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Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum - netzwerkB

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schleuderte mich, bis ich bewusstlos wurde. D<strong>an</strong>n zerrte sie mich aus der Maschine, stelltemich auf die Beine, die knickten weg, sie stellte mich nochmals auf die Beine. D<strong>an</strong>n torkelteich davon. Ein gewaltiger Schreck und ungläubige Überraschung warfen mich auf mein Bett.Mutter h<strong>an</strong>delte im Affekt und gefährdete mein Leben mal eben so zufällig.Mein Vater half mir nicht, meine Schwester war zwar älter als ich, aber doch zu klein, <strong>an</strong>dereMenschen wussten nichts oder sie halfen nicht. Überlebenskraft f<strong>an</strong>d ich außerhalb desHauses meiner Eltern. Ich spielte mit <strong>an</strong>deren Kindern im Dorf und um das Dorf he<strong>rum</strong>. Mitfünf bis sechs Jahren beg<strong>an</strong>n ich meine Liebe zum Lesen von Büchern zu entwickeln.Meine Mutter hat irgendw<strong>an</strong>n aufgehört. Zuvor benutzte sie allerdings noch Kondome. Ob ichmich gewehrt habe, ob sie Angst bekam, oder was auch immer…Ich hatte überlebt. Es gab Zeiten, da glaubte ich nicht dar<strong>an</strong>, da habe ich versucht, mich selbstzu töten. Aber, ich war 16 Jahre alt geworden, lebte, und war mir sicher: sie kriegt mich nicht!Meinen Körper hatte sie, meine Seele halb, aber mein Innerstes nicht! Das feierte ich imSommer nach meinem 16. Geburtstag, indem ich mit rauchen beg<strong>an</strong>n. Ich durfte rauchen, ichwar 16 und fast erwachsen. Ich habe es geschafft, ich habe den Missbrauch durch meineMutter überlebt. Seht her, Leute: ich habe das Alter, darf rauchen, und ich lebe!Nach dem Abitur habe ich mein Elternhaus verlassen.Probleme als Erwachsener und irrationale Grundged<strong>an</strong>kenIch wurde zu einem Menschen, der kein Vertrauen hatte, außer zu mir selbst. Kam ich mitNähe nicht zurecht, ging ich auf Abst<strong>an</strong>d. Was mir wichtig war, musste ich selbst machen, nurnicht abhängig oder gar hilflos werden. Meine Kindheit zu überleben, führte zu einer l<strong>an</strong>genKette von Schwierigkeiten als Erwachsener. Aber auch zu einer fast unendlichen Kraft,Ausdauer und Energie. Wer aus solcher Kindheit hervorgeht, der ist ein Energiepaket.Ich habe also studiert, eine Frau gefunden, nochmal studiert, zwei Töchter bekommen, war ineinem Konzern als Ingenieur tätig und vor allem als Betriebsrat. Das alles passte gut zu mir.Als Betriebsrat musste ich mich der Unternehmensleitung nicht unterordnen, was ich nicht gutkonnte. Ich mochte und mag keine Autoritäten, es sei denn, sie sind es wegen ihrerFähigkeiten und nicht wegen ihrer Macht.Bei der Geburt meiner Töchter war ich glücklich, dass es Mädels waren, beide Male. Ohnedass ich in jener Zeit den Satz bewusst k<strong>an</strong>nte, wirkte „alle <strong>Mütter</strong> <strong>spielen</strong> <strong>an</strong> <strong>ihren</strong> <strong>kleinen</strong><strong>Jungens</strong> <strong>rum</strong>“ g<strong>an</strong>z tief in mir und ließ mich Töchter wünschen. Und ich bekam sie ja auch,also kein Stress.„Männer sind Pfeifen und Frauen sind gefährlich“ war mein Grundged<strong>an</strong>ke über dieMenschen. Männer können mir nicht helfen, wenn ich mir selbst schon nicht helfen k<strong>an</strong>n. Dasmachte mich unabhängig, aber es war auch sehr <strong>an</strong>strengend. Zum Glück ist das heute vorbei,wenn auch noch nicht l<strong>an</strong>ge. Bei Frauen muss m<strong>an</strong> auf Dist<strong>an</strong>z bleiben, sonst wird esgefährlich. Ich hatte nicht etwa ständig wechselnde Beziehungen - aber meinen Kampf um dieDist<strong>an</strong>z, nicht untergehen wollen in der Beziehung. Und: ich müsste besser sein in derBeziehung, ich bin nicht gut genug. Wenn es in meinem Kopf hart auf hart zuging: Wünscheder Partnerin gegen meine grundlegenden eigenen Wünsche, d<strong>an</strong>n war ich immer bei mir. Dasmacht stark und … einsam.2


