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Werkabnahme gemäss SIA-Norm 118 und die Mängelhaftung 143ner neueren Rechtsprechung hat das Bundesgericht allerdings präzisiert, dass ein Werk,bei dem nur untergeordnete Arbeiten noch nicht ausgeführt wurden, gleichwohl als vollendetgilt bzw. abnahmefähig ist, sobald es trotz der fehlenden Arbeiten als fertig undgebrauchsfähig erscheint. 104. Wirkung der Vollendungsanzeige: Die Vollendungsanzeige führt nicht automatisch zurAbnahme; sie leitet die Abnahme lediglich ein. Im Geltungsbereich der SIA-Norm 118setzt die Anzeige der Vollendung indessen die einmonatige Prüfungsfrist in Gang, innerhalbwelcher der Bauherr bzw. seine Bauleitung die Abnahmeprüfung zu organisieren hat(vgl. Art. 158 Abs. 2).5. Rechnungsstellung als Vollendungsanzeige: Die Stellung der Schlussrechnung bzw.das Zahlungsbegehren des Unternehmers kann gemäss Bundesgericht unter bestimmtenUmständen (auch) als Mitteilung der Vollendung des Werkes verstanden werden 11 .C Prüfung des Werkes1. Abnahme durch gemeinsame Prüfung ohne wesentliche Mängela. Gemeinsame Prüfung: „Auf die Anzeige hin wird das Werk (oder der Werkteil) von derBauleitung gemeinsam mit dem Unternehmer innert Monatsfrist geprüft“ (Art. 158 Abs. 2SIA-Norm 118). Die zur Entgegennahme der Vollendungsanzeige ermächtigte Bauleitungist auch zur Prüfung des Werkes befugt (vgl. Art. 34 Abs. 1). Ungeachtet der Frage, obeine Bauleitung noch oder nicht mehr eingesetzt ist, darf der Bauherr die Abnahmeprüfungaber auch persönlich durchführen. Den Unternehmer trifft keine Pflicht zur Mitprüfung;er hat lediglich die Obliegenheit, an der Prüfung teilzunehmen und die (für eineordnungsgemässe Prüfung) erforderlichen Auskünfte zu erteilen (Art. 158 Abs. 2). AufAnordnung der Bauleitung oder des Bauherrn hat der Unternehmer aber auch in weitergehendemUmfang mitzuwirken, indem er z. B. Belastungsproben oder andere Prüfungennach Art. 139 Abs. 1 und 2 vornehmen muss 12 . Die gemeinsame Abnahmeprüfung vonArt. 158 Abs. 2 ersetzt die gesetzliche Pflicht des Bauherrn in Art. 367 Abs. 1 OR, wonachdieser das Werk grundsätzlich alleine zu prüfen und auch die Kosten dafür zu übernehmenhat 13 .b. Abnahmeprotokoll: Über das Ergebnis der gemeinsamen Abnahmeprüfung ist in derRegel ein Protokoll aufzunehmen, welches sowohl von der Bauleitung als auch vom Unternehmerdurch Unterzeichnung anerkannt wird (vgl. Art. 158 Abs. 3 SIA-Norm 118). Indas Protokoll ist vorab das Ergebnis der Prüfung aufzunehmen, ferner der Zeitpunkt desPrüfungsabschlusses (Art. 158 Abs. 3). Aus der Formulierung „in der Regel“ folgt, dasskeine Partei die Verpflichtung trägt, ein Prüfungsprotokoll aufzunehmen und zu unterzeichnen.Das heisst weiter, dass der Abschluss der Prüfung und die damit verbundeneRechtslage (die Abnahmewirkungen von Art. 159 bis 163), weder von der Aufnahmenoch von der Unterzeichnung eines Prüfungsprotokolls abhängig sind 14 .1011121314BGr. 4C.469/2004, Urteil vom 17.3.2005, E. 2.4-2.6.BGr. 4C.34/2005, Urteil vom 18.8.2005, E. 5.1; BGr. 4C.301/2003, Urteil vom 4.2.2004, E. 4.1; vgl. auchGAUCH, Der Werkvertrag, Nr. 96.GAUCH/PRADER, KommSIA 118, N 1 zu Art. 139.GAUCH, Der Werkvertrag, Nr. 2610 mit dem Vermerk, dass eine Prüfung nach Art. 367 Abs. 1 OR zwar dieAblieferung des Werkes voraussetzt, dass jedoch die Vollendungsanzeige nach Art. 158 SIA-Norm 118 ausreichendist, damit im Sinne dieser Norm Ablieferung vorliegt und das Recht auf gemeinsame Prüfung wieauch auf Prüfenlassen durch Sachverständige auf eigene Kosten (Art. 367 Abs. 2 OR wird durch die SIA-Norm 118 nicht berührt) entsteht. Vgl. ferner HÜRLIMANN, Der Architekt als Experte, in: GAUCH/TERCIER(Hrsg.), Das Architektenrecht, 3. Auflage, Freiburg 1995, Nr. 1435 ff.GAUCH, KommSIA 118, N 21 zu Art. 158.BRT 2007


144 Roland Hürlimannc. Eintritt der Abnahmewirkungen: Die Abnahme und deren Wirkungen treten also ohneWeiteres (automatisch) mit durchgeführter Prüfung ein, ohne dass es hierzu noch einerErklärung der Parteien (der Unterzeichnung des Prüfungsprotokolls oder der Zustimmungdes Bauherrn oder seiner Bauleitung) bedürfte 15 . In Bezug auf die in einem allfälligenProtokoll aufgeführten Mängel gilt indessen, soweit in diesem Dokument nichts anderesvermerkt ist, eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie spätestens bei der Unterzeichnungdes Protokolls geltend gemacht (also gerügt) wurden 16 .2. Abnahme durch erneute Prüfung nach durchgeführter Nachbesserunga. Unwesentliche Mängel: Zeigen sich bei der gemeinsamen Prüfung Mängel, die im Verhältniszum ganzen Werk (oder Werkteil) unwesentlich sind, so findet die Abnahme ungeachtetdieser Mängel mit Abschluss der gemeinsamen Prüfung statt; doch hat der Unternehmerdie festgestellten Mängel innert angemessener Frist, die der Bauherr ansetzt, zubeheben (Art. 160 SIA-Norm 118).b. Begriff des wesentlichen Mangels: Ob ein Mangel unwesentlich ist im Sinne vonArt. 160 der SIA-Norm 118 und daher zur Abnahme berechtigt, oder ob er als wesentlichzu betrachten ist und damit die Rückstellung des Werkes bewirkt (vgl. Art. 161), ist vonenormer praktischer Bedeutung. Wesentlich im Sinne der Norm sind Mängel, an derenrascher und reibungsloser Behebung der Besteller ein gesteigertes (und berechtigtes) Interessehat. Nach Lehre und Rechtsprechung gehören zu den wesentlichen Mängeln namentlichsolche, die die Tauglichkeit des Werkes zum üblichen oder zum vereinbartenGebrauch unmittelbar und erheblich beeinträchtigen; ferner solche, aus denen ein beachtlicherMangelfolgeschaden droht, insbesondere jene, die den Bauherrn oder andere Benutzerdes Werkes an Leib und Leben gefährden 17 .3. Zurückstellung der Abnahme wegen wesentlicher Mängela. Eintritt der Zurückstellung: Zeigen sich bei der gemeinsamen Prüfung wesentlicheMängel, so wird die Abnahme zurückgestellt. Wesentlich sind nach dem Gesagten namentlichsolche Mängel, aus denen ein beachtlicher Mangelfolgeschaden droht, darunterinsbesondere jene, die den Bauherrn oder andere Benutzer des Werkes an Leib und Lebengefährden 18 . Die Rechtswirkung der Zurückstellung der Abnahme tritt mit der Feststellungwesentlicher Mängel anlässlich der Prüfung von selbst ein, ohne dass der Bestellersie verlangen müsste. Sie ist vom Willen des Unternehmers gänzlich unabhängig. DerUnternehmer hat es immerhin in der Hand, eine erneute Abnahmeprüfung zu verlangen,sobald er nachgebessert hat. Falls die nochmalige Prüfung ergibt, dass das Werk keinewesentlichen Mängel mehr aufweist, ist das Werk (oder der betroffene Werkteil) mit Abschlussdieser Prüfung abgenommen (Art. 161 Abs. 3 SIA-Norm 118).b. Vorzeitige Ingebrauchnahme: Trotz Zurückstellung der Abnahme kann das Werk (oderder Werkteil) dem Bauherrn im gegenseitigen Einverständnis zum Weiterbau oder zur Ingebrauchnahmeüberlassen werden. Doch selbst wenn der Unternehmer damit nicht einverstandenist, stellt die blosse Ingebrauchnahme des Werkes keinen Grund dar, der (fürsich alleine genommen) die Abnahme bewirkte (vgl. Art. 161 Abs. 1 Satz 2 SIA-Norm118) 19 .1516171819BGE 115 II 456, E. 4; GAUCH, KommSIA 188, N 4 zu Art. 159: Auf den Willen des Bauherrn kommt es fürdie Abnahme nicht an; er kann die Abnahme auch nicht verweigern. Die Abnahmewirkungen fallen selbstdann nicht weg, wenn nach der Abnahme wesentliche Mängel zu Tage treten.GAUCH, KommSIA 118, N 22 zu Art. 158 und N 18 zu Art. 163.GAUCH, KommSIA 118, N 3 zu Art. 160.GAUCH, KommSIA 118, N 3 zu Art. 160.Vgl. auch GAUCH, KommSIA 118 N 6 lit. b zu Art. 161.BRT 2007


