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Konzilien des 15. Jahrhunderts und Zweites Vatikanisches Konzil ...

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75 2007 Jahrgang 103 THEOLOGISCHE REVUE Nr. 1 76gemeine kulturelle Milieu, Martin Riesebrodts Interpretation <strong>des</strong> religiösenF<strong>und</strong>amentalismus, Monika Wohlrab-Sahrs <strong>und</strong> Julika Rosenstocks Analyse<strong>des</strong> Zusammenhangs von Religion, Gender, Moral <strong>und</strong> sozialer Ordnung.Der Bd legt den Schwerpunkt auf die Rolle der christlich-jüdischenReligion in einer westlich geprägten <strong>und</strong> damit durch dasSäurebad der Aufklärung hindurchgegangenen Gesellschaft, das istsein gutes Recht. Interessant wäre als Desiderat, auch Texte zu einermuslimisch <strong>und</strong> jedenfalls auûerchristlich inspirierten Religionssoziologiezu sammeln, um dann in einen globaleren Dialog zur Rolleder Religion eintreten zu können. Jedenfalls ist dieser Bd sehr gelungen<strong>und</strong> sehr informativ <strong>und</strong> sehr geeignet, die notwendige Diskussionum die Rolle <strong>und</strong> den Einfluss von Religion in säkularisiertenpostmodernen Gesellschaften zu befruchten.FuldaPeter SchallenbergDie Bedeutung der Religion für die Gesellschaft. Erfahrungen <strong>und</strong> Probleme inDeutschland <strong>und</strong> den USA, hg. v. Anton R a u s c h e r. ± Berlin: Duncker &Humblot 2004. 280 S. (Soziale Orientierung, 17), pb e 48,00 ISBN:3±428±11560±0Der zu besprechende Bd geht auf eine gemeinsame Tagung deutscher<strong>und</strong> amerikanischer Wissenschaftler zur Bedeutung der Religionfür die Gesellschaft im Juli 2002 zurück <strong>und</strong> versammelt 15 Beiträgezu drei Themenschwerpunkten: (1.) zum Verhältnis von Religion<strong>und</strong> Kultur; (2.) zum Verhältnis von Staat, Kirche <strong>und</strong> Gesellschaft;(3.) zur Rolle der Religion <strong>und</strong> der Bedeutung religiöserOrientierung in ¸säkularen Gesellschaften. Den Reizder Sammlungmacht die Kombination von prominenten US-amerikanischen <strong>und</strong>deutschen Perspektiven aus. Während man hinsichtlich der erwähntenFragestellung gemeinhin geneigt ist, erhebliche Unterschiedezwischen US-amerikanischen <strong>und</strong> westeuropäischen Kontexten zuvermuten, betont der Hg. im Vorwort <strong>und</strong> betonen auch viele derAutoren, dass es hier wie dort eine Tendenzder Verdrängung <strong>des</strong> Religiösenaus gesellschaftlichen, staatlichen <strong>und</strong> kulturellen Zusammenhängengebe, die an Selbstverständlichkeiten der Durchdringungder westlichen Kultur durch die christliche Religion rührten: ¹In beidenKontinenten haben die Bestrebungen zugenommen, unter Berufungauf die weltanschaulich-religiöse Neutralität <strong>des</strong> Staates <strong>und</strong> diepluralistische Gesellschaft die Religion aus allen staatlichen Einrichtungenzu verdrängen <strong>und</strong> sie womöglich auch aus der gesellschaftlichenÖffentlichkeit zu verbannen.ª (5) Während etwa der Spruch¹In God we trustª auf jeder US-Dollarnote noch an das religiöse Bewusstseinerinnere, ¹das bis zu den Vätern der amerikanischen Verfassungzurückreichtª, gebe es heute auch in den USA Bestrebungen,homosexuelle Paare den Institutionen Ehe <strong>und</strong> Familie gleichzustellen(ebd.). In Deutschland seien beispielsweise der hessische ¹Schulgebetsstreitª,¹das skandalöse Kruzifix-Urteil <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verfassungsgerichts(1995)ª (bei dem man eine staatlich sanktioniertePflicht zum Anbringen von Kreuzen in Schulen für verfassungswidrigerklärte) <strong>und</strong> der ¹Kampf gegen die Abtreibungª (?) Ausdruckdieser Tendenzder Verdrängung <strong>des</strong> Religiösen aus der Öffentlichkeit.Dabei berufe man sich ¹gerne auf das Prinzip der Gleichheit,dem geradezu eine Priorität vor sämtlichen Lebensgebieten eingeräumtwerden sollª, so dass die Gefahr bestehe, ¹daû dem ¸demokratischenAnspruch der Gleichheit auch die für den Christen maûgeblicheSchöpfungswirklichkeit geopfert werden soll <strong>und</strong> die Identitätennicht mehr zu ihrem Recht kommenª (6). Die Marschrichtung istalso im Vorwort