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Übersicht über die Veranstaltung<br />

Übersicht über die Veranstaltung<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Staatshaftung<br />

Rechtsquellen (Übersicht)<br />

Schadenszufügung durch<br />

• Verwaltungshandeln auf Bundesebene<br />

! BV 146<br />

! Verantwortlichkeitsgesetz<br />

! Spezialgesetze<br />

• Verwaltungshandeln auf kantonaler Ebene<br />

! Haftungsgesetz des Kantons Luzern von 1988<br />

! Spezialgesetze<br />

• Handeln auf Bundesebene oder kantonaler Ebene<br />

! Tierhalter: OR 56<br />

! Werkeigentümer: OR 58<br />

! Grundeigentümer: ZGB 679 und 684<br />

• privatrechtliches Handeln auf Bundesebene oder kantonaler Ebene<br />

! Zivilrecht: OR 41 ff., OR 97<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 1<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Staatshaftung<br />

System der ausschliesslichen Staatshaftung<br />

Opfer<br />

(Privatperson)<br />

Zufügung eines<br />

Schadens<br />

Schädiger<br />

(öffentlicher Angestellter)<br />

Schadenersatz<br />

Genugtuung<br />

Rückgriff<br />

Bund<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 2<br />

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Übersicht über die Veranstaltung<br />

Übersicht über die Veranstaltung<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Staatshaftung<br />

Übersicht über die Haftungsvoraussetzungen<br />

VG 3 I:<br />

Für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung seiner amtlichen<br />

Tätigkeit Dritten widerrechtlich zufügt, haftet der Bund ohne Rücksicht<br />

auf das Verschulden des Beamten.<br />

1. Schaden<br />

2. Beamter<br />

3. in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit (= Erfüllung einer<br />

Verwaltungsaufgabe)<br />

4. widerrechtlich<br />

5. zufügt (= Kausalität)<br />

! grundsätzlich kein Verschulden = Kausalhaftung<br />

! Ausnahmen:<br />

! Genugtuungsansprüche (VG 6)<br />

! Kanton Luzern: Staat hat fehlendes Verschulden nachzuweisen<br />

= Verschuldenspräsumtion mit Exkulpationsmöglichkeit<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 3<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Staatshaftung<br />

Schaden<br />

Allgemeine Definition<br />

• Vermögensdifferenz (materieller Schaden)<br />

• Persönliche Verletzung (immaterieller Schaden)<br />

Gesetzliche Definition von Schadensposten (VG 5 und 6)<br />

• Tötung<br />

! Entstandene (administrative) Kosten, insb. Bestattungskosten<br />

! Kosten der versuchten Heilung, Nachteile der Arbeitsunfähigkeit<br />

(Verdienstausfall)<br />

! Versorgerschaden<br />

! Immaterieller Schaden (Genugtuung)<br />

• Körperverletzung<br />

! Heilungskosten<br />

! Nachteile der Arbeitsunfähigkeit unter Berücksichtigung der<br />

Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens<br />

! Immaterieller Schaden (Genugtuung)<br />

• Verletzung der Persönlichkeit<br />

! Immaterieller Schaden (Genugtuung)<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 4<br />

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Übersicht über die Veranstaltung<br />

Übersicht über die Veranstaltung<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Staatshaftung<br />

Beamter<br />

• Mitglieder von Bundesbehörden und Bundeskommissionen (VG 1 a-d)<br />

• Angestellte des Bundes (VG 1 e)<br />

• andere Personen, die unmittelbar mit der Erfüllung von Bundesaufgaben<br />

betraut sind (VG 1 f)<br />

Ausgenommen<br />

• Angehörige der Armee (VG 1 II)<br />

Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe<br />

Funktionaler Zusammenhang<br />

• Erfüllung der öffentlichen Aufgabe als Anlass für die schädigende<br />

Handlung<br />

! rein zeitlicher Zusammenhang genügt nicht<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 5<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Staatshaftung<br />

