4 4 S T R O M Entwicklung im Strommarkt Es bleibt viel zu tun Die Energiewende stellt Deutschland vor eine der größten Herausforderungen der Nachkriegszeit. Damit sie zum Erfolg wird, müssen alle einen Betrag leisten. Das <strong>ENERGIE</strong> <strong>magazin</strong> erklärt, wie dieser aussehen könnte <strong>und</strong> welche Veränderungen durch den Schwenk von der Kernenergie zu mehr Erneuerbaren nötig sind. Fukushima war der Auslöser für eine der weitreichendsten Entscheidungen, die eine B<strong>und</strong>esregierung je gefällt hat. Die Vorgabe lautet, bis 2022 alle deutschen Atommeiler vom Netz zu nehmen. Neue Gaskraftwerke <strong>und</strong> vor allem regenerative Energiequellen sollen die entstehende Lücke füllen. Doch dieser Umbau der Energieversorgung kostet viel Geld. Die meisten Experten haben bereits ihre ersten Prognosen korrigiert <strong>und</strong> gehen inzwischen davon aus, dass Strom auf absehbare Zeit teurer werden dürfte. Als Gründe dafür nennen sie neben der EEG- Umlage vor allem die Netzentgelte. Mit der EEG-Umlage legt der Staat die wichtige Förderung für den Ausbau der erneuerbaren Energien auf den Strompreis um. Die vier großen Netzbetreiber haben für das Jahr 2012 eine Steigerung von 3,53 auf 3,59 Cent pro Kilowattst<strong>und</strong>e errechnet. Ein Anstieg, der sich auf den ersten Blick im Rahmen hält. Aber: Bislang sind Industrieunternehmen mit einem Jahresstromverbrauch von mehr als 10 Gigawattst<strong>und</strong>en von der EEG-Umlage befreit, wenn ihre Stromkosten 15 Prozent Windenergie trägt bereits r<strong>und</strong> zehn Prozent zur Gesamtstromproduktion in Deutschland bei der Bruttowertschöpfung übersteigen. Künftig gilt diese Härtefall regelung aber für alle Betriebe mit einem Jahresverbrauch von mehr als einer Gigawattst<strong>und</strong>e pro Standort, das Verhältnis zur Bruttowertschöpfung wurde auf 14 Prozent gesenkt. Die so entstehende riesige finanzielle Lücke wird auf die restlichen Stromk<strong>und</strong>en umgelegt. Spürbare Steigerungen beim Strompreis sind also vorprogrammiert. Das Netz muss wachsen Die Netzentgelte – also die Kosten für den Transport des Stroms aus dem Kraftwerk zum K<strong>und</strong>en – machen schon heute r<strong>und</strong> 21 Prozent des Strompreises aus. Erneuerbare Energien stellen aber größere Anforderungen an die Verteilinfrastruktur: Bisher musste das Netz den Strom aus relativ wenigen Einspeisestellen zu Millionen von K<strong>und</strong>en transportieren. Künftig wird Strom an Tausenden Stellen ins Netz gelangen. Denn jede Menge K<strong>und</strong>en sind schon heute Stromproduzenten. 50 Prozent aller regenerativ arbeitenden Anlagen gehören Privatpersonen. Um die Vorgaben aus Berlin zu erfüllen, müssen noch viele Tausend weitere Solaranlagen, Windräder <strong>und</strong> Biogasanlagen Strom liefern. Um sie in das Netz zu integrieren, gilt es, viele Netzabschnitte deutlich zu verstärken. Handlungsbedarf besteht schon jetzt: Allein 2010 verfiel Windenergie im Gegenwert von knapp 130 Millionen Kilo wattst<strong>und</strong>en Strom ungenutzt. Die Anlagen wurden abgeschaltet, weil die betroffenen Netzbereiche wegen Überlastung zusammengebrochen wären. Ein zusätzliches Problem, das Wind- <strong>und</strong> Sonnenkraftwerke für das Netz bedeuten: Sie sind nicht permanent verfügbar. Um die daraus resultierenden Schwankungen zu beherrschen, braucht es ein intelligentes Netz, das sich über weite Strecken selbst regelt. Technisch ist bereits vieles möglich. Doch bis das gesamte Stromnetz entsprechend ausgestattet ist, dauert es noch