphonie" eine Widmungsaufschrift mit dem Namen einesMeisters der Tonkunst. Keinem Q-eringerem hat sie ihrSchopfer zugeeignet, als seinem grossen Freunde Ei chardWagner, imd dieser war es auch, der sofort die tiefeinnere Bedeutung wie die monumentale GrOsse des Werkesflberhaupt erkannt hat Darum m5ge er mit einigen seinerebenso treffenden als gewichtigen Aeusserungen hier dasSchlusswort sprechen. Wagner nennt die „Dante-Symphonie"eine , ebenso geniale als meisterliche Sch5pfung", er preist


^— 216 —sie als „eine der erstaunlichsten Thaten der Musik*^ nndeagt von ihr: sie sei ihm entgegen getreten„yne der Schopfungsakt eines erlosenden Geniusder Daniels unaussprechlich tiefsinniges Wollen ausder Halle seiner Vorstellungen durch das reinigendeFeuer der musikalischen Idealitat in das Parodiesseligst selbstgewisser Empfindung befreite.Dies isi die Seele des Dante^schen Oedichtes inreinster Verkldrung.^Arthnr Hahn.


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