Widerrechtlichkeit: Übersicht<br />

1. Eingriff in Rechte (Beweis durch Opfer)<br />

Erfolgsunrecht (objektive Widerrechtlichkeitstheorie)<br />

! Verletzung eines absoluten Rechts (Leben, Integrität, Persönlichkeit<br />

und Eigentum)<br />

Verhaltensunrecht<br />

! Reine Vermögensschäden: Verletzung einer Schutznorm<br />

! Schädigung durch Unterlassen: Verletzung einer Handlungspflicht<br />

(Garantenpflicht)<br />

! Schädigung durch nicht-rechtskräftige Rechtsakte: Verletzung einer<br />

wesentlichen Amtspflicht (LU: Absicht)<br />

2. Keine Rechtfertigungsgründe (Beweis durch Schädiger)<br />

! Einwilligung<br />

! Notwehr<br />

! Notstand<br />

! Geschäftsführung ohne Auftrag<br />

! rechtmässiges Verwaltungshandeln<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 6<br />

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Übersicht über die Veranstaltung<br />

Übersicht über die Veranstaltung<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Staatshaftung<br />

Widerrechtlichkeit: Einwilligung<br />

Aufgeklärte Einwilligung<br />

• Opfer muss über den Eingriff hinreichend aufgeklärt werden<br />

• Bindung des Schädigers an den expliziten Willendes Opfers<br />

Hypothetische Einwilligung<br />

• Einwilligung des Opfers ohne hinreichende Aufklärung<br />

• Hypothese: Opfer hätte auch bei hinreichender Aufklärung mit<br />

überwiegender Wahrscheinlichkeit in den Eingriff eingewilligt<br />

Stellvertretende Einwilligung<br />

• Urteilsunfähigkeit des Opfers<br />

• Bindung des Stellvertreters an den mutmasslichen Willen und das<br />

objektive Interesse des Opfers<br />

• Bindung des Schädigers an den Willen des Stellvertreters<br />

In allen Fällen:<br />

! Einwilligung deckt nur sorgfältiges Handeln ab!<br />

! Unsorgfalt muss durch das Opfer bewiesen werden<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 7<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Staatshaftung<br />

Widerrechtlichkeit: Notwehr, Notstand, GoA<br />

Notwehr inkl. Notwehrhilfe (StGB 15)<br />

• rechtswidriger Angriff oder unmittelbare Bedrohung durch rechtswidrigen<br />

Angriff<br />

• Angemessenheit der Abwehr<br />

Notstand inkl. Notstandshilfe (StGB 17)<br />

• Unmittelbare, nicht anders abwendbare Gefahr<br />

• Verhältnismässigkeit des Eingriffs: Gewicht des geretteten Rechtsguts<br />

überwiegt das Gewicht des geopferten Rechtsguts<br />

Geschäftsführung ohne Auftrag (OR 419 ff., ZGB 379)<br />

• Subsidiarität: Weder Opfer noch Stellvertreter können über den Eingriff<br />

entscheiden (insbesondere wegen Dringlichkeit oder Nicht-<br />

Erreichbarkeit von Stellvertretern)<br />

• Bindung des Schädigers an den mutmasslichen Willen und das<br />

objektive Interesse des Opfers<br />

! GoA deckt nur sorgfältiges Handeln ab!<br />

! Unsorgfalt muss durch das Opfer bewiesen werden<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 8<br />

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Übersicht über die Veranstaltung<br />

Übersicht über die Veranstaltung<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Staatshaftung<br />

