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„Ich habe dem Tod direkt ins Gesicht gesehen.“ - Annika Müller

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ALPIN Porträt Edurne PasabánEdurne Pasabán wird vielleicht die erste Frau sein, die aufallen 14 Achttausendergipfeln der Welt gestanden hat.Zwölf hat sie bereits bestiegen. Spaniens beste Bergsteigerinhat jedoch nicht nur mit der Gefahr, sondern auch mitMännern und Medien zu kämpfen. Text: <strong>Annika</strong> <strong>Müller</strong>Bergsteigerin aus <strong>dem</strong> Baskenland: Edurne Pasabán.Wettlauf im HimalajaFotos: Delgado, Rodriguez / DESNIVELPRESSWie hat man sich eineFrau vorzustellen, diesich in lebensfeindlichenRegionen zu Hause fühlt, <strong>dem</strong> <strong>Tod</strong>schon oft <strong>ins</strong> <strong>Gesicht</strong> <strong>gesehen</strong> hat und sichin der männerdominierten Welt des Profibergsportseinen Namen gemacht hat?Edurne Pasabán sieht man ihre Zähigkeitnicht an. Sie ist groß und schlank, ihr Ganglässig, ihr Lächeln herzlich. Ihre weichenZüge hat sie mit etwas Makeup unterstrichen,die Haare sind noch feucht von derDusche. Die 35-jährige Spanierin machteinen erholten Eindruck, obwohl sie erstvor zwanzig Minuten ihr vormittäglichesTrainingsprogramm beendet hat: DreiStunden Jogging in einer Druckkammer– bei Bedingungen, wie sie auf 6000 MeterHöhe herrschen. Durch den sinkendenLuftdruck ist der Sauerstoffgehalt dortnicht einmal halb so hoch wie auf Meereshöhe,schon das Atmen ist unglaublichmühsam; ohne ausreichende Akklimatisationentwickelt der Körper Anzeichen dergefährlichen Höhenkrankheit.Doch die gebürtige Baskin ist größereHöhen gewohnt: Sie stand bereits aufzwölf der 14 Achttausender der Erde. ImMai war sie am Gipfel des Kantsch, wenigeTage, bevor ihre Konkurrentin und Freun-din Gerlinde Kaltenbrunner mit der Besteigungdes Lhotse im Wettstreit um dieKomplettierung aller Achttausender mit ihrgleichzog (siehe auch Chronik, Seite 86).Die Finanzierung ihrer Pläne bereitet derSpanierin Sorgen: „Die Wirtschaftskrisehat die Suche nach Sponsoren extrem erschwert.Die vielen Telefonate und Treffenrauben mir die Kraft, zu trainieren und vorallem, mich psychisch vorzubereiten.<strong>“</strong>Dies sei für den Erfolg einer Expeditionwichtiger als körperliche Kraft undAusdauer, schließlich müssen unter extremenBedingungen Beschlüsse gefasst werden,die über Leben und <strong>Tod</strong> entscheiden.<strong>„Ich</strong> bin oft erstaunt, wie klar ich unter maximalerBelastung denken kann<strong>“</strong>, berichtetPasabán. Selbst am Rande der Erschöpfungkönne sie mit purer Willensstärke nochunglaubliche Kräfte mobilisieren. So etwabeim Abstieg vom Gipfel des K 2, als ihr beieinem Wettersturz die Zehen erfroren undsie in drei Stunden nur 200 Meter vorankam. „Da <strong>habe</strong> ich <strong>dem</strong> <strong>Tod</strong> ziemlich <strong>direkt</strong><strong>ins</strong> <strong>Gesicht</strong> <strong>gesehen</strong><strong>“</strong>, erinnert sich Pasabán.Für Angst aber auch für Trauer bleibtkeine Zeit am Berg. <strong>„Ich</strong> <strong>habe</strong> oft darübernachgedacht, wie ich wohl reagieren würde,wenn <strong>direkt</strong> neben mir ein Freund stirbt.Aber in <strong>dem</strong> Moment, in <strong>dem</strong> es passiert,versucht man nüchtern Entscheidungen zutreffen, um sein eigenes Leben zu retten.