DREI HÄUSER VON FRANZ SCHEIBLER - Winterthur Glossar
DREI HÄUSER VON FRANZ SCHEIBLER - Winterthur Glossar
DREI HÄUSER VON FRANZ SCHEIBLER - Winterthur Glossar
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PETRA RÖTHLISBERGER<br />
<strong>DREI</strong> <strong>HÄUSER</strong> <strong>VON</strong> <strong>FRANZ</strong> <strong>SCHEIBLER</strong><br />
ANMERKUNGEN ZU <strong>FRANZ</strong> <strong>SCHEIBLER</strong>S WOHNHAUSBAU 1924–1939<br />
1
2<br />
Diplomwahlfacharbeit im Fach «Spezialfragen Kunstgeschichte»<br />
Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (GTA)<br />
Prof. Dr. Andreas Tönnesmann<br />
Betreuung: Isabel Haupt<br />
Petra Röthlisberger<br />
roethlisberger@gta.arch.ethz.ch<br />
Frühling 2005
5<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Einleitung<br />
9 Eine Annäherung an Franz Scheibler<br />
Herkunft und Ausbildung<br />
Meisterschüler bei Heinrich Tessenow<br />
Familie und Natur<br />
<strong>Winterthur</strong> 1922–1931<br />
Kleinhäuser<br />
Einrichtungen<br />
Die Baugenossenschaft an der Langgasse<br />
Bürgerliche Häuser<br />
Holzbauten<br />
Geschäftshäuser und öffentliche Bauten<br />
Weitere Tätigkeiten<br />
23<br />
29<br />
33<br />
39<br />
41<br />
Haus Moser 1927<br />
Haus Schönenberger 1928<br />
Haus Grob 1928–1929<br />
Anmerkungen zu Franz Scheiblers Wohnhausbau 1924–1939<br />
Nachwort<br />
43 Anhang<br />
44 Anmerkungen<br />
45 Abbildungsnachweis<br />
47<br />
Literaturverzeichnis<br />
3
Einleitung<br />
Als mir vor drei Jahren im Rahmen einer Hilfsassistentenstelle im Archiv<br />
am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (GTA) an der ETH<br />
Zürich die elektronische Erfassung des Nachlasses des <strong>Winterthur</strong>er<br />
Architekten Franz Scheibler (1898–1960) aufgetragen wurde, zeigte ich<br />
mich zunächst wenig begeistert. Ich begegnete dem mir zuvor unbekannten<br />
Tessenow-Schüler mit den üblichen Vorurteilen, die einem Vertreter der so<br />
genannten traditionellen Architektur oft entgegen gebracht werden. Dies<br />
sollte sich jedoch bald ändern. Erst überraschten mich die bezaubernden<br />
Tuschzeichnungen, in der Art, wie sie von Heinrich Tessenow bekannt<br />
sind. Dann machte mich ein Aufsatz von Martin Steinmann aus dem Jahr<br />
1983 auf die Höhepunkte in Scheiblers Werk aufmerksam. Es sind dies<br />
insbesondere die Selbsthilfesiedlung am Deutweg (1926–1928) und die<br />
Holzhaussiedlung an der Weststrasse (1934), beide in <strong>Winterthur</strong>, mit<br />
denen Scheibler in der Schweiz Pionierarbeit geleistet hat. Später lernte<br />
ich auch die weniger spektakulären Bauten schätzen. Je mehr ich mich<br />
für das Werk von Scheibler zu interessieren begann, desto mehr nahm ich<br />
aber auch den desolaten Zustand war, in dem sich der Nachlass befand.<br />
Dieser war 1985 auf Initiative von Martin Steinmann dank der grosszügigen<br />
Schenkung der Nachkommen ins GTA Archiv überführt worden, wo er<br />
infolge Geldmangels unaufgearbeitet liegen blieb. Die Archivalien waren<br />
in grossen Einheiten in Bändelmappen schlecht geschützt und durch ihre<br />
gelegentliche Benützung über die Jahre hinweg etwas durcheinander<br />
geraten. Zusätzlich zur elektronischen Erfassung wurde mir deshalb die<br />
Aufarbeitung des Nachlasses übertragen, in deren Rahmen ich die Pläne<br />
und übrigen Archivalien ordnete, neu verpackte und beschriftete, was eine<br />
effiziente und schonende Benützung des Nachlasses ermöglicht. Dabei<br />
konnte zahlreiches neues Material teilweise auch zu bisher nicht registrierten<br />
Projekten neu zugeordnet werden.<br />
Zu Lebzeiten war Scheibler ein bekannter und respektierter Architekt. Davon<br />