Werkabnahme gemäss SIA-Norm 118 und die Mängelhaftung 145c. Auswirkung der Zurückstellung auf die Gefahrtragung: In beiden Fällen – Ingebrauchnahmemit oder ohne Einverständnis des Unternehmers – gilt Art. 376 Abs. 3 OR(zumindest sinngemäss) für den Fall, dass das Werk infolge der Ingebrauchnahme ganzoder teilweise untergeht. Anders gesagt, bewirkt die Verzögerung der Abnahme unter anderem,dass der Gefahrenübergang sowie der Beginn der Garantie- und der Verjährungsfristfür Mängelrechte zum Nachteil des Unternehmers hinausgeschoben werden.4. Abnahme ohne gemeinsame Prüfunga. Unterbliebene Mitwirkung durch den Besteller: Im Unterschied zur Rechtslage nachgesetzlichem Werkvertragsrecht 20 ist die Abnahme nach dem System der SIA-Norm 118keine unmittelbare Folge der Vollendungsanzeige, sondern setzt eine erfolgreich absolviertegemeinsame Prüfung ohne wesentliche Mängel voraus. In zwei Fällen indessensieht die Norm in Art. 164 Abs. 2 eine Ausnahme hiervon vor: Erstens: Wenn „nach Anzeigeder Vollendung die gemeinsame Prüfung innert Monatsfrist deswegen“ unterbleibt,„weil entweder keine der Parteien die Prüfung verlangt“ oder zweitens: „Wenn von Seitendes Bauherrn die Mitwirkung unterlassen wird“. In beiden Ausnahmefällen, die Art. 164Abs. 1 beschreibt, gilt das Werk mit Ablauf der Monatsfrist „als abgenommen“, ohne dases einer dahingehenden Erklärung des Bauherrn oder des Unternehmers bedürfte.b. Begründung der Abnahmefiktion: In beiden Ausnahmefällen rechtfertigen sich fingierteAbnahme und Eintritt der Abnahmewirkungen deswegen, weil der Besteller die ihmobliegende Mitwirkung unterlassen hat. Dass der Bauherr (oder die ihn vertretende Bauleitung)die Mitwirkung ausdrücklich verweigert, ist nach Wortlaut und Inhalt vonArt. 164 Abs. 1 SIA-Norm 118 nicht erforderlich. Schlichte Untätigkeit reicht aus, umAbnahme und Abnahmewirkungen eintreten zu lassen 21 .c. Unterbliebene Mitwirkung durch den Unternehmer: Ist dagegen die gemeinsame Prüfungdeshalb unterblieben, weil der Unternehmer die Mitwirkung unterlässt, so findet folgerichtigkeine Abnahme statt, und auch die Abnahmewirkungen treten nicht ein (vgl.Art. 164 Abs. 2 SIA-Norm 118). Auch hier gilt, dass schlichte Untätigkeit des Unternehmersgenügt; anders gesagt wird ausdrückliche Verweigerung nicht verlangt. In diesemFall tritt keine Abnahme durch Fristablauf ein. Vielmehr bleibt es auch nach Ablauf derMonatsfrist bei den Bestimmungen der Art. 158 ff., der Eintritt der Abnahmewirkungeneine Vollendungsanzeige und erfolgreiche gemeinsame Prüfung voraussetzen. „Sinngemäss“gilt die geschilderte Rechtslage auch dann, wenn die nochmalige Prüfung desWerkes innert Monatsfrist nach Anzeige der Nachbesserung wegen eines Versäumnissesdes Unternehmers unterbleibt (Art. 164 Abs. 3).5. Abnahme trotz wesentlicher Mängela. Unbenutzte Prüfungsfrist: Hat keine der Parteien die gemeinsame Prüfung (rechtzeitig)verlangt, so kommt wie gesagt Art. 164 Abs. 1 SIA-Norm 118 zur Anwendung: DasWerk (oder der Werkteil) gilt mit Ablauf der Monatsfrist als abgenommen. Dasselbe gilt,wenn der Unternehmer von der Mitwirkung durch von ihm nicht zu vertretende Hinderungsgründeabgehalten wurde 22 .b. Keine Zurückstellung: Der Grundsatz von Art. 161, wonach bei wesentlichen Werkmängelndie Abnahme zurückgestellt wird, gilt nicht uneingeschränkt. Ausnahmsweiseerfolgt die Abnahme nach Art. 162 und Art. 163 der Norm trotz wesentlicher Mängel infolgenden Fällen:202122Vgl. BGE 115 II 456, E. 4; 113 II 264, E. 2b; GAUCH, Der Werkvertrag, Nr. 92 f.GAUCH, KommSIA 118, N 9 und 15 zu Art. 164.GAUCH, Der Werkvertrag, Nr. 2630.BRT 2007


146 Roland Hürlimann- wenn der Besteller nach Abschluss der gemeinsamen Prüfung nicht ohne VersäumnisFrist zur Behebung der festgestellten wesentlichen Mängel ansetzt (Art. 161 Abs. 2SIA-Norm 118).- wenn sich bei der nochmaligen Prüfung nach Ablauf der gemäss Art. 161 Abs. 2 angesetztenVerbesserungsfrist immer noch wesentliche Mängel zeigen und der Bauherrnicht ohne Versäumnis, gestützt auf Art. 169, entweder weiterhin auf der Nachbesserungbeharrt oder vom Vertrag zurücktritt;- wenn der Besteller sein Minderungsrecht gemäss Art. 169 Abs. 1 Ziff. 2 ausübt;- wenn der Besteller bei der gemeinsamen Prüfung wesentliche Mängel (die er erkennthat) nicht rügt oder sonstwie auf deren Geltendmachung verzichtet (vgl. Art. 163Abs. 1).Mit dem Eintritt der Abnahme bleiben dem Besteller die Mängelrechte nur (aber immerhin)in Bezug auf jene Mängel erhalten, die bei der gemeinsamen Prüfung nicht offensichtlichwaren und vom Besteller auch nicht erkannt wurden 23 . StillschweigenderVerzicht wird vermutet für offensichtliche oder erkannte Mängel, welche nicht im Prüfungsprotokollaufgeführt werden. Die Beweislast dafür, dass ein Mangel bei der Abnahmeprüfungoffensichtlich war oder jedenfalls vom Besteller erkannt wurde, obliegtdem Unternehmer, der einwenden will, der Besteller habe in Bezug auf diesen Mangelseine Gewährleistungsansprüche verwirkt 24 .III. Wirkungen der AbnahmeAAbgrenzung der Abnahme von der Genehmigung des Werkes1. Abnahme erst nach Vollendung: Die Abnahme eines Werkes setzt u.a. dessen Vollendungvoraus 25 , d.h. der Unternehmer muss alle vereinbarten Arbeiten ausgeführt haben 26 .Ob das Werk vertragskonform oder, im umgekehrten Falle, mangelhaft ist, spielt für denBegriff der Vollendung hingegen keine Rolle. 272. Fehlende Vollendung und Mangelhaftigkeit: Weil der Begriff des Mangels (Abweichungenvom Vertrag) auch Situationen umfassen kann, in welcher der Unternehmer dieAusführung bestimmter Arbeiten unterlassen hat, 28 ist zwischen dem unvollendeten unddem vollendeten, aber mangelhaften Werk nach dem Umfang der fehlenden Arbeiten abzugrenzen:„Fehlen nur kleinere Arbeiten zur Vollendung des Werkes, gilt die Abnahmetrotz der Mängel als erfolgt“ 29 . Ist also dem Besteller ein „fertiges gebrauchsfähiges Werkabgeliefert“ worden, gilt es selbst dann als vollendet, wenn geringfügige vereinbarte Arbeitennoch nicht ausgeführt wurden. Im umgekehrten Falle hat keine Vollendung stattgefunden,und eine Abnahme kann diesfalls auch nicht eintreten.3. Verdeckte Mängel und unentdeckte Unterlassungen hindern die Abnahme nicht: ImÜbrigen ist zu beachten: „Sind die Abweichungen vom vertraglich Vereinbarten bei derPrüfung nicht zu erkennen und werden erst nachträglich entdeckt, hat dies auf die erfolgte23242526272829GAUCH, KommSIA 118, N 10 zu Art. 162.GAUCH, KommSIA 118, N 18 zu Art. 163BGr. 4C.469/2004, Urteil vom 17.3.2005, E. 2.2; BGE 115 II 456, E. 4.BGE 113 II 264, E. 2b; GAUCH, Der Werkvertrag, Nr. 101.BGr. 4C.469/2004, Urteil vom 17.3.2005, E. 2.2; BGE 115 II 456, E. 4; BGE 113 II 264, E. 2b; GAUCH, DerWerkvertrag, Nr. 102.BGr. 4C.469/2004, Urteil vom 17.3.2005, E. 2.4.BGr. 4C.469/2004, Urteil vom 17.3.2005, E. 2.6.BRT 2007


