319 ZPO - Dr. Wussow Rechtsanwälte
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Thema<br />
Berichtigung eines Prozeßvergleichs wegen eines Rechenfehlers (§ <strong>319</strong><br />
<strong>ZPO</strong>)<br />
Grundlagen<br />
Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in einem<br />
Gerichtsurteil vorkommen, sind gemäß § <strong>319</strong> I <strong>ZPO</strong> jederzeit von dem Gericht auch von<br />
Amts wegen zu berichtigen. Die Vorschrift dient in den Grenzen des Gebots der<br />
Rechtssicherheit dem Hauptziel des Zivilprozesses, der Gerechtigkeit. Allerdings darf nicht<br />
zu großzügig schon wegen etwaiger Ungerechtigkeit eine Berichtigung erlaubt sein. Die<br />
Unrichtigkeit muß sich gerade „in dem Urteil“ befinden und diese muß „offenbar“ sein. Die<br />
Unrichtigkeit muß also auch für einen <strong>Dr</strong>itten ohne weiteres erkennbar sein<br />
(Baumbach/Lauterbach, <strong>ZPO</strong>, 63. Aufl., § <strong>319</strong> <strong>ZPO</strong>, Rdnr. 2, 6 ff.).<br />
Aktuelles<br />
Der BayVerfGH hat in einer Entscheidung vom 06.10.2004 (NJW 2005, 1347) eine<br />
entsprechende Anwendung der Vorschrift des § <strong>319</strong> <strong>ZPO</strong> auf einen Prozeßvergleich<br />
verneint. Im vorliegenden Fall wurde ein Berechnungsfehler bei der Kostenregelung des<br />
Vergleichs behauptet. Erklärtermaßen hätten die Prozeßbevollmächtigten beider Parteien<br />
im Vergleich die Verfahrenskosten entsprechend dem Gesamtergebnis des Verfahrens<br />
geregelt haben wollen und der Berechnung und Formulierung durch das Gericht vertraut.<br />
Dieser Wille der Prozeßbevollmächtigten sei vom Gericht jedoch irrtümlich unzutreffend<br />
formuliert worden.<br />
Eine Änderung des in die Sitzungsniederschrift zutreffend aufgenommenen<br />
Vergleichstextes durch Protokollberichtigung komme jedoch nicht in Betracht. Das erstellte<br />
Vergleichsprotokoll sei hinsichtlich der Kostenregelung keineswegs unrichtig, es habe von<br />
vornherein an einem übereinstimmenden Vergleichswillen der Parteien hinsichtlich einer<br />
Kostenregelung in der berichtigten Form gefehlt. Ohnehin lehne die herrschende Meinung<br />
in Rechtsprechung und Rechtsliteratur eine analoge Anwendung von § <strong>319</strong> <strong>ZPO</strong> auf<br />
Prozeßvergleiche grundsätzlich ab (Musielak, <strong>ZPO</strong>, 3. Aufl., § <strong>319</strong>, Rdnr. 2;<br />
Zöller/Vollkommer, <strong>ZPO</strong>, 24. Aufl., § <strong>319</strong>, Rdnr. 3; a.A. OLG Hamm, MDR 1983, 410;<br />
Baumbach/Lauterbach, <strong>ZPO</strong>, 63. Aufl., § <strong>319</strong>, Rdnr. 3).<br />
Die vom OLG vorgenommene Protokollberichtigung überschreite somit offenkundig die<br />
Grenzen des prozessual Zulässigen und verstoße damit gegen Art. 118 I BayVerf. Es handele<br />
sich um eine willkürliche Entscheidung, da diese bei Würdigung der die Verfassung<br />
beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich sei. Die vorgenommene<br />
Protokollberichtigung sei schlechthin unhaltbar, offensichtlich sachwidrig und eindeutig<br />
unangemessen.<br />
Schlußbetrachtung<br />
Unabhängig von der Frage, ob § <strong>319</strong> <strong>ZPO</strong> grundsätzlich auf Prozeßvergleiche auch nicht<br />
analog anzuwenden ist (so die herrschende Meinung a.a.O.), wird durch den BayVerfGH<br />
besonders darauf hingewiesen, daß Einigkeit dahin besteht, daß ein allseits unerkannt<br />
gebliebener Rechenfehler, der einem vorgelesenen und von den Parteien genehmigten<br />
Vergleich zugrunde liegt, auch nicht nach § <strong>319</strong> <strong>ZPO</strong> analog berichtigt werden könne,<br />
wenn der Parteiwille im übrigen ordnungsgemäß protokolliert wurde (vgl. OLG Ffm., MDR<br />
1986, 153; Baumbach/Lauterbach, a.a.O.).