zeugen zahlreiche Veröffentlichungen über seine Bauten in Fachzeitschriften.<br />
Nach seinem Tod im Jahr 1960 geriet Scheibler schnell in Vergessenheit.<br />
Nur wenige Beiträge sind seither erschienen, die sich mit seinem Werk<br />
beschäftigen. Den Anfang machte ein 1960 in der Schweizerischen<br />
Bauzeitung veröffentlichter Nekrolog, in welchem Conrad D. Furrer das<br />
Leben und Werk von Franz Scheibler einer ersten Würdigung unterzog.<br />
In den siebziger Jahren begann sich Martin Steinmann für Scheibler<br />
zu interessieren. Er war einer der treibenden Kräfte hinter der Ausstellung<br />
5
6<br />
«In zweiter Linie… <strong>Winterthur</strong> 1924–45», die 1983 in <strong>Winterthur</strong> und an<br />
der ETH Hönggerberg gezeigt wurde und Fotos von ausgewählten Bauten<br />
dreier bedeutender <strong>Winterthur</strong>er Architekten der Zwischenkriegszeit,<br />
darunter Franz Scheibler, präsentierte. Die Ausstellung wurde von einem<br />
gleichnamigen Themenheft der Archithese begleitet, in dem ein von Martin<br />
Steinmann verfasster Aufsatz mit dem Titel …ein Mensch, der das Einfache<br />
und Normale wollte. Zu Franz Scheibler und seinen Bauten 1924–45 gedruckt<br />
wurde. Der Text beleuchtet die handwerkliche und architektonische Herkunft<br />
Scheiblers, diskutiert Merkmale und Qualitäten seiner Wohnbauten und<br />
plädiert für ein anderes Geschichtsverständnis, welches die Architektur<br />
des Gewöhnlichen erst angemessen würdigen könne. Im Anschluss an den<br />
Aufsatz wurden achtzehn ausgewählte Wohnbauten mit Fotos, Plänen und<br />
kurzen Texten vorgestellt.<br />
1997 wiesen Aurelio Brucanto und Bernhard Gerber in ihrer unpublizierten<br />
Diplomwahlfacharbeit Der Tessenow-Schüler Franz Scheibler. Sein Werk<br />
neben dem Wohnhausbau auf Scheiblers ausgedehnte Entwurfs- und<br />
Bautätigkeit beispielsweise im Bereich des Geschäfts- oder Schulhausbaus<br />
hin, indem sie achtundzwanzig Projekte anhand von Fotos, Plänen und<br />
kurzen Beschrieben übersichtlich zusammenstellten.<br />
Schliesslich wurde Scheibler im Architektenlexikon der Schweiz 19./20.<br />
Jahrhundert, welches 1998 erschienen ist, mit einem kurzen Beitrag<br />
von Katharina Medici-Mall berücksichtigt. Daneben fanden Scheiblers<br />
Bauten häufig im Zusammenhang mit der Siedlungsstadt <strong>Winterthur</strong>, dem<br />
Kleinhausbau oder dem Holzbau Erwähnung, zuletzt in der im Herbst 2004<br />
publizierten Studie Städte bauen von Angelius Eisinger.<br />
Mit der vorliegenden Arbeit, die im Anschluss an meine Tätigkeit im<br />
Archiv entstanden ist, möchte ich die Diskussionen um Franz Scheibler<br />
weiter beleben. Dazu habe ich mich auf die Betrachtung der Wohnbauten<br />
bis 1939 konzentriert. Trotz der vielfältigen Bautätigkeit in anderen<br />
Bereichen ist der Wohnhausbau das zentrale Thema in Scheiblers Werk<br />
und zugleich das zentrale Thema in der internationalen Architekturdebatte<br />
der Zwischenkriegszeit. Doch bereits vor dem Ersten Weltkrieg haben sich<br />
einzelne Architekten intensiv um eine Verbesserung des Wohnhausbaus<br />
bemüht. Einer der bedeutendsten Pioniere in diesem Bereich war Heinrich<br />
Tessenow (1878–1950), dessen begeisterter Schüler Scheibler war.<br />
Tessenow sprach in seinen Schriften immer wieder vom «Wesentlichen»<br />
oder dem «Einfach-Notwendigen» in der Architektur und meinte damit eine<br />
aus der handwerklichen Tradition entwickelte, von allem Überflüssigen<br />
befreite Architektur mit klaren Grundrissen und einfachen Fassaden.<br />
Dieses «Wesentliche» beobachtete ich auch in Scheiblers Wohnhausbau.<br />
Es zu erfassen und anhand möglichst weniger, aussagekräftiger Häuser zu<br />
beschreiben, war das Ziel dieser Arbeit.
Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil soll als Einführung das<br />
Leben und Werk von Franz Scheibler in kurzen Abschnitten grob umrissen und<br />
in einen knappen geschichtlichen Zusammenhang gebracht werden, wobei<br />
der Schwerpunkt entsprechend der Fragestellung auf den verschiedenen<br />
Aspekten seiner Beiträge zum Wohnhausbau liegt. Scheiblers Tätigkeiten<br />
in anderen Bereichen finden nur kurze Erwähnung.<br />
Im zweiten Teil steht die Betrachtung dreier Häuser, die für Scheiblers<br />
Wohnhausbau bis 1939 repräsentativ sind. Es handelt sich um das kleine<br />
Arbeiterhaus Moser (1927), das mittelgrosse Bürgerhaus Schönenberger<br />
(1928), beide in <strong>Winterthur</strong>, und um das villenartige Landhaus Grob<br />
(1928–1929) in Bottmingen bei Basel. Alle drei Häuser sind freistehende<br />
Einfamilienhäuser und wurden um die gleiche Zeit gebaut, sind aber<br />
entsprechend der sozialen Stellung und den finanziellen Möglichkeiten der<br />
Bauherren in Grösse und Charakter sehr verschieden. Trotz der deutlichen<br />
Unterschiede lassen sich aber auch viele Gemeinsamkeiten feststellen, sei<br />
es in der Grundrissorganisation, in der Fassadenentwicklung oder in der<br />
Detaillierung. In einer Zusammenstellung sollen diese Gemeinsamkeiten<br />
präzisiert werden, um daraus Schlüsse hinsichtlich allgemeiner<br />
Organisations- und Gestaltungsprinzipien ziehen zu können, die für weite<br />
Teile von Scheiblers Wohnhausbau zwischen 1924 und 1939 Gültigkeit<br />
haben. Die architektonische Haltung, die diesen Prinzipien zu Grunde liegt,<br />
soll schliesslich in die Architekturdiskussionen der Zwischenkriegszeit<br />
eingeordnet und einer Wertung aus architekturhistorischer Sicht unterzogen<br />
werden.<br />
Die Arbeit zu Franz Scheiblers Wohnhausbau habe ich als<br />
Diplomwahlfacharbeit im Rahmen meines Architekturstudiums an der ETH<br />
Zürich bei Prof. Dr. Andreas Tönnesmann verfasst. Für seine Unterstützung<br />
und sein Interesse an dem Thema danke ich. Dieser Dank gilt auch Isabel<br />
Haupt, seiner Assistentin, die meine Arbeit hilfreich betreute.<br />
Während meiner Recherchen fand ich Kontakt zu Ulrich Scheibler, dem<br />
jüngeren Sohn des Architekten, der meine Fragen bereitwillig beantwortete<br />
und mir umfangreiches Material aus dem privaten Nachlass zur Verfügung<br />
stellte. Für das entgegengebrachte Vertrauen und seine freundliche<br />
Unterstützung möchte ich mich herzlich bedanken. Heinrich und Nelly<br />
Bölsterli (Haus Moser), Balthasar und Sybille Peyer (Haus Schönenberger)<br />
und Anna Grob (Haus Grob) haben mich alle sehr freundlich empfangen<br />
und mir von ihren wertvollen langjährigen Erfahrungen und Beobachtungen<br />
im Umgang mit ihren Häusern berichtet. Zudem haben sie den Scheibler-<br />
Nachlass im GTA Archiv grosszügig mit Plänen, Schriftmaterial und alten<br />
Fotos bereichert. Dafür und für die Gastfreundschaft möchte ich mich<br />
herzlich bedanken.<br />
Weiter möchte ich Thomas Juchli, Daniel Weiss und Alex Winiger, alles<br />
7
8<br />
Mitarbeiter des GTA Archivs, danken. Sie haben mich in archivtechnischen<br />
Fragen beraten und mit ersten Informationen zu Franz Scheibler versorgt.<br />
Mein besonderer Dank richtet sich an Bruno Maurer, Leiter des GTA Archivs,<br />
der mir die Aufarbeitung des Scheibler-Nachlasses anvertraute und mir<br />
anschliessend uneingeschränkten Zugang zu den Archivalien gewährte.<br />
Mein letzter, aber nicht geringerer Dank gehört Fabian Uffer für die<br />
anregenden Gespräche, sowie Jürg Röthlisberger und Leza Uffer für die<br />
geleistete Korrekturarbeit.<br />
Petra Röthlisberger<br />
Zürich, im März 2005
Eine Annäherung an Franz Scheibler<br />
Herkunft und Ausbildung 1<br />
Franz Scheibler wurde am 3. Januar 1898 als Kind einer nach <strong>Winterthur</strong><br />
zugezogenen Arbeiterfamilie geboren. Der Vater kam aus Vorarlberg. Die<br />
Mutter stammte aus Libingen im Toggenburg. Beide waren auf der Suche<br />
nach Arbeit in die wachsende Industriestadt <strong>Winterthur</strong> gekommen. Über<br />
die Kindheit von Scheibler ist wenig bekannt. Mit seinen drei Geschwistern<br />
wuchs er in bescheidenen Verhältnissen auf, zunächst in Altikon, später an<br />
der Inneren Tösstalstrasse in <strong>Winterthur</strong>.<br />
Nach dem Besuch der Sekundarschule trat Scheibler 1912 eine vierjährige<br />
Lehre im Baugeschäft Lerch an, wo auch sein Vater als Gipser arbeitete.<br />
Scheibler wurde in vielen Bereichen des Unternehmens beschäftigt. Er<br />
selbst gab an, «im Bureau, in der Werkstatt und auf dem Bauplatz» 2 tätig<br />
gewesen zu sein. Scheibler lernte auf diese Weise früh die verschiedenen am<br />
Bau beteiligten Prozesse kennen und mit einfachsten Mitteln ausführen. 3 Er<br />
legte hier, wie Heinrich Tessenow es nannte, «das notwendige praktische<br />
Fundament» 4 für seine spätere Arbeit als Architekt.<br />