Werkabnahme gemäss SIA-Norm 118 und die Mängelhaftung 147Abnahme keinen Einfluss, unabhängig davon, ob der Unternehmer die Arbeiten nichtrichtig oder überhaupt nicht ausgeführt hat“ 30 .4. Abnahme heisst nicht Genehmigung: Die Abnahme ist im Übrigen begrifflich scharf zutrennen von der Genehmigung des Werkes, mit welcher der Besteller gegenüber dem Unternehmerseinen Willen äussert, das abgelieferte Werk als vertragsgemäss erstellt geltenzu lassen. 31 Abnahme bedeutet nicht Genehmigung; die Mängelrechte des Bestellers bleibendaher von der Abnahme unberührt. Das gilt nach dem Gesagten sowohl bei der Abnahmenach gemeinsamer Prüfung (vgl. Art. 159 ff. SIA-Norm 118) wie auch bei derAbnahme ohne gemeinsame Prüfung (vgl. Art. 164).5. Verzicht auf Mängelrüge: Im Einzelfall ist das Ergebnis der gemeinsamen Prüfung aberdennoch in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung, dies insbesondere für die Geltendmachungvon Mängeln während der nachfolgenden Gewährleistungsfristen:- Hat der Besteller bzw. die Bauleitung bei der gemeinsamen Prüfung (Art. 158 Abs. 2SIA-Norm 118) einen Mangel zwar erkannt, auf dessen Geltendmachung aber ausdrücklichoder stillschweigend verzichtet, so gilt das Werk (oder der Werkteil) für denMangel, soweit er erkannt wurde, als genehmigt. Der betreffende Mangel verhindert inkeinem Falle, dass die Abnahme mit Abschluss der Prüfung eintritt; diesbezüglich entfälltdie Haftung des Unternehmers in dem Umfang, als der Mangel von der Bauleitungerkannt wurde (Art. 163 Abs. 1).- „Stillschweigender Verzicht wird vermutet für erkannte Mängel, die ein allfälliges Prüfungsprotokoll(Art. 158 Abs. 3) nicht aufführt; ferner für Mängel, die bei der gemeinsamenPrüfung offensichtlich waren, jedoch nicht geltend gemacht wurden. Im zweitenFall ist die Vermutung unwiderleglich“ (Art. 163 Abs. 2).6. Besichtigung zwei Jahre nach Vollendung ist keine Prüfung: Im Weiteren hat dasBundesgericht festgehalten, ein rund zwei Jahre nach Vollendung des Werkes stattfindendergemeinsamer Augenschein von Besteller und Unternehmer könne nicht Abnahmebzw. Ablieferung darstellen. 32BÜbergang von Nutzen und Gefahr1. Untergang vor Abnahme: Geht das Werk vor seiner Abnahme durch Zufall unter, sogelten die Regeln des Art. 187 SIA-Norm 118, nach denen gegebenenfalls der Vertrag erlischtoder kündbar wird – je nachdem, ob die Werksausführung noch möglich und zumutbarist oder nicht. Ist der vor der Abnahme eingetretene Untergang hingegen auf einendem Besteller zuzurechnenden Umstand (wegen eines Mangels des vom Bauherren angewiesenenBaugrundes, des von ihm gelieferten Materials oder der von ihm vorgeschriebenenAusführungsweise) zurückzuführen, so kommt Art. 188 zur Anwendung 33 , wonachder Vertrag erlischt oder vom Unternehmer gekündigt werden kann. Letzterer verliert indesseine Rechte (auf Vertragsauflösung und Vergütung des bisher Geleisteten), wenn erden Besteller nicht auf die Untergangsgefahr aufmerksam gemacht hat (vgl. Art. 188Abs. 3). Hätte hingegen der (fachkundig vertretene) Besteller die Gefahr auch selber erkennenmüssen, wahrt der Unternehmer alle seine Rechte selbst dann, wenn er seinerAbmahnungspflicht nicht nachgekommen ist. 343031323334BGr. 4C.469/2004, Urteil vom 17.3.2005, E. 2.6.BGr. 4C.469/2004, Urteil vom 17.3.2005, E. 2.2; BGE 115 II 456, E. 4.BGE 117 II 425, E. 2.Vgl. BGE 119 II 127, E. 4 (in limine).BGE 119 II 127, E. 4a; BGE 116 II 309, E. 2c/cc.BRT 2007


150 Roland HürlimannDden Nachweis zu erbringen, dass die beanstandete Eigenschaft kein Mangel sei,sondern dem Vertrag entspreche oder Folge normaler Abnutzung oder unsachgemässenGebrauchs eines mängelfrei abgenommenen Werkes sei 43 .- Nach Ablauf der zweijährigen Rügefrist kann der Bauherr nur noch verdeckte Mängelrügen, d.h. solche, die er während des Fristenlaufes nicht erkannte und die auchnicht offensichtlich waren. Nunmehr liegt die Beweislast dafür, ob ein bestimmterZustand vorliegt, ob der Zustand zudem einen Mangel (Vertragsabweichung) darstelltund ob der Mangel tatsächlich als verdeckt zu qualifizieren ist, vollumfänglichbeim Besteller 44 .- Beginn und Ende der Rügefrist sind ferner von Bedeutung für die vom Unternehmerzu bestellende Solidarbürgschaft einer Bank oder Versicherung, die währenddes zweijährigen Fristenlaufes für allfällige Ansprüche aus Mängelhaftung Sicherheitleisten soll (vgl. Art. 181) 45 .- Beginn und Ende der Garantiefrist sind ferner von Bedeutung für das Besichtigungsrecht,das der Besteller dem Unternehmer über einen Zeitrahmen von zweiJahren seit Abnahme einzuräumen hat (vgl. Art. 175).Beginn der fünfjährigen Verjährungsfrist1. Fristbeginn bei Abnahme: Mit der Abnahme des Werkes oder des Werkteils beginntnach Art. 157 Abs. 2 SIA-Norm 118 die Verjährungsfrist für die Mängelrechte zu laufen.Die Verjährungsfrist ist von der Garantiefrist (die eine Rügefrist ist) zu unterscheiden.Die Verjährungsfrist bezeichnet den Zeitraum, innerhalb welchem der Besteller seineMängelrechte gerichtlich geltend machen muss; die Rügefrist betrifft jenen Zeitraum, innerhalbdessen der Besteller Mängel rechtswirksam anzeigen kann. Mit dem Verjährungseintrittwerden die Mängelrechte allerdings nicht beseitigt; doch verfügt der Unternehmerab dem Zeitpunkt der Verjährung über ein Einrederecht, mit dem er geltend machenkann, dass die Verjährung auf dem Klageweg nicht mehr geltend gemacht werdenkann 46 .2. Verjährungsunterbrechung: Die Verjährungsfrist kann grundsätzlich nur durch die imObligationenrecht genannten Massnahmen unterbrochen werden, nämlich nach Art. 135Ziff. 1 OR etwa durch Eingabe eines Sühnebegehrens beim Friedensrichter oder durchKlageerhebung, allenfalls auch durch Anerkennungshandlungen (z.B. Nachbesserung)bzw. durch eine korrekt formulierte Verjährungsverzichtserklärung. Dagegen wirkt einEinschreibebrief nie verjährungsunterbrechend, und auch einem Betreibungsbegehrenkommt diese Wirkung im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Mängelrechtenregelmässig nicht zu (namentlich unterbricht die Betreibung des Unternehmers die Verjährungeines allfälligen Anspruchs auf Nachbesserung nicht) 47 .3. Dauer der Verjährung: Die Verjährungsfrist beträgt nach der SIA-Norm 118 grundsätzlicheinheitlich für bewegliche und unbewegliche Werke fünf Jahre ab Abnahme (Art.180 Abs. 1). Eine Verjährungsfrist von zehn Jahren gilt für Mängel, die der Unternehmerabsichtlich verschwiegen hat (Art. 180 Abs. 2) 48 .434445464748GAUCH, Der Werkvertrag, Nr. 2696; GAUCH, KommSIA 118, N 6 ff. zu Art. 174.GAUCH, KommSIA 118, N 20 zu Art. 179.GAUCH, KommSIA 118, N 16 zu Art. 181.BGE 114 II 245; GAUCH, KommSIA 118, N 3a zu Art. 180.HÜRLIMANN/SIEGENTHALER, Bevorschussung der Kosten für eine Ersatzvornahme und weitere Trouvaillenzum Mängelhaftungsrecht, recht 2003, S. 146 ff., S. 152; BGr. 4C.258/2001, Urteil vom 5.9.2002, E. 4.1.2(unpublizierte Erwägung von BGE 128 III 416).Im Einzelnen GAUCH, KommSIA 118, N 1 ff. zu Art. 180.BRT 2007


