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Auszug aus einem Roman - Tage der deutschsprachigen Literatur

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Die Nacht jetzt kälter als noch Minuten zuvor. Wie<strong>der</strong> rüber zum H<strong>aus</strong>, dasFlappen von Doris’ Pantoffeln, ein leises Fluchen, vielleicht ein Kiesel im Schuh.Sie blieb stehen, bückte sich, holte wie<strong>der</strong> auf, jetzt doch die Taschenlampe in<strong>der</strong> Hand. Der Lichtstrahl kroch über den Schotter, funzelig, verdrossen, alswollte er den Weg nicht weisen. Als etwas im Gebüsch raschelte, zuckte er weg,über den Graben, verlor sich im Moor. Ich begann zu schlottern. In <strong>der</strong> Dielebaumelte <strong>der</strong> Telefonhörer an <strong>der</strong> Schnur, ich war mir sicher, ihn aufgelegt zuhaben, hoffte, sie wäre wie<strong>der</strong> zu sich gekommen, hätte selbst den Notrufgewählt. Doch sie lag noch immer bäuchlings in m<strong>einem</strong> Bett, das Gesicht aufdem Kissen mir zugewandt, schlafend, schön wie eh und je. Davor, wie eineGlaswand zwischen ihr und dem Jungen, <strong>der</strong> Geruch von Kotze, Kin<strong>der</strong>schlaf,Tod. Doris prallte zurück und rief: Herrgott, Marga!, verärgert, als hätte sie alldas bereits kommen sehen. Sie stürzte hin, hievte sie hoch, <strong>der</strong> Kopf klapptevor, Doris hielt das Kinn, strich ihr das Haar <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Stirn. Ihre Hände aufMargas Herz, am Handgelenk, Sekunden atemloser Stille, dann rief sie: Puls!Ich weiß nicht mehr, wo ich in diesem Moment stand - noch auf dem Flur, imTürrahmen o<strong>der</strong> schon am Bett? Eine Weile kommt <strong>der</strong> Junge auf diesenBil<strong>der</strong>n überhaupt nicht vor, als wäre er in ein Zeitloch gerutscht, durch seineaufgefächerten Blicke hindurch in den eigenen Kopf: dort das H<strong>aus</strong>, vom Moor<strong>aus</strong> gesehen jetzt hell erleuchtet, zackig <strong>der</strong> Giebel, rußige Klinker,Lichtsprengsel darüber, fast wie ein Feuer in <strong>der</strong> mondlosen Nacht,nie<strong>der</strong>gewalzt von schneeschweren Wolken. An den Rän<strong>der</strong>n des Bildes, wo es<strong>aus</strong>franst und in das nächste übergeht, beginnt es zu grießeln. Doris’ Stimmedringt <strong>aus</strong> <strong>der</strong> offenen H<strong>aus</strong>tür, sie ruft, als Schattenriss in <strong>der</strong> Diele stehend,mehrmals die Adresse in den Telefonhörer; drei, vier Mal wie<strong>der</strong>holt sie dieWegbeschreibung zu <strong>einem</strong> H<strong>aus</strong> in Fenndorf, das sie schließlich als das letzteGebäude hinter den Ställen bezeichnet; offiziell gab es nämlich am Heidedammnur die Nummer zwei, den Schweinehof, und dahinter nichts mehr als das Moor.Als sie nach oben kam, schien sie ruhiger. Sie blieb im Türrahmenstehen, reglos, fast ehrfürchtig, so, wie man für einen Moment von <strong>einem</strong> Gipfelo<strong>der</strong> Turm <strong>aus</strong> in eine unverhoffte Aussicht versinkt. Nur ihr Busen schwoll undschwoll; sie schien nur noch ein-, doch nicht mehr <strong>aus</strong>zuatmen. Plötzlich ist6

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