Hier eine Auflistung aller Grundged<strong>an</strong>ken aus meiner Kindheit, mit denen ich jahrzehntel<strong>an</strong>gals Erwachsener Probleme hatte:- Männer sind Pfeifen, Frauen sind gefährlich.- Ich bin nicht gut genug, ich müsste das besser können.- Bloß nicht hilflos werden: dieser Ged<strong>an</strong>ke war der schlimmste, er bedeutete extremeAngst, P<strong>an</strong>ik.- Ich bin nicht wichtig, außer für mich.- Ich bin wertlos.- Ich darf nicht missachtet werden.- Alles Wichtige muss ich selber tun.Es gibt auch Grundged<strong>an</strong>ken, die ich als Lebensleitlinien behalten will:- Ich will ein guter Mensch sein.- Wissen und Erkenntnisse sind wichtig.Sexualität: Natürlich k<strong>an</strong>n es kaum sein, dass in diesem Bereich mein Leben zufriedenstellendverlief. Oder doch? Ich war jedenfalls bereits rund 40 Jahre alt, bis mir auffiel, dass da einigesso g<strong>an</strong>z und gar nicht stimmte. Es stimmte auch vorher schon nicht, nur hatte ich nichtdarüber nachgedacht und die Probleme sozusagen vor mir selbst versteckt.1994 trennte ich mich von der Mutter meiner Töchter. Und ich f<strong>an</strong>d eine neue Partnerin,meine große Liebe. Da sie sehr viel mehr Nähe wollte, als ich gewohnt war, gab es häufigerSchwierigkeiten in der Beziehung. Hohe Hochs und tiefe Tiefs. Das führte dazu, dass ich ab1996 beg<strong>an</strong>n, mich intensiv mit mir selbst zu beschäftigen. Erstes Buch: „Das Drama desbegabten Kindes“ von Alice Miller, zweites Buch, „Das Kind in uns“ von John Bradshaw.Ich begab mich auf eine ungeheuer sp<strong>an</strong>nende Reise, und ich wusste das. Bücher folgten nochviele. Ich entdeckte nach und nach die zuvor gen<strong>an</strong>nten Grundged<strong>an</strong>ken. Von meinenMissbrauchserlebnissen wusste ich nichts. Meine Sexualität nahm ich bewusster wahr undentdeckte einen großen Packen Zw<strong>an</strong>ghaftes.Siehe da, ich hatte zwei Sexualitäten entwickelt: eine in etwa „normale“ Sexualität mit meinerPartnerin und eine „kaputte“ Sexualität mit bizarren F<strong>an</strong>tasien, Pornobildern, Pornokino, eineSexualität mit mir selbst. Im Sommer 1999 waren meine Partnerin und ich gerade dabei,erotische F<strong>an</strong>tasien in unser bisheriges Beziehungsleben integrieren zu wollen. Daraus hättesich vielleicht ergeben, dass ich aus meinen beiden Sexualitäten eine hätte entwickeln können.Kam aber g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>ders.Wiedererinnern des MissbrauchsBeim Abklingen eines g<strong>an</strong>z besonders intensiven Orgasmus, meine Partnerin und ich lagennoch eng umschlungen, hatte ich ein ungewöhnliches Erlebnis. In meinem Kopf hatte esgeklingelt und geleuchtet. Es war ein unglaublich intensiver Wachtraum.Als erstes sah ich den <strong>kleinen</strong> Udo, der um Hilfe schreit, aber keinen Ton herausbringt, unddeshalb die H<strong>an</strong>d hochhält, es hilft jedoch niem<strong>an</strong>d.Als zweites erlebte ich einen Schnelldurchlauf durch meine Erinnerung aller Beziehungen zugleichaltrigen Mädchen und Frauen seit meiner Kindheit.3


