13.07.2015 Aufrufe

Eine Filmlesung von Thomas Binotto - Filmleser.ch

Eine Filmlesung von Thomas Binotto - Filmleser.ch

Eine Filmlesung von Thomas Binotto - Filmleser.ch

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Vom Bu<strong>ch</strong>staben zum Bildersturm<strong>Eine</strong> <strong>Filmlesung</strong> <strong>von</strong> <strong>Thomas</strong> <strong>Binotto</strong>1


Der <strong>Filmleser</strong>Vom Bu<strong>ch</strong>staben zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tHinweise zu den Unterlagen • Die folgenden Arbeitsunterlagen beziehen si<strong>ch</strong> exemplaris<strong>ch</strong> auf jene Filme, die au<strong>ch</strong> in meinen <strong>Filmlesung</strong>en zum Thema «Literaturverfilmung» im Zentrum stehen. Dabei gilt es zu bea<strong>ch</strong>ten, dass si<strong>ch</strong> das Programm für die Mittelstufe in der Filmauswahl <strong>von</strong> jenem für die Oberstufe unters<strong>ch</strong>eidet. Diese Unters<strong>ch</strong>eidung wird in den Unterlagen ni<strong>ch</strong>t kenntli<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t, der Ents<strong>ch</strong>eid darüber, auf wel<strong>ch</strong>er Stufe sie eingesetzt werden, bleibt der jeweiligen Lehrperson überlassen. • Die Arbeitsblätter sind so gestaltet, dass sie si<strong>ch</strong> ohne weiteres für andere Bü<strong>ch</strong>er & Filme adaptieren lassen. Sie gewähren für den Einsatz im Unterri<strong>ch</strong>t damit grösstmögli<strong>ch</strong>e Flexibilität. Den Arbeitsauftrag für «Harry Potter» könnte man beispielsweise problemlos au<strong>ch</strong> auf eine Szene aus «Percy Jackson» anwenden. • Verfilmungen werden im Normalfall na<strong>ch</strong> Lektüre und Behandlung der Vorlage gezeigt. Es kann si<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> lohnen, die Unterlagen au<strong>ch</strong> während der Lektüre einzusetzen, wenn beispielsweise die entspre<strong>ch</strong>ende Szene im Bu<strong>ch</strong> auftau<strong>ch</strong>t. • Diese Arbeitsblätter gehen jeweils <strong>von</strong> der Vorlage aus und fordern die Lehrer/S<strong>ch</strong>üler heraus, si<strong>ch</strong> an eine Verfilmung «heranzutasten». Selbstverständli<strong>ch</strong> ist au<strong>ch</strong> der umgekehrte Weg mögli<strong>ch</strong>. Man könnte also beispielsweise die Szene aus «Mein Name ist Eugen» zeigen, bevor man den Text dazu liest und si<strong>ch</strong> dann an eine Vers<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>ung zu ma<strong>ch</strong>en. Dieses Vorgehen bietet si<strong>ch</strong> vor allem dann an, wenn die Verfilmung sehr bekannt ist, bekannter no<strong>ch</strong> als die Vorlage. • Beim Arbeitsblatt «Vom Text zur Verdi<strong>ch</strong>tung» stehen drei Auss<strong>ch</strong>nitte aus der «Herr der Ringe» zur Auswahl. • Zum Textauss<strong>ch</strong>nitt aus «Pünkt<strong>ch</strong>en und Anton» ist kein Arbeitsblatt vorgesehen. Ein Verglei<strong>ch</strong> der Textvorlage mit den beiden Verfilmungen, die beide stark <strong>von</strong> der Vorlage abwei<strong>ch</strong>en, könnte jedo<strong>ch</strong> dazu anregen, zu diskutieren, <strong>von</strong> wel<strong>ch</strong>er Fassung si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>üler besonders angespro<strong>ch</strong>en respektive abgestossen fühlen. Die Meinungen werden erfahrungsgemäss auseinander gehen, so dass ein angeregtes Gesprä<strong>ch</strong> entstehen kann. • Die Filmauss<strong>ch</strong>nitte können aus urheberre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Gründen ni<strong>ch</strong>t auf DVD abgegeben werden. Um das s<strong>ch</strong>nelle Auffinden auf der Kauf-­‐ oder Leih-­‐DVD zu erlei<strong>ch</strong>tern, ist am Ende der Textauss<strong>ch</strong>nitte jeweils das entspre<strong>ch</strong>ende DVD-­‐Kapitel angegeben. THOMAS BINOTTO, NOVEMBER 2011 © <strong>Thomas</strong> <strong>Binotto</strong> – www.filmleser.<strong>ch</strong> 1/1 17.11.11


Der <strong>Filmleser</strong>Vom Bu<strong>ch</strong>stabe zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tVom Text zum Film – Verbildli<strong>ch</strong>ung «Harry Potter und der Stein des Waisen» Vorlage: J.K. Rowling – Regie: Chris Columbus Lies den ausgeteilten Textauss<strong>ch</strong>nitt genau dur<strong>ch</strong> und ma<strong>ch</strong> dir dein eigenes Bild. Skizze Sti<strong>ch</strong>worte Ar<strong>ch</strong>itektur ....................................................................................................................................................................................................... ....................................................................................................................................................................................................... Mens<strong>ch</strong>en .................................................................................................................................................................................. .................................................................................................................................................................................. Details .................................................................................................................................................................................. .................................................................................................................................................................................. Blickwinkel .................................................................................................................................................................................. .................................................................................................................................................................................. Farben .................................................................................................................................................................................. .................................................................................................................................................................................. Li<strong>ch</strong>t .................................................................................................................................................................................. .................................................................................................................................................................................. © <strong>Thomas</strong> <strong>Binotto</strong> – www.filmleser.<strong>ch</strong> 1/1 12.11.11


Der <strong>Filmleser</strong>I<strong>ch</strong> war längstens einges<strong>ch</strong>lafen, als i<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> eine gewisse Unruhe im Logis geweckt wurde: Der Vater redete draussen aufgeregt, kam in mein Zimmer, untersu<strong>ch</strong>te den Zentralheizungskörper, hiess mi<strong>ch</strong> aufstehen, denn irgendwo seien die Heizungsrohre gebro<strong>ch</strong>en, und das heisse viele hundert Franken S<strong>ch</strong>aden. Jetzt helfe nur s<strong>ch</strong>nelles und besonnenes Handeln. Mit S<strong>ch</strong>raubens<strong>ch</strong>lüsseln bewaffnet eilte er dur<strong>ch</strong>s ganze Haus, zuerst, um alle Heizkörper zu öffnen. Das sei das einzig Ri<strong>ch</strong>tige. Tante Melanie kam verhühnert in tausend Jäck<strong>ch</strong>en und mit der Kassette unter dem Arm zum Vors<strong>ch</strong>ein, als brenne es, und au<strong>ch</strong> bei Wrigleys unten wurde es laut. Der Vater hatte unterdessen im Keller das ganze Leitungssystem entleert, und in unserer Wohnung erkannte i<strong>ch</strong> soglei<strong>ch</strong> warum: Während nämli<strong>ch</strong> die ganze Familie ges<strong>ch</strong>lafen hatte, fing es an dur<strong>ch</strong> die Decke auf Vaters Bett herunterzutropfen, aber ni<strong>ch</strong>t Quellwasser, sondern eine braune Brühe. Der Vater, so sagte er später, habe zuerst die längste Zeit vom S<strong>ch</strong>wimmklub geträumt, in dem er seinerzeit Sekretär War: Er spielte in seinem Bett ungefähr eine halbe Stunde Wasserball und war der Star seiner Manns<strong>ch</strong>aft, bis er erwa<strong>ch</strong>te und si<strong>ch</strong> selbst und das ganze Bett dur<strong>ch</strong>nässt fand. Herausspringen und geistesgegenwärtig wissen, wo es fehlt, war eins. Drum ma<strong>ch</strong>te er si<strong>ch</strong> drunten mit dem Entleeren zu s<strong>ch</strong>affen, und als er fertig war, kam er herauf und hielt uns stolz einen Vortrag: Mit dem S<strong>ch</strong>raubens<strong>ch</strong>lüssel in der Hand und im Pijama dozierte er uns, dass ein sol<strong>ch</strong>er Leitungsbru<strong>ch</strong> ein ganzes Haus s<strong>ch</strong>ädigen könne, wenn man ni<strong>ch</strong>t ruhig, s<strong>ch</strong>nell und zielbewusst wie er, soglei<strong>ch</strong> das Ri<strong>ch</strong>tige unternehme. Bis jetzt sei der S<strong>ch</strong>aden minim. Darum sollten wir uns merken: Erste Bewegung: Heizkörper auf. Zweite Bewegung: Leitungen entleeren. Dann könne ni<strong>ch</strong>ts mehr passieren, und am andern Tage lasse si<strong>ch</strong> das s<strong>ch</strong>adhafte Rohr ohne Vom Bu<strong>ch</strong>staben zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tWrigley und Eugen testen das Faltbootweiteres ersetzen. Wir andern mussten das Gesagte dreimal repetieren, und wir wären uns vorgekommen, wie an einer Feuerwehrübung, hätte ni<strong>ch</strong>t in mir eine leise Ahnung gefressen. Der Vater führte uns hierauf ins elterli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>lafzimmer, wo die Mutter die Betten beiseiteges<strong>ch</strong>oben und Fegkessel unterstellt hatte. Wir sollten uns jetzt a<strong>ch</strong>ten, so sagte er stolz, wie innerhalb <strong>von</strong> ein paar Minuten das Wasser aufhöre. -­‐ Aber wie wir uns au<strong>ch</strong> a<strong>ch</strong>teten, und wie wir au<strong>ch</strong> warteten: Es tropfte immer stärker, immer eiliger, bis es <strong>von</strong> der Decke herab floss, bis die Kessel immer s<strong>ch</strong>neller gewe<strong>ch</strong>selt werden mussten und des Vaters siegessi<strong>ch</strong>erer Blick unruhig wurde. «Ja, was ist denn das?» fragte er in si<strong>ch</strong> hinein und kratzte si<strong>ch</strong> im Bart. Zu meinem S<strong>ch</strong>recken holte er eine Kerze und stieg in den Estri<strong>ch</strong> hinauf. Wie er wieder herunterkam, das will i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t bes<strong>ch</strong>reiben. Natürli<strong>ch</strong>: Wir waren wieder einmal an allem s<strong>ch</strong>uld. -­‐ Aber dass die Erwa<strong>ch</strong>senen das Faltboot jahrelang unkontrolliert oben gelassen hatten, bis es s<strong>ch</strong>auerli<strong>ch</strong>e Lecke zeigte, und dass sie im Grunde genommen an allem selber s<strong>ch</strong>uld waren, das gaben sie heute wie gewöhnli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t zu.«Mein Name ist Eugen»S<strong>ch</strong>weiz 2005Regie: Mi<strong>ch</strong>ael SteinerDVD-Kapitel 3Auss<strong>ch</strong>nitt aus »Mein Name ist Eugen« <strong>von</strong> Klaus S<strong>ch</strong>ädelin ers<strong>ch</strong>ienen bei TVZ 1


____________________________________________SCENE____________________________________________________ PAGE_____________FRAMEHD1920_803 HD1280_536 720_301ACTION / DIALOGUESHOT Int Ext DayNightPANEL PANELPANELPANELInt Ext Day NightInt Ext Day NightInt Ext Day NightInt Ext Day NightPANELAspectRatio = 2.39:1PixelAspectRatio = 1 (Square)[


Der <strong>Filmleser</strong>Vom Bu<strong>ch</strong>staben zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tVom Text zum Film – Bewegung«Mein Name ist Eugen»Vorlage: Klaus S<strong>ch</strong>ädelin – Regie: Mi<strong>ch</strong>ael SteinerBeantworte die folgenden Fragen mit Sti<strong>ch</strong>worten:Wie wird aus dieser Episode eine Action-Szene? ....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................Wie wählst und veränderst du den Bildauss<strong>ch</strong>nitt .................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................Wo positionierst du die Kamera? ....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................Wel<strong>ch</strong>e Bewegungen sind wi<strong>ch</strong>tig? ................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................Wel<strong>ch</strong>e Personen tau<strong>ch</strong>en wann auf? ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................Wie viel Dialog brau<strong>ch</strong>t diese Szene? ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................Wel<strong>ch</strong>e Musik/Geräus<strong>ch</strong>e brau<strong>ch</strong>t die Szene? ...........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................Setze den ausgeteilten Textauss<strong>ch</strong>nitt nun in ein einfa<strong>ch</strong>es Storyboard mitmaximal 10 Bildern um.© <strong>Thomas</strong> <strong>Binotto</strong> – www.filmleser.<strong>ch</strong> 1/1 15.11.11


