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Flachs und Leinen - Heimatpflege im Uslarer Land

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Offnungszeiten der Museen:Museum UslarMühlentor 4,Tel. 05571-307142(1411 Di - So 15 - 17 UhrSteinarbeiter-Museum AdelebsenKirchweg 8, Tel. 05506-1081Schäferhaus-Museum Wahlsburg-LippoldsbergSchäferhof, Tel. 05572-7360,So 15 - 18 Uhr(nach telef. Vereinb. Veranstaltung von Webkursen)2Weberin um 1895So 15 - 18 UhrVorwortBeate Birkigt-Ouentin, Gerd Busse, Wolfgang Schäfer(Hrsg.1<strong>im</strong> Auftrag der Museen: Museum Uslar, Steinarbeiter-Museum Adelebsen, Schäferhausmuseum in Wahlsburg-LippoldsbergAdelebsen, Uslar, Wahlsburg 1995Mit dem Thema ,,<strong>Flachs</strong> <strong>und</strong> <strong>Leinen</strong>" beschäftigen sichdas Schäferhaus-Museum in Lippoldsberg <strong>und</strong> dasMuseum in Uslar schon seit längerer Zeit, handelt es sichdoch dabei um einen Bereich, der <strong>im</strong> Leben derMenschen bedeutend war <strong>und</strong> der besonders <strong>im</strong>Winterhalbjahr das Alltagsleben mitbest<strong>im</strong>mte. Bemerkenswertwar auch die Abhängigkeit dieses ländlichenGewerbes von den internationalen Handelsbeziehunge<strong>Leinen</strong> aus unserer Region gelangte weit über diedamaligen <strong>Land</strong>esgrenzen hinaus in andere europäischeLänder <strong>und</strong> nach Ubersee.Die Arbeit mit dem <strong>Flachs</strong>, das Spinnen <strong>und</strong> die <strong>Leinen</strong>herstellungdienten der Eigenversorgung mit Textilien;der Verkauf der Produkte war für Kleinbauern <strong>und</strong>Tagelöhner nicht nur eine willkommene, sondern aucheine lebensnotwendige Einnahmequelle. Für die Berufsweberin den Dörfern stellte sie den Haupterwerb dar.Viele damalige Arbeitsabläufe, aber auch Bräuche,Gesellungsformen, Sprichwörter sowie die Gesangs- <strong>und</strong>Erzählkultur waren durch die <strong>Flachs</strong>verarbeitung <strong>und</strong> die<strong>Leinen</strong>herstellung geprägt. Noch heute spiegelt sich dasin Redewendungen wie z. B. ,,herumflachsen",,,ein-spinnen",,,etwas durchhecheln",,,sich verheddern"wider.Das Steinarbeiter-MuseumAdelebsen hat in diesemJahr in Zusammenarbeit mit einer Projektgruppe derUniversität Göttingen <strong>und</strong> der Historischen SpinnereiGartetal eine Sonderausstellung erarbeitet. Dies warauch der Anlaß für die drei Museen, eine Broschüre zudiesem Thema herauszugeben. In dieser Schrift sind diewichtigsten in der Region noch verfügbaren Informationenzum <strong>Flachs</strong> <strong>und</strong> <strong>Leinen</strong> sowie zu dessen Vertriebzusammengestellt unter Berücksichtigung von sozial<strong>und</strong>wirtschaftsgeschichtlichen Aspeken.Glücklichen Umständen verdanken wir es, daß es zur<strong>Flachs</strong>verarbeitung eine fast vollständige Serie von Fotosvom Lehrer Creyd aus Wibbecke gibt. Gedankt sei HerrnWerner Ouentin aus Wibbecke, aus dessen Sammlungviele der verwendeten Bilder stammen. Die Herausgebehoffen, mit dieser Ausgabe einen Einblick in das ehemalsbedeutendste agrarische Nebengewerbe unserer Regiongeben zu können.Gerd Busse


<strong>Flachs</strong> <strong>und</strong> <strong>Leinen</strong>zwischen Leine <strong>und</strong> WeserBerichte <strong>und</strong> Bilder aus Adelebsen, Uslar <strong>und</strong> WahlsburgInhaltVorwort<strong>Flachs</strong>anba<strong>und</strong> <strong>Leinen</strong>herstellungGerd BusseDie Umschlagbilder:Vorderseite: <strong>Flachs</strong>ernte in der Wibbecker Feldmark mitBlick auf die Burg Adelebsen um 1910Rückseite:<strong>Flachs</strong>ernte in Wibbecke 1937Belegschaft der Musterbleiche Sohlingen 1895,trreibhäuser der Unsittlichkeit?"Spinnstubender Weser-Solling-RegionBeate Birkigt-Ouentin,,Die ansehnlichste Bleichanstalt in diesem Distrikt"Aus der Geschichte der <strong>Leinen</strong>bleicheVernawah lshausenThorsten Ouest <strong>und</strong> Uta Schäfer-RichterDie BleicharbeitKarl SiemonDas <strong>Leinen</strong> auf der WieseDie Geschichte der Sohlinger MusterbleicheHelmut SchreckenbachZur Geschichte der Adelebser LinnenleggeHans-Joach<strong>im</strong> KiefertCannamajosArnulf Gr<strong>im</strong>mLiteratur202425273136393


