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„Sprengsatz“: Übergang – von der Schule in den Beruf Informationen

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Foto: privat<br />

Wolfgang Seyd<br />

<strong>Schule</strong>n „ankommen“, wie viele es dort<br />

bis zum Ende <strong>der</strong> Schulform aushalten<br />

und wie viele die Prüfung erfolgreich<br />

bestehen. Viele s<strong>in</strong>d es nicht: Knapp<br />

4 000 Schüler wan<strong>der</strong>n <strong>in</strong>s BVJ, da<strong>von</strong><br />

gehen nicht alle <strong>in</strong> die Hauptschulabschlussprüfung,<br />

längst nicht alle bestehen<br />

sie. Wenn sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Ausbildung<br />

e<strong>in</strong>mün<strong>den</strong>, wer<strong>den</strong> sie datenmäßig erfasst;<br />

nehmen sie e<strong>in</strong>e Arbeit an, gehen<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Zivildienst o<strong>der</strong> zur Bundeswehr,<br />

wären sie über die Sozialversicherung<br />

zu erfassen. Aber die Daten s<strong>in</strong>d sowieso<br />

nicht zu ermitteln, auch nicht die <strong>der</strong>jenigen,<br />

die wegen e<strong>in</strong>er Schwangerschaft,<br />

e<strong>in</strong>er Erkrankung o<strong>der</strong> aus sonstigen<br />

persönlichen Grün<strong>den</strong> dem Ausbildungs-<br />

und Arbeitsmarkt <strong>den</strong> Rücken<br />

gekehrt haben. Gerade sie bedürfen<br />

aber <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Aufmerksamkeit<br />

<strong>der</strong> Bildungs- und Sozialpolitik.<br />

Wir s<strong>in</strong>d also h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Jugendlichen<br />

im <strong>Übergang</strong>ssystem weith<strong>in</strong> auf<br />

Schätzungen angewiesen. In Hamburg<br />

dürften es rund 14 000 se<strong>in</strong>. Da im Bundesgebiet<br />

mehr als die Hälfte <strong>der</strong><br />

640 000 neuen Auszubil<strong>den</strong><strong>den</strong> des Jahres<br />

2008 aus <strong>der</strong> Riege <strong>der</strong> so genannten<br />

Altbewerber stammt <strong>–</strong> das s<strong>in</strong>d diejenigen,<br />

die 2007 o<strong>der</strong> früher auf Ausbildungsstellensuche<br />

gegangen s<strong>in</strong>d <strong>–</strong><br />

besteht Hoffnung, dass För<strong>der</strong>maßnah-<br />

Anmerkungen:<br />

men im <strong>Übergang</strong>sbereich nicht völlig<br />

nutzlos s<strong>in</strong>d, was die Chancen auf e<strong>in</strong>en<br />

Ausbildungsplatz angeht. 4) Und dass<br />

<strong>den</strong> vielfach hoch engagierten Lehrkräften<br />

die Früchte ihrer Arbeit nicht<br />

vergällt wer<strong>den</strong>!<br />

Wie kam es zur Aufblähung?<br />

Wie kam es zu <strong>der</strong> Aufblähung des<br />

<strong>Übergang</strong>ssystems? Es liegt an <strong>den</strong><br />

Voraussetzungen <strong>der</strong> Schüler, sagen die<br />

e<strong>in</strong>en und schieben die Schuld daran<br />

auch <strong>den</strong> Lehrkräften <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong> bil<strong>den</strong><strong>den</strong><br />

<strong>Schule</strong>n zu. Die wehren sich unter<br />

H<strong>in</strong>weis auf problematische Familienverhältnisse<br />

und prekäre Sozialisationserfahrungen.<br />

PISA hat <strong>den</strong> acht Prozent<br />

Schulabsolventen ohne Abschluss<br />

noch e<strong>in</strong>mal die doppelte Anzahl an<br />

Schulschwachen h<strong>in</strong>zugesellt und somit<br />

e<strong>in</strong>em Viertel <strong>der</strong> nachwachsen<strong>den</strong> Generation<br />

attestiert, es sei nicht ausbildungsfähig.<br />

Es liege an <strong>der</strong> mangeln<strong>den</strong> Ausbildungsbereitschaft<br />

<strong>der</strong> Betriebe, sagen<br />

die an<strong>der</strong>en und verweisen auf die Entwicklung<br />

bei <strong>den</strong> Handwerksbetrieben.<br />

Ihre Zahl ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hansestadt <strong>von</strong> 2004<br />

auf 2006 um 16,6 Prozent gestiegen;<br />

gleichzeitig reduzierte sich <strong>der</strong> Anteil an<br />

ausbil<strong>den</strong><strong>den</strong> Betrieben um sieben Prozent.<br />