Der <strong>Filmleser</strong>»Im Moosba<strong>ch</strong>« lag in einer kleinen moorartigen Niederung bei Mägendorf. Matthäi hatte den Dienstwagen im Dorfe verlassen und ging zu Fuß. Er wollte Zeit gewinnen. S<strong>ch</strong>on <strong>von</strong> weitem sah er das Haus. Er blieb stehen und wandte si<strong>ch</strong> um. Er hatte S<strong>ch</strong>ritte gehört. Der kleine Bub und das Mäd<strong>ch</strong>en waren wieder da, mit gerötetem Gesi<strong>ch</strong>t. Sie mußten Abkürzungen benützt haben, anders war ihre erneute Gegenwart ni<strong>ch</strong>t zu erklären. Matthäi ging weiter. Das Haus war niedrig, weiße Mauern mit dunklen Balken, darüber ein S<strong>ch</strong>indelda<strong>ch</strong>. Hinter dem Haus Obstbäume und im Garten s<strong>ch</strong>warze Erde. Vor dem Hause hackte ein Mann Holz. Er blickte auf und bemerkte den herankommenden Kommissär. »Was wüns<strong>ch</strong>en Sie?« sagte der Mann. Matthäi zögerte, war ratlos, stellte si<strong>ch</strong> dann vor und fragte, nur um Zeit zu gewinnen: »Herr Moser?« »Der bin i<strong>ch</strong>, was wollen Sie?« sagte der Mann no<strong>ch</strong> einmal. Er kam näher und blieb vor Matthäi stehen, das Beil in der Hand. Er mußte etwa vierzig sein. Er war hager, sein Antlitz zerfur<strong>ch</strong>t, und die grauen Augen betra<strong>ch</strong>teten den Kommissär fors<strong>ch</strong>end. In der Türe ers<strong>ch</strong>ien eine Frau, au<strong>ch</strong> sie in einem roten Rock. Matthäi überlegte, was er sagen sollte. Er hatte si<strong>ch</strong> dies seit langem überlegt, aber er wußte es immer no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t. Da kam ihm Moser zu Hilfe. Er hatte den Korb in Matthäis Hand erblickt. »Ist Gritli etwas ges<strong>ch</strong>ehen?« fragte er und sah aufs neue Matthäi fors<strong>ch</strong>end an. »Haben Sie Ihr Gritli irgend wohin ges<strong>ch</strong>ickt?« fragte der Kommissär. »Zu ihrer Großmutter in Fehren«, antwortete der Bauer. Matthäi überlegte. Fehren war das Na<strong>ch</strong>bardorf. »Ging Gritli diesen Weg öfters?« fragte er. »Jeden Mittwo<strong>ch</strong>-­‐und Samstagna<strong>ch</strong>mittag«, sagte der Bauer Vom Bu<strong>ch</strong>staben zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tMatthäi s<strong>ch</strong>wört bei seiner Seligkeitund fragte dann in einer plötzli<strong>ch</strong>en, jähen Angst: »Warum wollen Sie das wissen? Weshalb bringen Sie den Korb zurück?« Matthäi stellte den Korb auf den Baumstumpf, auf dem Moser Holz gehackt hatte. »Das Gritli ist im Walde bei Mägendorf tot aufgefunden worden«, sagte er. Maser rührte si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t. Au<strong>ch</strong> die Frau ni<strong>ch</strong>t, die immer no<strong>ch</strong> in der Türe stand in ihrem roten Rock. Matthäi sah, wie dem Manne auf einmal S<strong>ch</strong>weiß über das weiße Gesi<strong>ch</strong>t floß, S<strong>ch</strong>weiß in Bä<strong>ch</strong>en. Er hätte gern weggeblickt, aber er war gebannt <strong>von</strong> diesem Gesi<strong>ch</strong>t, <strong>von</strong> diesem S<strong>ch</strong>weiß, und so standen sie da und starrten einander an. »Das Gritli ist ermordet worden«, hörte si<strong>ch</strong> Matthäi sagen, mit einer Stimme, die ohne Mitgefühl zu sein s<strong>ch</strong>ien, was ihn ärgerte. »Das ist do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>«, flüsterte Moser, »es kann do<strong>ch</strong> keine sol<strong>ch</strong>en Teufel geben«, und dabei zitterte die Faust mit dem Beil. »Es gibt sol<strong>ch</strong>e Teufel, Herr Moser«, sagte Matthäi. Der Mann starrte ihn an. »I<strong>ch</strong> will zu meinem Kinde«, sagte er fast unhörbar. Der Kommissär s<strong>ch</strong>üttelte den Kopf. »Das würde i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, Herr Maser. I<strong>ch</strong> weiß, es ist grausam, was i<strong>ch</strong> jetzt sage, aber es ist besser, wenn Sie ni<strong>ch</strong>t zu Ihrem Gritli gehen.« Maser trat ganz nahe zum Kommissär, so nahe, daß si<strong>ch</strong> die beiden Männer Auge in Auge gegenüberstanden. »Warum ist es besser?« s<strong>ch</strong>rie er. Der Kommissär s<strong>ch</strong>wieg. Na<strong>ch</strong> einen Augenblick lang wog Maser das Beil in der Hand, als wollte er zus<strong>ch</strong>lagen, do<strong>ch</strong> dann wandte er si<strong>ch</strong> um und ging zu der Frau, die immer no<strong>ch</strong> in der Türe stand. No<strong>ch</strong> immer ohne Bewegung, no<strong>ch</strong> immer stumm. Matthäi wartete. Es entging ihm ni<strong>ch</strong>ts, und er wußte auf einmal, daß er diese Szene nie mehr vergessen würde. Maser umklammerte seine Frau. Er Auss<strong>ch</strong>nitt aus »Das Verspre<strong>ch</strong>en« | Friedri<strong>ch</strong> Dürrenmatt | Diogenes Verlag 1


Der <strong>Filmleser</strong>wurde plötzli<strong>ch</strong> <strong>von</strong> einem unhörbaren S<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>zen ges<strong>ch</strong>üttelt. Er barg sein Gesi<strong>ch</strong>t an ihrer S<strong>ch</strong>ulter, während sie ins Leere starrte. »Morgen abend dürfen Sie Ihr Gritli sehen«, verspra<strong>ch</strong> der Kommissär hilflos. »Das Kind wird dann aussehen, als ob es s<strong>ch</strong>liefe.« Da begann plötzli<strong>ch</strong> die Frau zu spre<strong>ch</strong>en. »Wer ist der Mörder?« fragte sie mit einer Stimme, die so ruhig und sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> war, daß Matthäi ers<strong>ch</strong>rak. »Das werde i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on herausfinden, Frau Maser.« Die Frau s<strong>ch</strong>aute ihn nun an, drohend, gebietend. »Verspre<strong>ch</strong>en Sie das?« »I<strong>ch</strong> verspre<strong>ch</strong>e es, Frau Maser«, sagte der Kommissär, auf einmal nur vom Wuns<strong>ch</strong>e bestimmt, den Ort zu verlassen. »Bei Ihrer Seligkeit?« Der Kommissär stutzte. »Bei meiner Seligkeit«, sagte er endli<strong>ch</strong>. Was wollte er anderes. »Dann gehen Sie«, befahl die Frau. »Sie haben bei Ihrer Seligkeit ges<strong>ch</strong>woren.« Matthäi wollte no<strong>ch</strong> etwas Tröstli<strong>ch</strong>es sagen und wußte ni<strong>ch</strong>ts Tröstli<strong>ch</strong>es. »Es tut mir leid«, sagte er leise und wandte si<strong>ch</strong> um. Er ging langsam den Weg zurück, den er gekommen war. Vor ihm lag Mägendorf mit dem Wald dahinter. Darüber der Himmel nun ohne Wolken. Er erblickte die beiden Kinder wieder, die am Straßenrand kauerten, an denen er müde vorübers<strong>ch</strong>ritt und die ihm trippelnd folgten. Dann hörte er plötzli<strong>ch</strong> vom Hause her, hinter si<strong>ch</strong>, einen S<strong>ch</strong>rei wie <strong>von</strong> einem Tier. Er bes<strong>ch</strong>leunigte seinen S<strong>ch</strong>ritt und wußte ni<strong>ch</strong>t, ob es der Mann oder die Frau war, das so weinte.« «Es ges<strong>ch</strong>ah am helli<strong>ch</strong>ten Tag»S<strong>ch</strong>weiz 1958Regie: Ladislao VajdaDVD-Kapitel 4Vom Bu<strong>ch</strong>staben zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tMatthäi s<strong>ch</strong>wört bei seiner SeligkeitWi<strong>ch</strong>tiger Hinweis:«Es ges<strong>ch</strong>ah am helli<strong>ch</strong>ten Tag» wurde na<strong>ch</strong> einemOriginaldrehbu<strong>ch</strong> <strong>von</strong> Friedri<strong>ch</strong> Dürrenmatt gedreht.Erst dana<strong>ch</strong> hat Dürrenmatt seine Erzählung «DasVerspre<strong>ch</strong>en» ges<strong>ch</strong>rieben, weil er darin Akzentesetzen wollte, die ihm <strong>von</strong> der Filmproduktion ni<strong>ch</strong>tgestattet wurden. Sean Penns «The Pledge» ist keinRemake des Films <strong>von</strong> 1958 sondern eine Adaption derErzählung <strong>von</strong> Friedri<strong>ch</strong> Dürrenmatt.«The Pledge»USARegie: Sean PennDVD-Kapitel 3Auss<strong>ch</strong>nitt aus »Das Verspre<strong>ch</strong>en« | Friedri<strong>ch</strong> Dürrenmatt | Diogenes Verlag 2


Der <strong>Filmleser</strong>Vom Bu<strong>ch</strong>staben zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tVom Text zum Film – Dialog«Das Verspre<strong>ch</strong>en» – «Es ges<strong>ch</strong>ah am helli<strong>ch</strong>ten Tag» / «The Pledge»Vorlage: Friedri<strong>ch</strong> Dürrenmatt – Regie: Ladislao Vajda / Sean PennMarkiere im ausgeteilten Textabs<strong>ch</strong>nitt……jene Stellen gelb, die du für den Filmdialog übernimmst.…jene Stellen grün, die du in Filmbilder übersetzt.…jene Stellen rot, wo du zusätzli<strong>ch</strong>e Informationen (Text oder Bild) einfügen willst.Sti<strong>ch</strong>worte zur S<strong>ch</strong>auspielerführung:Charakter Kommissar ........................................................................................................................................Vater ......................................................................................................................................................Mutter ..................................................................................................................................................Motivation Kommissar ........................................................................................................................................Vater ......................................................................................................................................................Mutter ..................................................................................................................................................Gefühle Kommissar ........................................................................................................................................Vater ......................................................................................................................................................Mutter ..................................................................................................................................................Spra<strong>ch</strong>e Kommissar ........................................................................................................................................Vater ......................................................................................................................................................Mutter ..................................................................................................................................................Reaktion Kommissar ........................................................................................................................................Vater ......................................................................................................................................................Mutter ..................................................................................................................................................Bewegung Kommissar ........................................................................................................................................Vater ......................................................................................................................................................Mutter ..................................................................................................................................................<strong>Thomas</strong> <strong>Binotto</strong> – www.filmleser.<strong>ch</strong> 1/1 15.11.11