Gerd BusseFLACHSANBAUNDLEINENHERSTELLUNGDie <strong>Flachs</strong>pflanze<strong>Flachs</strong> gilt als die älteste wirtschaftlich genutzteFaserplanze <strong>und</strong> kommt schon bei den Hochkulturendes vorderasiatischen Raumes vor. Der frühesteNachweis steht <strong>im</strong> Zusammenhang mit der sumerischenKultur (ca. 3500 v. Chr.). Noch vor Ende des 2.Jahrtausends v. Chr. hatten Phönizier <strong>und</strong> Griechendie Kultur des <strong>Flachs</strong>es <strong>im</strong> Mittelmeerraum verbreitet.Vermutet wird, daß sie dann noch in der jüngerenSteinzeit von Spanien aus durch die Kelten nachWesteuropa gebracht wurde.Der Samen heißt ,,Lein"; die Pflanze wird meistDie <strong>Flachs</strong>pflanzeW *\gWote* -4!lg\qailESsat ÄtsaE:.;,,<strong>Flachs</strong>", genannt <strong>und</strong> die fertigen Gewebe heißen,,<strong>Leinen</strong>",,Linnen" oder ,,Leinwand". Der botanischeName der Pflanze ist: ,,Linum usitatiss<strong>im</strong>um" - ,,deraufs Außerste gebrauchsfähige Lein". Dieser Nameweist darauf hin, daß alle Teile des Lein verwendetwerden konnten:. Bastfaser <strong>im</strong> Stengel: Herstellung von Kleidung,Bett-, Tisch- <strong>und</strong> Unterwäsche, Decken, Handtücher,Säcke, Taue. Stengel <strong>und</strong> Wurzel: Schewe (holzige Abfälle alsStallspreu <strong>und</strong> Bindemittel <strong>im</strong> Lehmbau). Samen: Be<strong>im</strong>ischung ins Backwerk, medizinischeVerwendung, Leinöl. ausgepreßter Leinsamen (Ölkuchen): hochwertigesViehfutter. Blätter, abgefallen auf dem Feld: Dünger. Abfallprodukt des bearbeiteten <strong>Flachs</strong>es: Werg(Füllung von Polstermöbeln).Entsprechen deru ntersch ied lichenNutzung haben sichzwei Sorten <strong>Flachs</strong>durchgesetzt: derhochstengelige Faserlein<strong>und</strong> derniedrige Öttein.Der Faserlein dientzur Herstellung von<strong>Leinen</strong>, er wächst 60- 120 cm hoch, istunverzweigt <strong>und</strong>hat kleine Blüten Ouerschnitt durch den <strong>Flachs</strong>stengel<strong>und</strong> Samenkapseln.Der Ollein wird nur 40 - 80 cm hoch <strong>und</strong> hat großeBlüten <strong>und</strong> Samenkapseln. Der <strong>Flachs</strong> blüht in derRegel blau <strong>und</strong> weiß. Die Früchte sind Kapseln mitSamen, die stark öl- <strong>und</strong> eiweißhaltig sind. Die<strong>Flachs</strong>faser zeichnet sich durch hohe Reißfestigkeit,aber auch geringe Elastizität aus. Die Leinpflanze istsehr genügsam. Sie kann überall in Deutschlandangebaut werden. Dennoch bildeten sich für die


verschiedenen Leinsorten bevorzugte Anbaugebieteheraus, weil z. B. guter langer Faserlein dort wächst,wo die Sommer mäßig warm <strong>und</strong> durch hoheLuftfeuchtigkeit (700 - 1000 mm Jahresniederschlag)geprägt sind. In Europa liegen deshalb die kl<strong>im</strong>atischbevorzugten Anbaugebiete für langfaserigen Lein inden Küstenbereichen Nordfrankreichs, Belgiens,Hollands <strong>und</strong> der Baltischen Länder.In Deutschland waren es die Mittelgebirge <strong>und</strong> derenluvseitigen Vorländer. Traditionelle Anbaugebietebefanden sich in Westfalen, Schlesien, in der Ober<strong>und</strong>Niederlausitz, Thüringen, Württemberg uirdBayern. Auch die sandigen Lehmböden der BuntsandsteinlandschaftenLuvlage zum Solling <strong>und</strong> zurBramburg eigneten sich für den <strong>Flachs</strong>anbau.f-- zomG-tL_I1r!_iri -** """t*l<strong>und</strong> reinigen:i tqooks l\--!3fTryf ,pressenelitrahierenT---_____f__:T[ 300ks IfLäinöl)9.500 kg Strohflachs mit SamenI@rerttier rg--r-- -Yhecheln reinigen i-'i i 44q ksspinnen-_. 1"ql,-,,"-* , IIl9leüü180 kg 518 kq 311 kgWerggam Flachögam WerggamErträge von t ha <strong>Flachs</strong>IFZur Geschichte des <strong>Flachs</strong>anbaus <strong>und</strong> der<strong>Leinen</strong>produktionln der Zeit vom 16. bis 18. Jahrh<strong>und</strong>ert hatten sich<strong>Flachs</strong>anbau <strong>und</strong> -verarbeitung so stark entwickelt,daß auch die Ausfuhr von <strong>Leinen</strong> eine große handelspolitischeBedeutung erlangte. lm 19. Jahrh<strong>und</strong>ertsetzte sich Baumwolle als Konkurrenzfaser wegen derMöglichkeit der leichteren Verarbeitung <strong>und</strong> desgeringeren Preises mehr <strong>und</strong> mehr durch. Währendder <strong>Flachs</strong> nach der Ernte erst umfangreich <strong>und</strong>intensiv bearbeitet werden muß, ist die Baumwollebereits als Rohmaterial spinnfähig.Der ursprünglich hohe Preis für Baumwolle sankdurch die Erfindungen der Baumwollsaat-Entkönungsmaschine, der Spinnmaschine <strong>und</strong> des mechanischenWebstuhles. Baumwollgarne <strong>und</strong> -gewebekamen als englische Exporte jetzt günstiger auf denMarkt.Die in England erf<strong>und</strong>enen Technologien der Baumwollverarbeitungwurden erst Jahrzehnte später fürdie Verarbeitung des <strong>Flachs</strong>es <strong>und</strong> der Wolle weiterentwickelt.Auch erschwerte die geringe Elastizität des<strong>Leinen</strong>garns dessen maschinelle Verarbeitung.Die Industrialisierung <strong>im</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>ert mit derEinführung der Spinnmaschine, der Verarbeitung vonBaumwolle <strong>und</strong> des <strong>Flachs</strong><strong>im</strong>portes aus Rußlandführte zu großen Einbrüchen <strong>im</strong> <strong>Flachs</strong>anbau. Diemaschinell hergestellte Baumwollfaser verdrängtemehr <strong>und</strong> mehr die <strong>Flachs</strong>faser. So ging auf dem <strong>Land</strong>edie Produktion von <strong>Leinen</strong>garn <strong>und</strong> -gewebe starkzurück: Während in Deutschland <strong>im</strong> Jahre 1850 noch250.000 ha <strong>Flachs</strong> angebaut wurden, waren es 1878nur noch 133.300 ha (1989:2.200 ha). Für die Bauernwar diese Entwicklung jedoch nicht so entscheidendweil sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>ertsauch aus anderen Gründen zu Betriebsumstellungegezwungen waren: Vermehrter Marktfruchtanbau(Rüben, Kartoffeln) <strong>und</strong> Vergrößerung der Viehbeständekompensierten Einbußen <strong>im</strong> <strong>Flachs</strong>anbau.Dagegen litten die Leineweber unter der Einführung5


