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pfiffige Molekularküche - Kochen in Wien

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Kul<strong>in</strong>arikxxxxxx3233Vorbereitung auf das Abenteuer: Peter Kirischitz (l<strong>in</strong>ks) im Gespräch mit dem „<strong>Wien</strong>er Journal“.>mehr, wie das siebengängige Menü beweist, das beise<strong>in</strong>em Abenteur-Programm serviert wird, die ab 26.April im Villon-Keller <strong>in</strong> der <strong>Wien</strong>er City stattf<strong>in</strong>det.Mit dem Vertrauten spielen. Da es fürPeter Kirischitz beim Essen nicht bloß um Stoffwechselgeht, sondern „um den Genuss, um e<strong>in</strong> Erlebnis,e<strong>in</strong> Abenteuer“, ist es nur konsequent, dassdie Darbietung des Abenteuer-Menüs sorgfältig<strong>in</strong>szeniert wird. Drehbuch und Text stammen vonChristoph Frühwirth, der unter anderem auch e<strong>in</strong>Programm für Karl Merkatz geschrieben hat („DerBlunz’nkönig“). Dazu kommt Anna-Maria Birnbauervon der Staatsoper, die Variationen auf <strong>Wien</strong>erliederbr<strong>in</strong>gt, begleitet von dem Pianisten Huw RhysJames. In raff<strong>in</strong>ierter Weise beschwören sie <strong>in</strong>mittender Kochkunststücke den kul<strong>in</strong>arischen Geist des alten<strong>Wien</strong>. „Ich mache nämlich“, sagt Peter Kirischitz,„ke<strong>in</strong>e wilden Experimente, sondern spiele mit geschmacklichenGewohnheiten. Ich nehme vertrauteLebensmittel und verändere sie. Das ist der Unterschiedzu anderen Programmen.“Dieses Konzept sche<strong>in</strong>t dem Meisterkoch, Jahrgang1952, <strong>in</strong> die Wiege gelegt zu se<strong>in</strong>. Aufgewachsen<strong>in</strong> Margareten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>fachen Verhältnissen, hat er sichbereits früh für die Küche begeistert. „Schon mit zehn“,erzählt er, „war ich unzufrieden mit dem, was me<strong>in</strong>eMutter gekocht hat, und wollte es besser machen.“Das tat er dann auch, lernte Koch, arbeitete <strong>in</strong> <strong>Wien</strong>Erste TV-Auftritte:PeterKirischitzvor derKamera.Glossar.<strong>Molekularküche</strong> befasst sich mitden biochemischen und physikalischchemischenProzessen bei derZubereitung und beim Genuss vonSpeisen und Getränken.Die <strong>Molekularküche</strong> setzt Erkenntnisseaus der wissenschaftlichenUntersuchung biochemischer,physikalischer und chemischerProzesse bei der Zubereitung vonSpeisen und Getränken um.(Quelle: Wikipedia)Collagen ist e<strong>in</strong> nur bei vielzelligenTieren (auch bei Menschen)vorkommendes Strukturprote<strong>in</strong>hauptsächlich des B<strong>in</strong>degewebes.Collagen ist dafür verantwortlich,dass Fleisch zäh ist. Erst wennsich das Collagen <strong>in</strong> Gelat<strong>in</strong>eumwandelt – dazu braucht es Zeitund Temperaturen ab ca. 65 GradCelsius – wird das Fleisch mürbe.im Intercont<strong>in</strong>ental, später dann <strong>in</strong> St. Moritz,Kitzbühel und Velden. Bei der „<strong>Wien</strong>er InternationalenGartenschau“ im Jahr 1964 warer bereits im Alter von 25 Jahren Souschefund bald danach Küchenchef <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emHotelrestaurant.Im Jahr 1983 hatte er das Geldbeisammen, um <strong>in</strong> Ottakr<strong>in</strong>g „PetersBeisl“ aufzumachen, das Lokal, mitdem er se<strong>in</strong>e ganz großen Erfolge feiernsollte. Dort gab es anfangs nebender normalen Küche für die Leuteaus der Gegend immer wieder e<strong>in</strong>enGourmet-Abend. 