Der <strong>Filmleser</strong>Und Bilbo Beutlin? S<strong>ch</strong>on während er seine Rede hielt, hatte er mit dem goldenen Ring in seiner Tas<strong>ch</strong>e gespielt, dem Zauberring, dessen Geheimnis er so viele Jahre gewahrt hatte. Als er vom Stuhl stieg, s<strong>ch</strong>ob er ihn si<strong>ch</strong> auf den Finger und wurde <strong>von</strong> keinem Hobbit in Hobbingen je wieder gesehen. Ras<strong>ch</strong> ging er zu seiner Höhle. Dort blieb er einen Moment stehen und hor<strong>ch</strong>te lä<strong>ch</strong>elnd auf das Getöse aus dem Zelt und den Festtrubel <strong>von</strong> den anderen Teilen der Wiese. Dann ging er hinein. Er legte den Festtagsanzug ab, faltete die bestickte Seidenweste zusammen, wickelte sie in Seidenpapier und steckte sie weg. S<strong>ch</strong>nell streifte er ein paar alte, geflickte Sa<strong>ch</strong>en über und s<strong>ch</strong>nallte einen abgewetzten Ledergürtel um. Daran hängte er ein kurzes S<strong>ch</strong>wert in einer S<strong>ch</strong>eide aus verwittertem s<strong>ch</strong>warzem Leder. Aus einer vers<strong>ch</strong>lossenen S<strong>ch</strong>ublade, die na<strong>ch</strong> Mottenkugeln ro<strong>ch</strong>, holte er einen alten Kapuzenmantel hervor. Er hatte ihn verwahrt wie eine Kostbarkeit, do<strong>ch</strong> hatte er so viele Flicken und Flecken, dass die ursprüngli<strong>ch</strong>e Farbe kaum mehr zu erraten war; viellei<strong>ch</strong>t war er einmal dunkelgrün gewesen. Obendrein war er ihm etwas zu groß. Dann ging er in sein Studierzimmer und nahm aus einer großen eisernen Truhe ein in Lappen gewickeltes Bündel und ein in Leder gebundenes Bu<strong>ch</strong>, außerdem einen großen, festen Briefums<strong>ch</strong>lag. Bu<strong>ch</strong> und Bündel stopfte er zuoberst in einen bereitstehenden s<strong>ch</strong>weren Rucksack, der s<strong>ch</strong>on fast voll war. In den Ums<strong>ch</strong>lag steckte er seinen goldenen Ring mitsamt dem Kett<strong>ch</strong>en; dann vers<strong>ch</strong>loss er ihn und s<strong>ch</strong>rieb Frodos Namen drauf. Zuerst legte er ihn auf den Kaminsims, aber plötzli<strong>ch</strong> nahm er ihn wieder weg und steckte ihn si<strong>ch</strong> in die Tas<strong>ch</strong>e. In diesem Augenblick ging die Tür auf, und Gandalf kam ras<strong>ch</strong> herein. »Hallo!« sagte Bilbo. »I<strong>ch</strong> fragte mi<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on, ob du no<strong>ch</strong> mal hereins<strong>ch</strong>aust.« »I<strong>ch</strong> bin froh, di<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>tbar vorzufinden«, antwortete der Zauberer und setzte si<strong>ch</strong> auf einen Stuhl. »I<strong>ch</strong> wollte di<strong>ch</strong> unbedingt no<strong>ch</strong> mal erwis<strong>ch</strong>en und ein paar letzte Worte loswerden. I<strong>ch</strong> nehme an, du findest, dass alles bestens und na<strong>ch</strong> Plan verlaufen ist?« »Ja, finde i<strong>ch</strong>«, sagte Bilbo. »Nur dieser Blitz kam unvorhergesehen; er Vom Bu<strong>ch</strong>staben zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tBilbo verabs<strong>ch</strong>iedet si<strong>ch</strong> vom Auenlandhat sogar mi<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>reckt, umso mehr die anderen. <strong>Eine</strong> kleine Zugabe <strong>von</strong> dir, nehm i<strong>ch</strong> an?« »Allerdings. Du hast klugerweise diesen Ring all die Jahre über geheim gehalten, und i<strong>ch</strong> fand es nötig, deinen Gästen etwas zu bieten, das dein plötzli<strong>ch</strong>es Vers<strong>ch</strong>winden s<strong>ch</strong>einbar erklären könnte.« »Und das mir den Spaß verdirbt!« sagte Bilbo und la<strong>ch</strong>te. »Musst du di<strong>ch</strong> denn in alles einmis<strong>ch</strong>en? Aber wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> weißt du es wieder mal am besten.« »Freili<strong>ch</strong> – alles, was i<strong>ch</strong> weiß, weiß i<strong>ch</strong> am besten. Aber in dieser Sa<strong>ch</strong>e bin i<strong>ch</strong> mir ni<strong>ch</strong>t so si<strong>ch</strong>er. Sie wäre nun abges<strong>ch</strong>lossen. Deinen Spaß hast du gehabt, die meisten deiner Verwandten s<strong>ch</strong>ockiert oder beleidigt und dem ganzen Auenland Gesprä<strong>ch</strong>sstoff für neun bis neunundneunzig Tage gegeben. Hast du no<strong>ch</strong> mehr derglei<strong>ch</strong>en vor?« »In der Tat! Mir ist na<strong>ch</strong> einem Urlaub zumute, einem sehr langen Urlaub, wie i<strong>ch</strong> dir s<strong>ch</strong>on sagte. Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> wird es ein Dauerurlaub: I<strong>ch</strong> glaube ni<strong>ch</strong>t, dass i<strong>ch</strong> wiederkomme. Jedenfalls habe i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t die Absi<strong>ch</strong>t, und i<strong>ch</strong> habe alle Vorkeh·rungen getroffen. I<strong>ch</strong> bin alt, Gandalf. Man sieht es mir ni<strong>ch</strong>t an, aber im Innersten spüre i<strong>ch</strong>'s nun. No<strong>ch</strong> gut erhalten, <strong>von</strong> wegen!« s<strong>ch</strong>nob er. »Nun, i<strong>ch</strong> komme mir dünn vor, sozusagen gestreckt, versteh mi<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>t, wie zu dünn aufs Brot gestri<strong>ch</strong>ene Butter. Das kann do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t in Ordnung sein. I<strong>ch</strong> brau<strong>ch</strong>e eine Veränderung, irgend so etwas.« Gandalf musterte ihn eindringli<strong>ch</strong>. »Nein, das kann wohl ni<strong>ch</strong>t in Ordnung sein«, sagte er na<strong>ch</strong>denkli<strong>ch</strong>. »Nein, letzten Endes, glaube i<strong>ch</strong>, ist dein Plan wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> der beste.« »Jedenfalls, i<strong>ch</strong> bin fest ents<strong>ch</strong>lossen. I<strong>ch</strong> will wieder Berge sehn, Gandalf, Berge, und dann einen Ort finden, wo i<strong>ch</strong> meine Ruhe habe. Wo man mi<strong>ch</strong> in Frieden lässt, wo diese Horde <strong>von</strong> neugierigen Verwandten mir ni<strong>ch</strong>t zusetzt, wo ni<strong>ch</strong>t dauernd irgendein lästiger Besu<strong>ch</strong> vor der Tür steht. Viellei<strong>ch</strong>t finde i<strong>ch</strong> sogar einen Ort, wo i<strong>ch</strong> mein Bu<strong>ch</strong> zu Ende s<strong>ch</strong>reiben kann. I<strong>ch</strong> habe mir s<strong>ch</strong>on einen hübs<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>luss ausgeda<strong>ch</strong>t: Und er lebte glückli<strong>ch</strong> und zufrieden bis ans Ende seiner Tage.« Gandalf la<strong>ch</strong>te. »Das wüns<strong>ch</strong>e i<strong>ch</strong> ihm. Aber niemand wird das Bu<strong>ch</strong> Auss<strong>ch</strong>nitt aus »Der Herr der Ringe« <strong>von</strong> J.R.R. Tolkien ers<strong>ch</strong>ienen bei Klett-Cotta 1


Der <strong>Filmleser</strong>lesen, egal wie es endet.« »A<strong>ch</strong>, viellei<strong>ch</strong>t do<strong>ch</strong> der eine oder andere, in späteren Jahren. Frodo hat s<strong>ch</strong>on einiges gelesen, so weit, wie i<strong>ch</strong> gekommen bin. Du wirst do<strong>ch</strong> ein Auge auf Frodo haben, ja?« »Sogar zwei Augen, sooft i<strong>ch</strong> sie entbehren kann.« »Er würde mi<strong>ch</strong> selbstverständli<strong>ch</strong> begleiten, wenn i<strong>ch</strong> ihn darum bäte. Er hat es mir sogar s<strong>ch</strong>on angeboten, kurz vor dem Fest. Aber eigentli<strong>ch</strong> mä<strong>ch</strong>te er ni<strong>ch</strong>t fort, no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t. I<strong>ch</strong> will, bevor i<strong>ch</strong> sterbe, das wilde Land no<strong>ch</strong> einmal sehn und das Gebirge; er aber hängt no<strong>ch</strong> zu sehr am Auenland mit seinen Wiesen und Wäldern und den kleinen Flüssen. Hier müsste es ihm gut gehen. Natürli<strong>ch</strong> hinterlasse i<strong>ch</strong> ihm alles bis auf ein paar Kleinigkeiten. I<strong>ch</strong> hoffe, er wird glückli<strong>ch</strong>, wenn er si<strong>ch</strong> erst mal daran gewähnt hat, auf eigenen Füßen zu stehn. Es wurde Zeit, dass er sein eigener Herr wird .« »Alles?« sagte Gandalf. »Au<strong>ch</strong> den Ring? Darin hattest du eingewilligt, erinnere di<strong>ch</strong>!« »Na, hm, ja, i<strong>ch</strong> denke s<strong>ch</strong>on«, stammelte Bilbo. »Wo ist er? « »In einem Ums<strong>ch</strong>lag, wenn du's unbedingt wissen musst«, sagte Bilbo gereizt. »Da auf dem Kaminsims. A<strong>ch</strong> nein! I<strong>ch</strong> hab ihn ja no<strong>ch</strong> in der Tas<strong>ch</strong>e! « Er zögerte. »Ist das ni<strong>ch</strong>t sonderbar?« sagte er leise zu si<strong>ch</strong> selbst. »Aber warum denn au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t? Warum kann er ni<strong>ch</strong>t dort bleiben?« Gandalf musterte ihn wieder, diesmal sehr s<strong>ch</strong>arf und mit einem Funkeln in den Augen. »I<strong>ch</strong> an deiner Stelle würde ihn hier lassen, Bilbo« sagte er ruhig. »Willst du's ni<strong>ch</strong>t?« »Na ja – und nein. Jetzt, wo es soweit ist, habe i<strong>ch</strong> gar keine Lust, mi<strong>ch</strong> <strong>von</strong> ihm zu trennen, wenn i<strong>ch</strong> das sagen darf. Und i<strong>ch</strong> sehe ni<strong>ch</strong>t ein, warum i<strong>ch</strong> es sollte. Warum verlangst du das <strong>von</strong> mir?« fragte er, und seine Stimme veränderte si<strong>ch</strong> merkwürdig. Sie klang s<strong>ch</strong>arf vor Ärger und Argwohn. »Immer lö<strong>ch</strong>erst du mi<strong>ch</strong> wegen des Rings! Wegen der anderen Dinge, die i<strong>ch</strong> <strong>von</strong> meiner Fahrt mitgebra<strong>ch</strong>t habe, hast du mir nie so zugesetzt.« Vom Bu<strong>ch</strong>staben zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tBilbo verabs<strong>ch</strong>iedet si<strong>ch</strong> vom Auenland»Nein, aber i<strong>ch</strong> musste di<strong>ch</strong> lö<strong>ch</strong>ern«, sagte Gandalf. »I<strong>ch</strong> wollte die Wahrheit wissen. Es war wi<strong>ch</strong>tig. Zauberringe sind – nun, eben Zauberringe; sie sind selten und sonderbar. I<strong>ch</strong> war sozusagen <strong>von</strong> Berufs wegen an deinem Ring interessiert und bin es no<strong>ch</strong>. I<strong>ch</strong> will wissen, wo er si<strong>ch</strong> befindet, wenn du wieder auf Wanders<strong>ch</strong>aft gehst. Und i<strong>ch</strong> denke au<strong>ch</strong>, du hast ihn lange genug gehabt. Du wirst ihn ni<strong>ch</strong>t mehr brau<strong>ch</strong>en, Bilbo, wenn i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t sehr irre.« Bilbo lief rot an, und ein zorniges Glitzern trat in seine Augen. Sein freundli<strong>ch</strong>es Gesi<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>ien zu versteinern. »Warum ni<strong>ch</strong>t?« rief er. »Und was geht es überhaupt di<strong>ch</strong> an; warum musst du unbedingt wissen, was i<strong>ch</strong> mit meinen Sa<strong>ch</strong>en ma<strong>ch</strong>e? Er gehört mir. I<strong>ch</strong> hab ihn gefunden. Er ist zu mir gekommen!« »Ja, ja«, sagte Gandalf. »Kein Grund, glei<strong>ch</strong> böse zu werden!« »Und wenn i<strong>ch</strong> böse werde, bist du s<strong>ch</strong>uld!« sagte Bilbo. »Mir gehört er, sag' i<strong>ch</strong> dir. Er ist meiner. Mein S<strong>ch</strong>atz. Ja, mein S<strong>ch</strong>atz.« Die Miene des Zauberers blieb ernst und gefasst, und nur ein Flackern in der Tiefe seiner Augen verriet, dass er besorgt und sogar ers<strong>ch</strong>rocken war. »So hat ihn do<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on mal jemand genannt«, sagte er, »aber das warst ni<strong>ch</strong>t du. « »Aber jetzt sag' i<strong>ch</strong>'s. Und warum ni<strong>ch</strong>t? Au<strong>ch</strong> wenn Gollum mal dasselbe gesagt hat. Jetzt gehört er ni<strong>ch</strong>t ihm, sondern mir. Und i<strong>ch</strong> behalte ihn, sag' i<strong>ch</strong>!« Gandalf stand auf. Er s<strong>ch</strong>lug einen s<strong>ch</strong>arfen Ton an. »Du bist ein Narr, wenn du das tust, Bilbo«, sagte er. »Mit jedem Wort, das du sagst, ma<strong>ch</strong>st du das deutli<strong>ch</strong>er. Er hat di<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on viel zu fest in seiner Gewalt. Lass ihn los! Und dann kannst du selbst losgehen und bist <strong>von</strong> ihm frei.« »I<strong>ch</strong> tu', was mir beliebt, und gehe, wenn es mir passt«, beharrte Bilbo. »Komm', komm', mein lieber Hobbit!« sagte Gandalf. »Dein ganzes langes Leben lang waren wir Freunde, und du bist mir etwas s<strong>ch</strong>uldig. Also tu', was du verspro<strong>ch</strong>en hast: gib den Ring auf!« »Aber wenn du den Ring für di<strong>ch</strong> haben willst, dann sag's do<strong>ch</strong>! « rief Bilbo. »Aber du kriegst ihn ni<strong>ch</strong>t. I<strong>ch</strong> sage dir, i<strong>ch</strong> gebe meinen S<strong>ch</strong>atz ni<strong>ch</strong>t her.« Seine Hand zuckte zum Heft seines kleinen S<strong>ch</strong>werts hin. Auss<strong>ch</strong>nitt aus »Der Herr der Ringe« <strong>von</strong> J.R.R. Tolkien ers<strong>ch</strong>ienen bei Klett-Cotta 2