des mechanischen Webstuhls. Sie konnten mit derindustriellen Weberei nicht konkurrieren. lhre Not<strong>und</strong> die ihrer Familien waren groß. Das führte dort, wodie <strong>Leinen</strong>weberei bedeutend war, zu sozialen Spannungen,Unruhen <strong>und</strong> Aufständen. Trotz unermüdlicherArbeit verhungerten viele, <strong>und</strong> so hieß esdamals in einem bitteren Spottlied: ,,Die Leinewebernehmen keinen Lehrling an, der nicht sechs Monatehungern kann."Diese Entwicklung ging auch am Adelebser, <strong>Uslarer</strong><strong>und</strong> Lippoldsberger Raum nicht spurlos vorüber:Zwar erlebten die Herstellung <strong>und</strong> der Vertrieb vonLeinwand von 1815 bis zur Mitte der 1820er Jahre eineBlüte, wozu auch der Export von <strong>Leinen</strong> nach Nordamerika,Westindien <strong>und</strong> England wesentlich beitrug,jedoch verschlechterte sich die Lage wegen derAbsatzkrise in den 1830er Jahren zunehmend. DiePreise sanken für best<strong>im</strong>mte Sorten um die Hälfte.Andererseits stiegen in dieser Zeit die Brotgetreidepreise.Das führte <strong>im</strong> Dorf Lödingsen, das sehr starkdurch die <strong>Leinen</strong>weberei geprägt war, bereits um 1830erstmals zu einer Auswanderungswelle. 1836 wandertendann auch Tagelöhnerfamilien aus der Regionnach Jamaika aus. Zu großen Aus- <strong>und</strong> Abwanderungswellenkam es aber erst seit den 1850erJahren. Auch hier ist ein Zusammenhang zu sehenmit einem weiteren erheblichen Rückgang der <strong>Leinen</strong><strong>und</strong>Baumwollproduktion <strong>im</strong> Hausgewerbe (atprrei tsso,s.116fl.Da der Absatz von <strong>Leinen</strong>produkten seit 1830 <strong>im</strong>merweiter zurückging, hatten sich in der Folge vieleehemalige Leineweber in ihrer Not in die Verarbeitungvon Baumwolle geflüchtet. Doch dieser Schritt führtenach kurzer Blüte in eine Sackgasse, denn dieBaumwollverarbeitung wurde als erste von allenGewebearten umfangreich industrialisiert. Dasbedeutete für die betroffenen Leineweber wiederumErwerbslosigkeit <strong>und</strong> Armut.Die Baumwollproduktion hatte schon 1837 inAdelebsen durch Betriebsgründungen der Fabrikan-6ten Meyenberg <strong>und</strong> Müller Einzug gehalten. EhemaligeLeineweber stellten nun <strong>im</strong> Verlagssystem oderals Lohnarbeiter in den Adelebser ManufakturenBaumwollstoffe für Hosen her. Von den vier Baumwollwebereienin Adelebsen war die Weberei Oppermannder größte Betrieb, der sogar über eine Dampfmaschineverfügte. 1854 mußten drei Webereienschließen. Dabei spielte auch der Beitritt Hannoverszum deutschen Zollverein eine Rolle. Die WebereiOppermann, die 1856 noch 28 Arbeiter beschäftigtestellte einige Jahre später den Betrieb ein tntpnei t990,S.110 u.117).Der <strong>Flachs</strong>anbau blieb seit Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>ertsin Deutschland unbedeutend. Nur während derbeiden Weltkriege nahm er wieder zu, um anschließenderneut zur Bedeutungslosigkeit abzusinkenNach dem l. Weltkrieg führte die wirtschaftliche Depressionzu Stillegungen in der leinenverarbeitendeIndustrie, nach dem ll. Weltkrieg ging das wichtigeAnbaugebiet Schlesien mit seinen guten <strong>Flachs</strong>qualitätenverloren; <strong>und</strong> es verblieben nur Gebiete mitminderer <strong>Flachs</strong>qualität. Als schließlich durch diewirtschaftlichen Einigungsbestrebungen (EWG) <strong>und</strong>die Aufhebung der Zollgrenzen 1956 besserer <strong>Flachs</strong>aus Frankreich, Belgien <strong>und</strong> Holland auf den deutschenMarkt kam, ging der <strong>Flachs</strong>anbau ganz zurück.<strong>Flachs</strong>raufen in Wibbecke um 1935


