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Band 3 | Tumult auf der Dult

Im Jahr 1318 … … findet in Munichen am Anger die Jakobidult statt. Wie ein Magnet zieht dieses Fest die unterschiedlichsten Personen an. Weitgereiste Händler bieten wertvolle Waren feil und fahrendes Volk hält die Dultbesucher mit akrobatischen Darbietungen in seinem Bann. Das bunte und fröhliche Treiben nimmt jedoch eine plötzliche Wende und gerät außer Kontrolle. Die Zwillinge Anna und Ben befinden sich unerwartet inmitten dieses Tumults und greifen beherzt ein. In der Gegenwart … … erkundet Anna mit ihrem Opa den Alten Hof, die Alte Münze und den Jakobsplatz. Eine Sage und die Geschichte des Brezenreiters sowie ein liebevolles Geschenk auf der Auer Dult vollenden das spannende und informative Wochenende der beiden.

Im Jahr 1318 …
… findet in Munichen am Anger die Jakobidult statt. Wie ein Magnet zieht dieses Fest die unterschiedlichsten Personen an. Weitgereiste Händler bieten wertvolle Waren feil und fahrendes Volk hält die Dultbesucher mit akrobatischen Darbietungen in seinem Bann. Das bunte und fröhliche Treiben nimmt jedoch eine plötzliche Wende und gerät außer Kontrolle. Die Zwillinge Anna und Ben befinden sich unerwartet inmitten dieses Tumults und greifen beherzt ein.

In der Gegenwart …
… erkundet Anna mit ihrem Opa den Alten Hof, die Alte Münze und den Jakobsplatz. Eine Sage und die Geschichte des Brezenreiters sowie ein liebevolles Geschenk auf der Auer Dult vollenden das spannende und informative Wochenende der beiden.

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Abenteuer in<br />

München<br />

<strong>Band</strong> 3<br />

<strong>Tumult</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Dult</strong><br />

PHAN<br />

TASI<br />

REICH<br />

Alle Rechte, insbeson<strong>der</strong>e das Recht <strong>der</strong> Vervielfältigung und Verbreitung, <strong>der</strong><br />

auszugsweisen Wie<strong>der</strong>gabe sowie <strong>der</strong> Übersetzung, sind vorbehalten. Kein<br />

Teil des Werks darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung <strong>der</strong><br />

Autorin reproduziert o<strong>der</strong> unter Verwendung elektronischer Medien<br />

verarbeitet, vervielfältigt o<strong>der</strong> verbreitet werden.


1. Auflage © 2014<br />

© 2014 Phantasiereich Kin<strong>der</strong>- und Jugendbuchverlag,<br />

Aschheim<br />

Inh. Petra Breuer<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

Illustrationen: Nicole Teusler,<br />

www.pai-nt.de<br />

Layout: Nicoletta Edwards,<br />

www.nicoletta-edwards.com<br />

Druck und Einband:<br />

Brandenburgische Universitätsdruckerei und<br />

Verlagsgesellschaft Potsdam mbH<br />

Printed in Germany, 2014<br />

ISBN 978-3-943814-03-3<br />

Sie finden uns im Internet unter www.phantasiereich.com


Inhalt<br />

ERSTER TEIL 1318<br />

1. Schmerzhafte Rutenschläge ................................... 07<br />

2. Ziegenbärtchen ....................................................... 19<br />

3. Die Jakobidult beginnt ............................................. 27<br />

4. Der Bär ist los .......................................................... 39<br />

5. Waren von <strong>der</strong> Seidenstraße .................................. 51<br />

6. Dressierte Holzwürmer ............................................ 65<br />

7. Abrahams leise Tränen ........................................... 77<br />

8. Ludwig <strong>der</strong> Bayer gibt ein Fest ................................ 85<br />

9. Der Brezenreiter .................................................... 103<br />

ZWEITER TEIL<br />

10. Alle Menschen sind gleich ................................... 115<br />

11. Der Alte Hof – Tierische Geschichten ................. 131<br />

12. Der St.-Jakobs-Platz – Traurige Geschichten ..... 145<br />

13. Die Auer <strong>Dult</strong> – Lustige Geschichten .................. 155<br />

ANHANG<br />

Stammbaum zu eurer Orientierung.............................. 29<br />

Begriffserklärung ........................................................187<br />