bereits abgesteckt.William A. Frank beschreibt zunächst (13±33) das Phänomen ¸western irreligion,<strong>des</strong>sen Kennzeichen es sei, dass zunächst Einzelpersonen in der Überzeugunghandeln, ¹that the immanent realm of history and material existence isthe final horizon for human lifeª (18). Wenn diese, insbesondere in den Elitenverbreitete (vgl. 18), überzeugte oder auch indifferente (vgl. 13; vgl. 18) Beschränkungauf innerweltliche Bezugspunkte der menschlichen Existenz <strong>und</strong><strong>des</strong> geschichtlichen Werdens einer Gemeinschaft die Formen <strong>des</strong> Zusammenlebenserreiche <strong>und</strong> mehr <strong>und</strong> mehr präge, schlieûlich auch die Bedingungender ¹basic relationships of solidarityª verforme, ¹then we can speak of the cultureof irreligionª (18). Ein derartiges Urteil setzt natürlich voraus, dass derAutor eine religiöse Orientierung als konstitutiv für gesellschaftliches Zusammenlebenbetrachtet. Tatsächlich sei ja der Liberalismus nur ein ¹political constructª,der ¹freedom for the practice of different religions in civil peaceª ermögliche,nicht aber ¹freedom from religionª, wie es die ¸western irreligios societyinterpretiere (17). Die gr<strong>und</strong>legenden Fragen der liberalen politischenPhilosophie könne diese letztlich nicht selbst beantworten: ¹[W]hat is the truthof personal and political freedom? What authority legimizes it?ª Es scheinedoch eine solche Autorität geben zu müssen ¹beyond the claims of instrumentalreason, self-interest, and personal autonomyª (17). Wenn dem so ist, sei religiösePraxis <strong>und</strong> Orientierung konstitutiv für das Zusammenleben in modernenGesellschaften: ¹Religion provi<strong>des</strong> for a community of people the ultimaterationale for life.ª (16) Zusammenleben in Gesellschaften sei dann eben nichtmehr nur dem rationalen Vorteilsstreben der Bürger nach materiellem Wohlstand<strong>und</strong> Sicherheit geschuldet, sondern die Religion ¹gives all the membersof its community a common vision and personal motivation with respect to themost important concerns of life. Birth, education, marriage, work, death, groupidentity, knowledge of good and evil ± no major concern of human life is leftwithout a religious significance. In short, civilizations emerge due to the directionand the inspiration of religious authority.ª (16) Anm. 6 auf S. 17 weistdarauf hin, dass sich John Locke (im Brief über Toleranz) in Bezug auf Atheistenausgesprochen skeptisch geäuûert habe: ¹Locke thought that atheistswould not make good citizens.ª Frank leugnet übrigens in seinem Aufsatz nichteine durchaus rege religiöse Praxis; aus den die westliche Kultur formierenden¸Zentren sei diese religiöse Praxis aber weitgehend verschw<strong>und</strong>en ± die westlicheareligiöse Gesellschaft sei in dieser Hinsicht durchaus ambivalent (15;vgl. 18).Zur ¹Begründung unveräuûerlichter Menschenrechte im Kontext neuzeitlicherkultureller Differenzenª äuûert sich Anton Losinger (55±67). Im Anschlussan Jacques Maritain weist Losinger auf das Problem hin, dass 1948zwar die Menschenrechte als praktische Prinzipien, gemeinsame Zielsetzungen<strong>und</strong> als ¸gemeinsamer Nenner allseitige Anerkennung fanden, dass esaber keine Übereinstimmung über eine gemeinsame Begründung der Menschenrechtegegeben habe <strong>und</strong> gebe (59f.). Allerdings scheint doch gerade diesdie Pointe <strong>und</strong> der groûe Vorzug der Menschenrechte zu sein, dass sie auf derRechtsebene gemeinsame (universelle) Standards festlegen, denen auf derEbene der (partikularen) Konzeptionen <strong>des</strong> guten Lebens keine geteilte Begründungsüberzeugungentsprechen muss. Wenn in den Menschenrechtendie Vielfalt weltanschaulicher Begründungsperspektiven ihren ¸kleinsten gemeinsamenNenner findet, ist das doch ein groûartiges Ergebnis. LosingersArgumentation erscheint umso verwirrender, als er selbst einen dezidiert (jüdisch-)christlich-theologischenBegründungsweg vorschlägt: ¹Es geht schlieûlichum den Zugang zu einer transzendenten Begründung der Würde dermenschlichen Person, den die Kirche in ihrem Selbstverständnis als ¸Zeichen<strong>und</strong> Schutzder Transzendenzder menschlichen Person im Dialog mit allenKräften der Gesellschaft immer neu zu vermitteln <strong>und</strong> zu begründen hat.