Widerrechtlichkeit: rechtmässiges Verwaltungshandeln<br />

Finale Schädigungen<br />

• Definition: Schädigung ist Zweck oder unvermeidbare Folge des<br />

Verwaltungshandelns<br />

• Beispiel: Schusswaffengebrauch durch die Polizei<br />

• Voraussetzung: rechtmässiges Verwaltungshandeln<br />

! gesetzmässig<br />

! verfassungsmässig (insb. verhältnismässig)<br />

Nicht finale Schädigungen<br />

• Definition: Schädigung als unerwünschte Nebenfolge rechtmässigen<br />

Verwaltungshandelns<br />

• Beispiel: Bewilligung eines Medikaments, das unerwünschte<br />

Nebenwirkungen hat<br />

• kein Rechtfertigungsgrund!<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 9<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Staatshaftung<br />

Kausalität<br />

• natürliche Kausalität<br />

! Handlung als «conditio sine qua non» für den Schaden<br />

• adäquate Kausalität<br />

! Handlung ist "nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der<br />

allgemeinen Lebenserfahrung" geeignet, einen Schaden wie den<br />

eingetretenen herbeizuführen<br />

• Unterbrechung der adäquaten Kausalität<br />

! höhere Gewalt<br />

! grobes Drittverschulden oder Selbstverschulden<br />

• hypothetische Kausalität<br />

! bei Unterlassen: Handeln hätte den Schaden «mit überwiegender<br />

Wahrscheinlichkeit» verhindert<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 10<br />

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Übersicht über die Veranstaltung<br />

Übersicht über die Veranstaltung<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Staatshaftung<br />

Subsidiarität der Staatshaftung<br />

VG 12<br />

Die Rechtmässigkeit formell rechtskräftiger Verfügungen, Entscheide und<br />

Urteile kann nicht in einem Verantwortlichkeitsverfahren überprüft werden.<br />

Inhalt und Zweck von VG 12<br />

• Staatshaftungsbegehren ist unzulässig, wenn der Weg der<br />

Verwaltungsrechtspflege offen ist oder offen gewesen wäre<br />

• Verwaltungsrechtspflege als primärer, Staatshaftung als sekundärer<br />

Rechtsschutz<br />

• Zweck: Restitution vor Kompensation<br />

Nicht-Anwendbarkeit von VG 12<br />

• Schädigung durch Realakte<br />

• Rechtsmittelunmöglichkeit<br />

! kein Rechtsmittel an ein unabhängiges Gericht<br />

! geschädigte Person hatte kein Beschwerderecht oder<br />

(unverschuldet) keine Kenntnis von der Verfügung<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 11<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Staatshaftung<br />

Verjährung/Verwirkung und Verfahren<br />

Bund (VG 10, 20 ff., VO zum Verantwortlichkeitsgesetz)<br />

• Verjährung und Verwirkung<br />

! relativ: 1 Jahr seit Kenntnis des Schadens<br />

! absolut: 10 Jahre<br />

• Verfahren<br />

! Begehren an das EFD und Verfügung durch zuständige Behörde<br />

! Rechtsweg<br />

" in den Fällen gemäss VG 10 II: Klage an das Bundesgericht<br />

innert 6 Monaten<br />

" in den übrigen Fällen: Beschwerde nach den allgemeinen<br />

Bestimmungen über die Bundesrechtspflege<br />

Kanton (Haftungsgesetz/LU)<br />

• Verjährung und Verwirkung<br />

! relativ: 2 Jahre seit Kenntnis des Schadens<br />

! absolut: 10 Jahre<br />

• Verfahren<br />

! Klage nach Zivilprozessordnung<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 12<br />

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Übersicht über die Veranstaltung<br />

Übersicht über die Veranstaltung<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Staatshaftung<br />