Zeittafel ...................................................................... 189<br />

Wir backen Honiglebkuchen ………………………….. 191<br />

Erkundungsziele für kleine Entdecker ...............192 - 194


1. Schmerzhafte<br />

Rutenschläge<br />

Anna rutschte ungeduldig <strong>auf</strong> ihrem Stuhl hin und her. Wann<br />

verkündete <strong>der</strong> Schulgong endlich den Unterrichtsschluss?<br />

Heute kam aus ihrer Lieblingsreihe <strong>der</strong> dritte <strong>Band</strong> <strong>auf</strong> den<br />

Markt und sie konnte es kaum erwarten, die Lektüre endlich in<br />

Händen zu halten. Anna hatte sich schlauerweise schon vor<br />

Monaten beim Verlag dafür vormerken lassen, das Buch direkt<br />

mit <strong>der</strong> Post nach Hause geschickt zu bekommen. Und heute<br />

war es soweit. Endlich ertönte <strong>der</strong> Gong und alle Kin<strong>der</strong><br />

stürmten nach Hause.<br />

»Ist mein dritter <strong>Band</strong> da?«, rief Anna, ohne überhaupt ihre<br />

Mutter zu begrüßen.<br />

»Hallo erstmal, meine Liebe. Ja, das Buch liegt schon für dich<br />

bereit. Wasche dir bitte noch die Hände und komm dann zu<br />

Tisch.«<br />

»Was gibt es heute zu essen?«<br />

»Spanferkelhappen mit Petersilienwurzelmus, Lammbissen im<br />

Senfmantel, gedünstetes Zicklein, Aal in Kräutertunke, gefüllte<br />

Forelle, Huchen in Salzkruste sowie Mäuchen in weißer Soße.<br />

Zum Nachtisch reiche ich dir Honigkuchen und<br />

Veilchenpudding sowie einen Pfurz-Kuchen.«<br />

»Häää? Mama, waaaas gibt es?«<br />

Annas Mutter grinste leicht.<br />

»Ich habe ganz neugierig in deinem neuen Buch geblättert.<br />

Das scheint ja wirklich wie<strong>der</strong> sehr interessant zu sein. Und<br />

um dich jetzt ein bisschen <strong>auf</strong> die Schippe zu nehmen, habe<br />

ich dir diesen Bären <strong>auf</strong>gebunden.«<br />

»Mann, du bist heute wie<strong>der</strong> sehr komisch«, brummte Anna,<br />

huschte mit noch feuchten Händen in die Küche und<br />

schnappte sich freudestrahlend ihr neues Buch.<br />

Sie blätterte es hastig durch. Tatsächlich, es ging um wirklich<br />

tolle Münchner Themen aus <strong>der</strong> damaligen Zeit. Anna<br />

stolperte über das Wort »Brezenreiter« und staunte über eine<br />

große Zeichnung <strong>der</strong> Jakobidult.


»Aha, deswegen wohl <strong>der</strong> süße Honigkuchen«, lächelte Anna.<br />

»Diesmal wird über einen Jahrmarkt geschrieben.«<br />

Sie durchforstete nochmals das Inhaltsverzeichnis und ihr<br />

Blick blieb an <strong>der</strong> Überschrift des Kapitels 7, Abrahams leise<br />

Tränen, hängen. Annas Spannung wuchs. Schnell stopfte sie<br />

das Mittagessen in sich hinein, erledigte die Haus<strong>auf</strong>gaben in<br />