Der <strong>Filmleser</strong>Gandalfs Augen blitzten. »Jetzt werde i<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong> böse«, sagte er, »wenn du das no<strong>ch</strong> mal sagst. Dann lernst du Gandalf den Grauen einmal anders kennen.« Er trat dem Hobbit einen S<strong>ch</strong>ritt näher und s<strong>ch</strong>ien dabei bedrohli<strong>ch</strong> in die Höhe zu wa<strong>ch</strong>sen. Sein S<strong>ch</strong>atten erfüllte das ganze kleine Zimmer. S<strong>ch</strong>wer atmend wi<strong>ch</strong> Bilbo zurück bis zur Wand, mit der Hand an der Tas<strong>ch</strong>e zerrend. <strong>Eine</strong>n Moment lang standen sie si<strong>ch</strong> gegenüber, und die Luft im Zimmer s<strong>ch</strong>ien zu knistern. Gandalf hielt den Blick auf den Hobbit geheftet. Langsam entkrampften si<strong>ch</strong> Bilbos Hände, und er fing an zu zittern. »I<strong>ch</strong> weiß ni<strong>ch</strong>t, was in di<strong>ch</strong> gefahren ist, Gandalf«, sagte er. »So bist du no<strong>ch</strong> nie gewesen. Was soll das alles? Er gehört mir do<strong>ch</strong>, oder ni<strong>ch</strong>t? I<strong>ch</strong> habe ihn gefunden, und Gollum hätte mi<strong>ch</strong> getötet, wenn i<strong>ch</strong> ihn ni<strong>ch</strong>t behalten hätte. I<strong>ch</strong> bin kein Dieb, wie er gesagt hat.« »I<strong>ch</strong> habe nie gesagt, dass du einer bist«, antwortete Gandalf. »Und au<strong>ch</strong> i<strong>ch</strong> bin keiner. I<strong>ch</strong> will ihn dir ni<strong>ch</strong>t rauben, i<strong>ch</strong> will dir helfen. Wenn du mir do<strong>ch</strong> nur vertrauen würdest, wie früher!« Er wandte si<strong>ch</strong> ab, und der S<strong>ch</strong>atten vers<strong>ch</strong>wand. Gandalf s<strong>ch</strong>ien wieder zu s<strong>ch</strong>rumpfen: ein grauer alter Mann, gebeugt und sorgenbeladen. Bilbo stri<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> mit der Hand über die Augen. »Tut mir leid«, sagte er. »Aber mir war so komis<strong>ch</strong>. Und dabei wäre es do<strong>ch</strong> eine gewisse Erlei<strong>ch</strong>terung, ihn ni<strong>ch</strong>t mehr herums<strong>ch</strong>leppen zu müssen. In letzter Zeit hat er in meinem Kopf immer mehr Platz eingenommen. Man<strong>ch</strong>mal kam es mir vor, als würde er mi<strong>ch</strong> ansehen wie ein Auge. Und, verstehst du, i<strong>ch</strong> habe ständig den Wuns<strong>ch</strong>, ihn auf den Finger zu stecken und zu vers<strong>ch</strong>winden; oder i<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>e mir Sorgen, ob er in Si<strong>ch</strong>erheit ist, und hole ihn hervor, um mi<strong>ch</strong> zu vergewissern. I<strong>ch</strong> habe versu<strong>ch</strong>t, ihn wegzus<strong>ch</strong>ließen, merkte aber, i<strong>ch</strong> hatte keine Ruhe, wenn er ni<strong>ch</strong>t in meiner Tas<strong>ch</strong>e war. Warum, weiß i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t. Und mir s<strong>ch</strong>eint, i<strong>ch</strong> kann mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ents<strong>ch</strong>eiden.« »Dann überlass mir das«, sagte Gandalf. »I<strong>ch</strong> bin ents<strong>ch</strong>ieden. Geh fort und lass den Ring hier! Du darfst ihn ni<strong>ch</strong>t länger besitzen. Gib ihn Frodo, und um Frodo werde i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> kümmern.« Vom Bu<strong>ch</strong>staben zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tBilbo verabs<strong>ch</strong>iedet si<strong>ch</strong> vom AuenlandBilbo stand einen Moment steif und uns<strong>ch</strong>lüssig da. Er seufzte. »Na s<strong>ch</strong>ön«, sagte er, und es kostete ihn Überwindung. »I<strong>ch</strong> tu's.« Dann zuckte er die A<strong>ch</strong>seln und lä<strong>ch</strong>elte, aber ein biss<strong>ch</strong>en klägli<strong>ch</strong>. »S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> ging es do<strong>ch</strong> bei diesem ganzen Fest nur darum: haufenweise Geburtstagsges<strong>ch</strong>enke herzugeben, in der Hoffnung, dass es dadur<strong>ch</strong> lei<strong>ch</strong>ter würde, ihn au<strong>ch</strong> herzugeben. Es ist zwar am Ende dadur<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t lei<strong>ch</strong>ter geworden, aber es wäre do<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ade, wenn all die Vorbereitungen vergebli<strong>ch</strong> gewesen sein sollten. Damit wäre der Spaß erst re<strong>ch</strong>t verdorben.« »In der Tat, es würde der Sa<strong>ch</strong>e den einzigen Sinn nehmen, den i<strong>ch</strong> je darin sehen konnte«, sagte Gandalf. »Also gut«, sagte Bilbo, »Frodo bekommt ihn mit allem übrigen.« Er holte tief Luft. »Und nun muss i<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> aufbre<strong>ch</strong>en, sonst erwis<strong>ch</strong>t mi<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> jemand anders. I<strong>ch</strong> habe s<strong>ch</strong>on auf Wiedersehn gesagt, und einen zweiten Abs<strong>ch</strong>ied könnte i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ertragen.« Er hob den Rucksack auf und ging zur Tür. »Du hast den Ring immer no<strong>ch</strong> in der Tas<strong>ch</strong>e «, sagte der Zauberer. »A<strong>ch</strong> ja, stimmt!« rief Bilbo. »Und mein Testament und all die anderen Urkunden au<strong>ch</strong>. Am besten, du nimmst es und übergibst es in meinem Namen. So ist es am si<strong>ch</strong>ersten.« »Nein, gib den Ring ni<strong>ch</strong>t mir!« sagte Gandalf. »Leg ihn auf den Kaminsims. Da liegt er si<strong>ch</strong>er genug, bis Frodo kommt. I<strong>ch</strong> werde auf ihn warten.« Bilbo nahm den Ums<strong>ch</strong>lag aus der Tas<strong>ch</strong>e, aber gerade, als er ihn an die Uhr lehnen wollte, zuckte seine Hand zurück, und das Päck<strong>ch</strong>en fiel zu Boden. Bevor er es aufheben konnte, hatte der Zauberer si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on gebückt, es genommen und an seinen Platz gelegt. Das Gesi<strong>ch</strong>t des Hobbits wurde wieder starr vor Zorn, aber glei<strong>ch</strong> darauf lockerte es si<strong>ch</strong> in einem erlei<strong>ch</strong>terten Aufla<strong>ch</strong>en. »Also, das wär's«, sagte er. »I<strong>ch</strong> geh' los.« Sie traten hinaus auf die Diele. Bilbo nahm si<strong>ch</strong> seinen Lieblingsstock aus dem S<strong>ch</strong>irmständer; dann pfiff er. Drei Zwerge kamen aus drei vers<strong>ch</strong>iedenen Zimmern, in denen sie zu tun gehabt hatten. Auss<strong>ch</strong>nitt aus »Der Herr der Ringe« <strong>von</strong> J.R.R. Tolkien ers<strong>ch</strong>ienen bei Klett-Cotta 3


Der <strong>Filmleser</strong>Vom Bu<strong>ch</strong>staben zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tBilbo verabs<strong>ch</strong>iedet si<strong>ch</strong> vom Auenland»Alles fertig?« fragte Bilbo. »Alles eingepackt und mit S<strong>ch</strong>ild<strong>ch</strong>en dran?« »Alles«, antworteten sie. »Na, dann los!« Er trat aus der Tür. Es war eine s<strong>ch</strong>öne Na<strong>ch</strong>t, und der s<strong>ch</strong>warze Himmel war mit Sternen gesprenkelt. Er blickte ho<strong>ch</strong> und prüfte s<strong>ch</strong>nuppernd die Luft. »Was bin i<strong>ch</strong> froh! Was bin i<strong>ch</strong> froh, wieder loszugehn, mit Zwergen unterwegs zu sein! Das hat mir gefehlt, seit Jahren s<strong>ch</strong>on! Auf Wiedersehn!« sagte er und blickte no<strong>ch</strong> mal zu seiner Höhle zurück, mit einer Verbeugung vor der Tür. »Auf Wiedersehn, Gandalf!« »Auf Wiedersehn, Bilbo, einstweilen! Gib auf di<strong>ch</strong> A<strong>ch</strong>t! Alt genug bist du, und ges<strong>ch</strong>eit genug viellei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong>.« »Auf mi<strong>ch</strong> A<strong>ch</strong>t geben? I<strong>ch</strong> denk' ni<strong>ch</strong>t dran. Ma<strong>ch</strong> dir keine Sorgen um mi<strong>ch</strong>! I<strong>ch</strong> bin so glückli<strong>ch</strong> wie nur je zuvor, und das will etwas heißen. Aber nun ist es Zeit. Nun endli<strong>ch</strong> zieht es mi<strong>ch</strong> fort«, fügte er hinzu, und dann, mit leiser Stimme, sang er im Dunkeln vor si<strong>ch</strong> hin: Die Straße gleitet fort und fort, Weg <strong>von</strong> der Tür, wo sie begann, Weit über Land, <strong>von</strong> Ort zu Ort, l<strong>ch</strong> folge ihr, so gut i<strong>ch</strong> kann. Ihr lauf i<strong>ch</strong> ras<strong>ch</strong>en Fußes na<strong>ch</strong> Bis sie si<strong>ch</strong> groß und breit verfli<strong>ch</strong>t Mit Weg und Wagnis tausendfa<strong>ch</strong>. Und wohin dann? l<strong>ch</strong> weiß es ni<strong>ch</strong>t. Er hielt einen Augenblick inne. Dann, ohne ein weiteres Wort, wandte er si<strong>ch</strong> weg <strong>von</strong> den Li<strong>ch</strong>tern und dem Stimmengewirr auf dem Festplatz und in den Zelten, ging <strong>von</strong> seinen drei Begleitern gefolgt dur<strong>ch</strong> den Garten und s<strong>ch</strong>ritt den langen, abs<strong>ch</strong>üssigen Pfad hinab. Unten sprang er an einer niedrigen Stelle über die Hecke, s<strong>ch</strong>lug den Weg über die Wiesen ein und vers<strong>ch</strong>wand in der Na<strong>ch</strong>t wie ein ras<strong>ch</strong>elnder Windhau<strong>ch</strong> im Grase. «Der Herr der Ringe – Die Gefährten»USA 2001Regie: Peter JacksonDVD-Kapitel 5 (Kinofassung, 2-Disc-Edition)Auss<strong>ch</strong>nitt aus »Der Herr der Ringe« <strong>von</strong> J.R.R. Tolkien ers<strong>ch</strong>ienen bei Klett-Cotta 4