Wahrscheinlich während der Arbeiten im Büro entdeckte die langjährige<br />
Prokuristin Anna Huber das zeichnerische Talent von Scheibler. Es waren<br />
ihre finanzielle Unterstützung sowie staatliche Stipendien, die es Scheibler<br />
ermöglichten, nach Abschluss der Lehre 1916 das kantonale Technikum<br />
in <strong>Winterthur</strong> zu besuchen. Hier studierte er unter anderem auch bei<br />
Robert Rittmeyer (1868–1960). Nach sechs Semestern erwarb er 1919<br />
an der Abteilung für Hochbau das Diplom. Eine schwere Erkrankung des<br />
Vaters zwang Scheibler trotz der genannten Unterstützung neben dem<br />
Schulbesuch weiterhin auf der Baustelle zu arbeiten.<br />
Eine erste Anstellung als Bautechniker erhielt Scheibler bei seinem<br />
Lehrer Robert Rittmeyer, der mit Walter Furrer (1870–1949) eines der<br />
führenden Architekturbüros in <strong>Winterthur</strong> betrieb. Zu ihren bekanntesten<br />
Werken gehören das Museums- und Bibliotheksgebäude (1913–1916) und<br />
das Geschäftshaus der Firma Gebrüder Volkart (1927–1928). Einen grossen<br />
Teil im Werk von Rittmeyer und Furrer machen jedoch Wohnbauten aus.<br />
Das Spektrum reicht von repräsentativen Villen für das Grossbürgertum<br />
über schlichte Bürgerhäuser bis hin zu einfachen Wohnsiedlungen, die um<br />
1920, als Scheibler im Büro angestellt war, praktisch das ganze Schaffen von<br />
Rittmeyer und Furrer in Anspruch nahmen. Die Erkenntnisse aus ihrer Arbeit<br />
fassten sie im Artikel Allgemeines über den Kleinwohnungsbau 5 zusammen,<br />
der im Herbst 1921 in einer Sondernummer über Kleinwohnungsbau und<br />
Siedlungswesen in der Schweizerischen Techniker-Zeitung erschien. In<br />
Franz Scheibler 1945.<br />
Robert Rittmeyer, Walter Furrer:<br />
Geschäftshaus der Firma Gebrüder<br />
Volkart, <strong>Winterthur</strong> 1927–1928.<br />
9
Heinrich Tessenow: Festspielhaus<br />
(Dalcroze-Institut), Hellerau bei<br />
Dresden 1910–1911.<br />
Heinrich Tessenow: Wohnhaus Böhler,<br />
Oberalpina bei St. Moritz 1916–1917.<br />
Franz Scheibler: Schmiede an einer<br />
Passstrasse, Entwurf im Meisteratelier<br />
von Heinrich Tessenow 1921–1923.<br />
10<br />
der gleichen Ausgabe wurde auch ein Aufsatz von Scheibler mit dem Titel<br />
Möbel für das einfache Heim6 abgedruckt. An welchen Projekten Scheibler<br />
gearbeitet hat, ist nicht bekannt.<br />
Meisterschüler bei Tessenow<br />
Nach zwei Jahren praktischer Tätigkeit ging Scheibler nach Dresden an die<br />
Akademie der Künste, wo er 1921 als einer von sechzehn Meisterschülern<br />
ins Atelier von Heinrich Tessenow (1876–1950) aufgenommen wurde.<br />
Tessenow propagierte eine aus der handwerklichen Tradition entwickelte,<br />
sich auf das Wesentliche konzentrierende Architektur, die bürgerliche<br />
Werte zum Ausdruck bringen sollte. Mit dem Buch Wohnhausbau7 hatte er 1909 ein Grundlagenwerk zum Kleinhausbau veröffentlicht, und<br />
1910–1914 war er am Bau der ersten deutschen Gartenstadt Hellerau<br />
bei Dresden beteiligt, wo er neben mehreren Einzel- und Reihenhäusern<br />
Häusern auch das Festspielhaus (1910–1911) realisierte. Tessenow war<br />
aber auch für seine schönen Tuschzeichnungen bekannt, die er in seinen<br />
Schriften veröffentlichte, und die Scheibler sehr bewunderte. Die Technik<br />
der «feinen, kurzen Striche […], die er [Tessenow] mit grosser Sparsamkeit<br />
auf das Blatt verteilte, [um] bezaubernde Visionen schlichter Architektur<br />
heraufzubeschwören», 8 beherrschte Scheibler aber schon bald selbst<br />
meisterhaft.<br />
In den folgenden zwei Jahren lernte er von seinem Lehrer anhand<br />
thematischer Monatsaufgaben, aber auch durch grössere Aufgabenstellungen<br />
das Wesentliche eines Entwurfs herauszuarbeiten sowie «die<br />
Erkenntnis eines klaren Grundrisses und auch die logische Entwicklung<br />
einer Ansicht». 9 Von den Studentenarbeiten, die Scheibler bei Tessenow<br />
entwarf, ist einiges im Nachlass erhalten. Dazu gehören auch die Entwürfe<br />
für eine Schmiede an einer Passstrasse und für ein Einfamilienhaus, die<br />
beide dem Haus Böhler (1916–1917) in St. Moritz nachempfunden sind.<br />
Der Einfluss, den Tessenow nicht nur auf Scheibler ausübte, war gross<br />
und zeigte sich in den Entwurfsarbeiten einiger Studenten, die in Wasmuths<br />
Monatshefte für Baukunst und Städtebau veröffentlicht wurden. «Klarheit,<br />
Einfachheit und Würde der Form!», 10 jubelte die Schriftleitung 1925 und<br />
sprach ein Jahr später sogar von einer «Tessenowschule». 11 Von Scheibler<br />
war 1925, als einzigem der ehemaligen Studenten, ein realisierter Bau<br />
abgebildet.<br />
Scheibler war seinem Lehrer «zeitlebens in freundschaftlicher und dankbarer<br />
Verehrung verbunden geblieben». 12 Im gelegentlichen Briefwechsel<br />
kam aber kaum Architektonisches zur Sprache. 13 Die Kleiderpakete, welche<br />
Scheibler Tessenow nach dem Krieg schickte, verdankte dieser mit<br />
mehreren Zeichnungen, die sich noch heute in Familienbesitz befinden.