Werkabnahme gemäss SIA-Norm 118 und die Mängelhaftung 1514. Verjährung von anderen Pflichtverletzungen: Ansprüche des Bauherrn aus Pflichtverletzungen,welche der Unternehmer vor der Abnahme begangen hat (z.B. von einem währendder Bauausführung einstürzenden Kran verursachte Schäden), unterliegen im Gegensatzzu den Ansprüchen aus Mängeln den allgemeinen vertragsrechtlichen Bestimmungenund damit jedenfalls der zehnjährigen Verjährungsfrist des Art. 127 OR. Die aufbestimmte Ansprüche anwendbare Verjährungsfrist kann also davon abhängen, ob dieAnsprüche aus Pflichtverletzungen vor der Abnahme stammen oder in Mängeln begründetsind, welche nach der Abnahme entdeckt werden. 495. Verjährung bei Teilwerken: Erstellen mehrere Nebenunternehmer verschiedene Teilwerke,so beginnt die Verjährungsfrist mit Bezug auf die von ihnen verursachten Mängelin dem Zeitpunkt, in dem ihr Teilwerk abgenommen wurde, und nicht erst mit Vollendungund Abnahme des Gesamtwerkes. 50 Das gilt im Anwendungsbereich von Art. 371Abs. 2 OR auch für Ansprüche, die der Besteller auf Mängel solcher Teilwerke abstütztund gegenüber seinem Architekten oder Ingenieur geltend macht. 516. Vereinbarungen über die Verjährung: Vom vorgesehenen Beginn der Verjährungsfristim Zeitpunkt der Abnahme (vgl. Art. 372 Abs. 2 OR; Art. 180 Abs. 2 SIA-Norm 118)kann zwar vereinbarungsweise abgewichen werden. In einer Vereinbarung betreffend einenanderen Zeitpunkt des Überganges von Nutzen und Gefahr indes kann grundsätzlichkeine Abrede über den Verjährungsbeginn erblickt werden. Haben die Parteien einen Fertigstellungsterminvereinbart, so liegt auch hierin keine Abmachung über den Verjährungsbeginn,denn dieser liegt nach dem Gesetz (vgl. auch Art. 180 SIA-Norm 118) imZeitpunkt der effektiven Abnahme, nicht eines vereinbarten (und nur möglicherweiseeingehaltenen) Fertigstellungstermins. 52EWeitere Wirkungen der Werkabnahme1. Spätester Zeitpunkt für die Geltendmachung von Konventionalstrafen: Der Zeitpunktder Abnahme ist nicht nur der Beginn der Rüge- und Verjährungsfrist, sondernzugleich spätester Zeitpunkt für die Geltendmachung von Ansprüchen auf Leistung vonKonventionalstrafe. Dies wird zwar weder in Art. 157 Abs. 2 noch in Art. 98 der SIA-Norm 118 (der sich im Generellen mit Konventionalstrafen befasst) erwähnt, folgt aberaus dem Gesetzesrecht, nämlich aus Art. 160 Abs. 2 OR: Nimmt der Bauherr das Werkvorbehaltlos ab, verwirkt er ein allfällig ausbedungenes Recht zur Einforderung einerKonventionalstrafe, die wegen Nichteinhaltung von Terminen durch den Unternehmer geschuldetwäre 53 .2. Beurteilungszeitpunkt zur Bestimmung der Mangelhaftigkeit: Die Herstellung einesWerkes dauert bis zu dessen Ablieferung an; bis zur Vollendungsanzeige geht der Unternehmervon dessen Unvollständigkeit aus. Daraus folgt, dass ein Werk vor seiner Ablieferungbegrifflich nicht mangelhaft sein kann. 543. Beurteilungszeitpunkt zur Bestimmung des Minderwertes: Der Zeitpunkt des Übergangsvon Nutzen und Gefahr ist im Vertragsrecht ganz allgemein massgeblich für dieBerechnung des Minderwertes, soweit im Rahmen eines Vertragsverhältnisses ein Minderungsrechtgeltend gemacht wird. Im Anwendungsbereich der SIA-Norm 118 ist der495051525354BGE 113 II 264, E. 2b; BGE 111 II 170, E. 2.BGE 115 II 456, E. 2.BGE 115 II 456, Regeste sowie E. 2.Zum Ganzen BGE 118 II 142, E. 4.BGE 97 II 350, E. 2d.BGE 117 II 259, E. 2a; BGr. 4C.34/2005, Urteil vom 18.8.2005, E. 5.1.BRT 2007


152 Roland Hürlimannmassgebliche Zeitpunkt jener, in dem die Abnahme durch Vollendungsanzeige oder Ingebrauchnahmedes Werkes (vgl. Art. 158 Abs. 1) eingeleitet wird. 554. Fälligkeitszeitpunkt für den Rückbehalt: Nach dem System der SIA-Norm 118 hat derUnternehmer Anspruch auf monatliche Abschlagszahlungen (Art. 144 Abs. 1). Von jederAbschlagszahlung kann der Bauherr als Sicherheit für die Erfüllung der Verpflichtungendes Unternehmers einen Rückbehalt von 5–10% zum Abzug bringen, und zwar bis zurAbnahme des Werkes oder eines Werkteils (vgl. Art. 149 f.). Dieser rückbehaltene Betragwird zur Zahlung fällig, sobald das Werk abgenommen ist und die weiteren in Art. 152Abs. 1 genannten Voraussetzungen erfüllt sind: Diese betreffen die Übergabe der Schlussabrechnungen,den Ablauf der Prüfungsfrist nach Art. 154 Abs. 2 bzw. Art. 155 Abs. 2sowie die Leistung einer Sicherheit gemäss Art. 181. Ein Sonderfall liegt bei der Abnahmenur eines Werkteils vor; alsdann wird entsprechend der Teil-Abnahme nur ein Teil desRückbehaltes fällig, und zwar auch hier unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass einkorrespondierender Teil der Sicherheit gemäss Art. 181 geleistet wurde.FAbgrenzungen1. Abnahme nach Gesetz massgeblich für Fälligkeit der Vergütung: Nach gesetzlichemWerkvertragsrecht treten mit der Ablieferung (der Vollendungsanzeige) in der Regel automatischdie Abnahmewirkungen ein (Art. 367 ff. OR) 56 : Insbesondere hat nach Art. 372Abs. 1 OR der Besteller bei Ablieferung des Werkes die Vergütung sogleich zu bezahlen.Die Fälligkeit ist also an den Ablieferungsvorgang geknüpft. Etwas anderes gilt nur,wenn es besonders vereinbart wurde, sowie, wenn das Werk bei Ablieferung mangelhaftist: Nach bundesgerichtlicher Auslegung von Art. 372 OR bewirkt die Mangelhaftigkeitdes Werkes bei der Abnahme nämlich, dass die Fälligkeit der Vergütung hinausgeschobenwird. 57 In der gesetzlichen Ordnung hat der Besteller auf diese Weise das Recht, seinenMängelrechten durch Zahlungsrückbehalt Nachdruck zu verschaffen. 58 Im Übrigensind Vorauszahlungen, soweit nichts anderes abgemacht ist, von Gesetzes wegen nichtgeschuldet.2. Abnahme nach SIA-Norm 118 nicht massgeblich für Fälligkeit der Vergütung: ImUnterschied zum gesetzlichen Werkvertragsrecht knüpft die SIA-Norm 118 den Fälligkeitszeitpunktfür die Vergütung nicht an den Abnahmezeitpunkt, sondern hat ein umfassendes,auf die Baubranche ausgerichtetes Zahlungssystem eingerichtet: Wie bereits erwähnt,hat der Unternehmer nach diesem System Anspruch auf monatliche Abschlagszahlungen(sogenannte Akontoleistungen nach Art. 144 Abs. 1). Die Schlussabrechnungist demgegenüber nicht mit der Abnahme, sondern erst mit dem Prüfungsbescheid derBauleitung fällig (vgl. Art. 155 Abs. 1) 59 . Der Rückbehalt, d.h. jener Betrag, der von denAbschlagszahlungen nicht erfasst wurde (vgl. Art. 145 Abs. 1 und Art. 149 Abs. 1), wirdalso gemäss Art. 152 Abs. 1 SIA-Norm 118 in Abweichung von Art. 372 OR erst deutlichnach dem Abnahmetermin fällig: Vorausgesetzt ist, dass die Abnahme erfolgt, dieSchlussabrechung übergeben, die Prüfung durch die Bauleitung durch Prüfbescheid erledigt– oder die Prüffrist (und eine Nachfrist nach Art. 155 Abs. 2) abgelaufen – und Sicherheitnach Art. 181 geleistet worden ist. 60555657585960BGE 117 II 550, E. 4b/bb.HONSELL/ZINDEL/PULVER N 3 ff. zu Art. 367 OR; GAUCH, Der Werkvertrag, N 1153.BGE 89 II 232; differenzierend: GAUCH, Der Werkvertrag, Nr. 2367 ff.BGE 89 II 232, E. 4a.GAUCH, KommSIA 118, N 5 zu Art. 155. Das gilt gemäss GAUCH, KommSIA 118, N 1 f. zu Art. 155, nurdann, wenn die Schlussabrechnung einen Saldo zugunsten des Unternehmers ausweist.Zum Regime nach den „SIA-Normalien für die Ausführung von Bauarbeiten (SIA-Formular 118)“ BGE 89 II232, E. 4b.BRT 2007