Windeseile und warf sich nach getaner Arbeit schwungvoll <strong>auf</strong><br />

ihr Bett. Jetzt war den ganzen freien Nachmittag bis zum<br />

Abendbrot Lesen angesagt. Lesen, lesen und nichts weiter als<br />

lesen.<br />

»Ben, konzentriere dich, sonst bekommst du die Birkenrute zu<br />

spüren. Du träumst heute bereits die gesamte<br />

Unterrichtsstunde vor dich hin.«<br />

Schulmeister Adalbert Scholasticus* schwenkte eine eng<br />

gebundene Rute aus Birkenzweigen drohend über dem Kopf<br />

seines Schülers. Ben zuckte leicht zusammen und verhielt<br />

sich still. Stefan schielte seinen Freund vorsichtig von <strong>der</strong><br />

Seite aus an. Seit den frühen Morgenstunden saßen die<br />

Schüler in ihrer einfachen Schule <strong>auf</strong> dem kalten Lehmboden.<br />

Der Unterrichtsraum war karg ausgestattet. Das einzige<br />

Möbelstück bestand aus einem Stuhl mit hoher Rückenlehne,<br />

von welchem aus <strong>der</strong> Schulmeister mit strengem Blick seine<br />

Schützlinge überwachte. Der Raum hatte ein kleines Fenster,<br />

durch das <strong>der</strong> Wind etwas frische Luft hereinwehte. Zum<br />

Leidwesen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> passierte dies jedoch auch zur kalten<br />

Jahreszeit. Nicht selten flogen Schneeflocken, Hagelkörner<br />

o<strong>der</strong> Laub ins Klassenzimmer. Von den Insekten ganz<br />

abgesehen, die natürlich auch etwas lernen wollten. Bei<br />

Starkregen wurden manchmal sogar das Gewand <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />

sowie das ausgelegte Stroh <strong>auf</strong> dem Boden nass.<br />

Sonnenstrahlen fanden nur nachmittags den Weg in die kleine<br />

* Aussprache Scholasticus [skolastikus]


Räumlichkeit, denn direkt vor dem Haus stand ein großer,<br />

dicht beblätterter Baum, <strong>der</strong> viel Licht abhielt. Die Kin<strong>der</strong><br />

saßen eng beieinan<strong>der</strong> <strong>auf</strong> spärlich ausgestreutem Stroh. Eine<br />

Stunde nach Sonnen<strong>auf</strong>gang begann <strong>der</strong> Unterricht und er<br />

endete bei Einsetzen <strong>der</strong> Dunkelheit. Jedes <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> besaß<br />

mehrere Wachsplatten zum Schreiben und einen spitzen<br />

Griffel aus Holz o<strong>der</strong> Metall, einen sogenannten Stilus, mit<br />

dem sie Buchstaben o<strong>der</strong> Zahlen in das Wachs ritzten. Diese<br />

Wachsplatten waren sehr praktisch. Sie bestanden aus einem<br />

Holzbrett, das in <strong>der</strong> Mitte eine ausgehöhlte Vertiefung hatte.<br />

In diese Mulde wurde das Wachs gegossen. Die Schüler<br />

waren dadurch in <strong>der</strong> Lage, mit ihrem Stilus <strong>auf</strong> dem<br />

gehärteten Wachs zu schreiben. Abends nach <strong>der</strong> Schule<br />

wurde das Wachs wie<strong>der</strong> geglättet, sodass am nächsten<br />

Schultag eine unbeschriebene Tafel zur Verfügung stand.


Schulmeister Adalbert Scholasticus lobte wenig und schimpfte<br />

viel. Gelegentlich bekamen seine Schützlinge die Birkenrute<br />

zu spüren. War er schlecht <strong>auf</strong>gelegt, ließ er sich<br />

schmerzvollere Bestrafungen einfallen. Je<strong>der</strong> seiner Schüler<br />

