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Ausgabe 14|2013 - GAAB

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SupraLibros oktober 2013»... Es war um die Mittagsstunde des 19. Mai 1849, als einEinspänner aus dem benachbarten Weimar auf meinen Hoffuhr. Aus dem Wagen stieg ein Herr in den dreißiger Jahrenmittlerer Größe, bekleidet mit einem leichten braunenRocke, dem ein graues Reisetäschchen an breitem, grünemBande umhing. Der Herr überbrachte mir, in mein Zimmereingetreten, nach kurzer Begrüßung einen Brief, der diewenigen, in flüchtiger Eile geschriebenen Worte enthielt:›Sie erhalten hierbei den Herrn Professor Werther aus Berlinund verfahren mit ihm nach Abrede‹. ... Als ich meinenGast auf sein Zimmer geführt hatte, wandte sich derselberasch zu mir und sagte: ›Ich kann wohl offen gegen Siesein? Ich bin der Kapellmeister Wagner aus Dresden. DenkenSie sich, heute soll in Weimar mein Tannhäuser gegebenwerden, da muß ich Weimar den Rücken kehren undmich vor der Polizei verstecken‹. Ich versicherte meinemwerten Gaste, … daß ich unter allen Umständen ängstlichdafür Sorge tragen würde, damit er nicht von der Polizeibelästigt würde.« Wagner schreibt am 20. Mai an seineerste Frau Minna: »... In einer Stunde verlasse ich Weimar,weil ich hier zu öffentlich bekannt und aufgetreten bin: aufeinem Gute, 2 Stunden von Weimar, werde ich zunächstunter dem Namen eines Professors Werder aus Berlin verweilen... hier sehe ich, was es heißt, Freunde zu haben!Liszt ist ein großartiger Mensch, davon überzeuge ich michimmer mehr.« Am 24. Mai, zwei Tage nach seinem 36.Geburtstag, an dem er auch seine damalige Frau trifft,macht sich Wagner auf den Weg nach Jena. Wernsdorfbegleitet ihn bis zum Walde über der Stadt: »... Hier gabich ihm einen zuverlässigen Führer und verabschiedetemich von ihm, mit dem Wunsche, daß er auf seiner Weiterreisealle Fährlichkeiten glücklich überstehen möge.«Wagners Fluchtwege in und aus Thüringen finden ihrenAbschluss unter dem Namen Dr. Widmann, mit Unterstützungdes Jenaer Literaturprofessors Wolff, wiederumermöglicht durch Liszts Einflussnahme und dessen letztespersönliches Geleit in Jena.Ein Musikerschicksal? Das Schicksal eines Demokraten,eines Revolutionärs gar? Eine häufig gestellte Frage, an dieserStelle und angesichts des weiteren Weges von RichardWagner kaum zu beantworten. In Weimar findet am 28.August 1850 unter Liszts Leitung im Hoftheater die denkwürdigeUraufführung des Lohengrin statt, denkwürdigauch, weil sie zu Goethes Geburtstag und gleichzeitig mitder Einweihung des Herder-Denkmals stattfand.Richard Wagner in der Herzogin Anna Amalia BibliothekAuf der Suche nach besonders auffälligen Zeugnissen vonRichard Wagner in der Herzogin Anna Amalia Bibliothekwird man auf verschiedene Weise fündig.Zu zwei Beispielen. Zunächst verzeichnen wir 2013 einebibliografische Rarität. Nach einem Exemplar in der HerzoginAnna Amalia Bibliothek von 1889 erschien 2012 ineiner einmaligen Auflage von 444 Exemplaren ein Faksimilevon Der Ring des Nibelungen. Figurinen erfunden undgezeichnet von Prof. Carl Emil Doepler. »Seiner Majestät WilhelmII, Deutschem Kaiser, König v. Preussen in tiefsterEhrfurcht gewidmet.« Die aufwendig gestaltete <strong>Ausgabe</strong>aus dem Reprint Verlag Leipzig erregte angesichts des zweihundertjährigenWagner-Jubiläums 2013 Aufmerksamkeit.Sie enthält die Kostümenwürfe Doeplers zum Ring desWidmung »Herzlichsten Gruß und Wunsch, Seinem theuren FreundeFriedrich Nietzsche. / Richard Wagner, Oberkirchenrath: zur freundlichenMittheilung an Professor Overbeck«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Nibelungen für die ersten Bayreuther Festspiele 1876, versehenmit einem Begleittext der Schriftstellerin und PublizistinClara Steinitz (1844–1931), dessen Erscheinungsjahr1889 auch für das Doepler-Buch gilt, das daselbst nicht vermerktist. Dem Faksimile von 2012 ist ein Nachwort vonProf. Dr. Joachim Heinzle (geb. 1945) angefügt, emeritierterProfessor für Germanische und deutsche Philologie,Autor maßstabsetzender Veröffentlichungen unter anderemzum Nibelungenlied. In den Texten, explizit in HeinzlesErklärungen zum historischen Bildmaterial liegt dieeigentliche Bedeutung der überaus ansehens-, insbesondereaber lesens werten Pub likation von 2012. Dies betrifftbeispielsweise die historischen Vorbilder der Entwürfe undderen weit reichende Wirkungen (Sängerin Madonna inDoeplers Walküren-Rüstung!), oder auch die Erwartungenund Enttäuschungen Richard Wagners und seiner FrauCosima zu Doeplers Entwürfen. Zum Verständnis dieserZusammenhänge ist am Anfang des Begleittextes von ClaraSteinitz aus dem Jahr 1889 zu lesen: »... im Jubel über dasgeeinte Deutschland, über diesen endlich in Erfüllunggegangenen Völkertraum schlägt das junge Reich die holdenGötter Griechenlands und Latiums in die Flucht, umden markigen, aus Edda und Skalda in die altdeutsche Literaturgetragenen Gestalten in der auferstandenen KaiserprachtHeimathsrecht zu verschaffen« heißt es da, offenkundigjenseits der Intentionen von Richard und CosimaWagner. Der Ursprungsort Bayreuth und die von ihm ausgehendeeuropaweite Verbreitung der KostümentwürfeDoeplers nach der Uraufführung haben mit Sicherheit entscheidendenEinfluss auf die Darstellungs- und Interpretationsmusterder Wagner-Aufführungen im 19. und 20. Jh.,auf das Wagnerbild insgesamt genommen.7

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