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Mutter-Kind-Beziehung bei Primaten - uli-reyer.ch

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Sie lassen si<strong>ch</strong> in einfa<strong>ch</strong>en Experimenten na<strong>ch</strong>weisen:beriihrt man die Innenfla<strong>ch</strong>e der Hand miteinem dunnen Stab, so s<strong>ch</strong>lieBen si<strong>ch</strong> die Finger sofest urn ihn, daB man das Baby daran ho<strong>ch</strong>hebenkann (Pre<strong>ch</strong>tl 1955). Der Klammerreflex wird in folgendemVersu<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong>: legt man ein Rhesusbabymit dem Rucken auf den Boden, walzt es si<strong>ch</strong> so lange,bis es auf dem Bau<strong>ch</strong> liegt; gibt man ihm jedo<strong>ch</strong> inderselben ROckenlage einen zylindris<strong>ch</strong>en Gegenstand,ums<strong>ch</strong>lingt es den mit Armen und Beinen undbleibt unverandert liegen (zit. na<strong>ch</strong> Harlow & Harlow1965).Klammer- und Greifreflex sind fOr die Affen im Freilandvon groBer Bedeutung. Ein Junges, das si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>tselbst festhalten kann, ware in Situationen, in denendie <strong>Mutter</strong> "aile Hande und FuBe voll zu tun hat", verloren.Sol<strong>ch</strong>e Situationen kennen si<strong>ch</strong> <strong>bei</strong> allen Ortsveranderungender Gruppe im Geast oder am Bodenerg eben vor all em aber <strong>bei</strong> ras<strong>ch</strong>er Flu<strong>ch</strong>t vorFeinden.Beim Mens<strong>ch</strong>en sind diese <strong>bei</strong>den Reflexe funktionslosgeworden, weil einerseits der <strong>Mutter</strong> das Haarkleidfehlt und andererseits der zum Laufen umgebildeteFuB des Sauglings ni<strong>ch</strong>t mehr so wirkungsvoll greifenkann wie der des kleinen Affen. Hassenstein (1973a, b) bezei<strong>ch</strong>nete daher den Affensaugling als T rag ­lin 9 , den mens<strong>ch</strong> li<strong>ch</strong>en Saugling als e h emali ­gen Tragling.Das Anklammern ist aber ni<strong>ch</strong>t nur wi<strong>ch</strong>tig, damit dasAffenjunge ni<strong>ch</strong>t verloren geht, es ist - au<strong>ch</strong> wenn esspiiter ni<strong>ch</strong>t mehr reflektoris<strong>ch</strong> ist - alJgemein einwi<strong>ch</strong>tiger Faktor in der gesamten Entwicklung. Mankann z. B. die Oberlebensrate der isoliert aufgezogenenRhesus allein dadur<strong>ch</strong> steigern, daB man ihneneinen Zylinder oder Kegel in den Kafig stellt, an densie si<strong>ch</strong> sofort klammern (Harlow 1959).Harlows Untersu<strong>ch</strong>ungen mit Attrappen-MiilternOber die groBe Bedeutung des Korperkontaktes fUr dieEntwicklung haben vor allem Harlows beruhmt gewordeneVersu<strong>ch</strong>e mit ErsatzmUttern Aufs<strong>ch</strong>luB geliefert:Er trennte die Babys wenige Stunden na<strong>ch</strong> der Geburtvon ihrer <strong>Mutter</strong> und setzte sie in Kafige, in denensi<strong>ch</strong> <strong>Mutter</strong>attrappen befanden. (Attrappen sind Na<strong>ch</strong>bildungen,die mogli<strong>ch</strong>st nur die Merkmale aufweisen,die man untersu<strong>ch</strong>en will.) In diesem Fall war es eineDrahtpuppe, die das Merkmal Nahrung bot - an ihrkonnte das <strong>Kind</strong> saugen - und eine Stoftpuppe, diedas Merkmal pelzige