Flugzeugunfall<br />

Der Fluglehrer C. führte am 5. Mai 2011 mit seinem Flugschüler S. (geboren<br />

1988) auf dem militärischen, aber unter bestimmten Voraussetzungen dem<br />

zivilen Flugverkehr offenstehenden Flugplatz Kägiswil mit einem zivilen<br />

Schulungsflugzeug Start- und Landeübungen durch. Gleichzeitig näherte<br />

sich Kpl M., Angehöriger der Pilotenschule 55-I/89, mit einem militärisch<br />

immatrikulierten Trainingsflugzeug PC-7 auf dem Landeanflug dem nahe<br />

beim Flugplatz Kägiswil gelegenen Militärflugplatz Alpnach. Die beiden<br />

Flugzeuge kollidierten in der Luft. Das zivile Flugzeug stürzte ab, wobei S.<br />

und C. den Tod fanden. Kpl M. konnte unverletzt auf dem Flugplatz Alpnach<br />

landen.<br />

Die Angehörigen von S. und C. wollen vom Bund Schadenersatz.<br />

Fragen<br />

Hinweis: Beantworten sie die Fragen nach dem Verantwortlichkeitsgesetz<br />

des Bundes<br />

a. Wie läuft das Verfahren für die Geltendmachung von Schadenersatz?<br />

b. Ist der Bund haftbar? Insbesondere: Hängt die Haftbarkeit des Bundes<br />

davon ab, ob Kpl M. unsorgfältig gehandelt hat?<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 13<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Staatshaftung<br />

Fehlgeschlagene Sterilisation<br />

Nach der Entbindung des dritten Kindes liess sich Frau Müller im<br />

Kantonsspital Luzern die Eileiter unterbrechen. Trotz der – mit aller<br />

Sorgfalt durchgeführten – Sterilisation wurde Frau Müller infolge eines sog.<br />

«biologischen Versagers» erneut schwanger und gebar ein Kind. Hierauf<br />

erhoben Frau Müller und ihr Ehemann Schadenersatzklage.<br />

Hinweise<br />

! Es kann als erwiesen erachtet werden, dass die Gefahr biologischer<br />

Versager den Klägern im Zeitpunkt des Eingriffs nicht bekannt war.<br />

! In Fachkreisen gilt eine Eileiterunterbrechung als sichere<br />

Sterilisationsmethode. Trotzdem kommt es in ca. 0.5% der Fälle zu<br />

einer ungewollten Schwangerschaft.<br />

Frage<br />

Welchen Schaden kann das Ehepaar Müller einklagen? Wird die<br />

Schadenersatzklage Erfolg haben?<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 14<br />

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Übersicht über die Veranstaltung<br />

Übersicht über die Veranstaltung<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Haftung für rechtmässiges Handeln<br />

Eigentumsgarantie: Teilgehalte (I)<br />

Art. 26 Abs. 1 BV<br />

Das Eigentum ist gewährleistet.<br />

Institutsgarantie (Kerngehalt)<br />

• Verbot, das Institut des Eigentums (ZGB 641 ff.)<br />

! aufzuheben oder<br />

! faktisch auszuhöhlen (z.B. durch konfiskatorische Besteuerung)<br />

Bestandesgarantie (einschränkbar nach BV 36)<br />

• Vermögenswerte Rechte des Zivilrechts<br />

! dingliche und obligatorische Rechte sowie Immaterialgüterrechte<br />

! nicht das Vermögen als solches!<br />

• Wohlerworbene Rechte (Vertrauensschutz)<br />

! Rechte aus Konzessionen und verwaltungsrechtlichen Verträgen<br />

! Zugesicherte Vermögensrechte von öffentlichen Angestellten<br />

! «Ehehafte» Rechte aufgrund alter Rechtsordnungen<br />

• Tatsächliche Voraussetzungen des Eigentumsgebrauchs<br />

(z.B. Zugang zu einer Strasse)<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 15<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Haftung für rechtmässiges Handeln<br />

Eigentumsgarantie: Teilgehalte (II)<br />

Art. 26 Abs. 2 BV<br />

Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung<br />

gleichkommen, werden voll entschädigt.<br />

Wertgarantie<br />

• Anspruch auf Entschädigung für bestimmte Eingriffe in die<br />

Bestandesgarantie<br />

! Formelle Enteignungen («Enteignungen»)<br />

! Materielle Enteignungen («Eigentumsbeschränkungen, die einer<br />

Enteignung gleichkommen»)<br />

• Anspruch auf volle Entschädigung (Eingriffe nicht möglich)<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 16<br />