hatte Angst vor diesen Maßnahmen. Ständig fror <strong>der</strong> alte<br />

Lehrmeister, da er sehr dürr war. So trug er sommers wie<br />

winters mehrere Beinlinge übereinan<strong>der</strong> sowie zwei<br />

langärmlige Oberklei<strong>der</strong>. Um seine Schultern legte er sich<br />

gerne ein wärmendes Schaffell. Beide Füße steckten in dicht<br />

gewalkten Filzschuhen, die er zusätzlich mit einem H<strong>auf</strong>en<br />

Stroh zudeckte. Seine alten, knöchrigen Finger tasteten<br />

permanent den langen Kinnbart ab. Schlohweiße Haare hatten<br />

sich in Form eines Kranzes um seinen Kopf formiert.<br />

Der Schulmeister war ein extrem strenger Mann, <strong>der</strong> bereits<br />

seit vielen Jahren die Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong> wohlhabenden Bürger<br />

Munichens unterrichtete. Ausnahmslos <strong>der</strong> Nachwuchs <strong>der</strong><br />

Mittelschicht, also Kin<strong>der</strong> von reichen Handwerkern sowie<br />

vermögenden K<strong>auf</strong>leuten und Salzhändlern, hatten das Recht<br />

und das Geld, den Unterricht zu besuchen. Insgesamt 25<br />

Schüler wurden von Adalbert Scholasticus in den Fächern<br />

Schreiben, Rechnen und Lesen unterrichtet. Zusätzlich stand<br />

noch Gehorsam, Ordnung, Sauberkeit und Fleiß <strong>auf</strong> dem<br />

Stundenplan. Es war ausschließlich Jungen gestattet, die<br />

Schule zu besuchen. Mädchen erhielten keinen Unterricht.<br />

Seit vier Jahren ging Ben nun bereits in die Schule. Tagein<br />

und tagaus wurden das Schreiben aller Buchstaben sowie das<br />

Errechnen von Mengen o<strong>der</strong> Beträgen geübt. Permanent<br />

mussten sie ellenlange Texte auswendig lernen. Flink im Kopf<br />

sollten die zukünftigen Schulabgänger sein, unterstützten sie<br />

doch zukünftig ihre Eltern im Laden, <strong>auf</strong> dem Markt o<strong>der</strong> <strong>auf</strong><br />

Reisen beim Handeln und Feilbieten <strong>der</strong> Waren. Lediglich in<br />

den warmen Sommermonaten wurde nicht unterrichtet. Viele<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> mussten dann zusätzlich noch bei <strong>der</strong> Ernte<br />

mithelfen. Je<strong>der</strong> hatte Verwandte mit Fel<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Obstbäumen,<br />

die abgeerntet werden mussten<br />

»Aua, das tut weh!«, schrie Felix vor Schmerz <strong>auf</strong>.<br />

»Dir werde ich es zeigen, aus dem Fenster zu schauen. Halte<br />

deinen Stilus über deiner Wachsplatte und löse die<br />

Rechen<strong>auf</strong>gabe!«


Erneut sauste die Rute <strong>auf</strong> den Rücken von Felix. Sein leises<br />

Wimmern war im Schulraum zu hören.<br />

»Ab in die Ecke. Dort wirst du bis zur Dämmerung stehen<br />

bleiben.«<br />

Felix erhob sich mühsam und schlurfte wütend in die Ecke. Mit<br />

einem heftigen Fußtritt schleu<strong>der</strong>te er die am Boden kauernde<br />

Ratte zur Seite.<br />

»Wer nicht <strong>auf</strong>passt, bekommt ebenfalls die Rute zu spüren.<br />

Los, ihr Nichtsnutze, jetzt wird gerechnet«, schimpfte <strong>der</strong><br />