Da der Prozeßvergleich sowohl Parteiprozeßhandlung, als auch Rechtsgeschäft darstellt<br />
(Doppelnatur des Vergleichs), besteht jedoch die Möglichkeit der Anfechtung nach<br />
bürgerlichem Recht, insbesondere der Anpassung des Vergleichs, wenn eine Störung der<br />
Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB n.F.) gegeben ist (Baumbach/Lauterbach, <strong>ZPO</strong>, 63. Aufl.,<br />
Anh. § 307, Rdnr. 36; 323, Rdnr. 67).<br />
Thema<br />
Hemmung der Verjährung durch einen in der gerichtlichen<br />
Güteverhandlung geschlossenen Widerrufsvergleich (§ 203 S. 1 BGB)<br />
Grundlagen<br />
++<br />
Eine Verjährungsunterbrechung durch Klageerhebung nach § 209 I BGB a.F. betrifft<br />
grundsätzlich nur die Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit der Klage<br />
geltend gemacht werden, also nur betreffend den streitgegenständlichen prozessualen<br />
Anspruch (BGHZ 104, 6; 132, 240; BGH, NJW 1996, 117; NJW 1999, 2110). Nichts anderes<br />
gilt für die nach neuem Recht an die Stelle der Unterbrechung getretenen Hemmung der<br />
Verjährung durch Klageerhebung nach § 204 I Nr. 1 BGB. Tritt keine Verjährungshemmung<br />
durch Klageerhebung ein, da der Anspruch nicht mit der Klage geltend gemacht wurde,<br />
kann eine Hemmung der Verjährung auch durch Verhandlungsführung nach § 203 BGB<br />
eintreten.<br />
Aktuelles<br />
BGH AZ VIII ZR 03/04<br />
Der BGH hat in einem Urteil vom 04.05.2005 (AZ VIII ZR 93/04) entschieden, durch einen<br />
im Rahmen der gerichtlichen Güteverhandlung geschlossenen Widerrufsvergleich werde<br />
die Verjährung eines von dem Vergleich erfaßten Schadensersatzanspruchs gemäß § 203 S.<br />
1 BGB bis zur Erklärung des Widerrufs gehemmt.<br />
- Eine Hemmung durch Klageerhebung gemäß § 204 I Nr. 1 BGB komme für den<br />
geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus § 326 I BGB a.F. nicht in Betracht.<br />
Der Anspruch wurde zunächst durch den Kläger aus eigenem Recht mit der Klage<br />
geltend gemacht. Später hat er diesen Anspruch nach § 398 BGB aus<br />
abgetretenem Recht weiterverfolgt. Damit habe die ursprüngliche Klage einen<br />
anderen Streitgegenstand gehabt mit der Folge, daß es sich bei dem abgetretenen<br />
Anspruch nicht um den mit der Klage geltend gemachten streitgegenständlichen<br />
prozessualen Anspruch gehandelt habe. Nur für diesen könne jedoch eine<br />
Unterbrechung nach § 209 I BGB a.F. oder eine Hemmung der Verjährung nach §<br />
204 I Nr. 1 BGB eintreten.<br />
- Allerdings sei die Verjährung durch einen im Rahmen der gerichtlichen<br />
Güteverhandlung geschlossenen Widerrufsvergleich gehemmt worden. Dadurch<br />
seien die Parteien in Verhandlungen über den Anspruch eingetreten. Nach dem<br />
eindeutigen Wortlaut der Abgeltungsklausel des Vergleichs hätten die Parteien<br />
sämtliche Ansprüche zum Gegenstand des Vergleichs gemacht, mithin auch den<br />
zuletzt aus abgetretenem Recht verfolgten Schadensersatzanspruch des Klägers,<br />
welcher nicht Streitgegenstand der ursprünglich erhobenen und zum Zeitpunkt<br />
des Vergleichsabschlusses noch nicht geänderten Klage gewesen sei. Die Hemmung<br />
der Verjährung sei jedoch durch den Widerruf des Vergleichs durch die Beklagte
eendet worden, da darin eine Verweigerung der Fortsetzung der Verhandlungen<br />
zu sehen sei.<br />
Thema<br />
Mündliche Erläuterung des Gutachtens durch einen Sachverständigen<br />
Zulässigkeit im selbständigen Beweisverfahren (§§ 485 II; 492 I <strong>ZPO</strong>)<br />
Grundlagen<br />
++<br />
Nach § 485 II <strong>ZPO</strong> kann, wenn ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist, eine Partei die<br />
schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein<br />
rechtliches Interesse an der Feststellung gemäß der Ziffern 1 – 3 des § 485 II <strong>ZPO</strong> hat. §<br />