Der <strong>Filmleser</strong>Der nä<strong>ch</strong>ste Tag bra<strong>ch</strong>te einen Morgen mit braunem Abenddämmerli<strong>ch</strong>t, und die Mens<strong>ch</strong>en, die dank Faramirs Rückkehr vorübergehend Mut gefasst hatten, verloren ihn wieder. Die geflügelten S<strong>ch</strong>atten wurden an diesem Tag ni<strong>ch</strong>t gesehen, do<strong>ch</strong> dann und wann kam <strong>von</strong> ho<strong>ch</strong> oben über der Stadt ein s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>rei, und viele, die ihn hörten, empfanden nur no<strong>ch</strong> einen flü<strong>ch</strong>tigen S<strong>ch</strong>auder, während man<strong>ch</strong>e weniger Beherzte bebten und klagten. Und s<strong>ch</strong>on war Faramir wieder fort. »Sie gönnen ihm keine Ruhe«, murrten man<strong>ch</strong>e. »Der Herr verlangt zu viel <strong>von</strong> seinem Sohn. Jetzt muss er für zwei herhalten, für si<strong>ch</strong> und für den Bruder, der ni<strong>ch</strong>t wiederkehrt.« Und immer s<strong>ch</strong>auten Leute na<strong>ch</strong> Norden aus und fragten si<strong>ch</strong>: »Wo bleiben nur die Reiter <strong>von</strong> Rohan?« Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> hatte Faramir die Stadt ni<strong>ch</strong>t aus eigenem Ermessen verlassen. Aber der Statthalter beherrs<strong>ch</strong>te die Ratsversammlung, und an diesem Tag war er ni<strong>ch</strong>t dazu aufgelegt, si<strong>ch</strong> anderen zu beugen. Früh am Morgen war der Rat einberufen worden. Alle Hauptleute waren der Ansi<strong>ch</strong>t, dass ihre Streitkräfte angesi<strong>ch</strong>ts der Gefahr <strong>von</strong> Süden zu s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong> seien, um <strong>von</strong> si<strong>ch</strong> aus einen Angriff zu unternehmen, es sei denn, die Reiter <strong>von</strong> Rohan kämen viellei<strong>ch</strong>t no<strong>ch</strong>. Einstweilen könnten sie nur die Mauern bemannt halten und abwarten. »Aber«, sagte Denethor, »wir sollten die äußeren Verteidigungsanlagen ni<strong>ch</strong>t lei<strong>ch</strong>tfertig preisgeben, die Rammas, die mit so viel Mühe erbaut wurde. Und den Flussübergang muss der Feind teuer erkaufen. In ausrei<strong>ch</strong>ender Stärke für einen Angriff auf die Stadt übersetzen kann er ni<strong>ch</strong>t nördli<strong>ch</strong> <strong>von</strong> Cair Andros, wegen der Sümpfe, und au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t im Süden, na<strong>ch</strong> Lebennin hin, weil die Breite des Flusses dort viele Boote erfordern würde. Den Hauptstoß wird er in Osgiliath führen, wie beim letzten Mal, als Boromir ihm den Übergang verwehrte.« »Das war nur eine Probe«, sagte Faramir. »Heute können wir viellei<strong>ch</strong>t dem Feind beim Übergang das Zehnfa<strong>ch</strong>e unserer eigenen Verluste abfordern und denno<strong>ch</strong> den Handel bereuen. Denn er kann es si<strong>ch</strong> eher erlauben, ein ganzes Heer zu verlieren, als wir eine Kompanie. Und für Vom Bu<strong>ch</strong>staben zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tFaramir wird geopfertunsere Leute auf so weit vorges<strong>ch</strong>obenem Posten würde der Rückzug gefahrli<strong>ch</strong>, wenn der Feind den Übergang einmal erzwungen hätte.« »Und Cair Andros?« sagte der Fürst <strong>von</strong> Dol Arnroth. »Die Insel muss au<strong>ch</strong> gehalten werden, wenn wir Osgiliath verteidigen wollen. Vergessen wir ni<strong>ch</strong>t die Gefahr <strong>von</strong> der linken Seite! Die Rohirrim werden viellei<strong>ch</strong>t kommen, viellei<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t. Aber Faramir hat uns <strong>von</strong> großen Streitkräften beri<strong>ch</strong>tet, die dur<strong>ch</strong>s S<strong>ch</strong>warze Tor gezogen sind. Ni<strong>ch</strong>t nur ein Heer könnte <strong>von</strong> dort vorstoßen, und ni<strong>ch</strong>t nur gegen einen der Übergänge.« »Vieles muss gewagt werden im Krieg«, sagte Denethor. »Cair Andros ist bemannt, und mehr Leute kann i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t so weit forts<strong>ch</strong>icken. Aber i<strong>ch</strong> werde den Fluss und den Pelennor ni<strong>ch</strong>t kampflos preisgeben – ni<strong>ch</strong>t, wenn hier no<strong>ch</strong> ein Feldhauptmann ist, der den Mut hat, den Willen seines Herrn auszuführen.« Da s<strong>ch</strong>wiegen sie alle. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> sagte Faramir: »I<strong>ch</strong> sträube mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gegen deinen Willen, Vater. Da du Boromirs beraubt bist, werde i<strong>ch</strong> gehen und an seiner Stelle tun, was i<strong>ch</strong> kann – wenn du es befiehlst.« »I<strong>ch</strong> befehle es«, sagte Denethor. »Dann lebe wohl!« sagte Faramir. »Aber sollte i<strong>ch</strong> zurückkehren, denke besser <strong>von</strong> mir!« »Das hängt <strong>von</strong> der Art deiner Rückkehr ab«, sagte Denethor. Zuletzt, ehe Faramir na<strong>ch</strong> Osten ritt, spra<strong>ch</strong> Gandalf mit ihm. »Wirf ni<strong>ch</strong>t lei<strong>ch</strong>tfertig oder erbittert dein Leben weg!« sagte er. »Du wirst hier no<strong>ch</strong> gebrau<strong>ch</strong>t, für anderes als den Krieg. Dein Vater liebt di<strong>ch</strong>, Faramir, und wird si<strong>ch</strong> zuletzt no<strong>ch</strong> daran erinnern. Lebe wohl!« So war nun der Herr Faramir wieder fort, mit einem Trupp <strong>von</strong> Männern, die ihm freiwillig folgten oder die anderswo abkömmli<strong>ch</strong> waren. Von den Mauern spähten man<strong>ch</strong>e dur<strong>ch</strong> das Halbdunkel zu der Trümmerstadt hin und hätten gern gewusst, was dort ges<strong>ch</strong>ah, denn sehen konnte man ni<strong>ch</strong>ts. Und wie s<strong>ch</strong>on seit langem s<strong>ch</strong>auten andere gen Norden und re<strong>ch</strong>neten die Wegstunden aus, die Theoden <strong>von</strong> Rohan zurücklegen müsste. »Ob er kommen wird? Ob er si<strong>ch</strong> unseres alten Bündnisses erinnert?« sagten sie. Auss<strong>ch</strong>nitt aus »Der Herr der Ringe« <strong>von</strong> J.R.R. Tolkien ers<strong>ch</strong>ienen bei Klett-Cotta 1


Der <strong>Filmleser</strong>»Ja, er wird kommen«, sagte Gandalf, »und wenn es zu spät sein sollte. Aber bedenkt: Frühestens vor zwei Tagen kann ihn der rote Pfeil errei<strong>ch</strong>t haben, und <strong>von</strong> Edoras bis hierher ist es ein s<strong>ch</strong>önes Stück Weges!« Es wurde wieder Na<strong>ch</strong>t, ehe Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ten kamen. Von den Flussübergängen kam in Eile einer geritten und meldete, ein Heer aus Minas Morgul rücke heran und nähere si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on Osgiliath. Regimenter aus dem Süden seien hinzugestoßen, große, greueltätige Haradrim. »Und wir haben erfahren«, sagte der Bote, »dass der s<strong>ch</strong>warze Feldherr wieder den Oberbefehl hat, und die Fur<strong>ch</strong>t geht ihm über den Fluss voraus.« Mit diesen ni<strong>ch</strong>ts Gutes verheißenden Worten ging Pippins dritter Tag in Minas Tirith zu Ende. Wenige fanden Ruhe, denn nun war ni<strong>ch</strong>t mehr viel Hoffnung, und selbst Faramir würde die Übergänge ni<strong>ch</strong>t lange halten können. Am nä<strong>ch</strong>sten Tag drückte die Dunkelheit, obwohl sie ni<strong>ch</strong>t weiter zunahm, den Mens<strong>ch</strong>en immer s<strong>ch</strong>werer aufs Gemüt, und das Grauen packte sie mä<strong>ch</strong>tig. Die s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ten ließen ni<strong>ch</strong>t lange auf si<strong>ch</strong> warten. Der Feind hatte den Übergang über den Anduin erkämpft. Faramir zog si<strong>ch</strong> zur Mauer um den Pelennor zurück und sammelte seine Männer in den Wehrtürmen am Dammweg; aber er hatte eine zehnfa<strong>ch</strong>e Überma<strong>ch</strong>t gegen si<strong>ch</strong>. »Wenn es ihm überhaupt gelingt, si<strong>ch</strong> über den Pelennor zurückzuretten, dann werden ihm die Feinde di<strong>ch</strong>t auf den Fersen sein«, sagte der Meldereiter. »Sie haben den Übergang teuer erkaufen müssen, aber ni<strong>ch</strong>t so teuer, wie wir gehofft hatten. Sie hatten alles gut vorbereitet. Jetzt wissen wir, dass sie seit langem in OstOsgiliath eine große Anzahl flöße und Boote gebaut haben. Sie kamen herüber wie Heus<strong>ch</strong>reckens<strong>ch</strong>wärme. Aber vor allem mit dem s<strong>ch</strong>warzen Feldherrn werden wir ni<strong>ch</strong>t fertig. Kaum einer hält au<strong>ch</strong> nur dem Gerü<strong>ch</strong>t stand, er nahe. Seine eigenen Leute zittern vor ihm und würden si<strong>ch</strong> selbst umbringen, wenn er's befähle.« »Dann werde i<strong>ch</strong> dort dringender gebrau<strong>ch</strong>t als hier«, sagte Gandalf. Er ritt glei<strong>ch</strong> los, und bald vers<strong>ch</strong>wand er als ein silbriger Punkt in der Ferne. Vom Bu<strong>ch</strong>staben zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tFaramir wird geopfertUnd die ganze Na<strong>ch</strong>t stand Pippin allein und s<strong>ch</strong>laflos auf der Mauer und s<strong>ch</strong>aute na<strong>ch</strong> Osten. Die Morgenglocken, ein Hohn in dem trüben Dunkel, waren kaum verklungen, als er im Osten Feuer aufblitzen sah, an Stellen, wo si<strong>ch</strong> die Mauer um den Pelennor befinden musste. Die Wa<strong>ch</strong>tposten s<strong>ch</strong>rien laut, und alle Männer in der Stadt traten unter Waffen an. Immer no<strong>ch</strong> sah man hier und da einen roten Blitz, und langsam drang dumpfes Kra<strong>ch</strong>en und Poltern dur<strong>ch</strong> die dicke Luft. »Sie haben die Mauer eingenommen!« riefen die Leute. »Sie sprengen Bres<strong>ch</strong>en hinein. Sie kommen.« »Wo ist Faramir?« rief Beregond bestürzt. »Sagt bloß ni<strong>ch</strong>t, er ist gefallen! « Die ersten Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ten bra<strong>ch</strong>te Gandalf. Mit einer Handvoll Reiter kam er um die Mitte des Vormittags, als Geleits<strong>ch</strong>utz für eine Wagenkolonne. Sie bra<strong>ch</strong>te die Verwundeten, alle, die man aus den Trümmern der Wehrtürme hatte bergen können. Sofort ging er zu Denethor. Der Statthalter saß nun in einer Kammer ho<strong>ch</strong> über dem Saal des Weißen Turms, Pippin zur Seite, und bohrte seine düsteren Blicke dur<strong>ch</strong> die trüben Fenster na<strong>ch</strong> Norden, Süden und Osten, als könne er die S<strong>ch</strong>atten des Verhängnisses, die ihn einkreisten, dur<strong>ch</strong>dringen. Na<strong>ch</strong> Norden blickte er zumeist, und man<strong>ch</strong>mal hielt er ganz still und hor<strong>ch</strong>te, als ob eine alte Geheimkunst seinen Ohren den Donner der Hufe auf den fernen Ebenen vernehmli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>te. »Ist Faramir gekommen?« fragte er. »Nein«, sagte Gandalf. »Er war no<strong>ch</strong> am Leben, als i<strong>ch</strong> ihn verließ. Aber er ist ents<strong>ch</strong>lossen, bei der Na<strong>ch</strong>hut zu bleiben, damit der Rückzug über den Pelennor ni<strong>ch</strong>t in kopflose Flu<strong>ch</strong>t übergeht. Viellei<strong>ch</strong>t kann er seine Mannen lange genug beisammenhalten, aber i<strong>ch</strong> bezweifle es. Der Feind, dem er gegenübersteht, ist zu groß für ihn. Denn einer ist gekommen, den i<strong>ch</strong> hier zu treffen befür<strong>ch</strong>tete.« »Do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t der dunkle Herrs<strong>ch</strong>er?« rief Pippin, der vor S<strong>ch</strong>reck vergaß, was si<strong>ch</strong> hier für ihn gehörte. Denethor la<strong>ch</strong>te bitterli<strong>ch</strong>. »Nein, der no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, Herr Peregrin! Der kommt erst, wenn alles ents<strong>ch</strong>ieden ist, um seinen Triumph über mi<strong>ch</strong> Auss<strong>ch</strong>nitt aus »Der Herr der Ringe« <strong>von</strong> J.R.R. Tolkien ers<strong>ch</strong>ienen bei Klett-Cotta 2