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Übersicht über die Veranstaltung<br />

Übersicht über die Veranstaltung<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Haftung für rechtmässiges Handeln<br />

Übersicht: öffentlich-rechtliche Eingriffe in das Eigentum<br />

Öffentlich-rechtliche Eingriffe<br />

in das Eigentum<br />

Formelle<br />

Enteignung<br />

Öffentlich-rechtliche<br />

Eigentumsbeschränkung<br />

Materielle<br />

Enteignung<br />

Entschädigungslose<br />

öffentlich-rechtliche<br />

Eigentumsbeschränkung<br />

Entschädigungspflicht<br />

Keine Entschädigung<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 17<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Haftung für rechtmässiges Handeln<br />

Begriff der formellen Enteignung<br />

1. Rechtmässiger Entzug von Eigentumsrechten durch den Staat<br />

→Eigentumsrechte werden auf den Staat übertragen (Zwangskauf)<br />

oder gehen unter<br />

2. Entzug der Eigentumsrechte ist nicht durch die betroffene Person<br />

veranlasst<br />

Hauptfall<br />

• Enteignung von Grundstücken zwecks Erstellung öffentlicher Werke<br />

Beispiele: Bau von Verkehrswegen (Eisenbahnen, Strassen, Fusswege)<br />

oder Netzinfrastruktur (Elektrizitätsnetze, Fernmeldenetze)<br />

Sonderfälle<br />

• Enteignung von Nachbarrechten<br />

Beispiele: Lärmimmissionen von Strassen, Bahnanlagen, Flughäfen<br />

• Enteignung wohlerworbener Rechte<br />

Beispiele: Entzug von Wassernutzungsrechten, Fernsehkonzessionen<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 18<br />

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Übersicht über die Veranstaltung<br />

Übersicht über die Veranstaltung<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Haftung für rechtmässiges Handeln<br />

Enteignung von Grundstücken / wohlerworbenen Rechten: Prüfschema<br />

A. Grundrechtsmässigkeit (BV 36)<br />

1. Grundrechtseingriff: Entzug eines<br />

Eigentumsrechts durch den Staat?<br />

2. Gesetzliche Grundlage?<br />

Insbesondere: Enteignungsrecht?<br />

3. Öffentliches Interesse?<br />

4. Verhältnismässigkeit?<br />

rechtmässiger<br />

Eingriff<br />

B1. Entschädigung<br />

(Kompensation)<br />

5. Sind die Voraussetzungen<br />

für eine Entschädigung<br />

erfüllt?<br />

rechtswidriger<br />

Eingriff<br />

B2. Abweisung Gesuch bzw.<br />

Aufhebung Rechtsakt<br />

(Restitution)<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 19<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Haftung für rechtmässiges Handeln<br />

Enteignung von Grundstücken / wohlerworbenen Rechten:<br />

Voraussetzungen für eine Entschädigung<br />

• Entzug der Eigentumsrechte ist nicht durch die betroffene<br />

Person veranlasst<br />

Beispiele<br />

! Entzug von Konzessionen wegen schwerer Pflichtverletzung<br />

(= Verwaltungssanktion)<br />

! Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine Straftat<br />

erlangt worden sind<br />

• Keine weiteren Voraussetzungen!<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 20<br />

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Übersicht über die Veranstaltung<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Haftung für rechtmässiges Handeln<br />