Werkabnahme gemäss SIA-Norm 118 und die Mängelhaftung 1533. Abnahme nicht massgeblich für Bauhandwerkerpfandrecht: Die Abnahme ist auchnicht massgeblich für den Beginn der Dreimonatsfrist zur Vormerkung eines Bauhandwerkerpfandrechtes.Nach Art. 839 Abs. 2 i.V.m. Art. 961 Abs. 2 ZGB hat der UnternehmerAnspruch auf Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechtes, wenn die gesetzlichenVoraussetzungen (vgl. Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 und Art. 839 Abs. 3 ZGB) erfüllt sindund er diesen Anspruch innerhalb von drei Monaten nach Bauvollendung im Grundbuchvormerken lässt. Auslösender Termin ist demnach nicht die Abnahme, sondern die Bauvollendung.Vollendung bedeutet in diesem Kontext, dass der Unternehmer „die letzte allerBauarbeiten erbringt, die er im Werkvertrag versprochen hat. Die Vollendung ist dievollständige Leistung aller im Werkvertrag übernommenen Bauarbeiten“ 61 . Für den Begriffder Vollendung nicht massgeblich ist dagegen eine allenfalls früher erfolgte öffentlich-rechtlicheBauabnahme durch die zuständige Baubehörde, denn in diesem Rahmenwird nur das Genügen des Bauwerkes im Lichte der öffentlich-rechtlichen Bauvorschriftenfestgestellt. Aus dem Gesagten folgt, dass die im Rahmen von Art. 837 ZGB massgeblicheDreimonatsfrist schon in dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in dem der Unternehmerfrühestens die Vollendungsanzeige abgeben kann, mithin erheblich früher als derZeitpunkt der Abnahme.4. Abnahme hat keine Auswirkung auf den Verbesserungsanspruch: Obwohl dies imGesetzeswortlaut (vgl. Art. 368 Abs. 2 OR) nicht ausdrücklich vorgesehen ist, hat dasBundesgericht entschieden, dass der Besteller in analoger Anwendung von Art. 366Abs. 2 OR auch nach der Ablieferung des Werkes das Recht hat, die Nachbesserung desmangelhaften Werkes auf Kosten des Unternehmers durch einen Dritten vornehmen zulassen, wenn der Unternehmer mit der geschuldeten Verbesserung im Verzug ist. Denndie Ablieferung hat keine Auswirkungen auf das Bedürfnis des Bestellers, seinen Verbesserungsanspruchallenfalls mittels Ersatzvornahme durchzusetzen. 625. Abnahme unter Ankündigung der Minderung: Die unter Hinweis auf die Geltendmachungeines Minderungsanspruches vorgenommene Abnahme hat keinen Einfluss auf denAnspruch auf Ersatz des Mangelfolgeschadens: Nimmt der Besteller ein mangelhaftesWerk zu einem geminderten Preis an, so hat er damit nicht unbedingt alle seiner Mängelrechteausgeschöpft. Insbesondere wird ein allfälliger Anspruch auf Ersatzleistung fürMangelfolgeschäden von der Abnahme unter Minderung nicht berührt. 63 Zudem ist esdem Besteller in einem solchen Falle unbenommen, seine Mängelrechte in dem Sinneaufzuspalten, dass er den Minderwert des Werkes mit dem Minderungsanspruch, denMangelfolgeschaden indes mit der Forderung der vereinbarten Konventionalstrafe geltendmacht. 64 Im Rahmen der SIA-Norm 118 ist allerdings zu beachten, dass eine Abnahmeunter Minderung (Art. 162, drittes Lemma) nicht bereits nach der ersten Prüfungdes Werkes, sondern nur dann erklärt werden kann, wenn der Unternehmer wesentlicheMängel nicht innerhalb der vom Bauherrn angesetzten Frist (Art. 161 Abs. 2) behebt (Art.169 Abs. 1).6. Baupolizeiliche Abnahme: Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die Bauabnahmedurch die zuständige Baubehörde keinen Einfluss auf die vertraglich vorgesehene Abnahmenach der SIA-Norm 118 ausübt: Die baupolizeibehördliche (öffentlich-rechtliche)Bauabnahme kann wesentlich früher als die vertragliche Abnahme erfolgen, und sie dienteinzig der Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften des öffentlichen Baurechts. Sie61626364SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, Zürich 1982, Note 611. Vgl. auch BGE 106 II 22, E. 2b; BGr.5C.232/2001, Urteil vom 19.11.2001, E. 3a.BGE 107 II 50, E. 3.BGE 122 III 420, E. 2c.BGE 122 III 420, E. 2c.BRT 2007


154 Roland Hürlimannberührt indes nicht die Frage, ob das Werk im Sinne der SIA-Norm 118 (vgl. Art. 157Abs. 1) als vollendet – und damit als abnahmefähig – zu betrachten sei. 65IV. SonderfragenADie Pflicht des Planers zur Mitwirkung bei der Vorbereitung undDurchführung der Abnahme1. Die Pflicht des Bestellers zur vertragsgestaltenden Koordination der Verträge: Nachgesetzlichem Werkvertragsrecht ist es Aufgabe des bestellenden Bauherrn, für einezweckmässige Koordination der beteiligten Planer und Unternehmer zu sorgen. Gelangtauf ein Bauprojekt die SIA-Norm 118 zur Anwendung, ergibt sich die Koordinationspflichtaus deren Art. 30 Abs. 2. Bei grösseren Projekten entledigt sich der Bauherr allerdingsregelmässig der ihm obliegenden Koordinationspflicht, indem er diese Aufgabe einemspezialisierten Planer oder einem General- oder Totalunternehmer (einem GU/TU)überträgt. Erfolg oder Misserfolg eines Bauprojektes hängen von vielerlei Faktoren undUmständen ab. Bei einer Analyse von Behinderungen und Ablaufstörungen und darausfolgenden Mehrkosten und Bauverzögerungen 66 zeigt sich jedoch häufig, dass die am BauBeteiligten zwar über ausreichend Sachverstand und Erfahrung verfügten, dass ihr Einsatzaber – von der Planung bis hin zur Ausführung – nicht optimal koordiniert war.2. Die Pflichten des Planers nach der SIA-Ordnung 102: Gemäss Art. 4.51 der SIA-Ordnung 102 gehört es zum Aufgabenbereich der Architekten als Grundleistung, die Verträgemit den Unternehmern und Lieferanten aufzustellen und die durch die Spezialistenvorbereiteten Verträge durchzusehen. Nicht als Grundleistung, sondern als „besonders zuvereinbarende“ (und damit separat zu vergütende) Zusatzleistung ist diese Aufgabe nachden SIA-Ordnung 102 zu qualifizieren, wenn die Vertragsgestaltung „besondere juristischeund wirtschaftliche Kenntnisse voraussetzt“. Ähnliche Bestimmungen lassen sichauch der SIA-Ordnung 108 (Art. 4.5) und dem Leistungsmodell der SIA-Ordnung 112(Abschnitt 515) entnehmen. Bei der Vertragsgestaltung hat der Planer (respektive der Gesamtplaner)bekanntlich unzählige Aspekte zu beachten, damit der einzelne Vertrag klar,inhaltlich „optimiert“ und vollständig ist und dass die Verträge auch untereinander„stimmig“ sind. Die Die Notwendigkeit zur Koordination der einzelnen Planer-, Bauwerk-und sonstigen Verträge, welche für die Realisierung eines Bauprojektes erforderlichsind, ergibt sich aus dem Umstand, dass diese von Gesetzes wegen voneinanderrechtlich selbständig und unabhängig sind. In diesem Sinne führen die verschiedenenVerträge je ein juristisches Eigenleben. Die rechtliche Eigenständigkeit hat zur Folge,dass Abschluss, Wirksamkeit und Inhalt des einen Werkvertrages ohne Einfluss auf Gültigkeitund Inhalt der weiteren Werkverträge sind. Regelmässiger Koordinationsbedarfbesteht namentlich in Nahtstellenbereichen, im Übrigen aber überall dort, wo ein Gleichlaufoder aber eine inhaltliche oder formale Abstimmung zwischen einzelnen Vertragswerkensinnvoll bzw. zweckmässig ist. In der Praxis bedeutet dies, dass der Planer mit einerVielzahl von Klauseln unterschiedlichster Ausgestaltung sicherzustellen hat, dass Risikenaus ungenügender Koordination vermieden beziehungsweise die Auswirkungensolcher Schnittstellen bewusst geregelt werden.6566Vgl. zu der nach gesetzlichem Werkvertragsrecht insofern gleichen Rechtslage BGr. 5C.232/2001, Urteil vom19.11.2001, E. 3c.Vgl. dazu HÜRLIMANN, Ansprüche des Unternehmers aus Bauablaufstörungen des Bauherrn, S. 815 ff. DieKoordinationspflicht beinhaltet ein Zweifaches: Zum einen die Pflicht des Bestellers, die Verträge der am BauBeteiligten inhaltlich und formal aufeinander abzustimmen; zum andern des Bestellers (oder allenfalls dervom ihm eingesetzten Dritten) Verpflichtung, durch rechtzeitige und zweckmässige Erteilung von Weisungenund Anordnungen die Leitung der Arbeiten aller an Planung und Ausführung mitwirkenden Fachleute zu ü-bernehmen. Im Folgenden ist vorab von der Pflicht zur Koordination bei der Vertragsgestaltung die Rede.BRT 2007