Als drittes eine Gewaltf<strong>an</strong>tasie. „Das, ficken, k<strong>an</strong>nst du nicht, das k<strong>an</strong>n nur ich“… schreie ichmeine Mutter <strong>an</strong>, während ich sie ficke ohne darauf zu achten, ob sie das will oder nicht.D<strong>an</strong>n werde ich zum Wolf und versuche sie zu töten, k<strong>an</strong>n sie aber nur leicht zerkratzen.D<strong>an</strong>n wächst aus ihrem Unterleib ein Haifischkopf, den ich zerquetschen will, es aber nichtschaffe. D<strong>an</strong>n gehe ich als Wolf traurig und einsam fort.Ich brauchte nur wenige Tage und einige Bücher, um zu begreifen, dass ich keine beliebigeVergewaltigungsf<strong>an</strong>tasie hatte, sondern dass ich von meiner Mutter sexuell missbrauchtworden war.Das war im September 1999.Zu dieser Zeit hatte ich mich seit drei Jahren viel mit mir selbst beschäftigt, mit derEntdeckung des Missbrauchs wurde meine Innenschau jedoch noch intensiver. Unglaublichsp<strong>an</strong>nend, welche Energien in mir, in den Entdeckungen über mich steckten.Ich habe unzählige Bücher verschlungen, meine Freundin geliebt, mich mit ihr gestritten, undwieder geliebt, sozusagen nebenher habe ich als Vermögensverwalter <strong>an</strong> der Börse für michund die Kunden viel Geld verdient, bin in eine supertolle Wohnung umgezogen …Fünf Jahre intensives Leben bis 2001, intensive Emotionen, mit vielen Erkenntnissen undEntdeckungen, Wut, Angst und Trauer.Erste HeilungsschritteLesenIch lese viel und gerne. Inzwischen besitze ich eine g<strong>an</strong>ze Menge Bücher über psychologischeThemen. Das sind Geschichten von Betroffenen, Bücher über Therapieformen insbesondereTrauma-Therapie, Rom<strong>an</strong>e, Entwicklungspsychologie, Gefühle, Empfindungen.In meinem Kopf f<strong>an</strong>den sich häufig festgefahrene Ansichten zu Themen und Problemen, dieich selbst während meiner traumatischen Kindheit erlebte. Dar<strong>an</strong> änderte sich einiges.Wissen ist wichtig.Kontaktabbruch zu meiner MutterIch hatte den Missbrauch wiedererinnert 1999, da war ich 44 Jahre alt.Daraufhin hatte ich meine Mutter in einem Brief mit meinem neuen Wissen konfrontiert undals Wiedergutmachung von ihr gefordert: Gib es zu! Berichte mir über die Dinge, die du inmeiner Kindheit sexuell mit mir gemacht hast.Wie erwartet hatte sie bestritten. Ich brach den Kontakt ab. Ebenso zu Vater und Schwester.Meine Schwester konnte mir nicht glauben. Mein Vater glaubte mir ebenfalls nicht: dass erein Lügner war, wusste ich noch nicht.SelbsthilfegruppeIch suchte und f<strong>an</strong>d <strong>an</strong>dere Männer, um eine Selbsthilfegruppe ‚Als Junge missbraucht‘ zugründen. Seit 2001 besteht diese Gruppe und es ist eine tolle Einrichtung. Gäbe es sie nicht,4


würde ich sie gründen! Wir treffen uns wöchentlich, erzählen, fragen nach, helfen und lösenProbleme.Innere BilderÜber viele Jahre hinweg habe ich intensiv mit inneren Bildern gearbeitet.Ich habe einen inneren Wohlfühlort entwickelt. Das ist ein etwas verwilderter Garten inmeiner F<strong>an</strong>tasie, den außer mir niem<strong>an</strong>d finden k<strong>an</strong>n, in dessen Zent<strong>rum</strong> eine Badew<strong>an</strong>nesteht.Ich liebe baden! Ein Tischchen neben der W<strong>an</strong>ne mit Buch, Kaffee, Zigaretten, Telefon. Sok<strong>an</strong>n ich mich für Stunden wohlfühlen.Mit der Methode Innere Bilder habe ich eine innere „Familie“ entwickelt. Die einzelnenFiguren stellen Anteile von mir selbst in meiner inneren Wahrnehmung dar. Da gibt es einen<strong>kleinen</strong> Jungen, ein kleines Mädchen, einen Wolf, einen jüngeren erwachsenen M<strong>an</strong>n undeine Frau, einen Denker, und die Täter<strong>an</strong>teile von Vater und Mutter.Mit dieser Methode war ich in der Lage, den Täter<strong>an</strong>teilen in mir einen korrekten,akzeptablen Platz zuzuweisen. Enttäuschung über Vater und Wut über Mutter sind damitabgeschlossen.Meine Mutter habe ich auf meiner „inneren Bühne“ wahrscheinlich 50 Mal umgebracht: malschnell und hart, mal g<strong>an</strong>z genüsslich gefoltert und gequält. Der richtige Weg, weil nur dersich gut <strong>an</strong>fühlte, war d<strong>an</strong>n, ihr