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Anlageverhalten auf Finanzmärkten - Wirtschaftswunder

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Analysen und BerichteVerhaltensökonomiewohl bislang umfangreichsten Surveys in Europa. Ihr Verfasserde Bondt 17 findet in seiner Analyse starke Hinweisedar<strong>auf</strong>, dass kulturelle Faktoren und „nationale Charaktere“,demographische Merkmale und Religionszugehörigkeitzu identifizierbaren Clustern auch für das <strong>Anlageverhalten</strong>beitragen. Er bestätigt damit indirekt (ohne jedochselbst dar<strong>auf</strong> einzugehen) eine der Grundannahmen desVarieties-of-Capitalism-Ansatzes <strong>auf</strong> der Mikroebene desAkteurshandelns, wonach sich banken- und marktorientierteSysteme tatsächlich im <strong>Anlageverhalten</strong> unterscheiden,auch wenn die Fokussierung <strong>auf</strong> wohlhabende Haushaltevermutlich einen Bias erzeugt, der sich vor allem <strong>auf</strong>das Risikohandeln bezieht.Nach den Ergebnissen der Studie ist der „durchschnittliche(wohlhabende) Europäer“, obgleich nicht per se risikofreudig,bereit, kalkulierte Risiken einzugehen, wie inder Zustimmung zu folgender Aussage deutlich wird: „Iam less concerned about losing money if there is a realchance that the risks that I take are worthwhile.“ 18 Erstaunlicherweisegeben Deutsche bei diesen Aussagendie höchsten Zustimmungswerte, obwohl sich das Bilddes durchschnittlichen deutschen Anlegers sowohl in derÖffentlichkeit als auch im Spiegel der Empirie anders darstellt.Insgesamt wird <strong>auf</strong> Basis der Erhebung offenkundig,dass sich das <strong>Anlageverhalten</strong> in unterschiedlichenLändern und divergierenden kulturellen Kontexten deutlichunterscheidet. Es sind diese Divergenzen, die dar<strong>auf</strong>verweisen, dass es augenscheinlich Verhaltensweisenprivater finanzwirtschaftlicher Akteure gibt, die mit demschlichten Hinweis <strong>auf</strong> unterschiedliche Präferenzen inverschiedenen Ländern und damit durch ökonomischeRationalität allein nicht mehr zu erklären sind.Risikoperzeption, sozial strukturierte Emotionen undkonventionelles <strong>Anlageverhalten</strong>Mit kulturellen Faktoren und nationalen Charakteristikasind bereits zwei Schlüsselbegriffe in dem zitierten EuropaSurvey zum Ausdruck gekommen, die hier präzisiert underweitert werden sollen, um das „konservative“ <strong>Anlageverhalten</strong>privater Haushalte in Deutschland zu interpretieren.Jeder, der <strong>auf</strong>merksam andere Länder bereist undvielleicht sogar über berufliche Erfahrungen in anderennationalen Kontexten verfügt, wird ohne Zögern bestätigen,dass solche Unterschiede bestehen und das Alltagsunddas Berufsleben wie die individuellen Lebenswelten inbesonderer Weise prägen. Aber gehen die kulturellen Einflüsseauch so weit, dass sie „harte“ finanzielle Anlageent-scheidungen beeinflussen und dadurch sogar differenteTypen ökonomischer Strukturen <strong>auf</strong> der Mikro-Ebene (unddurch die wechselseitigen Interdependenzen damit auch<strong>auf</strong> der Makroebene) der handelnden Akteure in unterschiedlichenLändern hervorbringen?Um diese Frage endgültig zu beantworten, ist die Forschungnoch nicht weit genug vorangeschritten, insbesonderenicht die Forschung an der Schnittstelle unterschiedlicherDisziplinen, die neue Erkenntnisse gerade auch zuAkteursentscheidungen unter Risiko <strong>auf</strong> <strong>Finanzmärkten</strong><strong>auf</strong>grund unterschiedlicher wissenschaftlicher Traditionenerwarten lässt. Vielversprechende Ansätze haben sichz.B. in Frankreich mit der Économie des Conventions alsinterdisziplinärer Perspektive zwischen der Institutionenökonomieund der Wirtschaftssoziologie entwickelt, dieihre Aufmerksamkeit <strong>auf</strong> die situative Rahmung von Handlungsorientierungenfokussiert, deren sich Akteure bedienen,um in Interaktionen überhaupt erfolgreich sein zu können.19 Der Begriff der Konvention verweist dabei <strong>auf</strong> einezugrundeliegende soziale Logik, 20 die das Akteurshandelndurch eine gemeinsame Realitätskonstruktion auch in mitUnsicherheit oder Risiko verbundenen ökonomischenHandlungszusammenhängen überformt. Die Theorie ist zukomplex, um hier ausführlicher dar<strong>auf</strong> eingehen zu können.Stattdessen soll hier ein Ansatz zur Erklärung des „konservativen“<strong>Anlageverhalten</strong>s verfolgt werden, der auchdavon ausgeht, dass es eine Vielzahl kulturell geformterunterschiedlicher Akteurslogiken gibt, die denen der sozialenLogik und der Einbettung wirtschaftlichen Handelnsverwandt ist, ihren Ursprung aber in der international guterforschten Risikoperzeption in unterschiedlichen Kulturenhat und hier emotionssoziologisch erweitert wird. Schlüsselelementezum Verstehen von Anlageentscheidungenschließen dabei die Perzeption und die Bewertung vonProfitabilität und Risiko einer Anlage ebenso ein, wie sozial„richtiges“ oder erlerntes Verhalten.Aus der klassischen Risikoforschung ist bekannt, dass dieRisikowahrnehmung und -bewertung starke intersubjektiveVariationen <strong>auf</strong>weist und noch nicht einmal transitiv ist:Wer das Wagnis, einen lawinengefährdeten Hang <strong>auf</strong> einemSnowboard zu befahren, als relativ gering betrachtet,kann die Anlageform der Aktie oder anderer Sachwerte alshoch riskant wahrnehmen. Aber selbst dann, wenn wir unsnur in einem einzigen „Risikofeld“ wie den <strong>Finanzmärkten</strong>bewegen, bedarf es einer Erklärung der unterschiedlichenPerzeption von Risiken, die von den <strong>auf</strong> Basis von Wahrscheinlichkeitenberechenbaren „objektiven“ Risiken ab-17 W. de Bondt: The Values and Beliefs of European Investors, in: K.Knorr-Cetina, A. Preda (Hrsg.): The sociology of financial markets,Oxford 2005, S. 163-186.18 Ebenda.19 Vgl. z.B. L. Thévenot: Conventions of coordination and the framingof uncertainty, in: E. Fullbrook (Hrsg.): Intersubjectivity in economics:agents and structures, London, New York 2002, S. 181-197.20 Vgl. J. Beckert, R. Diaz-Bone, H. Ganßmann: Märkte als soziale Strukturen,Frankfurt a.M. 2007, S. 36.ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft7

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