Familie und Natur<br />
Noch während seiner Zeit in Dresden, im Februar 1923, heiratete Scheibler<br />
Paula Krapf, die Tochter von Johann Krapf, dem Direktor des <strong>Winterthur</strong>er<br />
Technikums und Redaktor der Schweizerischen Techniker-Zeitung. Zuvor<br />
hatte sich der zukünftige Schwiegervater bei Tessenow über Scheiblers<br />
Aussichten als Architekt erkundigt, worauf ihm dieser antwortete, es<br />
sei ihm «eine sehr angenehme Aufgabe, denn ich habe Herrn Scheibler<br />
sehr lieb, und so freue ich mich, eine so vornehme Gelegenheit zu haben,<br />
ihn empfehlen zu können.» 14 Scheibler, der aus einfachen Verhältnissen<br />
stammte und mittlerweile in die bürgerliche Schicht aufgestiegen war,<br />
bedeutete seine Familie sehr viel. 1927–1928 baute er für sich und seine<br />
Schwiegereltern an der Wülflingerstrasse ein Zweifamilienhaus, in dem er<br />
bis an sein Lebensende wohnte. 1931 wurde Sohn Franz, 1935 Sohn Ulrich<br />
geboren. Neben seiner Familie war Scheibler auch die Natur sehr wichtig.<br />
Er gehörte der Wandervogelbewegung an und verbrachte viel Zeit in der<br />
Bergwelt des Toggenburgs, der Heimat seiner Mutter.<br />
Die beiden Themen Familie und Natur bilden auch den Schwerpunkt in<br />
Scheiblers Wohnhausbau. Er dimensionierte den Wohnraum, in dem sich<br />
seiner Ansicht nach das Familienleben abspielen sollte, immer möglichst<br />
gross und setzte ihn in direkte Verbindung zum Garten. 15 Diesen bezeichnete<br />
er als «Erweiterung des Wohnraumes» und als «Ort, der ihn [den in der<br />
Industrie arbeitenden Menschen] mit der Natur in Verbindung» 16 bringe. 17<br />
Scheibler suchte aber nicht nur die funktionelle, sondern auch die optische<br />
Verbindung zwischen Haus und Garten. Dazu diente die hölzerne mit Reben<br />
bewachsene Laube, durch die er seine geschlossenen, etwas nüchtern<br />
wirkenden Baukörper ab 1926 mit der Umgebung verband.<br />
<strong>Winterthur</strong> 1922–1931 18<br />
Als Scheibler im September 1923 aus Dresden zurückkehrte, um sich als<br />
Architekt selbständig zu machen, befand sich <strong>Winterthur</strong> im Aufbruch. 1922<br />
war die längst fällige Eingemeindung der Vororte Oberwinterthur, Seen,<br />
Töss, Veltheim und Wülflingen vollzogen worden. Damit vergrösserte sich<br />
das Stadtgebiet von 1560 auf 6900 Hektaren, und die Zahl der Einwohner<br />
erhöhte sich auf fast das Doppelte von 27’000 auf 50’000. Dies brachte<br />
die Gefahr der Bodenspekulation mit sich, gleichzeitig aber war der<br />
Weg für einen Bebauungsplan für Grosswinterthur frei. Für die neuen<br />
Aufgaben wurde im Herbst 1922 die Stelle eines Bebauungsplaningenieurs<br />
geschaffen, die mit dem noch jungen Bauingenieur Albert Bodmer<br />
(1893–1990) besetzt wurde. Bodmer war zu Studienzeiten begeisterter<br />
Besucher der Städtebauvorlesungen von Hans Bernoulli (1876–1959) an<br />
Franz Scheibler: Zweifamilienhaus<br />
Scheibler/Krapf, <strong>Winterthur</strong> 1927-1928.<br />
Gartenfassade und Wohnraum im<br />
Obergeschoss. (Foto H. Linck)<br />
11
Heinrich Tessenow: Reihenhäuser<br />
«Am Schänkenberg» Nr. 4–26,<br />
Hellerau bei Dresden 1910–1911.<br />
Franz Scheibler: «Selbsthilfekolonie»,<br />
<strong>Winterthur</strong> 1924–1926. Die Siedler bei<br />
der Arbeit.<br />
Gegenüberliegende Seite:<br />
Franz Scheibler: Reihenhäuser an der<br />
Jonas-Furrer-Strasse Nr. 126–132,<br />
<strong>Winterthur</strong> 1924.<br />
Franz Scheibler: «Selbsthilfekolonie»,<br />
<strong>Winterthur</strong> 1924–1926. (Foto H. Linck)<br />
12<br />
der ETH in Zürich gewesen und hatte gemeinsam mit dem Architekten<br />
Konrad Hippenmeyer (1880–1940) erfolgreich am Zürcher Bebauungsplan-<br />
Wettbewerb (1915–1918) teilgenommen. Während seiner achtjährigen<br />
Amtszeit, die bis 1931 dauerte, widmete sich Bodmer vorwiegend dem<br />
sozialen Siedlungsbau, der in <strong>Winterthur</strong> in der Form von Werksiedlungen<br />
bereits über eine lange Tradition verfügte. Seine Instrumente waren eine<br />