ª (62)Man kann doch nicht im Ernst die fehlende gemeinsame Begründung der Menschenrechtebeklagen, um dann darauf mit einem ganzausgesprochen weltanschaulichen-partikularBegründungsvorschlag zu reagieren. Zumal der Autorim dritten Teil seines Aufsatzes u.a. auf die ¹Menschenrechte im Spannungsfeldweltanschaulich-religiöser Widersprücheª eingeht (63f.). Zunächstwird ¹insbesondere die restaurative Revitalisierung <strong>des</strong> Koran als gelten<strong>des</strong>Staatsrecht <strong>und</strong> die teilweise ideologisch anmutende Verschärfung der Bestimmungenin der Bewegung <strong>des</strong> islamischen F<strong>und</strong>amentalismusª als besorgniserregendbewertet (63). Anstatt aber diese Verbindung von weltanschaulicherOrientierung (Koran) <strong>und</strong> staatlichem Recht, also die fehlende Trennung vonRechtsebene <strong>und</strong> Ebene <strong>des</strong> guten Lebens, mithin die in entsprechenden islamischenKontexten unterbliebene Aufklärung zu kritisieren, richtet sich dieKritik auf den Koran selbst: Es werden zweifellos frauenfeindlich <strong>und</strong> blutrünstiganmutende Textpassagen zitiert, die sich aber selbstverständlich ebensoaus der Bibel zitieren lieûen, ganz zu schweigen von der christlich-theologischenTradition. Das Problem sind eben nicht die zeitgeb<strong>und</strong>enen (aus heutigerSicht:) Irrungen solcher Texte, sondern die heute unzeitgemäûe Verschränkungvon Weltanschauung <strong>und</strong> Recht.Wolfgang Ockenfels differenziert in seinem Beitrag (175±186) demgegenübergerade die Frage der Aufklärung, bezieht den Ausdruck aber nicht auf dieTrennung von Recht <strong>und</strong> weltanschaulicher Gesinnung, sondern auf die Vermittlungchristlicher Glaubensinhalte mit philosophischem Denken bzw. mitder modernen Welt, wobei er überraschend argumentiert: ¹Der Islam brauchtheute eine Aufklärung, wie sie das Christentum bereits im Mittelalter durchThomas von Aquin erfuhr.ª Das aristotelisch-thomasische Naturrechtsdenkenhabe ¹im Christentum für eine gr<strong>und</strong>legende Unterscheidung zwischen Glaube<strong>und</strong> Politik, Kirche <strong>und</strong> Staat, Moral <strong>und</strong> Recht gesorgtª, auf die die ¹Gewaltenteilungeiner freiheitlichen Gesellschaftsordnung mitsamt den Menschenrechtsgarantiengründenª (179). Schlieûlich sei die Interpretation <strong>des</strong> Koransamt der Frage, inwieweit er überhaupt interpretierbar sei, ein Kennzeichenunterbliebener Aufklärung; denn selbst islamische Gelehrte, die zu einer rationalen<strong>und</strong> kritischen Schriftinterpretation neigten, hielten sich aus verschiedenenGründen hinsichtlich der Lehre <strong>des</strong> Propheten sehr zurück. Die ¹Preisfragenfür den künftigen Dialogª zwischen Christentum <strong>und</strong> Islam ¹lauten also:Wie kann sich der Islam 1. auf die allgemeine Religionsfreiheit einlassen. 2.Wie weit lässt er sich entpolitisieren, d.h. von staatlicher Macht trennen? Und3. Wie weit lässt sich die islamische Glaubensgemeinschaft institutionalisierenoder verkirchlichen, ohne ihre ¸Identität preiszugebenª (181). Es liege in derNatur dieser Fragen, daû sich eigentlich zunächst die verschiedenen islamischenTendenzen darüber verständigen müssten. Ein christlich-islamischerDialog steht insofern immer unter dem Vorbehalt innerhalb <strong>des</strong> Islam nicht geklärter,für <strong>des</strong>sen Selbstverständnis aber höchst bedeutender Fragen. Auch dasProblem <strong>des</strong> Zusammenhangs von Religion <strong>und</strong> Gewalt sei davon betroffen,also die Frage etwa, wie entsprechende Textpassagen im Koran, die der wörtlichenBedeutung nach doch auf eine militärisch-kriegerische Interpretation <strong>des</strong>dschihad hinausliefen, in Zukunft interpretiert würden. Für das Christentumverweist Ockenfels auf eine uneinheitliche Entwicklung <strong>und</strong> Irrtümer in derGeschichte, um schlieûlich die klassische Lehre vom gerechten Krieg überzeugendals eine Art Gewalt minimierende Legitimierung der Gewalt zu skizzieren(184f.).

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