Der <strong>Filmleser</strong>auszukosten. Für si<strong>ch</strong> kämpfen lässt er andere. So ma<strong>ch</strong>en's alle Großen, wenn sie ges<strong>ch</strong>eit sind, Herr Halbling. Warum säße i<strong>ch</strong> sonst hier in meinem Turm und grüble, beoba<strong>ch</strong>te, warte ab und lasse sogar meine Söhne si<strong>ch</strong> aufreiben? Denn eigentli<strong>ch</strong> kann i<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> die Klinge führen.« Er stand auf und s<strong>ch</strong>lug sein langes s<strong>ch</strong>warzes Gewand auseinander, und siehe da, er trug darunter ein Kettenhemd und am Gürtel ein langes S<strong>ch</strong>wert mit großem Heft und in einer s<strong>ch</strong>warzsilbernen S<strong>ch</strong>eide. »So geh' und steh' i<strong>ch</strong>«, sagte er, »und seit vielen Jahren s<strong>ch</strong>laf' i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> so, damit der Körper mit zunehmendem Alter ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>laff und feig wird.« »Do<strong>ch</strong> der fur<strong>ch</strong>tbarste <strong>von</strong> allen Feldherrn des Herrs<strong>ch</strong>ers <strong>von</strong> Baraddur hat si<strong>ch</strong> nun s<strong>ch</strong>on Eurer Außenmauern bemä<strong>ch</strong>tigt«, sagte Gandalf. »König <strong>von</strong> Angmar war er einst, ein Hexenmeister, Ringgeist, Oberster der Nazggul, ein Speer des S<strong>ch</strong>reckens in Saurons Hand, ein S<strong>ch</strong>atten der Verzweiflung.« »Dann hattest du ja einen ebenbürtigen Gegner, Mithrandir«, sagte Denethor. »Meinerseits weiß i<strong>ch</strong> längst, wer als oberster Feldherr die Heere des Dunklen Turms befehligt. Ist das alles, was du mir sagen wolltest, und bist du deshalb zurückgekommen? Oder kann es sein, dass er dir über war?« Pippin bebte, weil er befür<strong>ch</strong>tete, Gandalf könnte si<strong>ch</strong> zu einem Wutanfall hinreißen lassen, aber seine Sorge war unnötig. »Das könnte sein«, antwortete Gandalf ruhig, »aber zur Kraftprobe zwis<strong>ch</strong>en uns ist es no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gekommen. Un d wenn die alten Sprü<strong>ch</strong>e stimmen, dann wird er ni<strong>ch</strong>t <strong>von</strong> eines Mannes Hand fal len, und wel<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>icksal ihn erwartet, ist den Weisen verborgen. Do<strong>ch</strong> wie dem au<strong>ch</strong> sei, der Feldherr der Verzweiflung drängt si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> vorn. Sondern ganz na<strong>ch</strong> der Klugheitsregel der Großen, wie Ihr sie eben genannt habt, befehligt er <strong>von</strong> hinten heraus und treibt seine Kne<strong>ch</strong>te rasend vor si<strong>ch</strong> her. Do<strong>ch</strong> nein, gekommen bin i<strong>ch</strong>, um die Verwundeten zu s<strong>ch</strong>ützen, die no<strong>ch</strong> geheilt werden können. Die Rammas ist weit und breit dur<strong>ch</strong>bro<strong>ch</strong>en, und bald wird das Morgul·Heer an vielen Stellen eindringen. Und i<strong>ch</strong> bin vor allem gekommen, um Eu<strong>ch</strong> dies zu sagen. Bald werden wir eine S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t auf den Feldern haben. Ein Ausfall muss vorbereitet werden. Vom Bu<strong>ch</strong>staben zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tFaramir wird geopfertS<strong>ch</strong>ickt die Berittenen aus! Auf sie können wir für kurze Zeit etwas Hoffnung setzen, denn in dieser einen Hinsi<strong>ch</strong>t ist der Feind s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t gerüstet: Er hat wenig Reiter.« »Und wir haben au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t viele. Jetzt käme Rohan im re<strong>ch</strong>ten Augenblick«, sagte Denethor. »Vorher werden wir wohl no<strong>ch</strong> andere Ankömmlinge sehen«, sagte Gandalf. »Flü<strong>ch</strong>tlinge aus Cair Andros sind eingetroffen. Die Insel ist gefallen. Ein zweites Heer ist vom S<strong>ch</strong>warzen Tor gekommen und setzt im Nordosten über den Fluss.« »Man<strong>ch</strong>e haben di<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on bezi<strong>ch</strong>tigt, Mithrandir, ein s<strong>ch</strong>adenfroher Überbringer s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ten zu sein«, sagte Denethor, »do<strong>ch</strong> was du sagst, ist mir ni<strong>ch</strong>t neu; i<strong>ch</strong> weiß es seit gestern Abend. Und au<strong>ch</strong> an den Ausfall hatte i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on geda<strong>ch</strong>t. Gehn wir hinunter!« Die Zeit verging. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> sahen die Zus<strong>ch</strong>auer auf den Mauern den Rückzug der Kompanien <strong>von</strong> den Außenbefestigungen. Zuerst kamen kleine Gruppen ers<strong>ch</strong>öpfter und oft au<strong>ch</strong> verwundeter Männer in aufgelöster Ordnung, man<strong>ch</strong>e aus Leibeskräften rennend, als würden sie verfolgt. Weiter ostwärts in einiger Entfernung flackerten Feuer; und nun s<strong>ch</strong>ienen sie hier und da über die Ebene zu krie<strong>ch</strong>en. Häuser und S<strong>ch</strong>eunen brannten. Dann sah man <strong>von</strong> vielen Stellen kleine rote Flammenbä<strong>ch</strong>e ausgehen , die si<strong>ch</strong> eilig dur<strong>ch</strong> die Dunkelheit s<strong>ch</strong>längelten und alle auf die breite Straße zustrebten, die vom Stadttor na<strong>ch</strong> Osgiliath führte. »Der Feind «, murmelten die Beoba<strong>ch</strong>ter. »Der Damm ist gefallen. Und da kommen sie jetzt dur<strong>ch</strong> die Bres<strong>ch</strong>en geströmt. Ans<strong>ch</strong>einend haben sie Fackeln. Wo sind nur die Unsrigen?« Der Stunde na<strong>ch</strong> rückte nun der Abend heran, und das Li<strong>ch</strong>t war so s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>, dass selbst die Weitsi<strong>ch</strong>tigen auf der Zitadelle kaum mehr etwas auf den Feldern deutli<strong>ch</strong> erkennen konnten, abgesehen <strong>von</strong> den si<strong>ch</strong> stetig vermehrenden Bränden und den Flammenreihen, die immer länger wurden und immer s<strong>ch</strong>neller näher kamen. Endli<strong>ch</strong>, weniger als eine Meile vor der Stadt, kam ein leidli<strong>ch</strong> geordneter Mens<strong>ch</strong>enhaufen in Si<strong>ch</strong>t, der no<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>lossen mars<strong>ch</strong>ierte, ni<strong>ch</strong>t rannte. Auss<strong>ch</strong>nitt aus »Der Herr der Ringe« <strong>von</strong> J.R.R. Tolkien ers<strong>ch</strong>ienen bei Klett-Cotta 3


Der <strong>Filmleser</strong>Die Beoba<strong>ch</strong>ter hielten den Atem an. »Das muss Faramir sein«, sagten sie. »Er kann Mens<strong>ch</strong> und Tier bemeistern. Er wird es s<strong>ch</strong>affen.« Nun war die S<strong>ch</strong>ar keine vierhundert S<strong>ch</strong>ritt mehr entfernt. Aus dem Dunkel dahinter galoppierte ein kleiner Reitertrupp heran, alles, was <strong>von</strong> der Na<strong>ch</strong>hut no<strong>ch</strong> übrig war. No<strong>ch</strong> einmal ma<strong>ch</strong>ten sie kehrt und stellten si<strong>ch</strong> den nahenden Flammenreihen entgegen. Dann plötzli<strong>ch</strong> gab es ein wildes Ges<strong>ch</strong>rei und Getöse. Feindli<strong>ch</strong>e Reiter pres<strong>ch</strong>ten heran. Die Flammenreihen wurden zu Sturzbä<strong>ch</strong>en, eine Rotte fackels<strong>ch</strong>wingender Orks na<strong>ch</strong> der andern und wilde Südländer unter roten Fahnen stürmten vor, aus rauen Kehlen brüllend, und überholten den Rückzug. Und mit einem dur<strong>ch</strong> Mark und Bein dringenden S<strong>ch</strong>rei stürzten aus dem dunklen Himmel die geflügelten S<strong>ch</strong>atten, die Nazgul, zum Todesstoß herab. Aus dem Rückzug wurde Flu<strong>ch</strong>t. S<strong>ch</strong>on lösten die Reihen der Mens<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> auf, einzelne rannten kopflos hierhin und dorthin, warfen die Waffen weg, brüllten auf vor Angst, stürzten zu Boden. Und dann ers<strong>ch</strong>allte eine Trompete <strong>von</strong> der Zitadelle, und endli<strong>ch</strong> gab Denethor den Ausfall frei. Im S<strong>ch</strong>atten des geöffneten Tors und draußen am Fuß der hohen Mauern hatten sie auf sein Signal gewartet: alle Berittenen, die no<strong>ch</strong> in der Stadt waren. Nun trabten sie an, formierten si<strong>ch</strong>, gingen in Galopp über und stürmten mit einem lauten S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>trufvorwärts. Und <strong>von</strong> den Mauern kam ein Ruf zur Antwort. Zuvorderst ins Feld ritten die S<strong>ch</strong>wanenritter <strong>von</strong> Dol Amroth mit ihrem Fürsten und seinem blauen Banner an der Spitze. »Amroth für Gondor!« riefen sie. »Amroth zu Faramir!« Wie Blitz und Donner prallten sie auf die Feinde zu beiden Seiten der Rückzugss<strong>ch</strong>ar; aber ein Reiter, s<strong>ch</strong>nell, wie der Wind dur<strong>ch</strong>s Gras strei<strong>ch</strong>t, war ihnen allen voraus: S<strong>ch</strong>attenfell trug ihn, und er s<strong>ch</strong>immerte wieder in unverhülltem Glanz, und <strong>von</strong> seiner erhobenen Hand ging ein Li<strong>ch</strong>tstrahl aus. Kreis<strong>ch</strong>end flatterten die Nazgül da<strong>von</strong>, denn der Feldherr war no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gekommen, der es mit dem weißen Feuer dieses Feindes aufnehmen konnte. Die Morguls<strong>ch</strong>aren, die si<strong>ch</strong>ere Beute s<strong>ch</strong>on vor Augen und nun unversehens <strong>von</strong> der vollen Wu<strong>ch</strong>t der Attacke getroffen, lösten si<strong>ch</strong> auf Vom Bu<strong>ch</strong>staben zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tFaramir wird geopfertund zerstoben wie Funken in einem Sturm. Jubelnd ma<strong>ch</strong>ten die Männer <strong>von</strong> den Wehrtürmen kehrt und metzelten ihre Verfolger nieder. Jäger wurden zu Gejagten. Der Rückzug wurde zum Gegenstoß. Das S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tfeld war übersät mit ers<strong>ch</strong>lagenen Orks und Mens<strong>ch</strong>en; und <strong>von</strong> den weggeworfenen Fackeln, die in wirbelnden Oualms<strong>ch</strong>waden ausbrannten, stieg ein beißender Gestank auf. Die Reiterei setzte na<strong>ch</strong>. Aber Denethor ließ sie ni<strong>ch</strong>t weit vorstoßen. Obwohl der Feind zum Halten gebra<strong>ch</strong>t und für den Augenblick sogar zurückges<strong>ch</strong>lagen war, strömten do<strong>ch</strong> neue Streitkräfte in großer Zahl <strong>von</strong> Osten heran. Wieder ers<strong>ch</strong>allte die Trompete, diesmal mit dem Rückzugssignal. Die Reiterei <strong>von</strong> Gondor hielt. Von ihr abges<strong>ch</strong>irmt, konnten die Außenkompanien si<strong>ch</strong> neu formieren. Nun kamen sie in Reih und Glied zum Tor mars<strong>ch</strong>iert. Erhobenen Hauptes traten sie ein, und die Leute in der Stadt betra<strong>ch</strong>teten sie voll Stolz und begrüßten sie mit Ho<strong>ch</strong>rufen; und do<strong>ch</strong> wurde ihnen bang ums Herz. Denn die Kompanien waren entsetzli<strong>ch</strong> zusammenges<strong>ch</strong>molzen. Ein Drittel seiner Mannen hatte Faramir verloren. Und wo war Faramir selbst? Er kam als Letzter <strong>von</strong> allen. Seine Mannen s<strong>ch</strong>ritten dur<strong>ch</strong>s Tor. Die Berittenen kehrten zurück, mit dem Banner <strong>von</strong> Amroth und dem Fürsten als Na<strong>ch</strong>hut. Und in den Armen hielt der Fürst vor si<strong>ch</strong> auf dem Pferd seinen Vetter Faramir, Denethors Sohn, so wie man ihn auf dem S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tfeld gefunden hatte. »Faramir! Faramir! «riefen die Mens<strong>ch</strong>en und weinten auf offener Straße. Er aber gab keine Antwort, und so trug man ihn die gewundene Gasse hinauf zur Zitadelle und zu seinem Vater.«Der Herr der Ringe – Die Rückkehr des Königs»USA 2003Regie: Peter JacksonDVD-Kapitel 20 (Kinofassung, 2-Disc-Edition)Auss<strong>ch</strong>nitt aus »Der Herr der Ringe« <strong>von</strong> J.R.R. Tolkien ers<strong>ch</strong>ienen bei Klett-Cotta 4


