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Zwischenstopp auf einer einsamen Insel gefällig? Christian Böhm ...

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UltraleichtReiseUNTERWEGS IN KANADAEinfach mal am Strand landen<strong>Zwischenstopp</strong> <strong>auf</strong> <strong>einer</strong> <strong>einsamen</strong> <strong>Insel</strong> <strong>gefällig</strong>? <strong>Christian</strong> <strong>Böhm</strong> hat dieBoeing gegen einen Sportstar getauscht und den kanadischen Luftraum neuentdeckt. Vargas Island ist für ihn der Stoff, aus dem Träume sind.TRAUMSTRAND<strong>auf</strong> kanadisch: Ein Flugüber Long Beach. ImHintergrund ist TofinoAirport zu sehen.Foto: <strong>Böhm</strong>aerokurier 5/2009 67


UltraleichtReiseAUTOR UND BERUFSPILOT <strong>Christian</strong><strong>Böhm</strong> und seine Frau Nadine entdecken denkanadischen Luftraum mit dem Sportstar.WENN DAS MAL KEINE SIGHTSEEING-KURVE WERT IST: Zwei Wasserbombervom Typ Martin Mars liegen in PortAlberni im Trockendock. Es sind die letztenbeiden verbliebenen Flugzeuge des Typs.Fotos: <strong>Böhm</strong>PANORAMABLICKBEI KAISERWETTER:Entlang des AlbernyInlet geht es in Richtungder Pazifikküste.Land or die!“ – Lande oder stirb! Derprivate Strip in <strong>einer</strong> Waldschneise<strong>auf</strong> Pender Island hat es in sich.Ansteigendes Gelände und umliegendeBäume machen jede Landung zurHerausforderung. „Unter 200 Fuß ist Durchstartennicht mehr möglich“, gab mir meinneu gewonnener Freund und CheffluglehrerMichael mit <strong>auf</strong> den Weg. Als dann nochein paar Rehe <strong>auf</strong> der Bahn stehen und ungläubig<strong>auf</strong> unseren Sportstar glotzen, wirdmein Respekt größer als mein Mut. Gas reinund weg! Sicherheit geht vor.Pender Island ist ein Puzzleteil unseresfliegerischen Abenteuers in Kanada. Ich gehörezu <strong>einer</strong> Gruppe deutscher Verkehrspiloten,die über den Winter an kanadischeAirlines ausgeliehen wurden, um in derHauptsaison auszuhelfen. Nachdem dieHürden in Sachen Arbeitserlaubnis, Umschreibungdes europäischen ATPL undStreckeneinweisung <strong>auf</strong> der Boeing 737-800genommen waren, konnte ich mich wiederder Privatfliegerei zuwenden. Zu Hausetoure ich am liebsten von Gießen-Lützelindenaus mit der eigenen Sinus 912 durchES IST DER PERFEKTE AUGENBLICK. Nach der Strandlandung <strong>auf</strong> Vargas Island istder Rotax verstummt. Wie schön muss es hier erst im Sommer sein?!den deutschen und europäischen Luftraum.Hier wie zu Hause ist meistens meine FrauNadine mit an Bord.Eine Flugschule in Kanada war schnell gefunden.Auf der Website von SeaLandAir amFlugplatz Boundary Bay südlich von Vancouverhatte ich etwas entdeckt, das mein Herzhöher schlagen lässt: den Sportstar von Evektoraus Tschechien, dessen UL-Version als Eurostarbekannt ist. Hier fliegt der Ganzmetall-Tiefdecker ohne Rettungssystem, dafür abermit verstärkter Struktur und erhöhter Abflugmassein der kanadischen LSA-Klasse.In Kanada, einem Land, dem man beinaheunbegrenzte fliegerische Freiheit nachsagt,könnte ich doch bestimmt ohne bürokratischemAufwand losfliegen, oder? Falschgedacht. Meine Validation, die kanadischeAnerkennung m<strong>einer</strong> deutschen Lizenz, warnur für die Boeing und nur für „meine“ Airlinegültig.Der