Geschlecht zu zerstören. Indem ich den aus ihrem Unterleibwachsenden Haifischkopf mit einer Drahtschlinge herausriss.Meinem Vater schnitt ich die Zunge ab. Wie ich finde, eine <strong>an</strong>gemessene Lösung für einenLügner.Er sitzt jetzt auf einem Stuhl und liest Simmel. Meine Mutter sitzt d<strong>an</strong>eben in einem Sesselund strickt.Neue Entdeckungen seit Anf<strong>an</strong>g 2010EMDRDie bisl<strong>an</strong>g am weitesten gehenden Entdeckungen beg<strong>an</strong>nen mit einer EMDR-Sitzung(EMDR ist eine der Trauma-Therapie-Methoden: dabei bewegt der Klient die Augen schnellvon rechts nach links und zurück. Dies bewirkt eine verbesserte Verknüpfung der beidenGehirnhälften mitein<strong>an</strong>der. Dadurch kommen traumatische Erinnerungen leichter <strong>an</strong> dieOberfläche und können verarbeitet werden) mit meinem Therapeuten. Es war eineF<strong>an</strong>tasiereise in meine Erinnerungen.Tagebucheintrag 15.1.2010:ich bin zwei Jahre alt, liege auf dem Küchentisch, habe die Hose heruntergelassen. Meine Mutter spielt <strong>an</strong>meinem Penis mit den Händen. D<strong>an</strong>n ist sie zwischen meinen Beinen, hat mich zum R<strong>an</strong>d des Tisches gezogen.Meine Knie sind <strong>an</strong>gewinkelt. Sie saugt und knetet meinen Penis.Der wird steif und riesengroß. Sie trägt einen hellen Unterrock und reibt sich im Stehen mit meinem Riesenpenisdie Scheide. D<strong>an</strong>n beugt sie sich zu meinem Gesicht und ich lecke ihre Brustwarzen. D<strong>an</strong>n richtet sie sich wiederauf und steckt meinen Penis in ihre Scheide, er ist immer noch überdimensional groß.5


Plötzlich hat sie den Penis und ich die Scheide, d<strong>an</strong>n wieder zurück. Sie dreht sich um und steckt sich meinenPenis von hinten in ihre Scheide. Plötzlich wird er kleiner, normale Kindergröße und es bilden sich Tropfen. Sieknuddelt den Penis, nimmt ihn in den Mund, aber er wird noch kleiner und weich. Ich will weg, sie hält mich mitder zweiten H<strong>an</strong>d auf meiner Brust fest.D<strong>an</strong>n wird sie sauer, stößt mich über den Tisch, ich falle auf der <strong>an</strong>deren Seite auf die Sitzb<strong>an</strong>k herunter. Sieverlässt die Küche und knallt die Tür zu. Ich setze mich auf und bin g<strong>an</strong>z traurig. Wieder habe ich es nichthinbekommen, dass sie zufrieden ist. Ich will hier weg.Sie kommt zurück und jagt mich aus der Küche, ich gehe ins Wohnzimmer und setze mich in die hintere Eckeneben dem Wohnzimmerbuffet. Dort weine ich still, ich will hier weg, ich k<strong>an</strong>n mich nicht bewegen.D<strong>an</strong>n kommt meine Mutter ins Wohnzimmer, zerrt mich aus der Ecke und schlägt mich gegen Kopf oder Hals,da stürze ich auf die Couch und bleibe da liegen. Ich rolle mich in einer Ecke der Couch ein. Dort liege ich sehr,sehr l<strong>an</strong>ge. Jahrel<strong>an</strong>g. Ich will weg hier, keiner hilft mir, hoffentlich ist es bald vorbei, ich k<strong>an</strong>n mich nichtbewegen, ich schütze mein Innerstes, das kriegst du nicht. Ich zittere, es ist mir schlecht, es kotzt mich <strong>an</strong>. Ichmuss pinkeln, mir tut der Kopf weh. Hoffentlich ist es bald vorbei, w<strong>an</strong>n ist es endlich vorbei?D<strong>an</strong>n wird plötzlich für einen Moment aus dem Kleinkind ein Erwachsener und wieder zurück. D<strong>an</strong>n kommtBewegung in den <strong>kleinen</strong> Jungen, er setzt sich auf, er wird größer und älter, 10 – 12 – 15 Jahre. Er steht auf undgeht zur Wohnzimmertüre hinaus, fühlt sich stark, geht auch zur Haustüre hinaus. Auf der Außentreppe riecht erdie Luft und spürt den Wind. Es fühlt sich gut <strong>an</strong>, d<strong>an</strong>n geht er die Treppe runter und setzt sich auf die