13.07.2015 Aufrufe

Klingt meine Linde - Hsghrm.musin.de

Klingt meine Linde - Hsghrm.musin.de

Klingt meine Linde - Hsghrm.musin.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ganz richtig war im Kopf, er sagte, hoho, jaja, dann habe Königin Pompadulla ja jetzt eine Erbinfür ihr Reich.»Welches Reich <strong>de</strong>nn?« wollte Pompadulla wissen.»Das Elendsreich«, sagte Jocke Kis. »Armenhauskönigin, <strong>de</strong>r Wanzen hohe Herrscherin, daskann sie dann wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ine Kleinmagd.«Und Malin saß traurig dabei, und über <strong>de</strong>n Rand <strong>de</strong>r Kaffeetasse hinweg sah sie sich um imElend <strong>de</strong>s Spittels und versuchte eine einzige winzige Kleinigkeit zu erspähen, die schön war.Und dann begannen sie ihre Wan<strong>de</strong>rung mit Pompadulla. Sie zogen von Hof zu Hof undbettelten um Brot. Und Pompadulla war sehr zufrie<strong>de</strong>n mit ihrer Kleinmagd, sie steckte ihr diebesten Bissen zu von <strong>de</strong>m, was sie erbettelt hatten, und am Abend prahlte sie vor <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>renSpittlern, die keine Kleinmagd hatten.Doch Malin hatte ein gutes Herz und mühte sich, ihnen allen eine Kleinmagd zu sein. WennHühner-Hilma mit ihren krummen Fingern nicht das Schuhband knüpfen konnte, dann knüpfteMalin es ihr, und wenn Liebe Güte ihre Knäuel fallen ließ, dann hob Malin sie ihr auf, und wennJocke Kis sich ängstigte, weil er Stimmen im Kopf hörte, dann tröstete Malin ihn und beruhigteihn. Doch sich selbst konnte sie nicht trösten, <strong>de</strong>nn für <strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r ohne etwas Schönes nichtleben kann, gab es im Spittel von Norka keinen Trost.Auf ihren Wan<strong>de</strong>rungen mit Pompadulla kam sie eines Tages auch zum Pfarrhof, und diePfarrersfrau gab ihnen um Gottes Barmherzigkeit willen Brot für <strong>de</strong>n Bettelsack und einenTeller voll Wassergrütze am Küchentisch. Doch Malin bekam an diesem Tag noch etwasgeschenkt. Gera<strong>de</strong> an diesem Tag und gera<strong>de</strong> dort in <strong>de</strong>r Küche <strong>de</strong>s Pfarrhofs geschah dasWun<strong>de</strong>rbare, dass sie als Herzenstrost etwas Schönes geschenkt bekam. Sie saß am Tisch,löffelte ihre Grütze und ahnte nichts, da drangen durch die angelehnte Tür Worte zu ihrherüber, Worte, so hold, dass sie erbebte. Dort drinnen war jemand, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>sPfarrers ein Märchen vorlas, und in all ihrer Holdheit drangen die Worte durch <strong>de</strong>n Türspaltund kamen auch zu Malin. Nie zuvor hatte sie gewusst, dass auch Worte schön sein können,und nun erfuhr sie es, und sie sanken ihr in die Seele wie Morgentau auf eine Sommerwiese.Ach, sie wollte sie in ihrem Herzen bewahren für alle Zeit und nie wie<strong>de</strong>r vergessen, aberschon, als sie mit Pompadulla heimkehrte ins Spittel, waren sie ihr aus <strong>de</strong>m Gedächtnisentschwun<strong>de</strong>n. Nur ein paar wun<strong>de</strong>rliebliche Worte wusste sie noch, und sie sagte sie leise vorsich hin, wie<strong>de</strong>r und immer wie<strong>de</strong>r.<strong>Klingt</strong> <strong>meine</strong> <strong>Lin<strong>de</strong></strong>,singt <strong>meine</strong> Nachtigall?So lauteten die Worte, und in ihrem Glanz schwand alles Elend und aller Jammer <strong>de</strong>sArmenhauses dahin. Warum es so war, wusste sie nicht, doch eine Segnung war es, dass es sowar.Und das Leben ging seinen Gang. Bei <strong>de</strong>n Armenhäuslern war kein En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Jammerns undSeufzens, da war kein En<strong>de</strong> ihres Hungers und ihrer Not und ihres bitteren Herzens. Doch

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!