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Wie ein Blitz aus heiterem Himmel - Trigeminus-Neuralgie

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Medizin<strong>Wie</strong> <strong>ein</strong> <strong>Blitz</strong> <strong>aus</strong> <strong>heiterem</strong> <strong>Himmel</strong>Die Mikrochirurgie hilft bei <strong>Trigeminus</strong>-<strong>Neuralgie</strong>Sie ist <strong>ein</strong>e eher seltene Krankheit unddie Betroffenen haben meist <strong>ein</strong>e lange,qualvolle Odyssee hinter sich, bevorihnen im Klinikum Offenbach geholfenwerden kann. Von ganz Deutschlandkommen die Patienten zu PrivatdozentDr. Peter T. Ulrich, dem anerkannten Expertenfür die Operation der <strong>Trigeminus</strong>-<strong>Neuralgie</strong>.Die Schmerzen sind unbeschreiblich. „Ichdachte, das hältst du nicht <strong>aus</strong>“, erzähltGabriele Blank. Fast neun Monate lang littsie an <strong>ein</strong>er <strong>Trigeminus</strong>-<strong>Neuralgie</strong>. Angefangenhatte alles im Oktober 2009, als siesich <strong>ein</strong>en Zahn ziehen ließ. „M<strong>ein</strong>e rechteGesichtshälfte brannte wie Feuer, etwa<strong>ein</strong>e halbe Stunde lang. Dann hatte ichdie ganze Nacht Ruhe. Beim Frühstückenfing’s wieder an, ich hatte drei Schmerzattackenam Tag. Wenn die vorbei waren,war es so, als sei nichts gewesen.“Nach vier Monaten steigerte sich dieSituation ins Unerträgliche. GabrieleBlank konnte ihren Mund nicht mehröffnen: „Wenn ich den Kiefer bewegthabe, fing der Schmerz an. Ich hab’ nurnoch Suppe gegessen, ganz wenig, mirnicht mehr die Zähne putzen könnenund beim Duschen höllisch aufgepasst,dass der Wasserstrahl nicht m<strong>ein</strong>e rechteGesichtshälfte berührt.“ Die ohnehinschlanke 58-Jährige verlor in dieser Zeitzehn Kilogramm Gewicht und hörte aufzu sprechen – <strong>aus</strong> Angst, damit <strong>ein</strong>eerneute Schmerzattacke <strong>aus</strong>zulösen.Ich hatte <strong>ein</strong>fach k<strong>ein</strong>e Kraft mehrSie war mittendrin im typischen Verlauf<strong>ein</strong>er <strong>Trigeminus</strong>-<strong>Neuralgie</strong>: „Es wird zulange gewartet, es werden zu viele Zähnegezogen, die Patienten laufen von <strong>ein</strong>emArzt zum nächsten“, erläutert dazuDr. Peter T. Ulrich, der solche Patientenseit fünfzehn Jahren erfolgreich operiertund von ihrem Leiden befreit. Erst gingGabriele Blank von <strong>ein</strong>em Zahnarzt zumnächsten, „bis mich <strong>ein</strong>e junge Zahnärztinim Januar zum Neurologen schickte.“ Fürden war dann die Diagnose klar. Er behandeltedie <strong>Trigeminus</strong>-<strong>Neuralgie</strong> mitMedikamenten, was der H<strong>aus</strong>frau sofortErleichterung verschaffte. Die Schmerzenwaren weg. „Ich konnte endlich malwieder essen und sprechen. Aber das hatnicht lange angehalten“, erzählt GabrieleBlank weiter. Sie brauchte <strong>ein</strong>e immerhöhere Dosierung und damit nahmen dieNebenwirkungen drastisch zu. Bei ihr wares Nervenzucken in B<strong>ein</strong>en und Händen,so dass sie weder Fahrrad fahren noch <strong>ein</strong>kaufengehen konnte, vom Fensterputzenganz zu schweigen. „Ich hatte <strong>ein</strong>fach k<strong>ein</strong>eKraft mehr“, sagt sie.Ihr Ehemann fand schließlich im Internetdie Berichte von anderen