<strong>Flachs</strong>anbau <strong>und</strong> <strong>Leinen</strong>herstellung heute Diese Entwicklung ist auf dem Hintergr<strong>und</strong> zu sehen,Erst ab 1983 wurde der Anbau von <strong>Flachs</strong> aus daß die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland <strong>Flachs</strong>rohwaragrarökonomischen <strong>und</strong> ökologischen Gründen für <strong>und</strong> <strong>Leinen</strong>produkte <strong>im</strong>portiert. Seit 1988 besteht nur<strong>Land</strong>wirte wieder interessanter, er wurde seitdem noch eine einzige <strong>Leinen</strong>spinnerei in Füssen, dieauch öffentlich gefördert.Langfasern, Schwung- <strong>und</strong> Hechelwerg verarbeitet. InDie Anbau-, Ernte- <strong>und</strong> Verarbeitungsverfahren müssenauf einen besseren technischen Stand gebracht einem <strong>Leinen</strong>anteil von 5 - 50% hergestellt. Auf 7.000ca. 90 weiteren Spinnereien werden Mischgarne mitwerden, wobei z. B. die aufwendige traditionelle TauoderWasserrotte durch Dampfdruck- oder Tensid-duktion (Lang- <strong>und</strong> Kurzfasern) <strong>im</strong> Jahre 1990bis 8.000 t wird die b<strong>und</strong>esdeutsche <strong>Leinen</strong>garnproaufschlußtechniken abgelöst werden soll. Bei der geschätzt. Das entspricht einer Anbaufläche von ca.Lösung dieser Aufgaben muß die deutsche <strong>Flachs</strong><strong>und</strong><strong>Leinen</strong>forschun ganz von vorn anfangen, denn Zeit das Hauptziel des <strong>Flachs</strong>anbaus weltweit die6.000 ha (Laue,1990,5.2st. Zu bedenken ist auch, daß zurdie Erfahrungen mit den historischen, sehr arbeitsaufwendigenVerarbeitungstechniken - wie sie auch in Weltanbaufläche für <strong>Flachs</strong> wird mit Faserlein bestelltLeinölgewwinnung ist. Nur etwas mehr als 1/8 derdieser Broschüre vorgestellt werden - können so nicht Die größten Anbauflächen für Faserlein liegen in derüberpommen werden. Auch ist unklar, ob der ehemaligen UdSSR, in China <strong>und</strong> Frankreich. Von derSchwerpunkt der neuen Entwicklung mehr in Richtungtextiler .oder nichttextiler Anwendung (2. B. erstreckt sich das größte westeuropäische Anbau-Normandie über Flandern bis nach NordhollandAsbestersatz, Ole, Futter) gehen soll.gebiet. Etwa 40% der in Westeuropa erzeugtenDie ausschließliche Verwendung des <strong>Flachs</strong>es <strong>im</strong> <strong>Leinen</strong>fasern werden in ltalien versponnen <strong>und</strong>technischen Bereich stößt z.Zt. noch - wie auch bei anderennachwachsenden Rohstoffen - an Rentabili-b<strong>und</strong>esdeutschen <strong>Leinen</strong>gewebe-lmporte für Beklei-verwebt; von dort kommen dann auch 65 o/o dertätsgrenzen. Denn mit den erzielbaren Preisen können dungs- <strong>und</strong> He<strong>im</strong>textilien.kaum Erlöse erwirtschaftet werden, die die Verfahrenskosten<strong>und</strong> Deckungsbeiträge kompensieren anbaus <strong>und</strong> der <strong>Leinen</strong>verarbeitung sehr differenzierInsgesamt muß wohl die Revitalisierung des <strong>Flachs</strong>-würden (Däschner 1990, 5.26). Unter den gegenwärtigen betrachtet <strong>und</strong> bewertet werden. Dabei sind z.B.konventionellen Bedingungen könnte nach Laue (rggo, notwendige weltwirtschaftliche Veränderungen, dieS.zgfl höchstens eine Ausweitung der <strong>Flachs</strong>anbauflächenauf 4.000 ha als realistisch angesehen werden. Entwicklungsländern <strong>und</strong> die günstige Produktioninternationale Arbeitsteilung zwischen Industrie- <strong>und</strong>Eine Aufstockung auf 100.000 bis 150.000 ha wird erst von Kurzfasern in den osteuropäischen Ländern zugelingen, wenn rentabler produziert <strong>und</strong> auch Oualität<strong>und</strong> Preise konkurrenzfähig werden.französischen <strong>und</strong> belgischen <strong>Flachs</strong>anbauer, denenberücksichtigen. Gesehen werden sollte auch, daß diees dank hoher EG-Subventionen recht gut geht, dieDie Dorfbewohner von Wibbeke waren mit dem Ausweitung des <strong>Flachs</strong>anbaus in der B<strong>und</strong>esrepubli<strong>Flachs</strong>anbau besonders intensiv beschäftigt. Deshalb ist Deutschland als wachsende Konkurrenz betrachtenauch <strong>im</strong> Ortswappen von Wibbeke das Haspelrad alsTrotz Zunahme des b<strong>und</strong>esdeutschen <strong>Flachs</strong>anbauSymbol der <strong>Flachs</strong>verarbeitung eingebracht. Hinzukommt noch, daß man den Wibbekern denkann daher von einer Renaissance der Leinfaser nochTerneidsnamen ,,Häjentötte" zugedacht hat. Dieser nicht gesprochen werden. Pflanzenzüchtung, Technologie-<strong>und</strong> Verwertungsforschung, Schulung <strong>und</strong> Be-Spitzname wird aber auch in Zusammenhang mit denvorwiegend hellblonden Kindern des Dorfes gebracht. ratung der <strong>Land</strong>wirte, Verbesserung der Vermarktun gsstru ktu ren m üssen noch weiterentwickelt werden.W. Quentin


8Vom <strong>Flachs</strong> zum <strong>Leinen</strong>1. Aussaat <strong>und</strong> Ernte des <strong>Flachs</strong>esFasern gewonnen werden konnten, denn diese gehenbis in die Wurzeln, <strong>und</strong> zum anderen sich die Stengelwährend der Rotte an etwaigen Schnittstellen nichtbaheriologisch zersetzten.Jede Handvoll ausgeraufter <strong>Flachs</strong>stengel wurdesorgfältig kreuzweise übereinander abgelegt,gebündelt <strong>und</strong> anschließend zum Nachtrocken aufdem Feld zu ,,Hütten" aufgestellt.Die Aussaat ist in jeder Gegend unterschiedlich. In derRegel fand sie am 100. Tage des Jahres statt. Es mußteein Feld ausgewählt werden, auf dem während dervorangegangenen Jahre kein <strong>Flachs</strong> angebautworden war, denn der Boden zeigt schon nach einemAnbaujahr eine gewisse <strong>Flachs</strong>müdigkeit, d. h. <strong>Flachs</strong> 2. Riffelnwächst dort schlecht, <strong>und</strong> der Ernteertrag istniedriger.War der <strong>Flachs</strong> trocken, so wurde er mit dem KuhoderPferdegespann eingefahren. Nun mußten dieDrei bis vier Wochen nach der Aussaat wurde dasUnkraut <strong>im</strong> <strong>Flachs</strong> gejätet. Etwa 100 Tage nach der Samenkapseln, die ,,Knutten" abgestreift werden. DasAussaat (Ende Juli/Anfang August) erreicht der <strong>Flachs</strong> geschah in der Scheune mit Hilfe eines Balkens, der inseine Reife: Die Sprossen sind dann gelb (Gelbreife), etwa 1 Meter Höhe quer über die Tenne gelegt wurdedie Samenkapseln (Knoten) werden dunkelbraun. Der <strong>und</strong> auf dem mehrere eiserne Kämme befestigt<strong>Flachs</strong> sollte nun geerntet werden, denn sonst verholzendie Fasern <strong>und</strong> werden spröde. Auch können Frauen gezogen, wodurch die Samenkapseln von denwaren. Durch diese Kämme wurde der <strong>Flachs</strong> vondie Samenkapseln sich öffnen <strong>und</strong> ihren Samen Stengeln abgestreift wurden. Ein solcher Riffelkammverlieren. Zur <strong>Flachs</strong>ernte, dem <strong>Flachs</strong>raufen wurden auf Platt ,,Reepebusch"genannt, hat in der Regel mehrVerwandte <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e eingeladen. Die Arbeit wurdeüberwiegend von Frauen ausgeführt. Die ca. 100 bis120 cm langen Planzen wurden mit den Wurzeln perHand ausgerauft, damit zum einen möglichst langeVesperpause bei der <strong>Flachs</strong>ernte in Wibbecke um 1935Abstreifen der Samenkapseln am Riffelbaum, Wibbecke um 1910