Werkabnahme gemäss SIA-Norm 118 und die Mängelhaftung 1553. Pflicht zur Vertragsgestaltung beinhaltet also auch die Aufgabe, die Verträge der am BauBeteiligten inhaltlich und formal aufeinander abzustimmen.4. Die vertragliche Koordination der Werkabnahme im Besonderen: Der Grundsatz,wonach die Verträge von Gesetzes wegen selbständig und unabhängig sind, belastet denBesteller (und auf dem Wege des Regresses dann allenfalls den Planer) mit dem Risiko,rechtliche Nachteile aus einer unzureichenden Koordination der einzelnen Werkverträgezu erleiden. Dasselbe gilt für einen Gesamtplaner, der es versäumt, seine Subplaner zukoordinieren. Vor diesem Hintergrund hat der Planer unter anderem sicherzustellen, dassdem Besteller nicht der Rückgriff auf einen der Unternehmer verwehrt ist, weil bei diesemaufgrund der früheren Abnahme des Unternehmerwerkes die Prüfungs- und Rügefristenverstrichen sind oder weil die Verjährung für Werkmängel (vgl. Art. 371 ORi.V.m. Art. 210 OR; Art. 180 SIA-Norm 118) bereits eingetreten ist. Der Besteller undsein Planer sollten daher bestrebt sein, die Abnahme der einzelnen Bauwerke und Teilbauwerkezu verknüpfen und auf diese Weise die mit der Abnahme verbundenen Rechtswirkungenzu vereinheitlichen. Synchronisierte Abnahmen sind insbesondere dann angezeigtund geboten, wenn ein Teilwerk eines Unternehmers als Bestandteil eines grösserenGesamtbauwerkes erst mit diesem eingehend geprüft und abgenommen werden kann.Innerhalb der Schranken des Gesetzes (Art. 19 Abs. 1 OR) können die Parteien den Zeitpunktder Abnahme frei bestimmen. Zulässig und gebräuchlich sind etwa Abnahmeklauseln,wonach die Ablieferung des Subakkordantenwerkes erst mit oder nach der Abnahmedes Gesamtwerkes erfolgen soll. Um einen reibungslosen Rückgriff auf den Subunternehmerzu ermöglichen, wird bisweilen auch vereinbart, dass die Mängelhaftung desSubunternehmers nicht verjährt, ehe die Verjährung für die entsprechende Haftung desHauptunternehmers eingetreten ist. Unwirksam wäre aber eine Abnahmeklausel, welchedie Ablieferung des Subunternehmerwerkes auf unabsehbare oder überlange Zeit hinausschiebtund dadurch die wirtschaftliche Freiheit des Subunternehmers in einem die Sittlichkeitverletzenden Grade beschränkt wird. 67Im Einzelfall wird der Planer anstelle der Vereinheitlichung des Zeitpunktes der Abnahmedie Prüfungs-, Rüge- und/oder Verjährungsfristen für Mängel des Unternehmerwerkeskoordinieren. In der Praxis häufig ist der Fall, dass ein Besteller (bewegliche) Materialienselbst beschafft und diese (entweder allein oder über einen Unternehmer) in ein unbeweglichesBauwerk einbaut. In solchen Fällen verjähren allfällige Mängelansprüche gegenüberdem Materiallieferanten schon ein Jahr nach der Ablieferung des Materials, diejenigengegenüber dem Unternehmer für Mängel in der Bauausführung aufgrund der Unbeweglichkeitdes Bauwerkes jedoch erst nach fünf Jahren (vgl. Art. 371 OR i.V.m. Art. 210OR; Art. 180 Abs. 1 SIA-Norm 118). Auch in dieser Konstellation ist die Koordinationdes Planers unabdingbar. Er kann in den Abnahmeklauseln, die er in die einzelnen Verträgeeinfügt, die Ablieferung bzw. den Abnahmezeitpunkt für sämtliche am Bau Beteiligteneinheitlich auf ein bestimmtes Datum festlegen. Damit treten, zum Vorteil des Bestellers,die Abnahmewirkungen (Beginn, Rügefrist, Verjährungsfrist, Übergang von Risikound Gefahr, etc.) für alle zum selben Zeitpunkt ein. Im Einzelfall wird der Planer in andererHinsicht eine flexible Koordination zwischen den einzelnen Verträgen anstreben – etwadadurch, dass er nicht den Zeitpunkt der Abnahme, sondern den Inhalt der Gewährleistungsklauselneinheitlich regelt. Auch das erfolgt mit dem Ziel, durch solche Vertragsgestaltungdie Prüfungs-, Rüge- und/oder Verjährungsfristen für Mängel, Planungsfehleroder sonstige Versäumnisse zu harmonisieren, so dass dem auftraggebenden Bau-67Zum Ganzen: HÜRLIMANN, Koordination komplexer Bauverträge, Baurechtstagung 2005, S. 205 ff. Zu diesenund anderen Klauseln: GAUCH, Der Werkvertrag, Nr. 151 f.; HÜRLIMANN, Organisation und Finanzierung derBauausführung, § 11.100; SAXER, Der Subunternehmer und sein Vertrag, S. 64 f.BRT 2007