ein paar Jahre. Experten schätzen, dass bis 2022 ein mittlerer zweistelliger Milliardenbetrag in das Förderung korrigiert: Biogas wird nur noch staatlich subventioniert, wenn es nicht allein zur reinen Stromproduktion verwendet wird, sondern wenn der Betreiber auch die Wärme nutzt Foto: LianeM/fotolia.com deutsche Stromnetz fließen muss. Bis zum kompletten Umstieg dürfte sich diese Summe vervielfachen. Folglich werden sich die anstehenden Investitionen in das Netz spätestens ab 2013 in Form von höheren Netzentgelten auf allen deutschen Stromrechnungen bemerkbar machen. Teures Reservesystem Die witterungsabhängige Schwankung von Wind- <strong>und</strong> Sonnenenergie treibt die Stromkosten noch aus einem anderen Gr<strong>und</strong>: Auf absehbare Zeit braucht es konventionelle Kraftwerke, die kurzfristig einspringen können, wenn Wolken bei Windstille den Himmel verhängen. Weil diese Reservekraftwerke immer nur kurz laufen, ist ihr Betrieb viel teurer als der von Gr<strong>und</strong>lastkraftwerken, die r<strong>und</strong> um die Uhr brummen. Die Kosten für die Back-Up-Systeme müssen die Produzenten natürlich einpreisen. Deshalb gehen Branchenkenner davon aus, dass auch die Börsenpreise für Strom an ziehen werden. Trotz dieser düsteren Aussichten birgt die Energiewende riesige Chancen. Deutschland ist Technologieführer in Sachen Er- neuerbare. Gelingt es, eine der weltweit leistungsfähigsten <strong>und</strong> industrielastigsten Volkswirtschaften schon in zehn Jahren ohne Kernenergie wettbewerbsfähig zu halten, dürfte dies ein Garant für nachhaltiges Wachstum sein. Dann ist der Beweis für die Machbarkeit erbracht <strong>und</strong> es werden viele eben diese Technologie nachfragen. Und je näher wir dem vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien kommen, desto geringer wird der Preisabstand zum konventionellen Strom. Offshore-Windkraftanlagen etwa sind schon heute nahe am Marktpreis. Davon abgesehen ermöglichen es die erneuerbaren Energien auch Privatpersonen, an der Stromproduktion zu partizipieren. Wer in eine Anlage investiert – ob in eine eigene oder über ein Beteiligungsmodell – leistet nicht nur einen Beitrag zum Ausbau. Auf absehbare Zeit werfen solche Investments vernünftige Renditen. Und mit denen lassen sich die Mehrkosten allemal aufwiegen. Übrigens: Jeder kann den Ausbau der Erneuerbaren fördern – auch ohne in eine Anlage zu investieren: Wer sich für Naturstrom von den LKW entscheidet, erhält ga- Schon heute nur Ökostrom S T R O M 5 Obwohl die Förderung schon deutlich zurückgegangen ist, rechnen sich Fotovoltaikanlagen immer noch. Die Erstehungskosten haben sich nämlich ebenfalls halbiert. So soll Anschubhilfe funktionieren rantiert Strom aus erneuerbaren Energien, der in der Region entsteht. Dieser Strom kostet etwas mehr, fördert aber den Zubau neuer regenerativ arbeitender Anlagen (siehe Kasten). Die LKW <strong>Kitzingen</strong> liefern seit Anfang 2010 ausschließlich Ökostrom ohne zusätzliche Kosten. K<strong>und</strong>en, die sich aktiv am Umstieg auf Erneuerbare beteiligen möchten, können den speziellen Ökotarif Naturstrom wählen. Sie erhalten dann ausschließlich Strom aus Anlagen, die in der Region regenerativen Strom produzieren. Die LKW berechnen dafür einen Aufschlag von 3,5 Cent pro Kilowattst<strong>und</strong>e. Die Mehreinnahmen kommen der VR erneuerbare Energien eG & Co. <strong>Kitzingen</strong> Solar 2010 KG zugute, die aus diesen Mitteln neue Ökokraftwerke finanziert. Weitere Infos oder ein Vertragsformular gibt’s unter (0 93 21) 1 01-3 33 oder unter www.lkw-kitzingen.de. 5