BVI 2015
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EDITORIAL | 5<br />
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,<br />
ein Blick in unser Jahrbuch macht deutlich: Regulierung beherrscht<br />
auch acht Jahre nach Lehman noch die Agenda der<br />
Fondsbranche. Über 100 europäische und deutsche Gesetzeswerke<br />
seit 2008 zeugen von einer Regulierungswelle, wie<br />
sie wohl nur wenige andere Branchen erlebt haben. Die gute<br />
Nachricht ist: Anders als bei anderen Finanzmarktakteuren<br />
gab es bei regulierten Fonds bislang keinen strukturellen<br />
Bruch. Die Grundpfeiler der Branche stehen nach wie vor,<br />
auch wenn die Regulierungsflut an ihnen rüttelt; so ist der<br />
Spezialfonds auch nach Umsetzung der AIFM-Richtlinie Erfolgsgarant<br />
des institutionellen Geschäfts. Offene Immobilienfonds<br />
verzeichnen eine anhaltende Nachfrage, und auch die<br />
Provisionsberatung wird wohl erhalten bleiben, zumal der<br />
sozialpolitische Schaden eines Provisionsverbots in England<br />
immer deutlicher wird. Daneben wurde mit dem KAGB<br />
und dem Kleinanlegerschutzgesetz der graue Markt der<br />
Kapitalsammelstellen größtenteils reguliert. Künftig ermöglichen<br />
außerdem einheitliche Informationsblätter Privatanlegern<br />
den besseren Vergleich von Finanzprodukten – ein<br />
Meilenstein für faireren Wettbewerb und besseren Verbraucherschutz.<br />
All das spricht für Fonds und die Vernunft der<br />
politischen Entscheider.<br />
Dass das Fundament der Branche intakt ist, untermauern die<br />
Rekordzahlen 2014: Mit 2,4 Billionen Euro verwalteten unsere<br />
Mitglieder so viel Vermögen wie nie zuvor. 123 Milliarden Euro<br />
flossen Investmentfonds 2014 unter dem Strich zu. Auch das<br />
ist ein Rekord.<br />
In den vergangenen Jahren haben Gesetzgeber und Aufseher<br />
einen immer dichteren Paragrafendschungel geschaffen;<br />
hinter Kürzeln wie MiFID II, AIFMD, OGAW V, EMIR usw. verbergen<br />
sich nicht nur die Vorschriften selbst, sondern auch<br />
Konsultationspapiere, Formulare und Fragenkataloge, die<br />
meterweise Regale füllen. Es gibt Anzeichen, dass sich selbst<br />
Aufseher kaum noch in diesem Dickicht zurechtfinden. Im<br />
Wust der Gesetze, Verordnungen, Richt- und Leitlinien geraten<br />
die ursprünglichen Ziele eines Regelwerks aus dem Blick.<br />
Inzwischen häufen sich uneinheitliche und überlappende Regeln.<br />
Und das Risiko von Kollateralschäden steigt.<br />
Daher mehren sich auch in der Politik die Stimmen, die für<br />
eine Regulierungspause plädieren. Führende Finanzpolitiker<br />
sprechen sich dafür aus, die Vorschriften zunächst zu bewerten<br />
und wirken zu lassen, statt weitere zu erlassen. Auch aus<br />
Brüssel kommen positive Signale. Die von Kommissar Hill vorgeschlagene<br />
Kapitalmarktunion soll den Binnenmarkt für<br />
Investmentfonds fördern. Nach unserer Lesart müssten hierfür<br />
Hürden abgebaut werden.<br />
Es ist an der Zeit, die Post-2008-Regulierung auf den Prüfstand<br />
zu stellen. Erste positive Impulse dafür gibt es. Der <strong>BVI</strong><br />
wird sich auch im laufenden Jahr dafür einsetzen, diese Impulse<br />
in Bewegungsenergie zu verwandeln.<br />
Dennoch fordert die Regulierung ihren Preis. Sie erzeugt<br />
teilweise unnötigen technischen und personellen Aufwand,<br />
der letztlich die Kosten treibt – auch zum Nachteil der Verbraucher.<br />
Thomas Richter | Hauptgeschäftsführer