als ein Dutzend vierkantiger, oben spitz angeschmiedeterEisenstäbe von 25 bis 35 cm Länge.Die Samenkapseln wurden mit den für das Getreideüblichen Dreschflegeln in der ,,ersten <strong>Flachs</strong>schlacht" mit Brettern <strong>und</strong> Steinen beschwert, um den <strong>Flachs</strong>ausgedroschen. Falls man ein Teil des Samens als ständig unter der Wasseroberfläche zu halten. MitNahrungsmittel oder als Saatgut (wurde <strong>im</strong> 19. dem Rotten begann die Gewinnung der Gespinstfaser.Hierbei bewirkte ein Fäulnisprozeß unterJahrh<strong>und</strong>ert unüblich) nicht benötigte, wurde diegesamte Partie verkauft <strong>und</strong> in der Ölmühle zerquetscht,um das Leinöl auszupressen. Die RücklichenVerb<strong>und</strong>. Die Faser löste sich dabeiWasser die Lösung der Bastfaser aus ihrem natür-vomstände der Preßvorgänge ergaben den Ölkuchen, einhochwertiges Viehfutter. Das Leinöl diente bis zur Einführungdes Petroleums zur Füllung der Öllampen,die als Lichtquelle in Haus <strong>und</strong> Stall gebrauchtwurden.Die ,,leeren" <strong>Flachs</strong>stengel bündelte man. Sie wurden,bevor sie zur Rottekuhle gefahren werden konnten,zu großen Wasserb<strong>und</strong>en zusammengeb<strong>und</strong>en.3. RottenDiese Wasserb<strong>und</strong>e, auch ,,lnbindelse" genannt,wurden in Teiche <strong>und</strong> Rottekuhlen geschichtet <strong>und</strong>Holzkörper so weit, daß eine mechanische Trennungmöglich wurde. Eine zu kurze oder zu lange Rottebeeinflußte die Faserqualität. Bei einer Uberrottunggriff der Fäulnisprozeß schon die Faser an; bei zukurzer Rottezeit ließen sich die Fasern nur schwer vonden Holzteilen lösen. Das Wasser durfte für denRottungsvorgang nur einen geringen Kalkgehalt aufweisen,weil dieser die Faserqualität verschlechterteJe nach Wassertemperatur dauerte die Wasserrotteeine Woche <strong>und</strong> länger. Erfahrene Personen überwachtendiesen Vorgang, entnahmen Proben <strong>und</strong>legten den Zeitpunkt fest, an dem der <strong>Flachs</strong> aus demWasser genommen werden mußte. Neben der Wasserrottegab es noch die Taurotte: Der <strong>Flachs</strong> mußteBündeln des <strong>Flachs</strong>es, Wibbecke um 1910Einbringen der Wasserb<strong>und</strong>e in die Rottekuhlen, Wibbecke um 19109


In Wibbecke werden die <strong>Flachs</strong>rotten verlost!Die Rottegruben befanden sich in Wibbecke amOrtsausgang nach Adelebsen. In einem Dokument von1868, einem Protokoll über die dort neu angelegten<strong>Flachs</strong>rotten wird ausgeführt:,,ln der heutigen Gemeindeversammlung, die durch dieTeilung <strong>und</strong> Verkoppelungsangelegenheit, der FeldmarkWibbecke betreffend, nötig geworden ist. Die neuangelegten <strong>Flachs</strong>rotten, an die Berechtigten durch Losverteilt.Nachdem den Beteiligten eröffnet wal daß der AnbauerHeinrich Engelbrecht, obgleich nicht reiheberechtigt,doch eine Rotte erhalten soll. Da er in der früherenLage, auch eine für sich gehabt, so soll er dieunter Neu angelegte <strong>Flachs</strong>rotte, für seine Anbauerstellein Nutzung nehmen. Wogegen von den Anwesendenauch kein Einspruch erhoben wurde. Hieraufwurde zur Verlosung geschritten <strong>und</strong> bemerkt, daß dieüber der Engelbrechtschen Rotte, die erste mit Nr. 1bezeichnet sei <strong>und</strong> die Nummen heraufzählten. (...)Vorgelesen, genehmigt. W. Klinge, Bauermeister"aus: W. Ouentindazu auf einem abgeernteten Getreidefeld oder einerWiese ausgelegt werden; er war den Witterungseinflüssenso lange ausgesetzt <strong>und</strong> wurde von Zeit zuZeit gewendet, bis die Stengel den erforderlichenRottegrad erreicht hatten. Dieser Vorgang dauerte länger,etwa 3-4 Wochen. Tau, aber auch Regen warendazu erforderlich. Durch das Wenden war die Taurottesehr arbeitsaufwendig. Dagegen hatte die Wasserrotteein anderes Problem: die starke Verunreinigungder Gewässer. Die Rotte in fließenden Gewässern wurdedeshalb schon <strong>im</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>ert verboten <strong>und</strong> esmußten seperate etwa 1 Meter tiefe Wasserkuhlenangelegt werden. Doch kam es <strong>im</strong>mer wieder aus denverschiedensten Gründen zu Zuwiderhandlungen.4. DörrenNach dem Rotten wurden die Bündel ausgewaschen<strong>und</strong> zum Trocknen auf ein abgeerntetes Feld, die,,Stoppel", oder auf eine Wiese, den ,,Rasen",,,aut-gestaucht" <strong>und</strong> ausgebreitet. Damit der <strong>Flachs</strong> gleichmäßigtrocknen konnte, mußte er regelmäßig gewendetwerden. Eine längere Regenperioddurfte es auch nicht geben, da sonst der<strong>Flachs</strong> zu faulen begann. Deshalb hatman den <strong>Flachs</strong> oft am Herd oder inBacköfen getrocknet. Diese Art desTrocknens, ,,Darren" oder ,,Dörren" genannt,hatte die Aufgabe, die Holzanteilemürbe <strong>und</strong> spröde werden zu lassen, sodaß sie sich besser von den Fasern lösenließen. Mancherorts wurde in spezieldafür gebauten Öfen gedörrt. Da <strong>Flachs</strong>sehr leicht entzündlich ist <strong>und</strong> daher vomDörren eine große Brandgefahr ausging,wurden besondere Brandschutzverornungen erlassen, nach denen es z.B. verbotenwar, den <strong>Flachs</strong> in Backöfen oderam Herd zu dörren.Beschweren der Wasserb<strong>und</strong>e mit Brettern <strong>und</strong> Steinenvor dem Fluten der Rotte, Wibbecke um 1910