Schulmeister mit den Knaben und wedelte warnend seine<br />

Birkenrute, die schon so oft einen Schüler getroffen hatte.<br />

»Meister Scholasticus«, unterbrach Emmeram die Stille. »Ich<br />

muss dringend austreten.«<br />

»Das ist heute bereits das zweite Mal. Wenn du es dir wirklich<br />

nicht länger verkneifen kannst, so gehe vor die Türe. Aber<br />

beeile dich, hier wird nicht gefaulenzt.«<br />

Emmeram erhob sich, hastete vor das Haus und machte<br />

mitten in die Gasse. Während er sein privates Geschäft<br />

verrichtete, wurde er, ohne es zu ahnen, von oben herab<br />

beobachtet.<br />

»Psst«, kam es aus dem Baum gezischt.<br />

Emmeram hielt inne und linste in das undurchsichtige Grün<br />

<strong>der</strong> Blätter. Nach einigem Suchen konnte er einen langen,<br />

blonden Haarzopf und ein Mädchengesicht erkennen. Da<br />

wusste er, wer oben im Baum kauerte und ihn beobachtete.<br />

Hastig zog er seine Beinlinge nach oben.<br />

»Sag Ben, dass ich hier draußen <strong>auf</strong> ihn warte«, wisperte<br />

Anna Emmeram leise zu.<br />

Dieser nickte fast unmerklich und huschte schnell in das Haus<br />

hinein, um dem Unterricht weiter zu folgen. Er wollte heute<br />

nicht noch einmal die Birkenrute zu spüren bekommen. Als er<br />

kurz Blickkontakt mit seinem Freund Ben hatte, nickte er<br />

verstohlen mit seinem Kopf in Richtung Fenster. Ben senkte<br />

dar<strong>auf</strong>hin un<strong>auf</strong>fällig seine Augen. Er hatte verstanden. Vor<br />

dem Haus, hoch oben im Baum, wartete seine<br />

Zwillingsschwester Anna <strong>auf</strong> ihn.


Anna legte ihr spannendes Buch zur Seite und holte sich das<br />

Telefon.<br />

»Opi, du, stell dir vor! Ich habe heute den dritten <strong>Band</strong> aus<br />

meiner Lieblingsreihe ›Abenteuer in München‹ erhalten. Jetzt<br />

wollte ich dich natürlich fragen, ob …«<br />

»Aber natürlich werden wir wie<strong>der</strong> munichen, meine Liebe«,<br />

unterbrach sie lachend Opa Lean<strong>der</strong>. »Was denkst denn du?«<br />

»Wann düsen wir los, zum Munichen, in die Innenstadt?«, rief<br />

Anna ganz <strong>auf</strong>geregt.<br />

»Wohin darf ich dich diesmal begleiten?«, wollte <strong>der</strong> Opa<br />

neugierig wissen.<br />

»Äh, weiß ich nicht. Ich bin erst ganz am Anfang, im ersten<br />

Kapitel.«<br />

»Na, dann schlage ich vor, du liest noch ein bisschen weiter.<br />

Du hast ja in <strong>der</strong> Schule sowieso nicht mehr viel Lernstoff, so<br />

kurz vor den Sommerferien. Wir werden uns dann alle<br />

interessanten Themen aus deinem Buch in <strong>der</strong> Innenstadt<br />

ansehen. Versprochen! Allerhöchstes Indianerehrenwort.«<br />

»Bingo, das freut mich! Auf alle Fälle sind wie<strong>der</strong> Anna und<br />