zunächst distanziert-bürokratisch<strong>auf</strong>tretende Beamte der LuftfahrtbehördeTransport Canada taute rasch <strong>auf</strong>. Zunächstwollte er mich zwar noch zum Fliegerarztschicken, wie es zum Erwerb der kanadischenLizenz eigentlich erforderlich ist.Doch der kroatische Einwanderer hatte offenbarganz genau verstanden, als ich <strong>auf</strong>Deutsch mit Nadine darüber diskutierte,„wie bescheuert das denn ist, mich hier mitmeinem deutschen Medical einen Medium-Twin-Jet fliegen zu lassen, aber keine Einmot“.Nach drei Tagen bekam ich mit einemLächeln meine Validation erweitert.Als frisch gebackener „kanadischer“ Pilotohne einen Schimmer von den örtlichenVFR-Regeln ging es nun zum zweiten Malzur Flugschule. Michael Peare, der britischeCheffluglehrer, erklärte mir Wetterminima,Transpondercodes, Sectional Charts undvieles mehr.Nach der „Written Exam“ kam endlich einTag mit mäßig gutem Wetter. Stalls, Steilkurvenund Ziellandungen standen <strong>auf</strong> demEinweisungsprogramm. Einiges gibt es zubeachten, von zahlreichen Frequenzwechselnbis hin zu 19 Grad östlicher Deviation,die eine Bahn 25 <strong>auf</strong> der Karte wie eine 27<strong>auf</strong> dem Kompass aussehen lässt.In Kanada darfman überall landenEinige Tage später starte ich mit Nadinezum ersten Erkundungsflug <strong>auf</strong> eigeneFaust. Warum nicht mal meine „homebase“ Vancouver International und unservorläufiges Zuhause nahe dem StanleyPark von oben anschauen? Im Briefingnannte mir Michael die markanten Punktefür Positionsmeldungen. „Pass vor allemam Vancouver Harbour <strong>auf</strong>, da gibt es regenWasserflugverkehr!“In der Praxis ist dann alles erfreulich unkompliziert.Über Vancouver Downtownund unserem Zuhause drehen wir nachentsprechender Freigabe einige Vollkreise.Weiter geht es nach Chiliwack, einem unkontrolliertenPlatz ohne Flugleiter. Blindmeldungenfür die Bord-zu-Bord-Verständigunggenügen für den reibungslosen Abl<strong>auf</strong>.Wir reihen uns nach einem Überflug in denPlatzrundenverkehr zwischen zwei Schulmaschinenund <strong>einer</strong> schweren Beech 1900ein.Als Michael mir ein paar Tage später in derKneipe erzählt, dass man in Kanada nahezuüberall landen darf, komme ich <strong>auf</strong> die Idee,genau dies doch mal an einem <strong>einsamen</strong>Strand zu tun. Ich weiß von zahlreichenStrandspaziergängen, dass der Boden dortabsolut fest ist, allerdings auch, dass dortviel Unrat herumliegt.Nun geht es an die Planung. Rasch habenwir Vargas Island als Ziel ausgesucht, einunscheinbares Fleckchen Erde mit tollemSandstrand, das wir in Google Earth entdecken.Die Internet-Suchmaschine spuckt sogar<strong>auf</strong> Anforderung eine Tiden-Tabelle aus.Nur der Teil des Strands, der vom Wasser beiEbbe freigegeben wird, kann zum Landengenutzt werden. Ein Rad im Wasser kanngenauso zum Ringelpietz führen wie der68 aerokurier 5/2009 www.aerokurier.de aerokurier 5/2009 69