Der <strong>Filmleser</strong>»Bist du also gekommen, Gandalf!« sagte er mit ernster Miene, aber in seinen Augen s<strong>ch</strong>ien mir ein kaltes weißes Li<strong>ch</strong>t zu flackern, wie <strong>von</strong> unterdrücktem Gelä<strong>ch</strong>ter. »Ja, da bin i<strong>ch</strong>«, sagte i<strong>ch</strong>. »I<strong>ch</strong> bin gekommen, um deine Hilfe zu erbitten, Saruman der Weiße. «Und dass i<strong>ch</strong> ihn mit diesem Titel anredete, s<strong>ch</strong>ien ihn zu ärgern. »A<strong>ch</strong> was, Gandalf der Graue!«spöttelte er. »So, so, um Hilfe bittest du? Das hat man do<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> nie gehört, dass Gandalf der Graue um Hilfe bittet, wo er do<strong>ch</strong> selber so ein weiser Kopf ist, dur<strong>ch</strong> alle Lande streunt und si<strong>ch</strong> in alles einmis<strong>ch</strong>t, ob es ihn angeht oder ni<strong>ch</strong>t! « I<strong>ch</strong> sah ihn an und wusste ni<strong>ch</strong>t, was i<strong>ch</strong> da<strong>von</strong> halten sollte. »Wenn i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t täus<strong>ch</strong>e«, sagte i<strong>ch</strong>, »sind jetzt Dinge im Gange, in die wir alle uns mit vereinten Kräften werden einmis<strong>ch</strong>en müssen.« »Mag wohl sein«, sagte er, »do<strong>ch</strong> der Gedanke kommt dir ein wenig spät. Wie lange s<strong>ch</strong>on, mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> wissen, hast du mir, dem Obersten des Rates, eine Angelegenheit <strong>von</strong> größter Bedeutung verheimli<strong>ch</strong>t? Und was führt di<strong>ch</strong> jetzt her, <strong>von</strong> deinem S<strong>ch</strong>lupfwinkel im Auenland? « »Die Neun treten wieder in Ers<strong>ch</strong>einung«, sagte i<strong>ch</strong>. »Sie haben den Strom übers<strong>ch</strong>ritten – so sagte mir Radagast.« »Ja, Radagast der Braune!« sagte Saruman la<strong>ch</strong>end und ließ nun seinem Hohn freien Lauf. »Radagast der Vogelbändiger! Radagast der Einfaltspinsel! Radagast der Narr! Immerhin rei<strong>ch</strong>te sein Verstand eben no<strong>ch</strong> aus für die Rolle, die i<strong>ch</strong> ihm zuteilte. Denn nun bist du gekommen, und das war der einzige Zweck meiner Bots<strong>ch</strong>aft. Und hier bleibst du nun, Gandalf der Graue, und gönnst dir etwas Ruhe na<strong>ch</strong> all deinen Reisen. Denn i<strong>ch</strong> bin Saruman der Weise, Saruman der Rings<strong>ch</strong>mied, Saruman der Bunte.« I<strong>ch</strong> sah, dass seine Gewänder, die mir zuerst weiß ers<strong>ch</strong>ienen waren, nun in allen Farben s<strong>ch</strong>illerten; und wenn er si<strong>ch</strong> bewegte, we<strong>ch</strong>selte die Tönung, bis das Auge ni<strong>ch</strong>t mehr wusste, was es sah. »Weiß gefiel mir besser«, sagte i<strong>ch</strong>. »A<strong>ch</strong> was, weiß! Damit fängt man nur an. Das weiße Tu<strong>ch</strong> kann man färben. Die weiße Seite wird bes<strong>ch</strong>rieben und das weiße Li<strong>ch</strong>t gebro<strong>ch</strong>en. « »Worauf es dann ni<strong>ch</strong>t mehr weiß ist«, Vom Bu<strong>ch</strong>staben zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tGandalf trifft Sarumansagte i<strong>ch</strong>. »Und wer ein Ding zerbri<strong>ch</strong>t, um herauszufinden, was es ist, hat den Pfad der Weisheit verlassen.« »Komm mir ni<strong>ch</strong>t mit sol<strong>ch</strong>en Sprü<strong>ch</strong>en! Erzähle das den S<strong>ch</strong>äf<strong>ch</strong>en, die du deine Freunde nennst! I<strong>ch</strong> habe di<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t kommen lassen, um <strong>von</strong> dir belehrt zu werden, sondern um di<strong>ch</strong> vor eine Wahl zu stellen.« Dann baute er si<strong>ch</strong> vor mir auf und fing an zu deklamieren, als hielte er eine einstudierte Rede. »Die Ältesten Tage kehren ni<strong>ch</strong>t wieder. Die Mittleren Tage vergehen. Es beginnen die jüngeren Tage. Die Zeit der Eiben ist vorüber, aber unsere Zeit bri<strong>ch</strong>t an: in der Welt der Mens<strong>ch</strong>en, die wir regieren müssen. Aber dazu brau<strong>ch</strong>en wir Ma<strong>ch</strong>t, Ma<strong>ch</strong>t, um alle Dinge na<strong>ch</strong> unserem Willen zu ordnen, zu jenem hö<strong>ch</strong>sten Zweck, den nur die Weisen zu sehen vermögen. Und versteh mi<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>t, Gandalf, mein alter Freund und Gehilfe«, sagte er, nun näher heranrückend und mit eins<strong>ch</strong>mei<strong>ch</strong>elnder Stimme, »i<strong>ch</strong> sagte wir, weil wir zu zweit sein können, wenn du di<strong>ch</strong> mir ans<strong>ch</strong>ließt. Jetzt ersteht eine neue Ma<strong>ch</strong>t. Gegen sie werden die alten Bündnisse und Grundsätze uns gar ni<strong>ch</strong>ts mehr nützen. Von den Eiben und den aussterbenden Nümenorern ist ni<strong>ch</strong>ts mehr zu erhoffen. Du hast die Wahl, aber für di<strong>ch</strong>, für uns, gibt es eigentli<strong>ch</strong> nur eine Ents<strong>ch</strong>eidung: Wir können uns mit dieser Ma<strong>ch</strong>t verbünden. Es wäre klug, Gandalf. Dort ist Hoffnung, ihr Sieg steht bevor, und ihre Mitstreiter werden rei<strong>ch</strong> belohnt werden. Wenn die Ma<strong>ch</strong>t wä<strong>ch</strong>st, werden ihre bewährten Freunde mit ihr wa<strong>ch</strong>sen; und die Weisen, sol<strong>ch</strong>e wie du und i<strong>ch</strong>, könnten mit etwas Geduld s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> zu ihren Lenkern und Leitern werden. Wir können abwarten, wir können unsere Gedanken für uns behalten; und im aufri<strong>ch</strong>tigen Bedauern der einen oder anderen Untat, die nebenher ges<strong>ch</strong>ehen mag, werden wir do<strong>ch</strong> unser hö<strong>ch</strong>stes und letztes Ziel ni<strong>ch</strong>t aus dem Auge verlieren: Wissen, Herrs<strong>ch</strong>aft, Ordnung -­‐all das, wona<strong>ch</strong> wir bislang vergebli<strong>ch</strong> gestrebt haben, eher behindert als unterstützt dur<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e oder faule Freunde. In unseren Zielen müsste und würde si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts wirkli<strong>ch</strong> ändern, nur in unseren Mitteln .« »Saruman«, sagte i<strong>ch</strong>, »sol<strong>ch</strong>e Reden hab i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on öfter gehört, aber nur <strong>von</strong> Mordars Sendboten, zur Täus<strong>ch</strong>ung der Unwissenden. Hast du mi<strong>ch</strong> Auss<strong>ch</strong>nitt aus »Der Herr der Ringe« <strong>von</strong> J.R.R. Tolkien ers<strong>ch</strong>ienen bei Klett-Cotta 1