Art. 50 RTVG<br />

Einschränkung, Suspendierung und Entzug der<br />

Konzession<br />

1<br />

Das Departement kann die Konzession einschränken, suspendieren<br />

oder entziehen, wenn:<br />

a. der Konzessionär sie durch unvollständige oder unrichtige Angaben<br />

erwirkt hat;<br />

b. der Konzessionär in schwerwiegender Weise gegen dieses Gesetz<br />

und die Ausführungsbestimmungen verstösst;<br />

(T)<br />

e. wichtige Landesinteressen es erfordern.<br />

2<br />

Das Departement entzieht die Konzession, wenn wesentliche<br />

Voraussetzungen zu ihrer Erteilung dahingefallen sind.<br />

3<br />

Der Konzessionär hat Anspruch auf Entschädigung, wenn das<br />

Departement:<br />

a. die Konzession entzieht, weil wesentliche Voraussetzungen zu ihrer<br />

Erteilung dahingefallen sind und der Bund dafür einstehen muss;<br />

b. die Konzession suspendiert oder entzieht, weil wichtige<br />

Landesinteressen es erfordern.<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 21<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Haftung für rechtmässiges Handeln<br />

Art. 679 ZGB<br />

Verantwortlichkeit des Grundeigentümers<br />

Wird jemand dadurch, dass ein Grundeigentümer sein<br />

Eigentumsrecht überschreitet, geschädigt oder mit Schaden<br />

bedroht, so kann er auf Beseitigung der Schädigung oder auf<br />

Schutz gegen drohenden Schaden und auf Schadenersatz klagen.<br />

Art. 684 ZGB<br />

Nachbarrecht<br />

1<br />

Jedermann ist verpflichtet, bei der Ausübung seines Eigentums,<br />

wie namentlich bei dem Betrieb eines Gewerbes auf seinem<br />

Grundstück, sich aller übermässigen Einwirkung auf das Eigentum<br />

der Nachbarn zu enthalten.<br />

2<br />

Verboten sind insbesondere alle schädlichen und nach Lage und<br />

Beschaffenheit der Grundstücke oder nach Ortsgebrauch nicht<br />

gerechtfertigten Einwirkungen durch Rauch oder Russ, lästige<br />

Dünste, Lärm oder Erschütterung.<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 22<br />

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Übersicht über die Veranstaltung<br />

Übersicht über die Veranstaltung<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Haftung für rechtmässiges Handeln<br />

Enteignung von Nachbarrechten: Prüfschema<br />

A. Vereinbarkeit mit ZGB 679/684<br />

1. Übermässige Einwirkung?<br />

2. Funktionaler Zusammenhang:<br />

Ist die Einwirkung mit der Erfüllung einer<br />

öffentlichen Aufgabe verbunden?<br />

3. Vermeidbarkeit der Einwirkung:<br />

Könnte die Einwirkung mit verhältnismässigem<br />

Aufwand vermieden werden?<br />

unvermeidbare<br />

Einwirkung<br />

B1. Entschädigung<br />

(Kompensation)<br />

5. Sind die Voraussetzungen<br />

für eine Entschädigung<br />

erfüllt?<br />

vermeidbare<br />

Einwirkung<br />

B2. Ansprüche nach ZGB 679<br />

(Restitution / Kompensation)<br />

• Beseitigung der Schädigung<br />

• Schutz gegen drohenden Schaden<br />

• Schadenersatz<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 23<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Haftung für rechtmässiges Handeln<br />

Enteignung von Nachbarrechten:<br />

Voraussetzungen für eine Entschädigung<br />

1. Mangelnde Vorhersehbarkeit des Schadens<br />

! Immissionen konnten bei Eigentumserwerb nicht<br />

vorhergesehen werden<br />

2. Spezialität des Schadens<br />

! Immissionen sind überdurchschnittlich<br />

! Massstab: Grenzwerte des Umweltrechts<br />

3. Schwerer Schaden<br />

! erhebliche Wertverminderung des Eigentums<br />

! nicht bloss vorübergehende Schädigung<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 24<br />

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Übersicht über die Veranstaltung<br />

Übersicht über die Veranstaltung<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Haftung für rechtmässiges Handeln<br />

