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Klingt meine Linde - Hsghrm.musin.de

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Malin hatte diese Worte als Herzenstrost, und sie halfen ihr das Leben ertragen. Denn gar vielgab es im Spittel, was schwer war mit anzusehen und anzuhören.Da hockte Liebe Güte mit ihren Knäueln, und die langen Stun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Tages hindurch wickeltesie das Garn <strong>de</strong>s einen Knäuels auf das an<strong>de</strong>re, ohne Unterlass und niemand auf <strong>de</strong>r Welt zuNutzen. Und wenn sie dann an all das Garn dachte, das sie in ihrer Jugend gewickelt undverstrickt hatte, weinte sie still vor sich hin, und Malin sah es … <strong>Klingt</strong> <strong>meine</strong> <strong>Lin<strong>de</strong></strong>, singt <strong>meine</strong>Nachtigall?Und Jocke Kis ängstigte sich und hörte Stimmen in seinem Kopf und schlug ihn gegen die Wandund flehte die an<strong>de</strong>ren an, <strong>de</strong>n Kopf mit ihm zu tauschen, und da lachten sie alle außer Malin…<strong>Klingt</strong> <strong>meine</strong> <strong>Lin<strong>de</strong></strong>, singt <strong>meine</strong> Nachtigall?Und wenn <strong>de</strong>r Abend einzog im Armenhaus und keine Kerzen da waren zum Anzün<strong>de</strong>n, dannhockten die Spittler in ihren Betten und starrten in die Dunkelheit und in ihre Erinnerungenhinein, sie murmelten und seufzten, sie stöhnten und ächzten, und Malin hörte es … <strong>Klingt</strong><strong>meine</strong> <strong>Lin<strong>de</strong></strong>, singt <strong>meine</strong> Nachtigall?Doch die Zeit ging dahin, und nach und nach genügten Malin die Worte allein nicht mehr, siewur<strong>de</strong>n zu einem Sehnen, das sie Tag und Nacht begleitete. Und plötzlich wusste sie, wonaches sie verlangte. Eine klingen<strong>de</strong> <strong>Lin<strong>de</strong></strong> wünschte sie sich, eine singen<strong>de</strong> Nachtigall wollte siehaben, genau wie die Königin im Märchen. Und <strong>de</strong>r Gedanke ließ ihr keine Ruhe mehr, und eskam ihr in <strong>de</strong>n Sinn, sie müsse draußen auf <strong>de</strong>m Kartoffelacker ein Samenkorn säen undwarten, ob daraus nicht eine <strong>Lin<strong>de</strong></strong> sprösse.»Hätte ich doch nur ein Samenkorn«, dachte sie, »gewiss bekäme ich dann auch eine <strong>Lin<strong>de</strong></strong>.Und hätte ich eine <strong>Lin<strong>de</strong></strong>, gewiss bekäme ich dann auch eine Nachtigall. Und hätte ich eineNachtigall, dann wäre es auch im Spittel schön, dann herrschte auch im Spittel die Freu<strong>de</strong>.«Und als sie mit Pompadulla durch <strong>de</strong>n Hag wan<strong>de</strong>rte, da fragte sie: »Den Samen <strong>de</strong>r <strong>Lin<strong>de</strong></strong>, wofin<strong>de</strong>t man <strong>de</strong>n?«»An <strong>de</strong>n <strong>Lin<strong>de</strong></strong>n im Herbst«, antwortete Pompadulla.Aber bis zum Herbst konnte Malin nicht warten. Die Nachtigallen sangen doch im Frühjahr,und dann klangen auch die <strong>Lin<strong>de</strong></strong>n, die Frühlingstage aber rinnen davon wie Wasser, das dieSteine umspült.Da erwachte sie eines Morgens in <strong>de</strong>r Frühe vor allen an<strong>de</strong>ren. Vielleicht waren es die Wanzen,die sie geweckt hatten, vielleicht war es auch die Sonne, die sich durch das Fenster <strong>de</strong>s Spittelsstahl. Während sie dort lag und sich kratzte, folgte ihr Blick einem Sonnenstrahl bis unterSommer-Nisses Bett, und da sah sie etwas auf <strong>de</strong>n Dielen liegen, etwas Winziges, Gelbes,Run<strong>de</strong>s. Es war nur eine Erbse, die aus Sommer-Nisses zerlumptem Beutel gerollt war, aber eskam Malin in <strong>de</strong>n Sinn, diese Erbse statt eines Samenkorns zu nehmen. Vielleicht ließ Gott inseiner Güte dieses eine Mal eine <strong>Lin<strong>de</strong></strong> aus einer Erbse sprießen.

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