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Marcus Knaup, Leib und Seele oder mind and brain? Zu einem ...

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<strong>Marcus</strong> <strong>Knaup</strong>, <strong>Leib</strong> <strong>und</strong> <strong>Seele</strong> <strong>oder</strong> <strong>mind</strong> <strong>and</strong> <strong>brain</strong>? <strong>Zu</strong> <strong>einem</strong>Paradigmenwechsel im Menschenbild der M<strong>oder</strong>ne, Freiburg/München 2012 14.07.13(empfohlene Zitierweise: Detlef Zöllner zu <strong>Marcus</strong> <strong>Knaup</strong>, <strong>Leib</strong> <strong>und</strong> <strong>Seele</strong> <strong>oder</strong><strong>mind</strong> <strong>and</strong> <strong>brain</strong>? <strong>Zu</strong> <strong>einem</strong> Paradigmenwechsel im Menschenbild der M<strong>oder</strong>ne,Freiburg/München 2012, 14.07.2013, in: http://erkenntnisethik.blogspot.de/)1. Neurowissenschaften <strong>und</strong> Philosophie2. Embryonale <strong>Leib</strong>lichkeit3. Das Mensch-Welt-Verhältnis4. Supervenienz <strong>und</strong> Epiphänomenalismus5. Plastizität <strong>und</strong> Korrelation6. Damasios MonismusEs ist selten genug, wenn man <strong>einem</strong> Neurobiologen begegnet, der das subjektiveErleben des Menschen in seinen Studien ernstnimmt <strong>und</strong> in seiner organischen<strong>und</strong> kulturellen Ganzheit zu verstehen versucht, anstatt es auf seine neurologischenSchaltkreise zu reduzieren. So wird auch Antonio Damasio immer wiederzum Kronzeugen einer nicht-reduktiven Perspektive auf das Gehirn. Auch <strong>Marcus</strong><strong>Knaup</strong> hebt Damasios Bedeutung für ein entsprechend ganzheitlich angelegtesForschungsprogramm hervor: „Damasio kommt auch nicht auf die Idee, sichin diesem <strong>oder</strong> jenem Hirnareal auf die Jagd nach bewussten Lebensäußerungenzu machen. Bewusstsein sei ja schließlich keine Eigenschaft von Gehirnen. ... Dieherausragende Rolle schreibt Damasio der <strong>Leib</strong>lichkeit zu. Dass wir unseren <strong>Leib</strong>erleben, wie wir im letzten Kapitel gesagt haben, wird von Damasio ernst genommen.“(<strong>Knaup</strong> 2012, S.410)So verführerisch es ist, Damasio für einen nicht-reduktiven Hylemorphismusin Anspruch zu nehmen, so kann man dennoch nicht einfach über seine Nähe zuden von <strong>Knaup</strong> beschriebenen verschiedenen Versionen monistischer Theorieansätzehinwegsehen. <strong>Knaup</strong> selbst verweist ausführlich auf Damasios Vorliebe fürSpinozas Substanzmonismus. (Vgl. <strong>Knaup</strong> 2012, S.122f.) Letztlich bleibt <strong>Knaup</strong>auch eine nähere Erläuterung dazu schuldig, inwiefern der Hylemorphismus eineAlternative zu substanzdualistischen Ansätzen wie dem Kartesianismus <strong>und</strong> zuden reduktionistischen Ansätzen idealistischer <strong>und</strong> materialistischer Prägung darstellt,dabei aber selbst kein Monismus sein soll. Denn Form (morphê) <strong>und</strong> Stoff(hylê) bilden ja eine untrennbare, nur begrifflich unterscheidbare Einheit. (Vgl.