untersteStufe. Da wird er zum 5jährigen, der ein Buch hat, und zum Erwachsenen, wieder zurück, wieder vor, mehrfach.D<strong>an</strong>n steht der Erwachsene auf, der Kleine springt ihm auf den Arm, lehnt seinen Kopf <strong>an</strong> Schulter und Brustdes Großen. Der Große, ich heute, gehe zu meinem Auto, steige ein und fahre los. Ich fahre eine Schleife imDorf und komme nochmals am Haus vorbei. Da steht meine Mutter auf der Außentreppe und fuchtelt mit denArmen: gib mir meinen <strong>kleinen</strong> Jungen zurück, ich will ihn wiederhaben. Ich lache, ich freue mich und derkleine Junge neben mir und in mir lacht auch. Ich fahre weiter und öffne das Verdeck. D<strong>an</strong>n fahre ich nachHause, nach Fr<strong>an</strong>kfurt, esse und trinke in einer Raststätte. D<strong>an</strong>n komme ich in Offenbach <strong>an</strong>, im Zimmer desTherapeuten, ich beginne meine steifen Beine und Hände zu bewegen, habe Kopfschmerzen von EMDR undmuss dringend zur Toilette.Kommentar: die am Beginn der Sitzung gen<strong>an</strong>nte Aussage, dass ich beim Missbrauch hilflos sei, fühlte sichd<strong>an</strong>ach g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>ders <strong>an</strong>. Ich bin nicht hilflos, ich habe den Terror von ihr aus eigener Kraft überst<strong>an</strong>den. Es hatJahre gedauert, aber ich war nicht hilflos. Sie hat mich nicht zerstört, ich habe es geschafft.D<strong>an</strong>ach hat es wochenl<strong>an</strong>g in meinem Kopf gearbeitet, ohne dass etwas davon in meinBewusstsein kam. Auch nach der zweiten EMDR-Sitzung im Februar war das so.In dieser Zeit hatte ich wieder Kontakt zu meiner Schwester, sogar recht intensiven. Sie war<strong>an</strong> Krebs erkr<strong>an</strong>kt und verstarb im Juni 2010. Da sie im selben Haus lebte wie meine Mutter,entst<strong>an</strong>d auch zu dieser wieder Kontakt. Der bekam mir nicht gut. Auch das Elternhaus betratich dadurch wieder. Damit hatte ich Kontakt zum Tatort. Dieses Haus wird jetzt geradeverkauft. Ob die Kontakte zu Täterin, Tatort und Umfeld eine Rolle spielten bei meinerweiteren Entwicklung weiß ich nicht, mein Therapeut meint ja. Ich glaube, dass die EMDR-Sitzungen die wichtigere Grundlage wurden.UrvertrauenAnf<strong>an</strong>g Oktober 2010 hatte ich in mehreren Träumen die Integration des inneren <strong>kleinen</strong>Mädchens erlebt. Bisl<strong>an</strong>g war mir dieses kleine Mädchen noch ziemlich fremd. Ich wusstenur, dass sie es war, die den Sex mit Mutter aushalten musste. Der kleine Junge war der mitder Angst vor Hilflosigkeit, der P<strong>an</strong>ik, dem Stress im Vorfeld. Wenn es losging mit dem Sexdurch meine Mutter, wurde der kleine Junge zum <strong>kleinen</strong> Mädchen.Plötzlich verschmolz dieses kleine Mädchen im Traum in der Person von Scotty ausRaumschiff Enterprise mit mir. Der Vorg<strong>an</strong>g war nicht ängstigend, aber was sie mitbrachte,sehr: Mutters Brutalität, mein Leid und meine Verzweiflung.6


Ich entdeckte, dass mein zw<strong>an</strong>ghafter Dr<strong>an</strong>g zu Pornografie kein wirklicher Automatismus ist.Ich sitze nicht einfach da und plötzlich überfällt mich der Dr<strong>an</strong>g, Pornofilme im Internet<strong>an</strong>zuschauen. Nein, ich sitze da und es überfällt mich Leere. Um die nicht zu spüren, schaueich Pornobilder, ich betäube mich damit!Und d<strong>an</strong>n kam er, der sp<strong>an</strong>nendste Tag seit der Geburt meiner beiden Töchter, der 20.Oktober 2010.Morgens um drei oder vier Uhr konnte ich nicht mehr schlafen. Ich hatte ein unlösbaresProblem, das Problem mit dem Tod, gelöst.Tagebucheintrag 20.10.2010:Tod:„Ich k<strong>an</strong>n mir nicht vorstellen, wie es ist, wenn ich mir nichts mehr vorstellen k<strong>an</strong>n. Wie löse ich das auf?