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Geist &Gehirn

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mit 20 gesundenVersuchspersonenimAlter<br />

von 18bis 32 Jahren (12 davon weiblich).<br />

Warum ein so eigenartiges Experiment?<br />

–Der Witz bestand darin, dass manganzam<br />

Schluss, etwa 15 Minuten nach der Sitzung<br />

im Scanner, nocheinmalalle Wortpaareabfragte,<br />

also unter anderem die Behaltensleistungfür<br />

die geübten und die nicht geübten<br />

Wörter ausder Haus-Wortfamilie sowie<br />

die allesamt nicht geübten Wörter aus der<br />

Stuhl-Wortfamilie überprüfte. Hierbeizeigte<br />

sich wieerwartet, dass die geübten Wortpaarebesser<br />

behalten worden waren als die<br />

nicht geübten. Nichts Besonderes also, was<br />

das Behalten nach dem Merktraining anbelangt.<br />

Interessant warjedochdas Vergessen<br />

ohne Training: Es zeigte sich nämlich, dass<br />

die Behaltensleistung für die nicht trainierten<br />

Wörter aus der Haus-Wortfamilie, (in<br />

derdie andere Hälfte trainiertwordenwar),<br />

schlechter warals die Behaltensleistung für<br />

die Wörter aus der Stuhl-Wortfamilie, von<br />

der keines der Wörter trainiert worden war<br />

(Abb. 1). „Haus-Reh“ oder „Haus-Plastik“<br />

war also eher vergessen worden als „Stuhl-<br />

Mond“ oder„Stuhl-Blech“.<br />

In Abbildung 2ist dargestellt, wie sich<br />

diese Befunde mit einem einfachen Netzwerkmodell<br />

des Gedächtnisses in Einklang<br />

bringen und verstehenlassen.<br />

Weil mit allennicht-trainierten Wortpaaren<br />

während des gesamten Experiments<br />

nichts mehr geschehen war, lässt sich dieses<br />

Ergebnis nur mit einem automatisch ablaufenden<br />

aktiven Vergessensprozess erklären<br />

(3). Der sorgt beimTraining der dreiWortpaareaus<br />

der Haus-Wortfamilie dafür, dass<br />

die anderen, zuvor gelernten Verknüpfungen<br />

dieser Familie wieder rückgängig gemacht<br />

werden, also die zuvor geknüpften<br />

Verbindungen aktiv wieder vergessen werden,<br />

weil sieganzoffensichtlichinweiteren<br />

Erfahrungen keinen Bestand hatten. Als<br />

Mechanismen hierfür kommen Hemmprozesse<br />

in Betracht. Man kann sich Prozesse<br />

„Unser <strong>Gehirn</strong> räumt also auf, sortiert<br />

nach dem Lernen, was zu behalten ist<br />

und wirft aktiv weg, was nicht mehr gebraucht<br />

wird.“<br />

wie die long term depression (LTD) vorstellen.<br />

Hierbei werden synaptischeVerbindungen<br />

systematisch in ihrer Stärke<br />

Reh<br />

Strich<br />

Reh<br />

Strich<br />

Wolke<br />

Wolke<br />

Haus<br />

Taste<br />

Haus<br />

Taste<br />

Plastik<br />

Plastik<br />

Element<br />

Element<br />

Abb. 2 Zunächst werden neue assoziative Verbindungen hergestellt, die sich als Netze darstellen lassen („Haus-Netz“<br />

oben links und „Stuhl-Netz“ oben rechts). Dann werden im Haus-Netz einige der Verbindungen besonders trainiert. Dies<br />

führt nicht nur zu deren Verbesserung,sondernzugleich auch zur Abschwächung der anderen Verbindungen im Haus-Netz.<br />

Im Stuhl-Netz dagegengeschieht nichts,weder Verstärkungnoch Abschwächung.Werden nundie neuenInhalteabgefragt,<br />

zeigt sich daher nicht nur eine (triviale) Verbesserung der gelerntenAssoziationen,sondernauch eine Verschlechterung der<br />

nicht gelernten Assoziationen, die zuvor gelernt wordenwarenund diezum Umfeld der gelernten Assoziationen gehören.<br />

reduziert, wenn Signale nicht gleichzeitig<br />

amNeuron einlaufen. Auch der Prozess<br />

der lateralen Hemmung ist denkbar,<br />

bei dem in der näheren, aber nicht inder<br />

unmittelbaren Umgebung einer kortikalen<br />

Säule gelegene weiter benachbarte<br />

kortikale Säulen aktiv über hemmende<br />

Interneuronen gehemmt werden.<br />

Schließlich kommen auch Prozesse der<br />

Normierung in Betracht, die dafür sorgen,<br />

dass die Gesamtaktivität eines Systems<br />

trotz lernbedingter Aktivitätszunahme<br />

nicht zunimmt (5). Es dürfte<br />

einerseits schwierig sein, diese Prozesse<br />

zu differenzieren,andererseitsmusshervorgehoben<br />

werden, dass dieses Modell<br />

eine große Plausibilität hat und mit bekannten<br />

Mechanismen kortikaler Infor-<br />

&<br />

<strong>Geist</strong><br />

<strong>Gehirn</strong><br />

Maus<br />

Maus<br />

Licht<br />

Licht<br />

Auto<br />

Auto<br />

Stuhl<br />

Stuhl<br />

Blech<br />

Mond<br />

Blech<br />

Mond<br />

Zahl<br />

Zahl<br />

921<br />

mationsverarbeitung unschwer in Verbindung<br />

zu bringen ist. Letztlich geht es<br />

darum, dass der Kortex Karten von statistischen<br />

Regularitäten raum-zeitlicher<br />

Input-Muster produziert (2, 4), und dass<br />

hierzu sowohl Aktivierungs- als auch<br />

Hemmprozesse nötig sind.<br />

Die Ergebnisse aus dem MR-Scanner<br />

stützten diese Interpretation, denn während<br />

des Trainings waren der Hippocampus<br />

und gedächtnisrelevanteBereiche der<br />

Großhirnrinde umso aktiver, je besser das<br />

aktive Vergessen geklappt hatte. Unser<br />

<strong>Gehirn</strong> räumt also auf, sortiert nach dem<br />

Lernen, was zubehalten ist und wirft aktiv<br />

weg, was nicht mehr gebraucht wird.<br />

Und deswegen findet esmeistens, was es<br />

sucht.<br />

Nervenheilkunde10/2007

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