Betroffenen, diesich in der Klinik Offenbach von Dr. Ulrichhatten operieren lassen. „Wir kommen <strong>aus</strong><strong>Wie</strong>tze nördlich von Hannover. Da habenwir k<strong>ein</strong>en passenden Arzt gefunden, dergenug Erfahrung hat“, so die Patientinweiter. Und so trat sie ihre Reise über 400Kilometer nach Offenbach an.Der <strong>Trigeminus</strong> ist operabelNur <strong>ein</strong> paar Unikliniken und <strong>ein</strong>igeKrankenhäu ser der Maximalversorgungoperieren den <strong>Trigeminus</strong>. „Das wird eherselten gemacht und deswegen auch nichtso gerne“, berichtet Dr. Ulrich, zu dem Patienten<strong>aus</strong> ganz Deutschland kommen.Über 200 Operationen dieser Art hat erbereits durchgeführt. Und diese Zahl liegtdaran, dass die <strong>Trigeminus</strong>-<strong>Neuralgie</strong> <strong>ein</strong>eeher seltene Krankheit ist, die nur drei von100.000 Menschen betrifft.Bei Gabriele Blank war das Zähneziehennicht die Ursache, sondern nur der Auslöser– sozusagen der Tropfen, der das FassDie NeurochirurgieChefarzt: PD Dr. med. habil. Peter T. UlrichSchwerpunkte:• Operative Behandlung von Erkrankungendes Gehirns, des Rückenmarks und derWirbelsäule sowie der peripheren Nerven• Hirntumore, Hirnblutungen, Aneurysmen,Angiome, Hirnbypässe,Degenerationen an der Wirbelsäule• Pädiatrische Neurochirurgie• 3.100 Patienten pro Jahr• Interdisziplinäre Schmerz sprechstunden• Ambulante neuroonkologischeNachsorge14 Kl i o sk o p • Au g u s t 2010


Medizinzum Überlaufen brachte. Der <strong>Trigeminus</strong>oder Drillingsnerv besteht <strong>aus</strong> drei großenÄsten, die vom Gehirn in das Gesichtfüh ren. Das erklärt, warum die typischenSchmerzen die Stirn, die Wange, die Lippen,das Zahnfleisch und das Kinn betreffen.Ursache ist in 95 Prozent der Fälle derKontakt <strong>ein</strong>es Gefäßes mit der Nervenwurzelan der Stelle, wo sie <strong>aus</strong> dem Hirnstammhin<strong>aus</strong>führt. Entweder wird dieNervenwurzel von <strong>ein</strong>em darüber- oderdarunterliegenden Blutgefäß <strong>ein</strong>geengtoder <strong>ein</strong> Gefäß nimmt den Nerv „in dieZange“, so dass <strong>ein</strong> Kontakt von oben undvon unten besteht.„Die Aufgabe des Neurochirurgen ist esdann, diesen Kontakt zu lösen und <strong>ein</strong>Polster dazwischenzuschieben. Denn beijeder Pulsation reizt dieses Gefäß denNerv, meist schon Jahre vorher“, erklärtDr. Ulrich. „Oder es bilden sich kl<strong>ein</strong>eBindegewebs zügel, die das Gefäß auf demNerv fesseln. Diese Verwachsungen mussman alle lösen und die Gefäßschlingewegbewegen.“ Zwischen den Nerv unddas Gefäß schiebt der Operateur <strong>ein</strong>winzig kl<strong>ein</strong>es Teflonpolster von etwa2 x 3 Millimeter Größe, das sich mit s<strong>ein</strong>enFasern dort fest verankert und den Nervvor künftigen Bedrängungen schützt.Das Operationsfeld ist nur so groß wie<strong>ein</strong> halber kl<strong>ein</strong>er Fingernagel und befindetsich in 6 Zentimeter Tiefe. „Das ist <strong>ein</strong>ganz enger Spalt, in dem man da arbeitet“,erläutert Dr. Ulrich, „aber das Mikroskopliefert maximale Helligkeit mit Xenon-Sch<strong>ein</strong>werfern und vergrößert das Bildbis zu 40-fach. Da können wir schon sehrgenau arbeiten.