Damit verschwan<strong>den</strong> vor allem<br />

solche Ausbildungsplätze, die <strong>den</strong> weniger<br />

begabten Jugendlichen e<strong>in</strong>e Perspektive<br />

gegeben hätten. An<strong>der</strong>erseits<br />

verweisen die Unternehmer auf die<br />

Kosten <strong>der</strong> Ausbildung, auf schrumpfen<strong>den</strong><br />

Arbeitskräftebedarf angesichts<br />

lahmen<strong>den</strong> B<strong>in</strong>nenmarktes und munter<br />

voranschreitende Rationalisierung <strong>–</strong><br />

und nicht zuletzt auf das Anfor<strong>der</strong>ungsniveau<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Ausbildungsordnungen<br />

und Rahmenlehrplänen, das sie vor unlösbare<br />

didaktische Aufgaben stelle.<br />

Dann s<strong>in</strong>d da noch die „Passungsskeptiker“:<br />

Ihrer Ansicht nach gibt es<br />

zwar genügend Lehrstellen, jedoch<br />

nicht die entsprechen<strong>den</strong> Vorstellungen<br />

auf Seiten <strong>der</strong> Jugendlichen. E<strong>in</strong> Haupt-<br />

SCHWERPUNKT<br />

schüler, <strong>der</strong> Verlagskaufmann wer<strong>den</strong><br />

möchte, <strong>den</strong>kt illusionär, weil diese Plätze<br />

Abiturienten <strong>–</strong> die ja <strong>in</strong>zwischen mit<br />

über 30 Prozent unter <strong>den</strong> Ausbildungsstartern<br />

vertreten s<strong>in</strong>d <strong>–</strong> und guten Realschülern<br />

vorbehalten s<strong>in</strong>d. Aber die<br />

Notlösung Bäcker und Verkäufer (Deuer<br />

2007, S. 54) möchte er nicht ergreifen.<br />

So bleibt se<strong>in</strong> Ausbildungswunsch unerfüllt.<br />

Man kann es wohl auf die e<strong>in</strong>fache<br />

Formel br<strong>in</strong>gen: An allen Positionen ist<br />

etwas dran. Denn ohne die „seit Jahren<br />

anhaltende Diskrepanz zwischen Angebot<br />

und Nachfrage“ (AG Bildungsbericht<br />

2008, S. 154), ohne die Verschlechterung<br />

<strong>der</strong> Lese-, Schreib- und Rechenkenntnisse<br />

und ohne gewisse Beson<strong>der</strong>heiten<br />

im Sozialverhalten und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Selbstwahrnehmung vieler Jugendlicher<br />

wäre das <strong>Übergang</strong>ssystem nicht zu se<strong>in</strong>er<br />

heutigen Ausdehnung gelangt.<br />

Wie das Problem lösen?<br />

Wie lässt sich das Problem <strong>in</strong> <strong>den</strong> Griff<br />

bekommen? An die Wirksamkeit e<strong>in</strong>facher<br />

Lösungen glaubt ke<strong>in</strong> <strong>Beruf</strong>spädagoge<br />

mehr. Zu groß ist das Problem, zu<br />

vielfältig s<strong>in</strong>d die Ursachen und zu wenig<br />

durchschlagskräftig ersche<strong>in</strong>en die<br />

Lösungsvorschläge.<br />

Es hängt an <strong>den</strong> Ausbildungsplätzen.<br />

Denn die Orientierungs- und Qualifizierungsmaßnahmen<br />

haben nur dann wirklich<br />

e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n, wenn mit ihnen <strong>der</strong><br />

Wunsch nach dem begehrten Ausbildungsplatz<br />

und damit e<strong>in</strong>er wirklich verwertbaren<br />

Qualifikation erfüllt wer<strong>den</strong><br />

kann. Solange sich e<strong>in</strong> großer Pulk <strong>von</strong><br />

e<strong>in</strong>er För<strong>der</strong>maßnahme <strong>in</strong> die an<strong>der</strong>e<br />

schleppt, gleichsam e<strong>in</strong>e „Warteschleife“<br />

nach <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en im „Maßnahmendschungel“<br />

dreht, bleibt das Problem<br />

ungelöst. Millionen <strong>von</strong> Euro wer<strong>den</strong><br />

(fehl-)<strong>in</strong>vestiert.<br />

Nimmt man die gegenwärtigen För<strong>der</strong>angebote<br />

unter die Lupe, so müssen<br />

viele <strong>Beruf</strong>svorbereitungsmaßnahmen<br />

<strong>in</strong>folge schwacher <strong>Übergang</strong>squoten <strong>–</strong><br />

1) Die Arbeitsgruppe Bildungsbericht errechnete 500 000 (2008, S. 97). An<strong>der</strong>e Quellen sprechen <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>geren Anteil (26,6 Prozent i. J. 2005, konstatieren dabei e<strong>in</strong>en Rückgang <strong>von</strong> 62 Prozent<br />

E<strong>in</strong>mündungen <strong>in</strong>s Duale System (1999) auf 41.6 Prozent (2005) (Beicht et al. 2007, S. 8).<br />

2) Die Altbewerber stellen mit 384 871 (2007) bereits mehr als die Hälfte <strong>der</strong> Ausbildungsbewerber (52,4 Prozent; Frank/Grunwald 2008, S. 13)!<br />

3)<br />

Und das Ausbildungsangebot sank <strong>von</strong> 721 800 Plätzen im Jahre 1992 auf 562 800 im Jahre 2005, während die Schulabgängerzahl im gleichen Zeitraum <strong>von</strong> 759 700 auf 939 300 hochschnellte (Beicht/<br />

Ulrich 2008, S. 19).<br />

4)<br />

Von <strong>den</strong> Hochschulabsolventen 2004, die anschließend e<strong>in</strong>e BV absolvierten, waren zwei Jahre später 52 Prozent <strong>in</strong> Ausbildung, unmittelbar nach <strong>der</strong> Hauptschule waren nur 26 Prozent <strong>der</strong> <strong>Übergang</strong><br />

geglückt (Gaupp et al. 2008, S. 25 f.).<br />

Nr. 1 · 2009 ihbs 15

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