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„LEIDER GEHT ES NUR MIT GEWALT”
Das Top-Interview des Monats mit Dieter Kronzucker
Er ist der Erfinder des „heute
journals”, zählt zu den bekanntesten
deutschen Journalisten
und hat sich als langjähriger Auslandskorrespondent
auch international
einen Namen gemacht: Dieter
Kronzucker. megazin-Redakteur
Stephan Zengerle interviewte
Kronzucker in Eichstätt zu den
aktuellen Themen Terrorismus
und Irak-Krieg.
Heute Professor an der Hochschule
für Film und Fernsehen in München:
Medien-Profi Dieter Kronzucker.
megazin: In den letzten Monaten
wurde viel über einen Krieg im Irak
spekuliert. Wäre ein Irak-Angriff
überhaupt sinnvoll?
Kronzucker: Ich glaube, dass die
Amerikaner einen Krieg nicht nur
als Kampf gegen den Terror empfinden,
sondern auch als Wirtschaftskrieg.
Sie sehen, dass der
weltgrößte Ölproduzent Saudi-Arabien
immer mehr in Probleme
gerät, dass dort Fundamentalisten
immer mehr die Oberhand gewinnen,
dass die herrschende Oberschicht
sich immer mehr nur zu helfen
weiß, indem sie gleichzeitig mit
dem Westen verbündet ist, auf der
anderen Seite aber Gelder in radikale
Organisationen einspeist. Das
ist nicht lange haltbar. Die Amerikaner
sind also neben dem politischen
Aspekt immer auch daran interessiert,
das andere große Erdölland
zu einer gefügigen Nation zu machen.
8 megazin.de 12/2002
megazin: Das heißt
im Umkehrschluss,
dass die Amerikaner
darauf drängen werden,
militärisch gegen
den Irak vorzugehen
oder den Irak durch
Sanktionen gefügig
zu machen.
Kronzucker: Also ich
denke, dass da noch andere Elemente
mitspielen. Da gibt es zum einen
eine Vergeltungssucht des amtierenden
Präsidenten, dessen Vater
auf der Liste der zu ermordenden
Personen stand. Da liegt also
etwas Persönliches drin, zum anderen
aber glaube ich schon, dass die
amerikanische Psychose, die amerikanische
Seele ein Teil der Argumentation
ist. Das heißt, es könnte
sein, dass von da Gefahr droht und,
dass man die mit der Militärmacht,
die Amerika darstellt, beseitigen,
bevor sie überhaupt ausbrechen
kann. Das sind sicherlich Argumente,
aber das Hauptargument ist,
dass wir eine „Falkenabteilung” an
der Spitze des Staates haben und,
dass diese Falken wirtschaftliche,
politische und Anti-Terror-Elemente
mischen und aus diesem Grund die
Absetzung von Saddam Hussein haben
wollen.
megazin: Welche Konsequenzen
hätte ein Krieg im Hinblick auf die
arabische Welt und den Terrorismus?
Kronzucker: Ziemlich schlimme.
Gast und Gastgeber: Kronzucker und Prof. Walter Hömberg.
Außenminister Joschka Fischer
sagte: „Man muss an das Ende denken”.
Was bedeutet das, wenn wir
Saddam Hussein stürzen? Was passiert
dann mit den Minderheiten,
die dort zwangsweise in einer Nation
zusammenleben? Gerade im
Hinblick auf die Kurden, die ja schon
seit ihrem Kampf gegen die Römer
– damals hießen sie noch die Meder
– Eigenstaatlichkeit herbeisehnen.
Eine große Gefahr ist, dass das Streben
nach Eigenstaatlichkeit zu Gewalttätigkeiten
führt und zu einem
neuen Unruheherd im Nahen Osten.
Ich glaube, dass vernünftige Leute
auch in den Vereinigten Staaten das
fürchten. Nur muss man einfach sehen:
auch für uns ist der Nahe
Osten durch das Mittelmeer getrennt,
für die Amerikaner aber ist
er noch viel weiter weg. Die sehen
da keine Gefahr.
megazin: Terrorismus braucht einen
Nährboden, auf dem er wachsen
kann. Sehen Sie eine Möglichkeit,
den Terroristen und ihren Netzwerken
den Nährboden zu entziehen?
Kronzucker: Das kann nur ein ganz
langwieriger Prozess sein. Das
heißt, Beratung, Eingemeindung
und Hilfe, was die Bekämpfung der
Armut angeht, Hilfe, was das Öffnen
von Toren und Fenstern in den
gegenseitigen Beziehungen angeht.
Im Irak gibt es eine Hochschule,
an der Deutsch gelehrt wird. Seit
13 Jahren haben die keinen deut-
schen Besuch mehr gehabt und keinen
Nachschub an deutschen
Büchern. Es ist einfach nicht so,
dass die Iraker in sich alle verschlossen
sind. Sie sind ein lesefreundliches
und bildungshungriges
Volk und diesem Bildungshunger
sollten wir stattgeben anstatt
den Irak in sich selber zu verschließen.
megazin: Kann man einen solchen
Krieg gegen den Terror gewinnen?
Kronzucker: Die Geschichte zeigt,
dass oft jene als Terroristen gebrandmarkt
werden, die, wenn sie
ihre Ziele erreicht haben, gemäßigte
Nationenführer sind. Aber der
Terrorismus, den wir heute bekämpfen,
der ist anders gestrickt.
Der ist verbunden mit der Großkriminalität,
diese Leute verdienen
Geld, ob das mit Entführungen ist
wie in Tschetschenien oder mit Drogenhandel
wie in Kolumbien. Da
sind schon Kräfte am Werk, die man
nicht so bekämpfen kann wie etwa
ein Volk, das Eigenstaatlichkeit
sucht. Kräfte, die westliche Werte
zerstören wollen, und zwar aus
Prinzip. Ich sehe keine andere Möglichkeit,
als zu versuchen, gemeinsam
dagegen vorzugehen. Leider
geht das nur mit Gewalt, denn eine
wirkliche Lösung, die die Wurzel anpackt,
ist so langfristig, dass man
sie im Moment nicht in Betracht ziehen
kann.
megazin: Danke für das Gespräch.
(SZ)