<strong>Knaup</strong> 2012, S.246)Wenn es um eine echte, nicht-metaphysische Alternative zum Physikalismus<strong>und</strong> Naturalismus geht, sollte man sich meiner Ansicht nach nicht dazu verleitenlassen, sich pauschal gegen jede Form des Monismus zu wenden. Konsequentdiesseitige Menschlichkeit kann ohne jeden Jenseitsbezug auskommen. Oder <strong>and</strong>ers:auch der Jenseitsbezug läßt sich innerhalb unserer leiblichen Diesseitigkeitausdifferenzieren, etwa im Sinne der Plessnerschen Doppelaspektivität: <strong>einem</strong>Perspektivendualismus auf der Grenze von Innen <strong>und</strong> Außen. Dieser Perspektivendualismusbeinhaltet beides: einen materiellen Monismus <strong>und</strong> eine geistige<strong>und</strong> seelische Differenz.Wichtig ist dabei vor allem, nicht der Versuchung zu erliegen, diesen Perspektivendualismusauf eine einheitliche, formelhafte Begrifflichkeit zu bringen.Wenn wir nicht mehr begrifflich zwischen <strong>Leib</strong> <strong>und</strong> <strong>Seele</strong> bzw. Geist unterscheiden,verschwindet auch die Differenz <strong>und</strong> spielt dann auch in unserem Erleben<strong>und</strong> H<strong>and</strong>eln keine Rolle mehr. Das Mitein<strong>and</strong>er der Menschen wird nur nochdurch ihre Maschinenebenbildlichkeit geprägt.Genau diesen Kategorienfehler macht Damasio in s<strong>einem</strong> neuesten Buch „SelfComes to Mind“ (2010). (Vgl. auch meinen Post vom 15.08.2012) Er verzichtetbewußt darauf, die Innenperspektive, also das subjektive Erleben, in <strong>and</strong>eren alsphysiologischen Begriffen zu beschreiben <strong>und</strong> setzt den biologischen Wert mitmoralischen Kriterien <strong>und</strong> kulturellen Präferenzen gleich. Insofern bleibt auchihm der Vorwurf eines reduktiven Physikalismus nicht erspart.Aber zu diesem Reduktionismus gehört eben nicht sein Konzept vom Selbstals <strong>einem</strong> Prozeß, der zu den biologischen, von ihm als Geistprozeß beschriebenenProzessen, hinzukommt. Damasio ist eben kein reduktiver Supervenienztheoretikerwie die von <strong>Knaup</strong> beschriebenen Neurowissenschaftler, die ihren Ansatzzwar auch als nicht-reduktionistisch verstehen, dabei aber dennoch die zur Neurophysiologiehinzukommende geistige bzw. seelische Ebene als einseitig durch dieNeurophysiologie bedingt darstellen. (Vgl. <strong>Knaup</strong> 2012, S.191f.)Ob ein Supervenienztheoretiker einen reduktiven Ansatz verfolgt <strong>oder</strong> nicht,entscheidet sich vor allem an der Frage, ob der hinzukommenden geistigen bzw.seelischen Ebene gegenüber der neurophysiologischen Ebene ein eigener Bewegungsraumzugest<strong>and</strong>en wird, etwa als exzentrische Positionalität (Plessner). Bildetalso die Bewußtseinsebene einen eigenen an Sinn <strong>und</strong> Wahrheit orientiertenBewegungsraum (vgl. <strong>Knaup</strong> 2012, S.181) <strong>oder</strong> ist sie in jedem einzelnen, isolier-


ten Erlebnisakt durch die Ebene physiologischer Prozesse bedingt?Damasio tritt eben genau für diese Bewegungsfreiheit des erweiterten Bewußtseinsein, wie ich es auch mit <strong>einem</strong> Sphärenmodell versucht habe zu veranschaulichen.(Vgl. meinen Post vom 19.08.2012) Das Sphärenmodell stellt in seinenverschiedenen Ebenen nichts <strong>and</strong>eres dar, als verschiedene Bewußtseinsstufen,die Schicht für Schicht zur gesamtkörperlichen Physiologie hinzukommen<strong>und</strong> dabei mitein<strong>and</strong>er wechselwirken. Es h<strong>and</strong>elt sich also bei den einzelnenSphären nicht um Epiphänomene.Damasio findet für dieses Bewußtseinsmodell das schöne Bild des unsichtbarenDirigenten, der zu einer Orchesteraufführung ‚hinzukommt‘ <strong>und</strong> von dem mannicht weiß, wo er vorher gewesen ist <strong>und</strong> wo er nachher sein wird, ohne den aberdas ganze Spektakel keine Symphonie ergeben würde.Entscheidend ist also, daß die einzelnen Sphären ihre eigenen Bewegungsspielräumehaben <strong>und</strong> dennoch mitein<strong>and</strong>er wechselwirken. Dabei sind aber die‚höheren‘ Sphären einseitig in den ‚niederen‘ Sphären f<strong>und</strong>iert. Wenn erweiterteBewußtseinsfunktionen ausfallen, können die ‚darunter‘ liegenden physiologischenFunktionen dennoch weiter aufrechterhalten werden. Dasselbe gilt umgekehrtnicht. Wenn die biologischen Funktionen ausfallen, fällt auch das Bewußtseinaus. Das ist der Gr<strong>und</strong>, warum wir es hier mit <strong>einem</strong> materialistischen Monismuszu tun haben. Von ihm aus führt kein Weg zu einer Metaphysik.

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