intensive städtische Boden- und Subventionspolitik, sowie die Förderung<br />
privater Genossenschaften. Die Stadt selbst trat nach dem grossen<br />
Betriebsdefizit der städtischen Siedlung «Im Vogelsang» von 1921 nicht<br />
mehr als Bauherrin auf. Scheibler, der viel Eigeninitiative zeigte, profitierte<br />
von der politisch günstigen Situation. Rund ein Drittel der 750–800<br />
Wohnungen, die während Bodmers Amtszeit mit städtischer Hilfe erstellt<br />
wurden, entstanden unter der architektonischen Leitung Scheiblers.<br />
Kleinhäuser<br />
Aufgrund der Situation in <strong>Winterthur</strong> und seiner Ausbildung bei Tessenow<br />
überrascht es nicht, dass sich Scheibler nach seiner Rückkehr aus Dresden<br />
gleich mit dem Bau von Kleinhäusern beschäftigte. In entsprechenden<br />
Inseraten, die er in den <strong>Winterthur</strong>er Zeitungen erscheinen liess, suchte<br />
er nach Auftraggebern. Es dauerte nicht lange, bis er 1924 im Anschluss<br />
an die von Rittmeyer und Furrer erstellte städtische Wohnkolonie «Im<br />
Vogelsang» (1920–1921) an der Jonas-Furrer-Strasse die ersten vier<br />
zusammengebauten Häuser realisieren konnte. Sie sind offensichtlich von<br />
Tessenows Reihenhäusern «Am Schänkenberg» (1910–1914) in Hellerau bei<br />
Dresden beeinflusst, erinnern aber auch an Ostschweizer Spinnereibauten<br />
aus dem 19. Jahrhundert. Die zum Verkauf bestimmten Reihenhäuser<br />
waren für einfache Angestellte und Fabrikarbeiter gedacht und kosteten in<br />
der Verzinsung nicht mehr als gemietete Wohnungen. Scheibler erreichte<br />
dies durch eine schonungslose Reduktion aller Elemente auf das absolut<br />
Notwendige. Weder im Grundriss noch im Aufriss findet sich etwas, das<br />
hätte weggelassen werden können. Trotzdem hinterlassen die Häuser einen<br />
überraschend grosszügigen Eindruck.<br />
Noch während die Häuser an der Jonas-Furrer-Strasse im Bau waren,<br />
begann in Zusammenarbeit mit Adolf Kellermüller (1895–1981) die Planung<br />
an einem weit grösseren Bauvorhaben, das für Aufsehen sorgte. Im Rahmen<br />
eines nationalen Wohnbauförderungsprogramms und mit städtischer<br />
Unterstützung entstanden am Deutweg bis 1926 zweiundachtzig Reiheneinfamilienhäuser<br />
für kinderreiche Familien, zu deren Bau die zukünftigen<br />
Bewohner nicht Geld, sondern Arbeit beitrugen. Diese Form der Eigenfinanzierung<br />
war neuartig für die Schweiz und sehr erfolgreich. 1927 wurde<br />
die «Selbsthilfekolonie» durch ein Kindergarten- und Quartierladengebäude
Franz Scheibler: Speisezimmer einer<br />
Mietwohnung, Ausstellung «Das neue<br />
Heim» Zürich 1926.<br />
Franz Scheibler: Wohnzimmer eines<br />
Einfamilienhauses, Ausstellung «Das<br />
neue Heim» Zürich 1928.<br />
14<br />
ergänzt und 1928–1929 um vierzehn Zweifamilienhäuser erweitert.<br />
Scheibler hatte von Beginn weg eine präzise, durch Tessenow geprägte<br />
Vorstellung vom Kleinhausbau, wobei er im städtischen Kontext das<br />
Reihenhaus dem freistehenden Einfamilienhaus bevorzugte. Er folgte<br />
dabei wirtschaftlichen aber auch ästhetischen Überlegungen, denn das<br />
«Reihenhaus ermöglicht […] durch das Aneinanderreihen von kleinen<br />
Einheiten grosse städtebauliche Eindrücke zu gestalten.» 19 Der Mietwohnung<br />
im Mehrfamilienhaus stand er vorerst eher ablehnend gegenüber, vermutlich<br />
weil diese nicht direkt mit dem Garten verbunden werden kann. Auch wenn<br />
sich Scheibler in der Folge noch anderen Formen des Kleinwohnungsbaus<br />
zuwandte, machten Reihenhaussiedlungen immer einen wichtigen<br />
Bestandteil seines Schaffens aus. Die späteren Siedlungen blieben aber in<br />
der Grösse und Ausstrahlung hinter der «Selbsthilfekolonie» zurück.<br />
Einrichtungen<br />
Der Wohnungsbau, insbesondere der Kleinwohnungsbau, war ein zentrales<br />
Thema der Architekturdiskussionen in der Zwischenkriegszeit. Aufs Engste<br />
damit verbunden war die Frage nach der passenden Einrichtung, die billig<br />