5. Boken <strong>und</strong> BrechenMit dem Boken <strong>und</strong> dem anschließenden Brechenbegann <strong>im</strong> Herbst die ,,zweite <strong>Flachs</strong>schlacht" auf denHöfen: Dann ertönte aus vielen Scheunen die,,Hackmusik" der Brechen. Frauen <strong>und</strong> Mädchenhalfen sich nachbarschaftlich, sie schützten mit einemKopftuch ihre Haare vor Staub <strong>und</strong> Schewe. Zunächstwurden die holzigen Bestandteile des Stengels miteinem Holzhammer, dem ,,Bokehammer", auf dem,,Bokeklotz" weich geklopft <strong>und</strong> so ihre Entfernungvon der Faser vorbereitet. War die zu verarbeitendeMenge <strong>Flachs</strong> größer, wurde ein Klopfer mit langemStiel, eine ,,Treite" oder ,,Troite", genommen. GroßeMengen wurden mancherorts auch in Bokemühlenmit einem Stampfwerk bearbeitet. Allen Gerätengemeinsam war die geriffelte Unterseite, wodurch der<strong>Flachs</strong> zwar gebrochen, die Faser aber nichtbeschädigt wurde.Holzgestell, an dessen Oberseite sich drei angeschrägteHolzschienen befinden.Ein an der Schmalseite des Gestells angebrachteHebel, der, etwas versetzt, ebenfalls zwei gleichartigeHolzschienen besitzt, drückt den dazwischen gelegten<strong>Flachs</strong> in die Zwischenräume. Es gibt Grob- <strong>und</strong>Feinbrechen. Bei der Feinbreche sind die Schienen derBreche aus Eisen gefertigt. Der Spielraum ist hierwesentlich geringer eingestellt, wodurch auch kleinereReste des Holzes am Stengel brechen. Es wurdeallerdings nicht häufig mit zwei Brechen gearbeitet.Treite <strong>und</strong> <strong>Flachs</strong>hammerNach dem Boken folgte das Brechen des <strong>Flachs</strong>es.Dazu wurde eine Handvoll <strong>Flachs</strong> quer durch die,,Breeke"(Breche)gezogen, deren Hebel dabei <strong>im</strong>merwieder heruntergedrückt wurde. In der ,,Breeke"wurden die holzigen Bestandteile des Stengels zersplittert.Sie lösten sich von den Bastfasern <strong>und</strong> fielenzum größten Teil bereits zu Boden. Das gebrocheneStengelholz wird als ,,Schewe" bezeichnet, es wurdeals Bindemittel dem Lehm be<strong>im</strong> Hausbau zugegeben<strong>und</strong> zu diesem Zwecke sogar bis Göttingen gefahren.Es konnte aber auch als Stallspreu genutzt werden.Die ,,Breeke" besteht aus einem ca. 50 - 70 cm hohenDie Arbeit an der Handbreche, Wibbecke um 1910


Etwa Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts wurden die erstenhandangetriebenen Maschinenbrechen eingesetzt,eine Erleichterung gegenüber der mit viel Kraft zubetreibenden Handbreche. Diese Maschinen hießenauf Platt ,,Riwebreeke" oder ,,Streebreeke". Andernortswird sie ,,Rick-Rack" genannt.Ouerschnittdurch eineHandbrecheruRibbenDort, wo das Feinbrechen nicht gebräuchlich war,schloß sich als nächster Arbeitsgang in manchenRegionen das ,,Ribben" (Reiben) an. Auch hiermitsollten die noch vorhandenen Holzteilchen gelöst <strong>und</strong>die Faser geschmeidi gemacht werden. Dazu wurdeder <strong>Flachs</strong> auf einem Stück Leder mit einem Reibeisegerieben. Dieser Arbeitsgang war nicht sehr anstrengend,aber zeitaufwendig. Das Ribben folgte nichtzwangsläufig dem Brechen, sondern konnte auch zueinem späteren Zeitpunkt der <strong>Flachs</strong>verarbeitunstattfinden.12Einsatz einer MaschinenbrecheWibbecke um 19106. SchwingenAm Schwingbock wurden die noch an der Faserhaftenden Holzteilchen (Schewe) <strong>und</strong> kurze <strong>und</strong>verworrene Fasern (Werg oder Heede genannt) miteinem 40 - 50 cm langen hölzernen Schwingbretausgeschlagen. Der Schwingbock war etwa ein Meterhoch <strong>und</strong> hatte <strong>im</strong> oberen Bereich einen Ausschnitt, inden mit der linken Hand das Bündel <strong>Flachs</strong> gelegtwurde. Mit der rechten Hand konnte nun mit demSchwingbrett so lange am <strong>Flachs</strong> heruntergeschlagewerden, bis er sich weich anfühlte <strong>und</strong> glänzte. Die