Neue Autobahnausfahrt<br />

Herr Gross kaufte im Jahr 2000 in der Gemeinde X. im Kanton Luzern ein<br />

Einfamilienhaus, welches zum damaligen Zeitpunkt etwa 700 Meter von einer<br />

Autobahnausfahrt entfernt lag. Wegen chronischer Überlastung der Ausfahrt<br />

erarbeitete das Bundesamt für Strassen (ASTRA) im Zusammenarbeit mit<br />

dem Kanton Luzern ein Projekt zur Erneuerung und Verschiebung der<br />

Autobahnausfahrt und reichte am 1. Oktober 2011 ein entsprechendes<br />

Plangenehmigungsgesuch beim zuständigen Departement (UVEK) ein.<br />

Herr Gross erkundigt sich beim ASTRA nach dem Projekt und erfährt zu<br />

seinem Leidwesen, dass die neue Ausfahrt nur etwa 20 Meter neben seinem<br />

Grundstück vorbeiführen soll.<br />

Fragen<br />

a. Herr Gross möchte etwas gegen das geplante Projekt unternehmen.<br />

Welche verfahrensrechtlichen Möglichkeiten stehen ihm zur Verfügung?<br />

b. Welche rechtlichen Ansprüche kann Herr Gross gegen das Projekt geltend<br />

machen?<br />

c. Wie sind diese Ansprüche zu begründen?<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 25<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Haftung für rechtmässiges Handeln<br />

Begriff der materiellen Enteignung<br />

1. Rechtmässige Beschränkung von Nutzungsrechten aus<br />

Eigentum<br />

2. Besonders schwere Beschränkung<br />

3. Beschränkung dient nicht dem Schutz der betroffenen Person<br />

Fallkonstellationen<br />

• Zonenplanung zulasten von überbaubaren Grundstücken<br />

! Auszonungen<br />

! Herabzonungen<br />

! Nichteinzonungen<br />

! Bauverbote<br />

! Umbauverbote<br />

! Baulinien<br />

! Projektierungszonen<br />

! u.a.<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 26<br />

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Übersicht über die Veranstaltung<br />

Übersicht über die Veranstaltung<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Haftung für rechtmässiges Handeln<br />

Materielle Enteignung: Prüfschema<br />

A. Grundrechtsmässigkeit (BV 36)<br />

1. Grundrechtseingriff: Beschränkung<br />

von Nutzungsrechten?<br />

2. Gesetzliche Grundlage?<br />

3. Öffentliches Interesse?<br />

4. Verhältnismässigkeit?<br />

rechtmässiger<br />

Eingriff<br />

rechtswidriger<br />

Eingriff<br />

B1. Entschädigung<br />

(Kompensation)<br />

5. Sind die Voraussetzungen<br />

für eine Entschädigung<br />

erfüllt?<br />

B2. Abweisung Gesuch bzw.<br />

Aufhebung Rechtsakt<br />

(Restitution)<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 27<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Haftung für rechtmässiges Handeln<br />

Voraussetzungen für eine Entschädigung<br />

1. Qualifizierter Grundrechtseingriff:<br />

Beschränkung einer bisherigen oder künftigen Nutzung<br />

künftige Nutzung: Grundstück ist mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher<br />

Zukunft überbaubar («baureif»)<br />

! rechtliche Zulässigkeit der Überbauung (Anspruch auf<br />

Baubewilligung)<br />

! tatsächliche Überbaubarkeit (Grundstück ist erschlossen oder kann<br />

vom Eigentümer selber erschlossen werden)<br />

! Bei Auszonungen: Grundstück hat Anschluss an das Siedlungsgebiet<br />

2. Besonders schwerer Eingriff<br />

nicht gegeben bei (Fallrecht)<br />

! Bauverbot für einen Drittel des Grundstücks<br />

! Bauverbot unter zwei Jahren<br />

! Minderwert des Grundstücks von unter 20%<br />

! Denkmalschutz einer Gebäudehülle<br />

3. Beschränkung dient nicht dem Schutz der betroffenen Person<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 28<br />