<strong>“</strong>Inzwischen vertraut Pasabán darauf,dass sie in solchen Situationen <strong>ins</strong>tinktivdas Richtige tut. Auch als sie sich an derShishapangma im vergangenen Herbst wegendes schlechten Wetters zur Umkehrentschied, folgte Pasabán ihrem warnendenBauchgefühl und stellte unter Beweis, keinevom Ehrgeiz getriebene Rekordjägerin zusein. Von den spanischen Medien jedocherntete sie Kritik: Sie <strong>habe</strong> den Vorsprungverspielt, den sie sich in einem angeblichenWettlauf mit der Österreicherin GerlindeKaltenbrunner und der Italienerin NivesMeroi herausgearbeitet hatte. Tatsächlichverfolgen alle drei Profibergsteigerinnendasselbe Ziel: Auf allen vierzehn Achttausenderngestanden zu <strong>habe</strong>n. Der Erstenunter ihnen winkt ein Eintrag <strong>ins</strong> GuinnessBuch der Rekorde, denn bislang ist diesnoch keiner Frau gelungen. Als Konkurrentinnenwollen sich die drei Bergsteigerinnendennoch nicht verstehen. Mehr alsam Ruhm sind sie an der Erfüllung einespersönlichen Traums und vor allem amÜberleben interessiert.Für die Medien indes ist die Situationein gefundenes Fressen: Über zwei Jahr-<strong>„Ich</strong> <strong>habe</strong> <strong>dem</strong> <strong>Tod</strong> <strong>direkt</strong> <strong>ins</strong><strong>Gesicht</strong> <strong>gesehen</strong>.<strong>“</strong>Ichfinde,das Aufmacherbild sollteeine BU <strong>habe</strong>n, ich denke, das52 7/09 ist auf den letzten Metern zum7/0953Gipfel des K2


ALPIN Reportage Sherpas auf HüttenBefreundet im Wettstreit: Gerlinde Kaltenbrunner und Edurne Pasabán. Im Himalaja sucht Edurne die Nähe zur Kultur der dort lebenden Menschen.„Mein 15. Achttausender wirddie Mutterschaft sein.<strong>“</strong>Edurne Pasabán hat sich bei allen Grenzerfahrungen eine natürliche Sicht der Dinge bewahrt: <strong>„Ich</strong> will nicht nur den Erwartungen der Öffentlichkeit genügen.<strong>“</strong>zehnte sind vergangen, seit Reinhold Messnerals erster Mensch die Besteigung allervierzehn Achttausendergipfel vollendete.Nun stehen mit Pasabán, Kaltenbrunnerund Meroi drei der besten Bergsteigerinnender Welt kurz davor, sich ebenfallsin diesen exklusiven Club einzuschreiben.„Spekulationen der Medien, wer von unsdie größten Erfolgschancen hat, sind unseriös<strong>“</strong>,empört sich Pasabán. Doch spätestensseit Juli 2007, als Kaltenbrunner undPasabán nahezu gleichzeitig den Gipfel desBroad Peak erreichten – eigentlich um zu<strong>dem</strong>onstrieren, dass es kein Konkurrenzverhältnisgibt –, schreiben die Medien eineWiederholung des Wettlaufs herbei, densich in den siebziger und achtziger Jahrender Südtiroler Messner und der Pole JerzyKukuczka lieferten.Wenn Pasabán daran denkt, zieht sichihre Stirn in Falten: „Es wäre absurd undgefährlich, Höhenbergsteigen als Wettrennenzu begreifen. Ich will als zufriedeneGreisin enden und nicht dabei, irgendeinenRekord aufzustellen. Ich weiß, dassdas auch für Gerlinde gilt.<strong>“</strong> Inzwischen istzwischen Pasabán und Kaltenbrunner einetiefe Freundschaft entstanden.„Kürzlich sassen Gerlinde und ichin München nach einer Bergsteigermessebei einem Bier<strong>“</strong>, erzählt Pasabán. „AndereBergsteiger fragten, ob wir unsere Feindschaftetwa beigelegt hätten. Da konntenwir uns vor Lachen kaum halten<strong>“</strong>, berichtetPasabán, die bei ihrer österreichischenKollegin die Unterstützung findet, die siebraucht, um <strong>dem</strong> enormen Druck der spanischenMedien standzuhalten: Plötzlichwar sie nicht mehr die baskische Restaurantbesitzerinmit <strong>dem</strong> extremen Hobby,sondern galt als „Pasabán, die Superfrau<strong>“</strong>und „Königin des Himalaja<strong>“</strong>. 