Arbeiten am Schwingbock in Wibbecke um 1910erstmals <strong>im</strong> Verarbeitungsprozeß anfallende Heede(Werg) ging in die Polsterei oder wurde zu grobemSackgarn versponnen.Bei geringen Mengen zu bearbeitenden <strong>Flachs</strong>esreichte es aus, diesen einfach über eine Stuhllehne zulegen <strong>und</strong> mit den Schwingbrett daran herunter zustreifen. Dabei entstand aber die Gefahr der Verletzungder Haltehand. Auf großen Höfen benutzteman schon ab Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts eineSchwingmaschine, deren rotierende Schwingmessermittels einer Handkurbel angetrieben wurden. Damitkonnten größere Mengen <strong>Flachs</strong> in kürzerer Zeitbearbeitetwerden.7. HechelnAusschlagen des <strong>Flachs</strong>es mit dem Schwingbrett,Verliehausen um 1900Das Hecheln diente der gleichmäßigen Ausrichtungder Fasern, eine Voraussetzung für den anschließenden Spinnvorgang. Letzte Holzpartikel <strong>und</strong> kurzeFasern wurden dabei ausgekämmt. Das geschah so,daß ein Büschel <strong>Flachs</strong>fasern mehrmals mit der Handdurch eine Nagelbürste gezogen wurde, die an einemHechelbock befestigt war. Je nachdem, wie fein <strong>und</strong>lang die Fasern werden sollten, nahmen die Fraueneine Abzugs-, Grob- oder Feinhechel. Bei der Abzugshechelstehen die Nägel sehr weit auseinander, beider Feinhechel dicht zusammen. Damit sich dieausgekämmten Fasern anschließend nicht,,verhed-13


lohnt wurden, aus der sie sich mit viel Geschicihre Wäsche für die Aussteuer herstellen konnten.Nach diesem Arbeitsgang lag endlich eine verspinnbareFaser vor. Der Arbeitsaufwand zur ihrerHerstellung war jedoch sehr groß <strong>und</strong> dieAusbeute an hochwertiger Faser gering. Dennvom Rohflachs blieb nur etwa 1/3 der Ausgangsmenge als reiner <strong>Flachs</strong> übrig, 2/3 fielen alsSchewe <strong>und</strong> Heedeffierg ab.Ein Büschel, das sind zwei Handvoll, zog mandurch den Hechelkamm <strong>und</strong> nannte das eineRiste. Drei Risten ergaben einen Worp <strong>und</strong>zwanzig Worp einen Baaten. Nach einer anderenBerechnung heißt es: 84 Risten gebrochenen<strong>Flachs</strong>es ergeben eine Brakebaate, 42Risten eine Swingelbaate <strong>und</strong> 21 Risten einKuen, eine Baate auch Kawebaate, Ribbelbaateoder Rauhbaate genannt. Die Risten vomRistelwocken genommen, werden zu Dissenzusammengeb<strong>und</strong>en. 8 Risten ergeben einDissen, <strong>und</strong> sechs mal acht Dissen ergebeneine Boote. Vom grünen <strong>Flachs</strong> ergeben 80Risten eine Boote.W. Quentin8. Spinnen<strong>Flachs</strong> am Hechelbock durchhecheln. Wibbecke um 1910derten", wurden sie zu Zöpfen, zu sogenannten,,Knocken" zusammengedreht <strong>und</strong> in Koffern aufbewahrt,um sie vor Mäusen zu schützen. Aus den langenFasern stellten die Spinnerinnen Garne für feines<strong>Leinen</strong> het aus den kürzeren Garne für Bett- <strong>und</strong>Handtücher <strong>und</strong> aus grober Heede Garne für Säcke.Die Seiler drehten auch aus Grobheede Stricke <strong>und</strong>Taue. Üblich war es, daß die Mägde mit Heede ent-14In den Wintermonaten wurde der gehechelt<strong>Flachs</strong> versponnen. Wenn auch das ganze Jahr übergesponnen wurde, so war dies die eigentliche Spinnsaison.War die häusliche Arbeit verrichtet, setztensich die Frauen ans Spinnrad, auch noch St<strong>und</strong>ennach dem Abendessen. Zunächst wurden um einen 80cm langen Stock die <strong>Flachs</strong>zöpfe zur ,,Flaßdissegedreht <strong>und</strong> auf dem Stock befestigt. Der Spinnrockenlief oben spitz aus, ein breites Band hielt ihnzusammen; unten war er 25 - 30 cm breit. Be<strong>im</strong> Spinnenwerden die Fasern mit dem Spinnrad so zusam-