UltraleichtReiseFotos: Link (2), <strong>Böhm</strong> (1)EINES VON VIELEN landschaftlichenHighlights ist Saltspring Island nördlichvon Victoria <strong>auf</strong> Vancouver Island.Tipps für Kanada-Reisendeweiche, trockene Sand <strong>auf</strong> der anderen Seite.Übernachten möchten wir im CourtenayAirpark im Osten von Vancouver Island.Die Sportstar als LSA hat ein maximalesStartgewicht von rund 550 Kilogramm beieinem Leergewicht von 342 Kilogramm. UntermStrich bleiben also nur 208 Kilogrammfür zwei Personen, Gepäck, Sprit, Überlebensrucksackund zwei Schwimmwesten –viel mehr als in der deutschen UL-Klasse istdas nicht. Außerdem will man nicht unbedingtzu schwer sein, wenn man am Strandlanden und vor allem von dort wieder startenwill.Ausgerechnet am Freitag, den 13. Februarist endlich ideales Wetter. Telefonisch tunwir unserer Pflicht genüge und geben denFlugplan <strong>auf</strong>, der für Flüge über 25 NM vorgeschriebenist. Wir passieren das Wasser in4500 Fuß, schlagen Nordkurs ein und sinken<strong>auf</strong> 2000 Fuß, als wir uns aus dem Luftraumvon Vancouver verabschieden. Ab jetztgenügen Hörbereitschaft <strong>auf</strong> 126,7 MHzund Meldungen beim Passieren von Flugplätzen<strong>auf</strong> der jeweiligen Platzfrequenz.Von <strong>einer</strong> Autofahrt zuvor wissen wirvon zwei viermotorigen Flugbooten fürLöscheinsätze vom Typ Martin Mars, die inPort Alberni im Trockendock liegen – vonoben absolut sehenswert. Dem 40 Kilometerlangen Meeresarm Alberni Inlet folgenwir zur Westküste nach Uclulet. Zwei Wochenzuvor hatten wir dort übernachtet undwaren acht Kilometer entlang der schroffenPazifikküste gewandert. Fünf Flugminutenweiter nördlich liegt der 16 Kilometer langeLong Beach neben dem Tofino Airport.Hier zu landen wäre ein Traum – doch wegender vielen Spaziergänger ist daran nichtzu denken.Wir folgen der Küste, bis Vargas Islandin Sicht kommt. Gedanklich suche ich mirschon mal ein Plätzchen zum Picknickenaus. Genau wie ich es bei <strong>einer</strong> Sicherheitsaußenlandungmachen würde, überfliegeich zunächst den Strand. Nachdem ich diein <strong>einer</strong> Kurve verl<strong>auf</strong>ende „Landebahn“für gut befunden habe, interessiert michjetzt der Wind. Tofino meldet zehn Knotenaus 310 Grad. Allzu unterschiedlich könnendie Bedingungen hier kaum sein, alsovom Wasser her in die gekrümmte Landeflächehineinblasend. Gut, denke ich mir,da die Kurvenlandung ohnehin die zumMeer weisende Fläche hängen lässt. Ein weitererÜberflug bestätigt die These, indemich die Groundspeed des GPS mit der Anzeigedes Fahrtmessers vergleiche. Wir steigen<strong>auf</strong> 500 Fuß in den Gegenanflug. Frühzeitigkonfiguriert, stabilisiert sich die Geschwindigkeitdes Sportstar <strong>auf</strong> 60 Knoten.Das bringt Ruhe und schafft Kapazitätenfür die Landung. Erst nachdem wir die Bäumeunter uns gelassen haben, fahre ich dieKlappen voll aus und verlangsame die Fahrt<strong>auf</strong> 50 Knoten. Mit Mindestfahrt setzt dasHauptfahrwerk sanft <strong>auf</strong>. „Perfekt“, entfährtes Nadine erleichtert. Wir rollen nochein Stück und drehen das Flugzeug gleichfür den Start um. Bei Seitenwind könnenwir uns die Startrichtung aussuchen – dagebe ich den niedrigeren Bäumen im Abflugden Vorzug.Mit einem Schütteln verstummt das Geräuschdes Rotax. Nur das Meeresrauschenliegt in der Luft. Wie toll muss es hier imLizenz: Piloten mit PPL(A) und BZF I bekommen ohne Probleme die kanadischeAnerkennung ihrer Lizenz. Die deutsche UL-Lizenz ist in Kanada nichtgültig. Man kann aber schon mit zehn Stunden die entsprechende kanadischeLizenz erwerben. Auch ein deutsches UL in Kanada zu fliegen ist illegal.Einweisung: Unabhängig von s<strong>einer</strong> Flugerfahrung sollte man eine Einweisungmit Lehrer machen. Selbst wenn man schon in Kanada geflogen ist, sind dieörtlichen Verfahren oft unterschiedlich.Kartenmaterial: Für den Nahbereich von Vancouver gibt es eine VTA (VFRTerminal Area Chart) im Maßstab 1:250 000. ICAO-Codes von Flugplätzenfindet man in separaten Sichtanflugkarten. Lufträume sind im Vergleich zueuropäischen Karten recht dürftig und farblos dargestellt. Für jeden Luftraumgibt es eine Frequenz – diese zu finden, erfordert Vorbereitung. Für Überlandflügegibt es die Sectional Chart im Maßstab 1:500 000.Sommer sein?! Jetzt ein Zelt für die Nacht<strong>auf</strong>bauen und den Grill anheizen, vielleichtdie Füße ins Wasser halten.Doch die Realität holt uns ein. Es ist Februar,die Tage sind kurz, und wir müssennach unserem Picknick <strong>auf</strong>brechen. Wirräumen Bierdosen, Steine und weiterenMüll beim Abgehen der „Startbahn“ weg.Die Startstrecke des leichten Sportstar istschnell umrissen. Das Meeresrauschen verblasstunter den Headsets und wird schließlichvom Motorengeräusch übertönt. OhneKlappen, mit dem Querruder in den Windbeschleunige ich, um bei Abhebegeschwindigkeitgefühlvoll die erste Raste der Klappenzu setzen. Rasch lassen wir die Brandungunter uns.Wir nehmen Kurs <strong>auf</strong> das 45 Minuten entfernteCourtenay und öffnen einen neuenFlugplan. Nanaimo-Radio versorgt uns mitWetter- und Verkehrsinformationen. Nur 15Minuten später sind wir über 6000 Fuß hohenBergen nach Norden unterwegs. Beeindruckend,wie dicht Ozean und Felsmassivebeisammen liegen. Am Lake Comoxmelden wir Position vor dem Einflug in denPlatzverkehr.Abstellen und verzurren, dann gehen wirrüber zum Flugplatzgebäude. CourtenayAirpark, hat Michael uns gesagt, sei ein Mekkafür Piloten. Tolle Typen mit noch tollerenFlugzeugen soll es hier geben. Die erhoffteNorth American T-28 Trojan ist heute leidernicht zu sehen, dafür aber ein schnittigesExperimental, das mich an eine Extra300 erinnert.Courtenay ist ein Selbstbedienungsplatz.Platzfrequenz, Lost Com Squawk oder dieNotfrequenz sind deshalb unsere Eintrittskarteins Gebäude: Gibt man eine der dreiZahlenfolgen in die Tastatur ein, öffnet sichdie Tür. Drinnen gibt es Telefon, Internetzugangund Sanitäreinrichtungen. Selbst eineKaffeemaschine und eine Couch für spät gestrandetePiloten findet man vor. Und dasalles für fünf Dollar Abstellgebühr überNacht, die man in einen Briefkasten wirft.Landegebühren zahlt man in Kanada ohnehineher selten. Telefonisch machen wir einNachtquartier in der Nähe klar – auch Ortsgesprächesind im Airpark übrigens frei.Am nächsten Vormittag hat uns BoundaryBay wieder. Die Umgebung von Vancouver,die vor wenigen Wochen noch Neuland war,ist nun schon seltsam vertraut.In wenigen Wochen endet unsere Zeit inKanada. Es wird unmöglich sein, in dieserkurzen Zeit alles zu erkunden, was diesesriesige Land noch alles bereit hält. Doch dieLandung <strong>auf</strong> dem Privatstrip <strong>auf</strong> Pender Island,die ist fest gebucht – und diesmal wirdder Platzhalter die Rehe rechtzeitig für unsverscheuchen.ae<strong>Christian</strong> <strong>Böhm</strong>70 aerokurier 5/2009 www.aerokurier.de www.aerokurier.de aerokurier 5/2009 71

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