2005 wurdesie vom spanischen olympischen Komiteezur Sportlerin des Jahres ernannt. <strong>„Ich</strong>musste mir immer wieder vor Augen führen:Ich bin dieselbe Edurne, ob ich nun dievierzehn Achttausender schaffe oder nicht.Wenn ich merke, dass es mir keinen Spaßmehr macht, muss ich aufhören.<strong>“</strong> Nachschlechten Erfahrungen am K 2 war Pasa-bán kurz davor, das Handtuch zu werfen undkehrte erst zwei Jahre später wieder in denHimalaja zurück. <strong>„Ich</strong> wollte herausfinden,ob ich wirklich vom Bergsteigen überzeugtwar oder ob ich nur noch den Erwartungender Öffentlichkeit genügen wollte.<strong>“</strong>Wer solche Erfahrungen gemachthat, sollte ein entspanntes Verhältnis zuAlltagsproblemen <strong>habe</strong>n. Doch nicht soEdurne Pasabán: „Im normalen Leben binich ein sensibler Mensch, der sich schnellzum Weinen bringen lässt. Meine Freundewundern sich immer über meinen Persönlichkeitswandelam Berg und fragen,warum ich die enorme Kraft, die ich dortanzeigeJahr Gerlinde Kaltenbrunner Edurne Pasabán Nives Meroi1998 Cho Oyu 1. Nanga Parbat 1.1999 ShishapangmaCho Oyu20002001 Makalu 2. Mount Everest 1.2002 Manaslu 3. MakaluCho Oyu2003 Nanga Parbat,(Diamirflanke)2004 Annapurna(Franzosenroute)Gasherbrum I(Japanercouloir)4. LhotseGasherbrum IIGasherbrum I5.6.2.3.4.5.6.Gasherbrum IGasherbrum IIBroad PeakK 2 7. Lhotse 7.2005 Shishapangma7. Nanga Parbat 8.(S-Wand – Überschreitung)Gasherbrum II8.2006 Kangchenjunga 9. DhaulagiriK 22007 Broad Peak 10. Broad Peak 9. Mount Everest 10.2008 Dhaulagiri 11. Dhaulagiri10. Manaslu 11.Manaslu11.2009 Lhotse 12. Kangchenjunga 12.RestprogrammK 2Mount EverestSishapangmaAnnapurnaKangchenjungaAnnapurnaMakalu2.3.4.5.6.8.9.Fotos: Delgado (4), Rodriguez / Desnivelpress (2), Meroi, Kaltenbrunnermedienwerkstatt.ccAlpin Eis-Tage Pitztal18.– 20. 09. 2009Als E<strong>ins</strong>timmung auf kältere Tage bieten die AlpinEis-Tage am Taschachhaus E<strong>ins</strong>teigerInnen und Fortgeschrittenendie Möglichkeit, in Workshops und inParcours am Gletschereisbruch des Taschachfernersdie Eistechniken und Bergungstechniken zu erlernen.Workshops und Eisparcours zuGrundschule EisSicherungstechniken im EisSteileisSpaltenbergung/Kameradenrettung/SelbstausstiegSeiltechnikenAnforderungenTrittsicherheit und körperlicheFitnessSteigeisenfeste BergschuheEuro 209,00 und für Alpin-Abonnenten Euro 169,00Infos & Anmeldung: office@taschachhaus.comLeistungenWorkshops und Eisparcours mitstaatlich geprüften BergführernTestmaterial von Stubai undDeuterUnterbringung mit Halbpension imAusbildungsstützpunktTaschachhausRucksacktransportTal – Taschachhaus – TalRahmenprogramm undGewinnspiel54 7/09A-6481 St. Leonhard im Pitztal office@taschachhaus.com 0043-664-1384465w w w . t a s c h a c h h a u s . c o m