Der <strong>Filmleser</strong><strong>von</strong> so weit herkommen lassen, nur um mein Ohr zu ermüden?« Er sah mi<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>räg an und überlegte einen Moment. »Nun, i<strong>ch</strong> sehe, dass diese kluge Ents<strong>ch</strong>eidung dir ni<strong>ch</strong>t behagt«, sagte er. »No<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t? Ni<strong>ch</strong>t, solange no<strong>ch</strong> eine bessere Mögli<strong>ch</strong>keit offen steht? « Er trat di<strong>ch</strong>t heran und legte seine lange Hand auf meinen Arm. »Und warum ni<strong>ch</strong>t, Gandalf? « flüsterte er. »Warum ni<strong>ch</strong>t? Der Herrs<strong>ch</strong>erring? Könnten wir über den verfügen, fiele die Ma<strong>ch</strong>t an uns. Das ist der wahre Grund, warum i<strong>ch</strong> di<strong>ch</strong> gerufen habe. Denn viele halten in meinem Dienst die Augen offen, und darum glaube i<strong>ch</strong>, dass du weißt, wo si<strong>ch</strong> dieses kostbare Ding jetzt befindet. Ist dem ni<strong>ch</strong>t so? Oder warum sonst fragen die Neun na<strong>ch</strong> dem Auenland, und was hast du dort zu s<strong>ch</strong>affen?«Als er das sagte, leu<strong>ch</strong>tete ihm plötzli<strong>ch</strong> die nackte, ni<strong>ch</strong>t mehr zu verhehlende Gier aus den Augen. »Saruman«, sagte i<strong>ch</strong> und trat ein paar S<strong>ch</strong>ritte <strong>von</strong> ihm weg, »wie du wohl weißt, lässt si<strong>ch</strong> der Ring ni<strong>ch</strong>t auf zwei Hände zuglei<strong>ch</strong> stecken, also spar dir dein Wir! Von mir bekommst du weder den Ring no<strong>ch</strong> irgendeine Auskunft über ihn, seit i<strong>ch</strong> nun weiß, was du im Sinn hast. Du warst der Oberste des Rates, aber jetzt hast du di<strong>ch</strong> selbst entlarvt. Und die Wahl, vor die du mi<strong>ch</strong> stellst, s<strong>ch</strong>eint zu erfordern, dass i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> entweder Sauron unterwerfe oder dir. Dazu sag' i<strong>ch</strong>: keinem! Hast du no<strong>ch</strong> andere Kandidaten zu empfehlen?« Nun wurde er kalt und drohend. »Gut«, sagte er. »I<strong>ch</strong> habe ni<strong>ch</strong>t erwartet, dass du mehr Verstand beweisen würdest, ni<strong>ch</strong>t mal zu deinem eigenen Vorteil; do<strong>ch</strong> i<strong>ch</strong> wollte dir die Chance lassen, mir freiwillig entgegenzukommen, und dir damit viel Kummer und S<strong>ch</strong>merz ersparen. Die dritte Mögli<strong>ch</strong>keit für di<strong>ch</strong> ist, hier zu bleiben bis zum Ende.« »Bis zu wel<strong>ch</strong>em Ende?« »Bis du mir sagst, wo der <strong>Eine</strong> zu finden ist. An Mitteln, di<strong>ch</strong> zu überzeugen, soll es mir ni<strong>ch</strong>t fehlen. Oder bis er trotz deiner Weigerung gefunden wird und der Gebieter Zeit hat, si<strong>ch</strong> mit lei<strong>ch</strong>teren Aufgaben zu befassen: zum Beispiel si<strong>ch</strong> eine angemessene Belohnung für die Widersetzli<strong>ch</strong>keit und Unvers<strong>ch</strong>ämtheit Gandalfs des Grauen auszudenken.« Vom Bu<strong>ch</strong>staben zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tGandalf trifft Saruman»Die Aufgabe könnte si<strong>ch</strong> als gar ni<strong>ch</strong>t so lei<strong>ch</strong>t erweisen«, sagte i<strong>ch</strong>. Er la<strong>ch</strong>te mi<strong>ch</strong> aus, denn meine Worte waren leeres Gerede, und er wusste es. Sie ergriffen mi<strong>ch</strong> und bra<strong>ch</strong>ten mi<strong>ch</strong> ho<strong>ch</strong> auf die Zinne des Turms, dorthin, wo Saruman die Sterne zu betra<strong>ch</strong>ten pflegte. Der einzige Weg hinab ist eine s<strong>ch</strong>male Treppe mit Tausenden <strong>von</strong> Stufen, und der Talgrund s<strong>ch</strong>eint sehr weit weg zu sein. I<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>aute hinab und sah das Tal, das früher einmal grün und freundli<strong>ch</strong> war, nun voller Gruben und S<strong>ch</strong>miedewerkstätten. Wölfe und Orks waren darin untergebra<strong>ch</strong>t, denn Saruman stellte auf eigene Re<strong>ch</strong>nung eine große Streitma<strong>ch</strong>t auf, bis jetzt no<strong>ch</strong> als Saurons Rivale und ni<strong>ch</strong>t in seinen Diensten. Über all diesen Anlagen hing dunkler Qualm, der au<strong>ch</strong> die Seiten des Orthanc einhüllte. I<strong>ch</strong> stand allein auf einer Insel in den Wolken, ohne eine Mögli<strong>ch</strong>keit zu fliehen; und es wurden bitte· re Tage. Die Kälte ging mir dur<strong>ch</strong> und dur<strong>ch</strong>, und i<strong>ch</strong> hatte ni<strong>ch</strong>t mal viel Platz zum Aufundabgehen, als i<strong>ch</strong> drüber na<strong>ch</strong>grübelte, was die Reiter im Norden anstellen könnten. Dass die Neun tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> wieder auftraten, dessen war i<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>er, ganz unabhängig <strong>von</strong> Sarumans Reden, die ja au<strong>ch</strong> Lügen sein konnten. Lange bevor i<strong>ch</strong> Isengard errei<strong>ch</strong>te, hatte i<strong>ch</strong> unterwegs s<strong>ch</strong>on Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ten bekommen, die ni<strong>ch</strong>t fals<strong>ch</strong> sein konnten. I<strong>ch</strong> bangte um meine Freunde im Auenland, hatte aber no<strong>ch</strong> immer etwas Hoffnung. I<strong>ch</strong> hoffte, dass Frodo sofort aufgebro<strong>ch</strong>en war, wie i<strong>ch</strong> es ihm in meinem Brief dringend geraten hatte, und dass er Bru<strong>ch</strong>tal errei<strong>ch</strong>t hatte, ehe die Verfolger auf seiner Spur waren. Aber sowohl meine Sorge wie meine Hoffnung haben si<strong>ch</strong> als unbegründet erwiesen. Denn meine Hoffnung gründete si<strong>ch</strong> auf einen dicken Gastwirt in Bree und meine Sorge auf Saurons S<strong>ch</strong>läue. Aber ein dicker Mens<strong>ch</strong>, der Bier auss<strong>ch</strong>enkt, muss eben viele Gäste bedienen; und Saurons Ma<strong>ch</strong>t ist no<strong>ch</strong> immer geringer, als die Fur<strong>ch</strong>t sie ers<strong>ch</strong>einen lässt. Do<strong>ch</strong> so wie i<strong>ch</strong> da im Ring <strong>von</strong> Isengard saß, allein und gefangen, fiel es mir ni<strong>ch</strong>t lei<strong>ch</strong>t zu glauben, dass diese Jäger, vor denen sonst alles flieht oder in den Staub sinkt, im fernen Auenländ<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>eitern sollten.« »I<strong>ch</strong> habe di<strong>ch</strong> gesehen!« rief Frodo. »Du bist auf und ab gegangen. Der Mond s<strong>ch</strong>ien dir aufs Haar.« Gandalf s<strong>ch</strong>wieg erstaunt und sah ihn an. »Es war nur ein Traum«, sagte Auss<strong>ch</strong>nitt aus »Der Herr der Ringe« <strong>von</strong> J.R.R. Tolkien ers<strong>ch</strong>ienen bei Klett-Cotta 2


Der <strong>Filmleser</strong>Frodo, »aber eben fiel er mir wieder ein. I<strong>ch</strong> hatte ihn ganz vergessen. Den hatte i<strong>ch</strong> vor einiger Zeit, i<strong>ch</strong> glaube, bald na<strong>ch</strong> dem Weggang aus dem Auenland .« »Das war dann zu spät«, sagte Gandalf, »wie du sehen wirst. I<strong>ch</strong> war in einer üblen Lage. Und wer mi<strong>ch</strong> kennt, weiß, dass i<strong>ch</strong> selten so in Not gewesen bin und mi<strong>ch</strong> mit sol<strong>ch</strong>en Rücks<strong>ch</strong>lägen nur s<strong>ch</strong>wer abfinden kann. Gandalf der Graue wie eine Fliege einer tückis<strong>ch</strong>en Spinne ins Netz gegangen! Aber au<strong>ch</strong> die feinst gesponnenen Netze haben man<strong>ch</strong>mal einen s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en Faden. Zuerst befür<strong>ch</strong>tete i<strong>ch</strong>, was Saruman wohl beabsi<strong>ch</strong>tigte, Radagast sei mit ihm im Einvernehmen. Do<strong>ch</strong> hatte i<strong>ch</strong> bei der Begegnung mit ihm kein Anzei<strong>ch</strong>en <strong>von</strong> Verstellung in seiner Stimme oder in seinen Augen bemerkt. Sonst wäre i<strong>ch</strong> niemals na<strong>ch</strong> Isengard geritten, oder i<strong>ch</strong> hätte mehr Vorsi<strong>ch</strong>t walten lassen. Das hatte si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> Saruman geda<strong>ch</strong>t, und darum hatte er den Boten über seine Absi<strong>ch</strong>ten getäus<strong>ch</strong>t. Es wäre ohnehin aussi<strong>ch</strong>tslos gewesen, den ehrli<strong>ch</strong>en Radagast für eine sol<strong>ch</strong>e Verräterei gewinnen zu wollen. Er überbra<strong>ch</strong>te mir die Bots<strong>ch</strong>aft in gutem Glauben und weckte darum in mir keinen Argwohn. Und daran wurde Sarumans Plan zus<strong>ch</strong>anden. Denn Radagast sah keinen Grund, ni<strong>ch</strong>t zu tun, worum i<strong>ch</strong> ihn gebeten hatte; und er ritt zum Düsterwald hin, wo er seit alten Zeiten viele Freunde hatte. Die Adler aus dem Gebirge flogen weit übers Land und sahen so man<strong>ch</strong>es: die Ansammlungen der Wölfe, die Aufmärs<strong>ch</strong>e der Orks und die neun Reiter, die kreuz und quer dur<strong>ch</strong> die Lande streiften; und sie erfuhren au<strong>ch</strong> <strong>von</strong> Gollums Flu<strong>ch</strong>t. Und mit all diesen Meldungen s<strong>ch</strong>ickten sie einen Boten zu mir. So kam es, dass in einer Mondna<strong>ch</strong>t, als der Sommer zu Ende ging, Gwaihir der Windfürst, der s<strong>ch</strong>nellste der großen Adler, unverhofft über dem Orthanc ers<strong>ch</strong>ien; und er fand mi<strong>ch</strong> auf der Zinne stehend. I<strong>ch</strong> spra<strong>ch</strong> mit ihm, und er trug mi<strong>ch</strong> da<strong>von</strong>, ehe Saruman etwas merkte. I<strong>ch</strong> war s<strong>ch</strong>on weit fort, als die Wölfe und Orks aus dem Tor gehetzt kamen, um mi<strong>ch</strong> zu verfolgen. Vom Bu<strong>ch</strong>staben zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tGandalf trifft Saruman«Der Herr der Ringe – Die Gefährten»USA 2001Regie: Peter JacksonDVD-Kapitel 9 (Kinofassung, 2-Disc-Edition)Auss<strong>ch</strong>nitt aus »Der Herr der Ringe« <strong>von</strong> J.R.R. Tolkien ers<strong>ch</strong>ienen bei Klett-Cotta 3


Der <strong>Filmleser</strong>Vom Bu<strong>ch</strong>stabe zum BildersturmLiteraturverfilmungen im Unterri<strong>ch</strong>tVom Text zum Film – Verdi<strong>ch</strong>tung «Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs» Vorlage: J.R.R. Tolkien – Regie: Peter Jackson Lies den ausgeteilten Textabs<strong>ch</strong>nitt genau dur<strong>ch</strong> und überlege dir, wel<strong>ch</strong>e filmis<strong>ch</strong>en Mittel hier nützli<strong>ch</strong> sein könnten, um die Filmszene besonders eindrückli<strong>ch</strong> und aussagekräftig zu gestalten. Verwende dazu ni<strong>ch</strong>t den Dialog und au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t die Musik, sondern auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> die Mittel der Bildgestaltung. Bildauss<strong>ch</strong>nitte .................................................................................................................................................................................. ....................................................................................................................................................................................................... ....................................................................................................................................................................................................... ....................................................................................................................................................................................................... ....................................................................................................................................................................................................... Kamerafahrten .................................................................................................................................................................................. ....................................................................................................................................................................................................... ....................................................................................................................................................................................................... ....................................................................................................................................................................................................... ....................................................................................................................................................................................................... Li<strong>ch</strong>t & Farbe .................................................................................................................................................................................. ....................................................................................................................................................................................................... ....................................................................................................................................................................................................... ....................................................................................................................................................................................................... ....................................................................................................................................................................................................... S<strong>ch</strong>nitt .................................................................................................................................................................................. ....................................................................................................................................................................................................... ....................................................................................................................................................................................................... ....................................................................................................................................................................................................... ....................................................................................................................................................................................................... Spezialeffekte .................................................................................................................................................................................. ....................................................................................................................................................................................................... ....................................................................................................................................................................................................... ....................................................................................................................................................................................................... ....................................................................................................................................................................................................... © <strong>Thomas</strong> <strong>Binotto</strong> www.filmleser.<strong>ch</strong> 11.11.11

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!