“Dieser Satz ist viele Jahre alt. Damit endete bisher jede Beschäftigung mit dem Tod.Heute Nacht entdeckte ich den ersten Lösungs<strong>an</strong>satz meines Lebens: „Vertraue auf dich. Wenn es so weit ist,wirst du es wissen.“Diese Antwort kam aus meinem tiefsten Inneren. Von Gott, oder meinem göttlichen Kind, oder vom <strong>kleinen</strong>Mädchen…Klingt mystisch? Schlagartig ging es nicht mehr um das Rätsel des Todes, sondern um vielmehr: mein Leben! Ich hatte soeben einen großen Brocken Urvertrauen zu mir und zumLeben bekommen. Urvertrauen, nichts wirklich Mystisches, sondern etwas zutiefstMenschliches. Und damit ging es richtig los!Auflösung oder Veränderung aller problematischen Grundged<strong>an</strong>kenMeine größte Angst war die Angst vor Hilflosigkeit. „Ich muss mir immer selbst helfenkönnen, bloß nicht hilflos werden“. Wenn ich mir jetzt hilflose Situationen vorstelle,empfinde ich „vertrau auf dich. Es wird irgendwie eine Lösung geben.“Die Angst vor Hilflosigkeit gibt es nicht mehr!Leere gibt es nicht mehr!Was ist das, Leere? Hatte ich damit mal Probleme? Es ist: Schwere, Morast, Ekel,Hilflosigkeit, die Leere ist nicht leer.„Männer sind Pfeifen, Frauen sind gefährlich“. Mein Vater hat beim Missbrauch meinerMutter geholfen, er ist Mittäter. Dass mein Vater mir nicht geholfen hat, war eine verkehrteBetrachtung. Er war kein „Nichthelfer“, er war ein „Mittäter“. Er hat mich mit dem Satz „alle<strong>Mütter</strong> <strong>spielen</strong> <strong>an</strong> <strong>ihren</strong> <strong>kleinen</strong> <strong>Jungens</strong> <strong>rum</strong>“ mit voller Absicht <strong>an</strong>gelogen. Es war ihm sogarrecht, dass ihn sein kleiner Sohn für eine Pfeife hielt. Hauptsache, der Sex durch die Mutterwird nicht entdeckt. Vati, die Pfeife, wurde zu Fritz, dem Lügner und Mittäter.‚Männer sind Pfeifen‘ gibt es nicht mehr!Mein Vertrauensproblem gibt es nicht mehr! Ab sofort ist es korrekt zu sagen: ich habe einProblem mit Lügen. Die, die ich als Kind als Wahrheiten gelernt hatte und in meinem Gehirnzu automatisierten Ged<strong>an</strong>ken oder Gefühlen oder H<strong>an</strong>dlungs<strong>an</strong>weisungen entwickelt hatte.Wo mein Vater mich belogen hatte, wo meine Mutter mich belogen hatte. Seither achte ichauf solche möglichen Lügen.‚Ich bin nicht wichtig‘ und ‚ich bin wertlos‘ gibt es nicht mehr!Die <strong>an</strong>deren Grundged<strong>an</strong>ken haben ihre Schärfe verloren, sind vom „müssen“ zum „sollen“herabgestuft, Wut zu Ärger.7


Meine Sexualität heute: Vor 10 Jahren war es eine gute Lösung, zwei Sexualitäten zu haben.Konnte ich doch die „normale“ Sexualität genießen und die „kaputte“ dem Missbrauchzuordnen und verteufeln. Seither hat sich viel verändert. Erst g<strong>an</strong>z l<strong>an</strong>gsam, in den letztenMonaten immer schneller. Meine „kaputte“ Sexualität ist nicht mehr zw<strong>an</strong>ghaft. Ich k<strong>an</strong>n siesogar gezielt benutzen, um mich zu betäuben, wenn ich das für nötig halte. Was häufiger derFall ist. Die zwei Sexualitäten werden l<strong>an</strong>gsam zu einer…Die Geschwindigkeit, mit der sich die gesamten Grundged<strong>an</strong>ken veränderten, warunglaublich. Am Abend des 20.10. war keiner mehr wie zuvor.Vor dem Jahr 2010 dachte ich, dass ich vielleicht 10% einer möglichen Heilung erarbeitethatte, und war mir nicht sicher, ob es Heilung überhaupt gäbe, wenn m<strong>an</strong> als Kind sexuellmissbraucht wurde. Heute glaube ich, dass es erstens Heilung gibt, und dass ich zweitens 80%davon erarbeitet habe. So gewaltig sind die Entwicklungen des Jahres 2010 und auch 2011.Ich habe noch nicht alles erzählt, es geht weiter.Auflösung von TraumataMit der Beseitigung der meisten irrationalen