ALPIN Porträt Edurne Pasabánentwickle, nicht mit in den Alltag nehmenkann.<strong>“</strong> Kleinigkeiten bringen sie oft aus<strong>dem</strong> Gleichgewicht, unfaire Berichterstattungder Medien und nicht zuletzt dieAnfeindungen ihrer männlichen Kollegengehen Pasabán nahe.Nicht selten stellt die männerdominierteBergsteigerszene einen GipfelerfolgPasabáns so dar, „als hätte ich ihn nur aufgrundder Erfahrung und Ausdauer meinerBegleiter erreicht. Dabei trage ich dieselbeMenge an Material und nicht zuletzt michselbst den Berg hinauf.<strong>“</strong> Oft wird sie auchmit <strong>dem</strong> Vorwurf konfrontiert, sie sei keinekreative Bergsteigerin, da sie die Achttausender„nur<strong>“</strong> auf den Normalroutenbegehe. <strong>„Ich</strong> bin kein Kukuczka<strong>“</strong>, betontsie immer wieder mit Bezug auf den polnischenBergsteiger, der bei der Suche nachden schwierigsten Aufstiegsrouten letztlichsein Leben ließ. <strong>„Ich</strong> beschränke mich aufFamilienmensch Edurne denkt auch an Nachwuchs.das, was meinen Fähigkeiten und meinerRisikobereitschaft entspricht.<strong>“</strong> Schließlichhat auch die Mehrheit der Männer, die allevierzehn Achttausender bestiegen <strong>habe</strong>n,die gewöhnlichen Routen gewählt.Immer wieder stellt Pasabán fest: Werals Frau im Alp<strong>ins</strong>port ernst genommenwerden will, muss mehr leisten als dieMänner. Erst langsam hätten ihre Bergkameradenerkannt, „dass wir Frauen vieleVorteile <strong>habe</strong>n<strong>“</strong>: Bergsteigerinnen seienzäher, leidensfähiger. „Außer<strong>dem</strong> reagierenwir in schwierigen Situationen überlegter<strong>“</strong>,so Pasabán. Stolz und Selbstüberschätzungmachten es den männlichen Kollegen oftunmöglich umzukehren, auch wenn dieLage es erfordere. „Da muss ich manchmalhart durchgreifen; hinterher sind miraber alle dankbar.<strong>“</strong> Dennoch bleibt derAchttausenderrekord im Vordergrund.Gerlinde und Edurne punkteten an Lhotseund Kangchenjunga, wo Edurne sicheinige Erfrierungen einhandelte. Am gleichenBerg musste Nives Meroi abbrechen(siehe Tabelle) und liegt im Rennen hinten.Übrigens: Alle drei Bergsteigerinnenwurden für die hohe spanische Sportauszeichnung„Prinz von Asturien<strong>“</strong> nominiert.Mit vielen erfolgreichen Frauenteilt Pasabán ein ganz anderes Problem:Die Schwierigkeit ihren Kinderwunsch undihren Sport zu vereinbaren. Doch ihre Entscheidungist klar: „Mein 15. Achttausenderwird die Mutterschaft sein.<strong>“</strong>Edurne PasabanLizarribaram 1. August 1973 in Tolosa im spanischenBaskenland geboren, begann in guter Bergsteiger-Traditionihres Volkes bereits im Kindesalterdie Berge ihrer Heimat zu erobern.Als Jugendliche bereiste sie die Alpen undAnden. Heute hat Edurne Pasabán zwölfder 14 Achttausender bestiegen. Ihr fehlenShishapangma und Annapurna. Im Jahr2005 zeichnete das spanische olympischeKomitee Edurne Pasabán als beste Sportlerindes Jahres aus.Edurne Pasabán hat Ingenieurswesen studiertund vier Jahre lang im familieneigenenBetrieb gearbeitet, heute besitzt sieein eigenes Restaurant im baskischen Zizurkil.Außer<strong>dem</strong> hat sie ein Zusatzstudiumin Wirtschaftsmanagement absolviert undberät Unternehmen in Sachen Teamfähigkeitund Motivation.Seit einem Jahr lebt sie in Matadepera amFuße des katalanischen Nationalparks vonSant Llorenç del Munt.Sponsoren:Grifone www.grifone.comTVE (spanischer Fernsehsender)www.rtve.esEndesa www.endesa.comMovistar www.movistar.com/Gipuzkoa (baskische Provinz)www.gipuzkoa.netLagun Aro www.seguroslagunaro.comInternet:www.edurnepasaban.comEdurne am Berg – sie trägt und leistet dasselbe wie die männlichen Kollegen.56 7/09Nicht Wettlauf umjeden Preis: Nachschwerem Abstiegvom Kantsch schautEdurne kritisch indie Zukunft.Fotos: <strong>Müller</strong>, Delgado (2)

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