156 Roland Hürlimannherrn die Durchsetzung seiner vertraglichen Ansprüche nicht unsachgemäss erschwert o-der gar verunmöglicht wird. 685. Die Mitwirkung des Planers beim Abnahmeprozedere: Im Zusammenhang mit derWerksabnahme übernimmt der Architekt des Bauherren gemäss Art. 4.53 der SIA-Ordnung 102 im Sinne einer Grundleistung die Verpflichtung, das Werk (oder die betroffenenWerksteile) gemeinsam mit Spezialisten, Unternehmern und Lieferanten aufVollendung und Mängelfreiheit hin zu prüfen sowie allfällige Mängel festzustellen und(in Anwendung von Art. 160 bzw. Art. 161 Abs. 2 SIA-Norm 118) zur Behebung derselbenMassnahmen anzuordnen, Fristen anzusetzen und einen Terminplan für die Mängelbehebungauszuarbeiten. Im Weiteren ist die Architektin oder der Architekt für die Erstellungeines Abnahmeprotokolls verantwortlich und hat schliesslich das Bauwerk an denBauherren zu übergeben. Diese Pflichtenlage ist kongruent mit derjenigen der Bauleitung,wie sie der Bauherr in seinem Vertrag mit dem Unternehmer in Anwendung der SIA-Norm 118 verspricht (vgl. deren Art. 34 Abs. 1 in fine und Art. 158 Abs. 2 und 3). Vorbehältlichanderer Abmachung gilt, dass gemäss Art. 33 Abs. 2 SIA-Norm 118 i.V.m.Art. 33 Abs. 3 OR alle das Werk betreffenden Handlungen und Willensäusserungen derBauleitung ohne weiteres dem Bauherren als eigenes Handeln und Erklären zugerechnetwerden, selbst wenn die Befugnis des Architekten in seinem Vertrag mit dem Bauherrenbeschränkt sein, also weniger weit gehen sollte.BAbnahme und Bauwesenversicherung1. Begriff der Bauwesenversicherung: Bei der Bauwesenversicherung 69 ist der Zeitpunktder Werkabnahme von entscheidender Bedeutung dafür, ob eine Versicherung Deckunggewährt oder Zahlung ablehnt. Worum geht es bei der Bauwesenversicherung? Mit dieserVersicherung können die am Bau Beteiligten Deckung verlangen gegen die Gefahr, dassdas Bauwerk (und, je nach zusätzlicher Vereinbarung im Versicherungsvertrag, etwaauch Maschinen und Einrichtungen, bestehende Bauten sowie Gerüst- und Schalungsmaterial)infolge von zufälliger äusserlicher Einwirkung, Konstruktions-, Material- oderAusführungsfehlern Schaden nehmen. In solchen Schadensfällen übernimmt die Versicherungdie Kosten für das Aufräumen, die Schadensuche, den Abbruch und den Wiederaufbaudes beschädigten oder zerstörten Werkes. Die Versicherung sorgt also dafür, alleKosten zu ersetzen, die notwendig sind, um den Zustand des Bauwerkes (und ggf. weiterenMaterials) unmittelbar vor dem Schadenseintritt wiederherzustellen. 702. Keine Deckung für Mängel und Nicht-Sachschäden: Ist ein Mangel im werkvertraglichenSinne Schadens(mit-)ursache, so besteht allerdings keine Versicherungsdeckung fürdie Kosten der Beseitigung des Mangels selber, sondern nur jene der Behebung allerdurch ihn verursachten Schäden. Zudem ist zu beachten, dass die Deckung der Bauwesenversicherungnur Sachschäden (und überdies einige genau bestimmte reine Vermögensschäden– „Sachfolgeschäden“ – wie etwa Aufräum- oder Schadensuchkosten) umfasst,mithin Personen- und Vermögensschäden ausgeschlossen sind. 713. Funktion der Bauwesenversicherung: Die Bauwesenversicherung dient nicht in ersterLinie einer bestimmten Partei, sondern soll im Interesse einer effizienten und verzögerungsfreienBauausführung die Beteiligten in einer ersten Phase von der Klärung befreien,wer (und ob überhaupt jemand) für eingetretene Schäden verantwortlich ist. Freilichwirkt diese Befreiung bloss vorübergehend, denn das Versicherungsunternehmen wird imRahmen bezahlter Leistungen in einer zweiten Phase Rückgriff auf den oder die Verant-68697071Vgl. GAUCH, Der Werkvertrag, Nr. 151 f.; SAXER, Der Subunternehmer und sein Vertrag, S. 66 ff., m.w.H.Einlässlich dazu HUBER, Versicherungsfragen des Baus, Rz. 18.135 ff.HUBER, Versicherungsfragen des Baus, Rz. 18.149, 18.156.HUBER, Versicherungsfragen des Baus, Rz. 18.150.BRT 2007


Werkabnahme gemäss SIA-Norm 118 und die Mängelhaftung 157wortlichen zu nehmen versuchen. 72 Dem Bauherren nützt die Versicherung insbesonderebei Schäden, die aus Zufall entstanden sind, denn für solche trägt er unter der Geltung derSIA-Norm 118 das entsprechende Risiko bereits vor der Abnahme.4. Deckung nur bis zur Abnahme: Der Versicherungsschutz ist dabei in zeitlicher Hinsichtauf Schadensereignisse begrenzt, die vor der Abnahme der versicherten Bauleistungen(also je nachdem des Werkes oder von Werkteilen) eingetreten sind – liegt bloss dieUrsache, nicht jedoch die Manifestation des Schadens vor dem Zeitpunkt der Abnahme,fällt dieser nicht unter den Versicherungsschutz. 73 Im Zeitpunkt der Abnahme entscheidetsich also, welche Schäden an Bauwerk – und ggf. an Material und Maschinen – die Versicherungzu übernehmen hat. Wird allerdings die Abnahme zufolge wesentlicher Mängelin Anwendung von Art. 161 Abs. 1 SIA-Norm 118 zurückgestellt, so bleibt der Versicherungsschutzbis zur tatsächlichen Abnahme (nach erfolgter Nachbesserung: Art. 161Abs. 3 Satz 2; oder trotz Weiterbestehens wesentlicher Mängel: Art. 162, zweites Lemma)aufrecht.CAbnahme und Betriebshaftpflichtversicherung des Unternehmers1. Begriff der Unternehmerhaftpflichtversicherung: Die Betriebshaftpflichtversicherungdes Unternehmers deckt dessen gesetzliche Haftung gegenüber Dritten aus Tötung, Körperverletzungoder Eigentumsbeschädigung, wenn und soweit sie sich aus dem Betriebseines Geschäftes ergeben hat. Der Unternehmer, der nach der SIA-Norm 118 baut, istzum Abschluss einer solchen Versicherungsdeckung (unter Einschluss allfälliger RegressansprücheDritter) verpflichtet (Art. 26). Der Versicherungsschutz ist allerdings gemeinhinausgeschlossen für Schäden, die der Unternehmer dem eigenen Eigentum sowiedenjenigen fremder Sachen bzw. Bauwerksteilen zufügt, an welchen er im Zuge der Ausführungseiner Arbeiten tätig ist. 74 Abgesehen von diesem sachlichen Ausschluss ergibtsich aus der vertragsrechtlichen Natur der Mängelhaftung, dass diese vom Versicherungsschutz– welcher nur gesetzliche Haftungslagen erfasst – mangels besonderer Abredennicht erfasst wird. Ist nun aber ein Werkmangel auf ein Verschulden im Sinne von Art. 41Abs. 1 OR zurückzuführen (oder wird das Verschulden durch die Geschäftsherrenhaftungdes Art. 55 OR substituiert) und führt er zu einem Personen- oder Sachschaden, so dassdie ausservertragliche (gesetzliche) Haftung des Unternehmers gegeben ist, so müsste eigentlichDeckung des Unternehmers aus seiner Betriebshaftpflichtversicherung für diesenSchaden bestehen, der vertraglich einen Mangelfolgeschaden darstellt. Indessen schliesstder Grossteil der in der Schweiz verbreiteten Versicherungsbedingungen die Deckungauch für die ausservertragliche Haftung für Mangelfolgeschäden kategorisch aus 75 – mit72737475HUBER, Versicherungsfragen des Baus, Rz. 18.149.HUBER, Versicherungsfragen des Baus, Rz. 18.152.TRÜMPY/HÜRLIMANN, Die Betriebshaftpflichtversicherung für das Baugewerbe; Zeitschrift Baurecht 1/1999,S. 83 ff.; HUBER, Versicherungsfragen des Baus, Rz. 18.49 ff.Vgl. etwa Ziff. BH 34 Abs. 1 der ‚Vertragsbedingungen Betriebs-Haftpflichtversicherung’ (2006) der BaslerVersicherungen: „Kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche auf Erfüllung von Verträgen oder an derenStelle tretende Ansprüche auf Ersatzleistungen wegen Nichterfüllung oder nicht richtiger Erfüllung, auchwenn diese ausservertraglich geltend gemacht werden [Hervorhebung nicht im Original]“. – Noch deutlicherformulierte dies Ziff. 6 lit. l der ‚Allgemeinen Versicherungsbedingungen Betriebs-Haftpflichtversicherungfür das Baugewerbe’ (1994) der Basler Versicherungen: „Von der Versicherung ausgeschlossen sind Ansprücheauf Erfüllung von Verträgen oder an deren Stelle tretende Ansprüche auf Ersatzleistungen wegen Nichterfüllungoder nicht richtiger Erfüllung, insbesondere aus Schäden und Mängeln, die an den vom Versicherungsnehmeroder in seinem Auftrag hergestellten oder gelieferten Sachen oder geleisteten Arbeiten infolgeeiner in der Herstellung, Lieferung oder Arbeitsleistung liegenden Ursache entstanden sind [Abs. 1]. Werdenin Konkurrenz oder anstelle von vertraglichen Ansprüchen, die nach vorstehenden Abs. 1 und 2 von der Versicherungausgeschlossen sind, aufgrund desselben Sachverhaltes ausservertragliche Ansprüche gegen ir-BRT 2007