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Übersicht über die Veranstaltung<br />

Übersicht über die Veranstaltung<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Haftung für rechtmässiges Handeln<br />

Parkplatz Engelberg<br />

Marie Müller besitzt eine in der Bauzone liegende, jedoch unbebaute<br />

Parzelle in Engelberg. Mit Beschluss der Stimmberechtigten von<br />

Engelberg wurde die Parzelle von Marie Müller der Zone für öffentliche<br />

Bauten und Anlagen zugewiesen. Der Regierungsrat des Kantons<br />

Obwalden genehmigte diese zonenplanerische Festsetzung. Das<br />

genannte Grundstück liegt bei der Talstation der Bergbahnen am Rande<br />

des Siedlungsgebiets und soll als Parkplatz an die Bergbahnen<br />

Engelberg-Trübsee-Titlis AG verpachtet werden.<br />

Marie Müller hätte auf ihrem Grundstück eine Ferienwohnung bauen<br />

wollen. Durch den neuen Zonenplan verliert das Grundstück 50% an<br />

Wert, was einem Verlust von 400’000 CHF entspricht.<br />

Fragen<br />

a. Hat Marie Müller einen Anspruch auf Entschädigung?<br />

b. Muss Marie Müller ihr Grundstück der Bergbahnen Engelberg-<br />

Trübsee-Titlis AG verpachten?<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 29<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Haftung für rechtmässiges Handeln<br />

Vertrauensschutz<br />

Entschädigungsvoraussetzungen<br />

1. Vertrauensgrundlage<br />

2. Vertrauensbetätigung (irreversible Dispositionen)<br />

3. Kein Vertrauensschutz wegen überwiegenden Interessen<br />

Sonderopfer<br />

Entschädigungsvoraussetzungen<br />

1. Spezialität des Schadens: Schaden betrifft nur einzelne Personen<br />

2. Schwerer Schaden<br />

3. Schaden wurde nicht durch den Geschädigten veranlasst und dient nicht<br />

seinem Schutz<br />

Spezialgesetz<br />

Beispiel: § 5 Haftungsgesetz/LU<br />

1<br />

Für Schaden aus rechtmässigem Handeln haftet das Gemeinwesen nur<br />

nach besonderer gesetzlicher Vorschrift.<br />

2<br />

In besonderen Fällen, namentlich bei einer Schädigung infolge eines<br />

rechtmässigen Polizeieinsatzes, kann das Gemeinwesen nach Billigkeit<br />

Ersatz leisten.<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 30<br />

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Übersicht über die Veranstaltung<br />

IX. Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln<br />

Haftung für rechtmässiges Handeln<br />

Restaurant «Schönegg»<br />

Die Eheleute X. sind Mieter des Restaurants «Schönegg» in der Luzerner<br />

Gemeinde X. Vom 1. Oktober 2013 bis zum 14. Oktober 2013 mussten sie<br />

das Restaurant während zwei Wochen schliessen, da es ihnen infolge der<br />

Bauarbeiten für die Bahnunterführung sowie der überaus lärmigen<br />

Kanalisationsarbeiten, welche unmittelbar vor und neben der Liegenschaft<br />

Schönegg vorgenommen wurden, nicht möglich war, den<br />

Gastwirtschaftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Mit Eingabe vom 20. April 2014<br />

an die kantonale Schätzungskommission verlangen sie von der Gemeinde X.<br />

eine Entschädigung für die wegen der Schliessung des Restaurants erlittenen<br />

Umsatzeinbussen im Umfang von 60’000 CHF.<br />

Fragen<br />

a. Auf welche Rechtsgrundlage kann sich die Entschädigung stützen?<br />

b. Sind die Voraussetzungen für eine Entschädigung erfüllt?<br />

Rechtswissenschaftliche Fakultät, Bernhard Rütsche<br />

5. Mai 2014, Seite 31<br />

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