und zweckmässig zu sein hatte. Die Bemühungen, die auf Vereinfachung<br />
und Typisierung zielten, erreichten in der zweiten Hälfte der zwanziger<br />
Jahre einen ersten Höhepunkt, was sich in zahlreichen Wohnausstellungen<br />
und eingerichteten Mustersiedlungen manifestierte.<br />
Auch Scheibler setzte sich in den zwanziger Jahren eingehend mit<br />
Einrichtungsfragen auseinander. Schon 1921 veröffentlichte er mit dem<br />
bereits erwähnten Aufsatz Möbel für das einfache Heim20 den Entwurf für<br />
eine Kücheneinrichtung. Kurz zuvor hatte er im Rahmen der Aufnahmeprüfung<br />
für das Meisteratelier bei Tessenow einen Stuhl entworfen, den er in der<br />
Werkstatt selber hergestellt hatte. Leider ist nicht bekannt, wie dieser<br />
Stuhl ausgesehen hat. 21 Dasselbe gilt für eine Wohnzimmereinrichtung, die<br />
Anfang 1924 im Rahmen der Ausstellung «Die Drechslerei» in Zürich und<br />
<strong>Winterthur</strong> gezeigt wurde. In der Wegleitung zur Ausstellung in <strong>Winterthur</strong><br />
heisst es: «Die Einfachheit der Formen, der Sinn für die Schönheit des<br />
Materials, […] und die Zweckmässigkeit der Gestaltung verraten seine<br />
[Scheiblers] gründliche Schulung». 22<br />
Überliefert sind Scheiblers Beiträge zu den beiden grossen<br />
Wohnausstellungen, die Ende 1926 beziehungsweise Mitte 1928 unter dem<br />
Titel «Das neue Heim» im Kunstgewerbemuseum in Zürich stattfanden. Für<br />
die erste Ausstellung, die eher auf bürgerliche Verhältnisse ausrichtet war,<br />
entwarf Scheibler das Speisezimmer einer Mietwohnung. Der Ausstellung<br />
von 1928 ging ein Wettbewerb voraus. Diesmal wurden für das Bedürfnis-<br />
Minimum «einfache, billige, dabei aber zweckmässige und gefällige
Möbel» 23 gesucht. Unter dem Motto «Japanmatte» reichte Scheibler<br />
Entwürfe für eine komplette Wohnungseinrichtung ein. Die mit dem<br />
3. Preis prämierte Möbelserie überzeugte wieder durch ihre Einfachheit und<br />
Zweckmässigkeit und wurde in den Räumen des Kunstgewerbemuseums<br />
in einem nachgebauten Haus der «Selbsthilfekolonie» ausgestellt.<br />
Die Baugenossenschaft an der Langgasse 24<br />
Auch wenn sich Scheibler wiederholt für das Reihenhaus mit Pflanzgarten<br />
als ideale Wohnform für Familien mit niedrigem Einkommen aussprach,<br />
muss ihm bewusst gewesen sein, dass durch den ausschliesslichen Bau<br />
von Reihenhaussiedlungen, die wegen des hohen Landverbrauchs wenig<br />
massentauglich sind, das Wohnproblem nicht zu lösen war. So begann<br />
er gemeinsam mit Hermann Siegrist (1894–1978) im Januar 1928 mit<br />
der Planung von fünf zusammengebauten Mehrfamilienhäusern an der<br />
Langgasse. Um die für die Realisierung notwendige Subvention in Form<br />
eines Darlehens zu erhalten, wurde im Juli eine Baugenossenschaft<br />
gegründet, die sich jedoch nicht auf dieses Bauvorhaben beschränken<br />
sollte. Beteiligt waren neben den beiden Architekten einige Handwerker<br />
und zu 45% das Baugeschäft Lerch, bei dem Scheibler seine Lehre gemacht<br />
hatte. Der Zweck der Vereinigung bestand darin, den «Mitgliedern Arbeit zu<br />
beschaffen und sich im Falle von Wohnungsbedarf auf gemeinnützige Weise<br />
am Bau von Wohnungen zu beteiligen». 25 Die auszuführenden Arbeiten<br />
waren den Mitgliedern vorbehalten, das heisst, die Genossenschaft ging<br />
eine exklusive Bindung an Scheibler ein, der, nachdem sich Siegrist nach<br />
der ersten Bauetappe nicht mehr beteiligte, einziger Architekt unter den<br />
Mitgliedern war. Diese Monopolstellung gab Anlass zu Diskussionen, da<br />
Scheibler, um die Baukosten zu senken, die Offertenpreise der anderen<br />
Mitglieder hart verhandelte. Die ernsthaften Bemühungen für niedrige<br />
Mietzinse und Scheiblers Name trugen jedoch zur guten Reputation bei den<br />
Finanzierungsinstituten bei und waren bei der Vergabe von Subventionen<br />
und Darlehen von Nutzen.<br />
In den drei Jahrzehnten nach ihrer Gründung entfaltete die<br />
Baugenossenschaft, die sich meistens nach ihrem ersten Unternehmen<br />