492 I <strong>ZPO</strong> bestimmt, daß die Beweisaufnahme nach den für die Aufnahme des<br />
betreffenden Beweismittels überhaupt geltenden Vorschriften erfolgt. Zu diesem<br />
Vorschriften gehört insbesondere auch § 411 III <strong>ZPO</strong>, wonach das Gericht das Erscheinen<br />
des Sachverständigen anordnen kann, damit es das schriftliche Gutachten erläutert.<br />
Rechtslage<br />
Streitig ist, ob sich der Bestimmung des § 485 II <strong>ZPO</strong> entnehmen lasse, daß ausschließlich<br />
die schriftliche Begutachtung als Beweismittel vorgesehen und daher auch die mündliche<br />
Erläuterung nur ausnahmsweise möglich sei, etwa in den Fällen des § 492 III <strong>ZPO</strong>, wonach<br />
das Gericht die Parteien zur mündlichen Erörterung laden kann, wenn eine Einigung zu<br />
erwarten ist (diese Ansicht bejahend: LG Köln, WuM 1998, 110; Zöller/Herget, <strong>ZPO</strong>, 25.<br />
Aufl., § 485, Rdnr. 8; Thomas/Putzo/Reichold, <strong>ZPO</strong>, 26. Aufl., § 485, Rdnr. 5; Zimmermann,<br />
<strong>ZPO</strong>, 6. Aufl., § 487, Rdnr. 13). Demgegenüber läßt die Gegenmeinung unter Hinweis auf §§<br />
492 I, 411 III <strong>ZPO</strong> auch im Verfahren nach § 485 II <strong>ZPO</strong> die mündliche Anhörung auch auf<br />
Antrag einer Partei im selbständigen Beweisverfahren nach § 485 II <strong>ZPO</strong> grundsätzlich zu<br />
(vgl. OLG München, BaurR 1994, 663; OLG Düsseldorf, JurBüro 1992, 425; OLG Köln, OLGR<br />
1997, 69; OLG Saarbrücken, NJW-RR 1994, 787; OLG Hamburg, OLGR 2003, 263;<br />
Baumbach/Lauterbach, <strong>ZPO</strong>, 63. Aufl., § 492 <strong>ZPO</strong>, Rdnr. 5).<br />
Aktuelles<br />
BGH AZ VI B 84/04<br />
Der BGH hat sich in einer Entscheidung vom 13.09.2005 (AZ VI ZB 84/04) für die<br />
grundsätzliche Zulässigkeit der Anhörung des Sachverständigen im selbständigen<br />
Beweisverfahren nach § 485 II <strong>ZPO</strong> ausgesprochen.<br />
- Hierfür spreche zunächst der Wortlaut der gesetzlichen Regelung des § 492 I <strong>ZPO</strong>,<br />
wonach die für die Aufnahme des entsprechenden Beweismittels geltenden<br />
Vorschriften uneingeschränkt für anwendbar erklärt werden, mithin auch die<br />
Vorschrift des § 411 III <strong>ZPO</strong> und der §§ 402, 397 I <strong>ZPO</strong>, die der Partei als Ausfluß<br />
des Art. 103 I GG das Recht gebe, den Sachverständigen in den Grenzen von<br />
Verspätung und Rechtsmißbrauch zumindest einmal persönlich zu hören (BGH,<br />
VersR 2002, 120; VersR 2003, 926; VersR 2004, 1579; Entscheidung vom<br />
10.05.2005 – IV ZR 245/04).<br />
- Ein engeres Verständnis dahin, daß die Anhörung nur zu dem Zweck einer<br />
gütlichen Einigung nach freiem Ermessen des Gerichts angeordnet werden könne,
sei nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht angezeigt. Die zu<br />
erwartende Einigung ist nicht Voraussetzung für die Durchführung einer<br />
mündlichen Erläuterung. Die selbständige Beweiserhebung stehe einer<br />
Beweisaufnahme vor dem Prozeßgericht gleich (vgl. § 493 I 2 <strong>ZPO</strong>).<br />
- Die Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren habe zur Folge, daß ein<br />
neues Gutachten eines sich anschließenden Rechtsstreits nur unter den engen<br />
Voraussetzungen des § 412 <strong>ZPO</strong> eingeholt werden könne. Diese präkludierende<br />
Wirkung eines im selbständigen Beweisverfahren nach § 485 II <strong>ZPO</strong> erhobenen<br />
Sachverständigenbeweises wäre ohne die Wahrung des rechtlichen Gehörs und<br />
damit des Fragerechts der Parteien gemäß der §§ 402 I, 397 I <strong>ZPO</strong> nicht zu<br />
rechtfertigen.<br />
- Außerdem könne nur durch die Zulässigkeit der mündlichen Anhörung des<br />
Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren sichergestellt werden, daß der<br />
erhobene Beweis durch Sachverständigengutachten möglichst von Bestand ist.<br />
++