158 Roland Hürlimannder Begründung, diese Haftung falle unter das gewöhnliche Unternehmerrisiko, das nichtgedeckt werden dürfe, ansonsten dem „Pfusch“ Vorschub geleistet würde. 762. Auswirkungen der Abnahme auf die Deckung?: Auf erstes Hinsehen hat die Werksabnahmekeinen unmittelbaren Einfluss auf das Verhältnis zwischen dem Unternehmerund seinem Haftpflichtversicherer. Das ergibt sich schon daraus, dass die meisten solchenVersicherungen bezogen auf einen Betrieb und nicht auf eine Baustelle abgeschlossenwerden. Die Auswirkungen der Abnahme auf dieses Versicherungsverhältnis sind immerhinaber faktischer Art: Abnahme setzt Vollendung des Bauwerkes voraus, so dassder Unternehmer seine Arbeiten im Zeitpunkt der Abnahme im Regelfall beendet hat. EineHaftung aus seiner betrieblichen Tätigkeit kann daher zu diesem Zeitpunkt grundsätzlichnicht mehr eintreten. Allerdings kann sich ergeben, dass der Unternehmer trotz Abnahmenoch nachbessern muss (vgl. Art. 160 SIA-Norm 118) und insofern nach der AbnahmeArbeiten ausführt, die zu einem gedeckten Haftpflichtfall führen können. Weil dieHaftung für Mängel und Mangelfolgeschäden selbst dann nicht unter den Versicherungsschutzfällt, wenn sie ausservertraglich besteht und geltend gemacht wird, ist praktischausgeschlossen, dass die Betriebshaftpflichtversicherung nach Beendigung der letztenArbeiten – bezogen auf diese Baustelle – noch weitere Deckung leisten muss. Insofernfällt aus Sicht der Versicherung mit der Abnahme dem Grundsatz nach ein versichertesRisiko weg. Zuweilen wird allerdings auch umgekehrt argumentiert, nämlich dahingehend,dass bis zum Zeitpunkt der Abnahme noch gar kein Mangel vorliege, sodass derBesteller in dieser Phase auch noch nicht geschädigt sei. Der Besteller ist im Einzelfalldaher gut beraten, vorgängig die AVB zu konsultieren, ob und inwiefern die Abnahmesich auf die Versicherung bzw. die Deckung auswirkt.DAbnahme und Sicherheitsleistung (Solidarbürgschaft)1. Einordnung der Sicherheitsleistung: Nach dem in der SIA-Norm 118 vorgesehenenZahlungssystem (vgl. Art. 144 ff., 153 ff.) leistet der Besteller nach Massgabe des Baufortschrittesmonatliche Abschlagszahlungen (Art. 144 f.), so dass er die vertraglich geschuldeteVergütung im Zeitpunkt der Abnahme bis auf den dem Bauherren als Sicherheitfür die Vertragserfüllung dienenden Rückbehalt (Art. 145 Abs. 1, Art. 149 Abs. 1)bereits geleistet hat. Der zurückbehaltene Teil der Vergütung wird nach Abnahme desWerkes sowie Übergabe und Prüfung der Schlussrechnung zur Zahlung fällig, sobald derUnternehmer die Sicherheitsleistung gemäss Art. 181 erbracht hat (Art. 152).2. Wesen der Bürgschaft: Gemäss Art. 181 SIA-Norm 118 hat der Unternehmer zur Auslösungder Fälligkeit der Zahlung des Rückbehaltes eine Sicherheit in Form einer Solidarbürgschafteiner Bank oder Versicherung zu stellen. Diese dient der finanziellen Absicherungeiner allfälligen Haftung des Unternehmers aus „Mängeln, die bei der gemeinsamenPrüfung oder während der Garantiefrist gerügt werden, und sie beträgt zwischen 5und 10% der Vergütungssumme, höchstens aber CHF 1 Mio. Sie ist (mindestens) auf jeneZeit zu befristen, in der die Verjährungsfrist für die Mängelrechte bezüglich der währendder Prüfung entdeckten oder im Verlaufe der Garantiefrist (Art. 172) gerügten Mängellaufen wird (Art. 181 Abs. 3 Satz 1) – also grundsätzlich für die Dauer von bis zu fünfJahren 77 seit der Abnahme (Art. 180 Abs. 1). In diesem Kontext gilt es Art. 510 Abs. 37677gendeinen Versicherten gestellt, entfällt der Versicherungsschutz ebenfalls [Abs. 3; Hervorhebung nicht imOriginal]“.So SCHLÜCHTER, Praktische und rechtliche Fragen des Versicherungsschutzes, in: Haftpflicht- und Versicherungsrechtstagung2005, Sonderdruck, S. 21.GAUCH, KommSIA 118, N 16 zu Art. 181, mit Hinweisen auf andere (2 Jahre / unbestimmte Zeit) Meinungen.Der Autor äussert sich im Übrigen gegen die Berücksichtigung der zehnjährigen Verjährungsfrist für absichtlichverschwiegene Mängel (Art. 180 Abs. 2 SIA-Norm 118) im Rahmen der zeitlichen Begrenzung derSolidarbürgschaft nach Art. 181 Abs. 3: „Zwar mag es vorkommen, dass der Bauherr erst später als fünf Jahreund vier Wochen seit der Abnahme erkennt, dass ein bis zum Ablauf der Garantiefrist gerügter Mangel vomBRT 2007


Werkabnahme gemäss SIA-Norm 118 und die Mängelhaftung 159OR zu beachten: Bei auf bestimmte Zeit eingegangener Bürgschaft erlischt die Verpflichtungdes Bürgen – also der Bank oder Versicherung – erst nach Ablauf von vier Wochennach dem in der Bürgschaftserklärung genannten Endtermin. 783. Beschränkung der Bürgschaft auf künftige Mängel: Mit Blick auf die gelebte Praxisvon Banken und Versicherungen bei der Solidarbürgschaft für Mängelrechte nach Art.181 SIA-Norm 118 ist schliesslich auf eine neue Tendenz hinzuweisen: Die Übungscheint zunehmend dahin zu gehen, dass die Haftung für jene Mängel von der Bürgschaftausdrücklich ausgeschlossen wird, welche im Zeitpunkt der Ausstellung der Bürgschaftserklärung– für die SIA-Norm 118 also in der Zeit zwischen Prüfung des Werkes, Abnahmedesselben und Zahlung des Rückbehaltes – dem Bauherren bekannt sind oder nachTreu und Glauben bekannt sein müssten.Dass eine solche Begrenzung der Bürgschaft den Anforderungen des Art. 181 Abs. 1SIA-Norm 118 nicht überall genügt und der Unternehmer mit Ausschlüssen in einemBürgschaftstext zuweilen seinen Verpflichtungen aus Art. 181 nicht nachzukommen vermag,ist noch nicht überall erkannt worden. Denn Art. 181 Abs. 1 verlangt klar eine Sicherheitsleistungauch hinsichtlich der „bei der gemeinsamen Prüfung ... gerügt[en]“Mängel, und diese kennt der Bauherr natürlich, so dass die obengenannte Beschränkungsregelunghier greift und eine Bürgschaftshaftung entfällt. Im Weiteren wird durch die genannteEinschränkung teilweise auch die Sicherheitsleistung bezüglich derjenigen Mängelausgeschlossen, die „während der Garantiefrist gerügt werden“ (Art. 181 Abs. 1):Handelt es sich dabei nämlich um Mängel, welche der Bauherr zwar nicht kannte, nachTreu und Glauben aber bereits vor der Abnahme (insb. anlässlich der gemeinsamen Prüfung)hätte erkennen müssen, so greift die beschränkte Bürgschaft auch hier nicht. Diesist insbesondere dann von Brisanz, wenn die Abnahme mangels Prüfung gestützt auf Art.164 Abs. 1 eingetreten ist: In solchen Fällen dürfte gelten, dass die Beschränkung derBürgschaft für alle Mängel gilt, welche der Bauherr hätte erkennen können, wenn diePrüfung stattgefunden hätte.Soweit ein Bauherr eine beschränkte Bürgschaft im beschriebenen Sinne ausdrücklichoder stillschweigend akzeptiert, liegt im Allgemeinen eine nachträgliche vereinbarungsweiseAbweichung von der SIA-Norm 118 vor, was ohne weiteres zulässig ist und dazuführt, dass der Bauherr bei Erfüllung der übrigen in Art. 152 genannten Voraussetzungenzur Auszahlung des Rückbehaltes verpflichtet ist. Ohne solchen Akzept jedoch könnte derBauherr diese Auszahlung meines Erachtens gestützt auf Art. 152, drittes Lemma, i.V.m.Art. 181 verweigern.78Unternehmer ‚absichtlich verschwiegen’ worden ist (Art. 180 Abs. 2). Die Minimalfrist der verlangten Bürgschaftnur mit Rücksicht auf diesen möglichen (aber äusserst seltenen) Fall auf zehn Jahre (Art. 180 Abs. 2)zu verlängern, wäre jedoch im Hinblick auf die damit verbundenen Kosten so unvernünftig, dass dies nichtdem Inhalt des zweckmässig ausgelegten Art. 181 entsprechen kann“.GAUCH, KommSIA 118, N 16 lit. b zu Art. 181.BRT 2007

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