Grundged<strong>an</strong>ken ist meine Heilung noch nicht amEnde. Ich habe entdeckt, wie ein Trauma aufgelöst werden k<strong>an</strong>n. Dazu will ich die Geschichteerzählen, wie ich die Verzweiflung meiner Kindheit aus meinem Körper und meinem Kopfvertreiben konnte. Es war ein aktiver Vorg<strong>an</strong>g. Ich war aktiv. Und ich hatte Hilfe von zweiSelbsthilfegruppen und einem Therapeuten. Und: ich konnte Hilfe einfordern und <strong>an</strong>nehmen.Schließlich war der alte Grundged<strong>an</strong>ke ‚Männer sind Pfeifen und können mir nicht helfen‘nicht mehr wirksam.Ende November 2010: Seit längerem hatte ich klar erkennbar ein Gefühl von Leere: immerwieder, und es trieb mich in Sekundenschnelle dazu, dieses Gefühl zu betäuben, ich konnte esgar nicht aushalten. D<strong>an</strong>n hatte ich hin und wieder mal die Kraft, dem Gefühl wenigstens einpaar Sekunden nachzuspüren. Dabei hatte sich herausgestellt, die Leere war gar nicht leer,sondern sie best<strong>an</strong>d aus einem dicken, schweren Gefühl im Bauch.Nach dem Ende meiner größten Angst, der vor Hilflosigkeit, konnte ich dieses schwereGefühl im Bauch öfter zulassen. Das steigerte sich d<strong>an</strong>n soweit, bis ich es täglich fastdurchgängig spürte und halbwegs ertragen konnte.Es fühlte sich <strong>an</strong> wie eine elastische Blase, in der sich schlammige, morastige, zähe Pampebefindet, die dunkelbraun-dunkellila gefärbt ist.In meiner Selbsthilfegruppe und mit meinem Therapeuten kam ich d<strong>an</strong>n auf die Idee, eskönnte so etwas sein wie psychischer Schmerz, oder Demütigung, oder Verzweiflung, oderalles zusammen, oder noch mehr.Ich hatte d<strong>an</strong>n beim nächsten Selbsthilfegruppe-Treffen die <strong>an</strong>deren Mitglieder gefragt, wiesich denn Demütigung, psychischer Schmerz oder Verzweiflung körperlich <strong>an</strong>fühlen würden.Da kamen einige interess<strong>an</strong>te Beschreibungen zusammen und eine hat mich innerhalb kurzerZeit, nämlich bereits beim Nachhauseweg, total getroffen: Das schwere Gefühl war plötzlichweg und ist nicht mehr aufgetreten.Es war Verzweiflung. Die Verzweiflung der ersten 15 Jahre meines Lebens. Als ich den Sexmit meiner Mutter nicht wollte, als ich wollte, dass sie aufhört, als ich vergeblich meinenVater informierte, als es mal zwischendurch weniger wurde, als es d<strong>an</strong>n sogar schlimmer8


wurde, weil sie beg<strong>an</strong>n, mit mir zu ficken, als es Jahre um Jahre dauerte und nicht aufhörte,als ich mehrfach versuchte, mich selbst zu töten. Als ich d<strong>an</strong>n endlich mit 12-13 Jahrenglauben konnte, dass ich den Missbrauch überleben könnte, weil ich dachte, ich schaffe es, bisich 16-18 Jahre alt bin. Und ich schaffte es!Das schwere Gefühl und die Geschichte dazu, also die Verzweiflungsgeschichte, gleichzeitigin meinem Bewusstsein zu haben, bewirkte, dass ich beides als sehr harte, aber alszusammengehörende Erinnerung im Gedächtnis abspeichern konnte. Das Gefühl spukt nichtmehr in mir he<strong>rum</strong> und k<strong>an</strong>n sich nicht mehr als H<strong>an</strong>dlungs<strong>an</strong>weisung auswirken. Dieser Teilmeines Kindheitstraumas ist erledigt.Meine Schlussfolgerung: Habe ich ein schweres Gefühl in mir oder eine üble Geschichte,d<strong>an</strong>n gehe ich auf die Suche nach dem Gegenstück. Wenn ich das wirklich wahre Gegenstückgefunden habe, habe ich eine gute Ch<strong>an</strong>ce, dass sich das Trauma bzw. ein Teil des Traumasauflöst.Habe ich kein Gefühl, sondern eine zw<strong>an</strong>ghafte H<strong>an</strong>dlung, so suche ich nach dem Gefühl,welches durch die Zw<strong>an</strong>gsh<strong>an</strong>dlung verdeckt wird: Ich versuche, g<strong>an</strong>z genau in meinemKörper zu