1985 wurde man <strong>in</strong>der Stadtzeitung „Der Falter“ auf diesesEreignis aufmerksam, bald gab esenthusiastische Berichte des Gourmet-Kritikers Christoph Wagner, und sehr balddanach die erste Haube. „Früher als das Sacher“,ergänzt Peter Kirischitz und gr<strong>in</strong>st heutenoch über das ganze Gesicht.Die merkwürdige Mischung zwischen<strong>in</strong>ternationaler Spitzenküche und normalemBeisl-Betrieb wurde damals bald zurLegende. „It’s a funny mix“, zitierte PatriciaKoza <strong>in</strong> der „New York Times“<strong>in</strong> <strong>Wien</strong> stationierte Diplomaten,die davon bee<strong>in</strong>druckt waren, dass <strong>in</strong>dem Lokal sowohl Arbeiter aus derUmgebung zum Mittagessen kamenals auch Mitglieder der Regierungoder die Spitzen des ORF – um derexquisiten Küche willen. „E<strong>in</strong> Lokal,das es gar nicht geben dürfte“, schriebChristoph Wagner <strong>in</strong> der „Kul<strong>in</strong>arischenReise durch Österreich“, „e<strong>in</strong> kul<strong>in</strong>arischerZwitter aus Vorstadtbeisl und Gourmettempel.“Und weiter: „Während mittags nach wievor die e<strong>in</strong>fache Hausmannkost, aufgefettetdurch e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Gourmet-Menü, dom<strong>in</strong>iert,steht abends neben erlesenen Köstlichkeitene<strong>in</strong> Degustationsmenü auf dem Speisezettel,wie man es sich <strong>in</strong> den ersten Häusern nichtschöner und besser wünschen könnte.“Bis <strong>in</strong>s Jahr 1995 führte Peter Kirischitze<strong>in</strong> anstrengendes Leben: Aufstehen um fünfzum E<strong>in</strong>kaufen auf den Inzersdorfer Markt, abneun <strong>in</strong> der Küche und nachts bis zwei dann imLokal. Und das sechs Tage die Woche, unterbrochenam siebenten von Fahrten zu se<strong>in</strong>emBio-Bauern <strong>in</strong> Amstetten, der ihm erlesenesFleisch lieferte. „Wenn das e<strong>in</strong>mal ausgebliebenist, haben die Gäste sofort reklamiert.“ Dazukamen bald Fernseh-Shows und Kochkolumnen,e<strong>in</strong> fordernder Alltag, neben dem er es>Gewagt: Hühnerbrust <strong>in</strong> Teriyaki-Sauceund Curry-Zuckerwatte.


kul<strong>in</strong>arikxxxxxx>auch noch irgendwie schaffte, sich aufdie Studienberechtigungsprüfung vorzubereiten.(„Das war e<strong>in</strong>e teure Prüfung“,sagt er. „Ich habe e<strong>in</strong>e Köch<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gestelltund der Umsatz ist um dreißig Prozent zurückgegangen.“)Später gönnte er sich e<strong>in</strong>eAuszeit, <strong>in</strong> der er e<strong>in</strong> Lehramtsstudiumabschloss und begann, an der Hertha-Firnbergschuleangehenden Tourismusfachleutendie Grundbegriffe fe<strong>in</strong>er Gastronomienahezubr<strong>in</strong>gen.Charmante Riesenerbsen. Aberdie Lust auf Spitzenleistungen ist gebliebenund so widmet er sich nun eben der<strong>Molekularküche</strong>. „<strong>Kochen</strong> ist für michReligion“, sagt er so entwaffnend e<strong>in</strong>fach,dass man ihm sofort glaubt. Ohne e<strong>in</strong>ensolchen Enthusiasmus wären auch dieakribischen Studien nicht zu bewältigen,die e<strong>in</strong>en Abend wie „Mund/Art“ erstmöglich machen. Zum Beispiel die Hühnerbrust<strong>in</strong> Teriyaki-Sauce, die mit Curry-Zuckerwatte serviert wird. Oder die schonerwähnte Klachelsuppe mit Wodkakren.Oder e<strong>in</strong>e Käsetrüffel-Nudelsuppe, zu derflüssiger Nudelteig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Spritze ge-reicht wird, e<strong>in</strong>e besonders raff<strong>in</strong>ierteKomposition mit Zellulose, die dazuführt, dass sich der flüssige Teig, <strong>in</strong> dieheiße Suppe gespritzt, zu Nudeln verwandelt,die beim Abkühlen im Mund langsamschmelzen und dabei besondere Aromenfreisetzen. Oder das Speckbrot mite<strong>in</strong>em Hauch von Nichts, e<strong>in</strong> Stück Brot,auf dem e<strong>in</strong>e Masse, die entfernt an Badeschaumer<strong>in</strong>nert, den SpeckgeschmackFotos: Moritz ZieglerTricks der <strong>Molekularküche</strong>: AusBlauem Curacao wird ...Mund/Art. Kuchl isst Kult.Haubenkoch Peter Kirischitz undChristoph Frühwirth (Autor). Mit AnnaMaria Birnbauer, Mitglied der <strong>Wien</strong>erStaatsoper, und Huw Rhys James, Klavier.Premiere 26. April. Weitere Term<strong>in</strong>e:16., 24., 31. Mai, jeweils 20 Uhr.E<strong>in</strong>tritt 69 Euro (Getränke <strong>in</strong>begriffen),Villon-Keller,Habsburgergasse 4, 1010<strong>Wien</strong>, T: 0680 2091473 (Petra Goldste<strong>in</strong>er)www.kuchlkult.atMenü:• Hendlbrüstl <strong>in</strong> Curryzuckerwatte• Speckbrot – e<strong>in</strong> Hauch von Nichts• Kernölgrieß, Käsetrüffel Nudelsuppe• Klachelsuppe mit Wodkakren• Junggemüse Molekular• Geflämmte Kalbstelze• Kaiserschmarr’n -196• Flüssige Beeren• Elektrischer Rosmar<strong>in</strong>sand• Heißer Schokoschaum• Himbeervulkano• Haaße Überraschungtransportiert, e<strong>in</strong>e ganz eigene Technik,die sich der Meister <strong>in</strong> unzähligen Versuchenerarbeitet hat. Oder der bereitserwähnte Kernölgrieß, der <strong>in</strong> flüssigemStickstoff bei m<strong>in</strong>us 196 Grad zubereitetwird und beim Erwärmen im Mund nachund nach se<strong>in</strong>en Geschmack freigibt unddabei auch zu dampfen beg<strong>in</strong>nt.Auf diese E<strong>in</strong>leitung folgt dann beim„Mund/Art“-Abenteuer e<strong>in</strong>e im Vakuum... nach e<strong>in</strong> paarraff<strong>in</strong>ierten Aktionen ...zehn Stunden bei exakt 72 Grad geschmorteKalbsstelze, e<strong>in</strong>e Temperatur,bei der sich die Collagene im Fleisch<strong>in</strong> Gelat<strong>in</strong>e verwandeln, was e<strong>in</strong>en besonderszarten Geschmack erzeugt. Siewird <strong>in</strong> Anwesenheit des Publikumsmit e<strong>in</strong>em Bunsenbrenner wie im Chemielaborgeflämmt, um die Röstaromenfreizusetzen, und danach mit „Junggemüsemolekular“ serviert: Dazu gehörenErbsen, die groß s<strong>in</strong>d wie Zwei-Euro-Stücke, aber <strong>in</strong>nerlich flüssig, ziemlichkompliziert hergestellt aus Erbsenpüreeund Milchkalzium sowie mit Algenextrakten,die negativ geladene Ionenenthalten und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er speziellen Reaktiondie Riesenerbsen ergeben. Odere<strong>in</strong>en Baiser aus Roten Rüben, dessenHerstellung man sich ähnlich komplexvorstellen muss. Oder durchsichtigeCannelloni aus Sellerie. Oder Karottenpesto.Oder Brokkolistücke, e<strong>in</strong>gelegt <strong>in</strong>kle<strong>in</strong>e Sulzwürfel.Dazu kommen Ereignisse wie derbereits erwähnte „Kaiserschmarr’n -196“,der <strong>in</strong> flüssigem Stickstoff gart, „elektrischerRosmar<strong>in</strong>sand“, der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er chemischenReaktion im Mund prickelt,oder der „Himbeervulkano“, der sich,e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> Gang gesetzt, selbsttätig ause<strong>in</strong>em Glas mit Himbeermousse übere<strong>in</strong>e Schüssel mit Früchten ergießt undauf diese Art e<strong>in</strong>e Nachspeise erzeugt.Wie war das? „E<strong>in</strong>en Kurzschlussim Kopf“ wollte der Maestro erzeugen.Wer se<strong>in</strong>en Kopf e<strong>in</strong>em solchen Erlebnisaussetzen will, f<strong>in</strong>det beim „Mund/Art“-Abend die ideale Gelegenheit dazu.... so etwas wie „Blauer Kaviar“(siehe nebenstehendes Rezept).Und manchmal raucht die fertige Speise aus der Nase.Blauer Kaviar(Fake-Kaviar)Zutaten:Calciumchlorid-Lösung (Calciumbad):0,50 Liter Wasser + 4,00 Gramm CalciumchloridFake-Kaviar:0,40 Liter Blue Curacao + 3,00 Gramm Alg<strong>in</strong>atZubereitung:1. Calciumchlorid im Wasser auflösen.2. Alg<strong>in</strong>at <strong>in</strong> Blue Curacao mit dem Mixstab e<strong>in</strong>arbeiten.3. Stehen lassen bis alle Luftbläschen entweicht s<strong>in</strong>d(am besten über Nacht).4. Curacao-Alg<strong>in</strong>at-Lösung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e 200-mi-Spritzeaufziehen und gleichmäßig <strong>in</strong>die Calciumchlorid-Lösung tropfen lassen.5. Nach etwa 30 Sekunden die Kügelchen mite<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Sieb aus der Lösung fischen undim kaltem Wasserbad abspülen. Eventuell <strong>in</strong>Blue Curacao mar<strong>in</strong>ieren.6. Sofort servieren.Die Kügelchen gelieren nach etwa 20 M<strong>in</strong>uten durch.Der Kaviar-Effekt, also die Eigenschaft der Kügelchen,am Gaumen zu zerplatzen und die Flüssigkeitvon <strong>in</strong>nen freizugeben, istnach 20 M<strong>in</strong>uten nicht mehr gegeben.3435

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