Glockenschlag ertönen ließ. Der bis dahin aufgehaspelteFaden war ein ,,Gebind" oder ,,Bind". Eswurde mit einem Faden zusammengeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong>trennte eines so von dem nächsten. Zehn Bindergaben ein Lop. Dies war die Garnmenge, die eineSpinnerin etwa an einem Arbeitsnachmittag herstellenkonnte.BükenDas Garn wurde vor dem Verweben gesäubert <strong>und</strong> mitBuchenholzasche in einem Bottich gekocht. Diesnannte man ,,büken". Anschließend wurde das Garngebleicht <strong>und</strong> z. T. auch gefärbt.9. Webenln jedem Bauernhaus stand ein Webstuhl, <strong>und</strong> jederBauer konnte weben. Aber auch Bauhandwerker,die <strong>im</strong> Winter keinen Verdienst hatten, webtendann, entweder für sich oder auf fremde Rechnung.So webte mein Vater, der Maurer war, bei denBauern zu Hause. Er bekam volle Kost <strong>und</strong> pro Tag 2Mark Lohn, in einer Zeit, in der ein Maurer bei 10St<strong>und</strong>en Arbeitszeit 3 Mark verdiente. Die Bauernbrauchten vielWebwaren, da die Dienstmädchen zuihrem Barlohn auch Leinwand für die Aussteuererhielten. Außer dem Barlohn erhielten die Dienstmädchenals Deputat eineinhalb Stiegen <strong>Leinen</strong> zuLeib- <strong>und</strong> Bettwäsche <strong>und</strong> eine halbe Stiege buntgewürfeltes<strong>Leinen</strong> zu Bettbezügen, 5 Ellen Beiderwandzu Winterkleidung <strong>und</strong> graues <strong>Leinen</strong> zu einerSommerbluse. Außerdem ein Paar Arbeitsschuhe<strong>und</strong> Lederpantoffeln. Wenn ein Mädchen bis zuihrer Verheiratung sechs bis acht Jahre so seinDeputat erhalten hatte, war der Anfang zur Ehe an<strong>Leinen</strong> zu Bett- <strong>und</strong> Leibwäsche für viele Jahrevorhanden.A.Riemenschneider <strong>im</strong> Schoninger Dorfbuch 1961Aufwickeln des gesponnenen Garns von der Spindel auf denHaspel, Wibbecke um 1910<strong>Flachs</strong>bearbeitung <strong>und</strong> das Spinnen war weitgehenddie Arbeit von Frauen, die Weberei jedoch Männersache.Wenn sich genug Garn angesammelt hatte,etwa Ende Januar oder <strong>im</strong> Februar, konnte es zumWeber gebracht werden, oder es wurde <strong>im</strong> hauseigenenWebstuhl, auf Platt ,,Werketave" verarbeitet.Vorher mußten jedoch noch einige Vorbereitungegetroffen werden:16


17SpulenSpulen mit der Garnwinde, vmtl. Gladebeck um 1919Scherbrettes gezogen- das sollteeine gleichmäßigFadenführung sichern- <strong>und</strong> aufeinen ScherrahmengewickeltVon dort wurdedie Kette abgenommen<strong>und</strong> zumZopf geflochten,damit die Fädennicht wiederdurcheinander gerieten.DieseArbeit war aufwendig<strong>und</strong> kompliziert<strong>und</strong>bedurfte viel Konzentration.Einkleiner Fehlerkonnte unter Umständenein Durcheinander in der gesamten Kettebewirken. Die damit Beschäftigten durften sich alsonicht ,,verzetteln".Um das Garn verweben zu können, mußte das Bindzunächst auf eine Garnwinde gelegt <strong>und</strong> mit einemSpulrad auf große Spulen, sogenannten ,,Peiipen",gespult werden. Die Verwendung von Spulen erleichtertedas Scheren der Kette. Auch das Schußgarnmußte auf kleinere Spulen gebracht werden, die insWeberschiffchen paßten. Für die Tagesleistung einesWebers, hatten Frau <strong>und</strong> Kinder täglich drei bis vierSt<strong>und</strong>en zu spulen.ScherenBe<strong>im</strong> Scheren, auch ,,Zetteln" genannt, wurden ca.20Spulen in eine Spulleiter gehängt. Die Fäden von denSpulen wurden parallel durch die Öffnungen desDas Scheren der Webkette


WebenDas Prinzip des Webensbesteht darin, daß Fädenverkreuzt <strong>und</strong> dadurchzu einem Flächengebildewerden. Dasvorbereitete Kettgarnwurde von erfahrenenWebern als Kette aufden Webrahmen aufgezogen.War das geschehen,so konnte der Webvorgangbeginnen: MitHilfe eines Pedals wurdendie beiden Hebebäume,an denen dieKettfäden befestigt waren,gehoben bzw. gesenkt.Durch den dadurchentstehendenWebschaft wurde dasSchiffchen mit demSchußfaden geworfen.Der eingebrachteSchußfaden mußte dann mit dem Webkamm fest andas bereits vorhandene Gewebe gedrückt werden.Dieser Vorgang wiederholte sich so lange, bis das<strong>Leinen</strong>stück fertiggestellt war. Bei der Verwendungvon verschieden gefärbtem oder unterschiedlichstarkem Garn können auch aufwendige Mustergewebt werden.Zu einer Stiege <strong>Leinen</strong> (11,60 cm lang <strong>und</strong> 80 cm breit)wurden 8 Lop Kettgarn benötigt. Meist wurden 6Stiegen gewebt. Dazu benötigte ein Weber 12Arbeitstage zu je 10 Arbeitsst<strong>und</strong>en. Die Leinwandwurde in Lagen von 18 Metern abgeschnitten <strong>und</strong>zusammengelegt. Bestand das Gewebe aus Kettfädenmit <strong>Leinen</strong>garn <strong>und</strong> der Einschlag aus Heedegarn, sowar es ,,halbflächsernes <strong>Leinen</strong>". Es wurden auchMischgewebe hergestellt: Wenn in die <strong>Leinen</strong>kette181-Schätte2-Kettfäden3-Schußfaden4-WeberschiffchenS-Webkammo-Kettbaum7-<strong>Leinen</strong>baum8-BrustbaumSchematische Darstellung des WebvorgangsWollgarn eingeschossen war, wurde von ,,Beiderwand" gesprochen, hatte das Gewebe Baumwolle alsEinschlag, nannte man es ,,Barchent".10. Büken <strong>und</strong> BleichenNach dem Weben wurde das <strong>Leinen</strong> ,,veredelt": Damites möglichst weiß aussah, wurde es gesäubert <strong>und</strong>nochmals in einem Bottich mit Buchenasche gebükt,,,geboikt". Anschließend konnte es gebleicht werden.Es gab dafür spezielle Bleichflächen, an denen dieLeinwand einige Tage <strong>und</strong> Nächte auf lange Holz-


In der Webstube, vmtl. Gladebeck um 1919gestelle gespannt, mehrmals befeuchtet <strong>und</strong> gewendetwurde. Nachts schlief ein Mann mit einemWachh<strong>und</strong> in einer kleinen Hütte auf der Bleiche, umDiebstähle der arbeitsaufwendigen <strong>und</strong> teuren Leinwandzu verhindern. Das von der Bleiche eingeholte<strong>Leinen</strong> wurde per Hand gereckt, mit dem Mangelholzgemangelt <strong>und</strong> zusammengerollt. Aufbewahrt wurdees in <strong>Leinen</strong>schränken <strong>und</strong> Truhen.19

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