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Petra Walser, HeimatGemeinde (PDF) - Vorarlberg

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Eröffnung der Ausstellung „Gemeinde Lech 1808 bis 2008“; Lech, Museum Huberhus, 28. November 2008<strong>Petra</strong> <strong>Walser</strong> (geb. 1971 in Bludenz), Mag. Dr. phil., von 1995 bis Oktober 2008 Gemeindearchivarin derGemeinde Lech<strong>HeimatGemeinde</strong>Gedanken zum Begriffspaar Heimat - Gemeinde<strong>Petra</strong> <strong>Walser</strong>Man würde meinen, eine Eröffnungsrede zum Thema Gemeindefördert sicherlich keine neuen Erkenntnisse zutage.Denn der Begriff Gemeinde scheint im ersten Moment dochsehr leicht fassbar zu sein. In der Öffentlichkeit oft strapazierteDefinitionen stempeln die Gemeinde zum bloßenVerwaltungsapparat. Andere Betrachtungsweisen eröffnenzwar Assoziationen die höchst komplexe Fragen aufwerfen,werden aber nur sehr selten analysiert oder gar in ihrer Gesamtheituntersucht.Es genügt nicht, einen Ort und seine Menschen, die normativverbunden sind und dazu innerhalb einer politischenVerwaltungseinheit erfasst werden, als Gemeinde zu definieren.Denn allein die Komponenten Raum und Menschbilden ein Spannungsfeld, das eine nahezu unerschöpflicheFülle an Forschungsmaterial in sich birgt.Zunächst also ist da der Raum, ein Ort, wo wir hingehörenund der uns räumlich bindet. Wenn wir Teil eines Raumessind, dann liegt also etwas Erfahrbares vor, etwas, das wirkennen. Erste Voraussetzung dafür ist, dass der Menschmit einem Sinnesapparat ausgerüstet ist, der ihm das dreidimensionaleWahrnehmen seiner Umgebung erst ermöglicht.Dabei sind es nicht allein materielle Eigenschaftender umgebenden Landschaft, die sich einprägen, sondernentsprechend der Einzigartigkeit, die jedem Wesen zu eigenist, wird der Raum immer als komplexe, individuelleSinneserfahrung erlebt. Die Reize, die dabei von der Umweltausgesendet werden, stimulieren unser Bewusstseinvon einer Orientierungs- und Strukturierungsebene bis hinzu einer Gefühlsebene mit verschiedensten Ausprägungen.Die Beziehung Raum – Mensch ist also von höchster Komplexität,in der verschiedenste Faktoren den Umgang desMenschen mit seiner Umgebung beeinflussen, indem ermentale Landkarten als kognitive Karten erstellt. Wir habeneine Strategie parat, um diesen Raum kennen zu lernen. DieseStrategien und die daraus resultierende Fähigkeit sichorientieren zu können, sind für das menschliche Überlebenim Alltag eine Voraussetzung. So lernen auch Kinder nachund nach Raum zu erfassen. Dies hängt vor allem mit derEntwicklung der Sinnesorgane und mit der körperlichenReichweite zusammen. Zunächst beschränkt sich der Blickwinkelauf unser Zuhause – auf unsere Gemeinde, dochspätestens mit dem Eintritt in die Schule wird die Perspektiveunserer Umwelt unwiderruflich erweitert. Wir verlassenunsere Gemeinde, unsere gewohnte Umgebung. 1Gemeinde ist demnach eben nicht nur eine politische Einheiteines Staatsgebildes sondern Heimat. Der Begriff ansich beschreibt eine Dreiheit von Gesellschaft, Raum undTradition, was bedeutet, dass Heimat die „[…] menschliche,landschaftliche und gesellschaftliche Umwelt, in dersich der Mensch identifiziert, rational und emotional bindetund sichert.“ 2 Wenn man so will, so ist diese ursprünglicheDefinition von „Heimatgemeinde“ im 21. Jahrhundert durchmodernste Kommunikationstechnik ins Wanken geraten.Bedenkt man, dass es heute sogar möglich ist, Gegendenzu kennen, ohne zumindest physisch dort gewesen zu sein,so fragt man sich, ob diese Räume jemals zur Heimat werdenkönnen. Eine Frage, die sich auch Max Frisch stellt,indem er den Satz formuliert: „Ist Ihnen schon einmal derGedanke gekommen, sie hätten sich für eine andere Heimatmöglicherweise besser geeignet?“ 3Die Möglichkeit einer anderen und damit weiteren Heimatmutet surreal an, denn um dies zu wissen oder zu erfahren,müsste man sich zuerst eine neue Heimat schaffen.Doch sind wir überhaupt in der Lage zwei oder mehrere„Heimaten“ zu haben? Haben wir in unserer schnelllebigenWelt überhaupt Zeit an einem Ort „Heimat zu leben“? WirdHeimat in Zukunft noch eine Rolle spielen, wenn uns durchmodernste Technik selbst die Fremde vertraut ist. Eines istsicher, das Wortpaar Heimat - Fremde hat in seiner Konnotationals „gegensätzliches Wortpaar“ viel eingebüßt. DerGegenpol Fremde wurde durch Globalisierung ersetzt: DieWelt ist vernetzt wie nie zuvor, wir können uns quasi überallhin„einloggen“, und doch verteidigen wir paradoxerweiseunsere „Scholle“, unsere Heimat, wie nie zuvor, wenn essein muss, sogar mit Gewalt.Seite 357

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