Oberfla<strong>ch</strong>e enthielt. In eineranderen Versu<strong>ch</strong>sserie wurde au<strong>ch</strong> die Nahrung vonder Stoffpuppe geliefert.Das erstaunli<strong>ch</strong>e Ergebnis war nun, daB si<strong>ch</strong> diejungen Rhesus eindeutig hiiufiger an die Stoffmuttergeklammert hielten - unabhangig davon, auf wel<strong>ch</strong>erder <strong>bei</strong>den AUrappen sie gefilttert wurden (Abb. 7und 8). Stellte man die <strong>bei</strong>den "MOtter" nahe genugzusammen, blieben sie au<strong>ch</strong> mit der Stoffpuppe inKontakt, wenn sie an der Drahtpuppe tranken (Harlow1959, Harlow & Harlow 1965).Selbstumklammern. DaB die Stoffmutter uberhauptakzeptiert wurde, liegt daran, daB das Auftreten einerHandlung ni<strong>ch</strong>t nur von bestimmten auBeren Reizenabhangt, sondern au<strong>ch</strong> von der Bereits<strong>ch</strong>aft (Motivation,Antrieb, Drang, Stimmung) des Lebewesens zudieser Handlung - in diesem Fall zum Anklammern.(Prinzip der doppelten Qualifizierung; s. Hassenstein1973 a, b).Bei einem isolierten Jungen, das si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t an die• Abb. 7: <strong>Mutter</strong>-Attrappen, die Harlow jungen Rhesusaffenzur Wahl bot. Die hintere besteht aus einem Drahtgestell,an dem eine Mil<strong>ch</strong>flas<strong>ch</strong>e mit S<strong>ch</strong>nuller befestlgt 1st, dievordere ist mit Stoff bezogen. Der junge Rhesus zeigt dietypis<strong>ch</strong>e Klammerhaltung Coa<strong>ch</strong> Harlow 1959).wirkli<strong>ch</strong>e <strong>Mutter</strong> klammern kann, steigt die Bereits<strong>ch</strong>aftzu dieser Handlung, und die auslesenden Reizebrau<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t mehr die optimalen der natUrli<strong>ch</strong>en<strong>Mutter</strong> zu sein; es rei<strong>ch</strong>en au<strong>ch</strong> die der Attrappe. Fehltin volliger Isolation aurn die StoffmuUer, wa<strong>ch</strong>st dieBereits<strong>ch</strong>aft weiter, und der na<strong>ch</strong>st bessere Reiz (daseigene Fell) lost nun die Verhaltensweise aus undri<strong>ch</strong>tet sie auf den eigenen Korper. So ist das Selbstumklammernzu erklaren.Gibt man einem isolierten Rhesusaffen - unter bestimmtenBedingungen - eine StoffmuUer oder au<strong>ch</strong>nur ein Kissen, hert das Selbstumklammern sofort auf;fOgt man ans<strong>ch</strong>lieBend eine ri<strong>ch</strong>tige <strong>Mutter</strong> hinzu, hatdie Attrappe keine Chance mehr. Das zeigt, daB <strong>bei</strong>einer gegebenen Bereits<strong>ch</strong>aft die Wirksamkeit derauslesenden Reize vom eigenen Korper Gber dieAttrappe zum ri<strong>ch</strong>tigen Weib<strong>ch</strong>en zunimmt (vergl. Reizsummenregel,z. B. Lampre<strong>ch</strong>t 1973).o.-­ .--::==--­2S 85 105 125 as 165AIt.r I Tog.lAbb. 8: Resultate der Attrappen-Wahlversu<strong>ch</strong>e. .Die Jungen klammem si<strong>ch</strong> viel langer an die Stoffmutter(dur<strong>ch</strong>gezoge-ne Llnien). als an die Drahtmutter (gestri<strong>ch</strong>elteLinien). Diese Bevorzugung ist unabhanglg 'CIavon, ob sleauf der Stoffmutter gefOttert werden (Punkte) oder auf derDrahtmutter (Kreise). (na<strong>ch</strong> Harlow & Harlow 1965).kinderarzt 5. Jg. (1974) Nr. 6

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