Ben mit dabei, das konnte ich bereits herauslesen. Opa, du<br />

glaubst es kaum, Ben geht zur Schule und die Schüler werden<br />

mit einer Birkenrute geschlagen.«<br />

»Ja, so was, das ist natürlich bedauerlich«, brummte <strong>der</strong><br />

Großvater betrübt. »Gut, Anna. Ich schlage vor, du vertiefst<br />

dich wie<strong>der</strong> in deine Lektüre und meldest dich, wenn du<br />

Fragen hast o<strong>der</strong> ein Wochenende bei mir reservieren<br />

möchtest. Abgemacht?«<br />

»Abgemacht, Opa. Ich freue mich schon so riesig. Mama und<br />

Papa schicken wir wie<strong>der</strong> weg in die Berge und du und ich<br />

werden munichen. Echt cool. Servus und bis bald«, flötete<br />

Anna überglücklich ins Telefon und beendete das Gespräch.<br />

Adalbert Scholasticus hatte den Unterricht für heute als<br />

beendet erklärt und zog sich ein Stockwerk höher in seine


Privaträume zurück. Die Sonne ging bereits unter, als die<br />

Knaben aus dem Schulhaus traten.<br />

»Anna, wo bist du?«, rief Ben in die dichte Blätterdecke über<br />

ihm. »Bist du noch da?«<br />

»Ich komme!«, rief seine Schwester und glitt flink am Stamm<br />

des Baums hinab.<br />

»Auf geht’s, lass uns nach Hause l<strong>auf</strong>en, ich sterbe vor<br />

Hunger.«<br />

Ben verabschiedete sich von seinen Kameraden und lief mit<br />

Anna an <strong>der</strong> Stadtmauer entlang durch die engen und<br />

verwinkelten Gassen, über den Marktplatz und weiter bis kurz<br />

vor das Sendlinger Tor. Dort wohnten sie.<br />

»Na, da seid ihr zwei ja endlich.« Die Mutter <strong>der</strong> Zwillinge<br />

breitete ihre Arme aus und empfing beide Kin<strong>der</strong> herzlich.<br />

»Meister Scholasticus hat uns heute wie<strong>der</strong> geschlagen und<br />

unendlich lange mit blöden Rechen<strong>auf</strong>gaben gequält«,<br />

jammerte Ben.<br />

»Sei froh, dass du eine Schule besuchen darfst. Anna ist es<br />

nicht gestattet. In drei Tagen sind die vier Schuljahre vorbei<br />

und du wirst die Rute des Schulmeisters nicht mehr zu spüren<br />

bekommen. In einer Woche, am Jakobitag, kannst du gleich<br />

an unserem Verk<strong>auf</strong>sstand <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Dult</strong> deine Rechenkünste<br />

anwenden.«<br />

»Mutter, hast ja recht. Die paar Tage schaffe ich jetzt auch<br />

noch«, pflichtete ihr Ben bei.<br />

»Sag mal, Anna, hast du heute viel mitbekommen von deinem<br />

Baum dort oben?«, wollte die Mutter von ihrer Tochter wissen.<br />

»Ja, schon. Heute konnte ich einigermaßen dem Unterricht<br />

folgen. Nur die letzte Rechen<strong>auf</strong>gabe habe ich einfach nicht<br />

verstanden. Ich werde später noch mit Ben o<strong>der</strong> Vater ein<br />

bisschen üben, denn ich will ja auch <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Dult</strong> mithelfen«,<br />

gab Anna zurück.<br />

»Nein, ihr beide geht lieber noch in den Stall. Der Braune<br />

muss von den Kletten befreit werden und ihr könnt ihm noch<br />

frisches Wasser bringen. Vorher wird aber noch eine Kante<br />

Brot und etwas Käse gegessen. Marsch an den Tisch, ihr<br />

zwei!«<br />

Die Geschwister standen im Stall und kümmerten sich um<br />

Wiggerl, ihr Pferd, als <strong>der</strong> Vater zu ihnen kam.


»Kin<strong>der</strong>, stellt euch vor! Ich habe heute gehört, dass nächste<br />

Woche <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Dult</strong> Fahrende kommen werden, und es soll<br />

sogar ein Bärenbändiger mit seinem Tanzbär dabei sein.«<br />

»Ein Tanzbär? Was ist denn das, Papa?«<br />

»Na, ein Bär, <strong>der</strong> tanzt.«<br />

»Du erzählst uns doch jetzt eine erfundene Geschichte?«,<br />

fragte Anna ungläubig.<br />

»Ich würde euch niemals anschwindeln«, versicherte <strong>der</strong><br />

Vater mit ernster Miene. »Ich schlage vor, ihr vergewissert<br />

euch nächste Woche <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Dult</strong> selber. Ihr werdet genügend<br />

Zeit haben, um ausgiebig den Marktplatz zu erkunden. Wenn<br />

ihr mir und eurer Mutter kräftig an unserem Stand aushelft,<br />

dann ist da sicherlich auch eine ausgedehnte Pause möglich.

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