beobachten und zu spüren, was da passiert in den Sekunden vor derZw<strong>an</strong>gsh<strong>an</strong>dlung. Mein Ziel ist nicht, die Zw<strong>an</strong>gsh<strong>an</strong>dlung zu unterlassen, sondern dasverdeckte Gefühl zu entdecken.Nicht alles, was heute noch Probleme verursacht, ist auf den Täter zurückführbar. Vater,Mutter, Täter: Sie alle haben große eigenständige Bedeutung. Bei mir betrifft diese außerMutter noch meinen Vater. Einige meiner Grundged<strong>an</strong>ken hatten mit ihm zu tun. Und vorallem: ich war 3(!) Jahre alt, als ich mich bei ihm über Mutter beschwerte. Er hätte mir 10(!)weitere Jahre Missbrauch ersparen können. Da<strong>rum</strong> hatte meine Ausein<strong>an</strong>dersetzung mit ihmeine große Bedeutung bei meiner Heilung.Es gibt noch einen zentralen Punkt: Die Schweigemauer musste weg. G<strong>an</strong>z weg. Der Beginndieses Vorg<strong>an</strong>gs war die Wiedererinnerung des Missbrauchs vor 12 Jahren, das Ende einFernsehbericht des HR über mich im Februar 2011.Heilung, oder: die Auflösung von Traumata, ist meiner Meinung nach ein perm<strong>an</strong>enterVorg<strong>an</strong>g, der nicht endet. Das bedeutet aber auch, dass ich nicht ständig mit heilen beschäftigtbin. Ich bin mit essen beschäftigt, mit lesen, mit lieben, mit heilen, mit arbeiten …Meine Ressourcen„Vor kurzem war ich bereits die dritte oder vierte Woche hinterein<strong>an</strong>der kaum arbeitsfähig.Ich war depressiv. Nicht ein einziges Mal habe ich es zum Krafttraining geschafft. Abendskonnte ich mich nicht auf die Nachrichten konzentrieren und morgens kam ich vor 10 Uhrnicht aus dem Bett.“Soll ich die vier Wochen wirklich so beschreiben? Oder vielleicht eher so:„In den letzten drei bis vier Wochen saß ich jeden zweiten Tag auf dem Balkon, habe gelesenund teilweise in der Sonne gebräunt. In meinem Lieblingscafé war ich ebenfalls mehrfach,habe Kaffee getrunken, Menschen beobachtet, gelesen, Notizen gemacht. Ich liebe lesen. Undwenn es nicht regnete, fuhr ich fast täglich mit dem Fahrrad am Main entl<strong>an</strong>g. Abends saß ichd<strong>an</strong>n gelegentlich in der Badew<strong>an</strong>ne mit Buch, Kaffee, Papier, Stift, Telefon, genoss diefeuchte Wärme und entsp<strong>an</strong>nte mich.“9


Beide Versionen sind „wahr“.Weil ich die zweite Version sehr gerne mag, liste ich <strong>an</strong>schließend meine Stärken auf. Aufneudeutsch: meine Ressourcen. Was k<strong>an</strong>n ich? Was mag ich gerne? Das Wichtignehmendieser Ressourcen führt dazu, dass mein Tagesablauf immer <strong>an</strong>genehmer und optimistischerwird.Meine Ressourcen in meinem Innern:- ich k<strong>an</strong>n selbständig relativ autark leben- ich denke <strong>an</strong>alytisch- ich k<strong>an</strong>n komplexe Probleme lösen- ich arbeite mit inneren Bildern- ich k<strong>an</strong>n mir Wissen jederzeit <strong>an</strong>eignen- ich habe umf<strong>an</strong>greiches Wissen- ich habe einen inneren Wohlfühlort- ich bin intelligent- ich bin neugierig- ich bin geduldig- ich k<strong>an</strong>n mich einfühlen- ich k<strong>an</strong>n kreative Ideen entwickeln- ich k<strong>an</strong>n mich nach innen konzentrieren- ich k<strong>an</strong>n mich gut beobachten- ich k<strong>an</strong>n Gefühle betäuben- ich bin hilfsbereit und ehrlichMeine Ressourcen außerhalb von mir:- Ich habe Freunde- ich bin in Selbsthilfegruppen ver<strong>an</strong>kert- Badew<strong>an</strong>ne- interess<strong>an</strong>te berufliche Tätigkeiten- ausreichend Vermögen- meine Töchter- ich bin attraktiv- ich lese gerne- ich habe viel Wissen- ich liebe es, im Café zu sitzen- ich fahre gerne Rad„Aus leben wird lieben, wenn du ein ‚i‘ einfügst.“10

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