“Punktgenau dank NeuronavigationRund drei Stunden wird Gabriele Blankim modernen OP-Saal im Tiefschlaf verbringen,umsorgt von <strong>ein</strong>em siebenköpfigenTeam und umgeben von jederMenge Hightechgeräten zur Stereotaxieund Neuronavigation. Sie helfen den Ärzten,die Patientin hochpräzise zu fixierenund das Operationsfeld in ihrem Schädelauf dem kürzesten und sichersten Wegzu finden. Bildgesteuert und computerassistierterlauben sie dem versierten Arzt<strong>ein</strong> verletzungsfreies Bewegen im Körperinneren.Die optimale Platzierung des Schnitts aufder Haut liegt hinter dem Ohr, „das äußereOperationsfeld ist nur so groß wie m<strong>ein</strong>Daumennagel“, erklärt der Chirurg undgerät fast ins Schwärmen: „Das ist <strong>ein</strong>e derschönsten Operationen, die es in der Neurochirurgiegibt. Es fließt k<strong>ein</strong> Blut und wirmüssen dort k<strong>ein</strong> Gewebe zerstören oderentfernen. Man muss nur <strong>ein</strong>e Strukturtrennen und hat <strong>ein</strong>en schlagartigen Erfolg!“Fast alle Patienten wachen auf undhaben k<strong>ein</strong>e Schmerzen mehr. 1,5 Zentimeterlang ist die betroffene Nervenwurzel.Die <strong>Trigeminus</strong>-<strong>Neuralgie</strong> sitzt immeran dieser Stelle, so dass der Spezialist von<strong>ein</strong>er standardisierten Operation spricht.Ganz alltäglich ist sie gleichwohl nicht,denn das Umfeld des Nervs ist heikel.Der Operateur geht mit s<strong>ein</strong>en Bajonettinstrumentenam Kl<strong>ein</strong>hirn vorbei undbewegt sich in direkter Nähe zum Hirnstammund zu vielen anderen Nerven,die lebenswichtige Informationen anden Körper weiterleiten. HochpräziseGeräte gepaart mit Geschick, Geduld undChefarzt Priv.-Doz. Dr. med. (habil) Peter T. UlrichNeurochirurgischen Klinik und AmbulanzTel.: (069) 84 05 – 38 81Fax: (069) 84 05 – 31 43E-Mail: neurochirurgie@klinikum-offenbach.deErfahrung des Operateurs sind die Erfolgsformelfür die operative Behandlung der<strong>Trigeminus</strong>-<strong>Neuralgie</strong>.Endlich wieder <strong>ein</strong> kraftvoller Mensch!95 Prozent der Patienten sind anschließendihr Leben lang von dieser Nervenp<strong>ein</strong>befreit. Bei etwa 5 Prozent kommendie Schmerzen nach <strong>ein</strong> bis drei Jahrenwieder, zum Beispiel weil sich neue Gefäßeangelagert haben. Eine zweite Operationist möglich und sorgt dann fürSchmerzfreiheit.Gabriele Blank blieb noch acht Tage langim Klinikum. Nachdem die Fäden gezogenwaren, konnte sie ihre Heimreise insniedersächsische <strong>Wie</strong>tze antreten. Sie istjetzt gesund und munter. In sechs Monatengibt es <strong>ein</strong>e Nachkontrolle. Es hattenoch <strong>ein</strong> bisschen gedauert, bis sie ihreAngst vor möglichen Schmerzattackenganz verlor. Heute kann sie wieder Fahrradfahren und mit dem Hund spazierengehen. Ihre alten Kräfte sind wieder da.Die Freude am neu zurückgewonnenenLeben ist kaum in Worte zu fassen:„Endlich bin ich wieder <strong>ein</strong> Mensch!“,entfährt es ihr mit <strong>ein</strong>em Stoßseufzer.1,5 cm lang ist die Nervenwurzel (weiß),um die es geht.Ein winziges Teflonpolster sorgt für <strong>ein</strong>schmerzfreies Leben!Kl<strong>ein</strong>er Schnitt, kl<strong>ein</strong>e Rasur.Kl i o sk o p • Au g u s t 2010 15

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