« der Langgasse» nannte, eine rege Bautätigkeit, die nur durch die<br />
An<br />
Krisenjahre von 1932 bis 1938 unterbrochen wurde. Während dieser<br />
Zeit wurde die staatliche Wohnbauförderung eingestellt, da das Geld für<br />
soziale Massnahmen zur Bekämpfung der direkten Folgen der hohen<br />
Arbeitslosigkeit gebraucht wurde. Die Genossenschaft konzentrierte sich<br />
anfänglich auf den Bau von Mehrfamilienhäusern. Ab den vierziger Jahren<br />
wurden auch einige Einfamilienhaussiedlungen realisiert. In den fünfziger<br />
Jahren erweiterte sich die Tätigkeit um den Bau von Geschäftshäusern mit<br />
Franz Scheibler und Hermann Siegrist:<br />
Häuserblock der Baugenossenschaft<br />
an der Langgasse, <strong>Winterthur</strong> 1928.<br />
(Foto H. Linck)<br />
15
Wohnnutzung. Unter der architektonischen Leitung Scheiblers entstanden<br />
so bis 1960 mehrere hundert Wohnungen und Einfamilienhäuser für<br />
niedrige Einkommen, darunter die ländliche, sehr schöne Siedlung «Hardau»<br />
(1943–1946) am westlichen Stadtrand von <strong>Winterthur</strong>.<br />
Bürgerliche Häuser<br />
Mit den Erfolgen im Kleinhausbau scheint sich Scheibler um 1928 als<br />
Architekt so weit etabliert zu haben, dass nun auch wohlhabendere<br />
Bauherren ihre Eigenheime bei ihm in Auftrag gaben. Bemerkenswert ist,<br />
mit welcher Sicherheit er die Bauaufgabe des bürgerlichen Hauses anging. Er<br />
tat dies, indem er das Prinzip der Sparsamkeit, für ihn kein äusserer Zwang,<br />
sondern innere Grundhaltung, erfolgreich auf grosszügigere Verhältnisse<br />
übersetzte. Die Grundrisse blieben weiterhin klar und straff organisiert, und<br />
auch die Fassaden behielten ihre Schmucklosigkeit. Die hölzerne mit Reben<br />
bewachsene Laube verlor jedoch allmählich ihren provisorischen Charakter<br />
und wurde fester Bestandteil des Hauses. Mit einer seitlichen Glaswand<br />
und einem Dach versehen, das in vielen Fällen im Obergeschoss als Balkon<br />
diente, stand das geschützte Sitzen im Freien im Vordergrund und nicht<br />
mehr das optische Verbinden von Haus und Garten.<br />
Zu den ersten bürgerlichen Häusern, die Scheibler entworfen hat, gehören<br />
das Haus Grob (1928–1929) in Bottmingen bei Basel und das Haus Keller<br />
(1929–1930) an der Leimeneggstrasse in <strong>Winterthur</strong>. Durch ihre bewegten<br />
Volumetrien und das flach geneigte Blechdach beziehungsweise Flachdach<br />
unterscheiden sie sich, flüchtig betrachtet, deutlich von den anderen<br />
Wohnbauten Scheiblers und wirken moderner als diese. Das gleiche gilt<br />
auch für das etwas später gebaute, dem Haus Keller benachbarte Haus<br />
Läuchli (1932–1933) mit seiner Sichtbetonfassade und dem kaum geneigten<br />
Pultdach. Im Grunde folgen aber alle drei Häuser, das Haus Grob und das<br />
Haus Läuchli etwas mehr als das Haus Keller, den gleichen Organisationsund<br />
Gestaltungsprinzipien wie die anderen Häuser.<br />
1933–1934 entwarf Scheibler eine Reihe von Häusern, die durch das<br />
hohe Walmdach und die Spalierwände an Schmitthenners Entwürfe aus Das<br />
Deutsche Wohnhaus26 erinnern. Sie sind aber nicht nur als Reaktion auf das<br />
1932 erschienene Buch zu deuten. Scheibler hatte das Walmdach bereits<br />
1928 beim Haus Schönenberger an der Heimstrasse verwendet, und bei<br />
genauerer Betrachtung lässt sich leicht feststellen, dass seine Architektur<br />
nur wenig mit der von Schmitthenner zu tun hat. Zu verschwenderisch gehen<br />
aus seiner Sicht Schmitthenners symmetrisch aufgebaute Grundrisse mit<br />
Raum um.<br />
Das bürgerliche Wohnhaus entwickelte sich während der dreissiger<br />
Jahre zur wichtigsten Bauaufgabe Scheiblers. Der sachliche Ton der<br />
Franz Scheibler: Drei bürgerliche<br />
Häuser in <strong>Winterthur</strong>.<br />
Haus Keller 1929–1930.<br />
Haus Läuchli 1932–1933.<br />
Haus Wirth 1937.<br />
(Fotos H. Linck)<br />
Gegenüberliegende Seite:<br />
Franz Scheibler: Siedlung<br />
«Hardau», <strong>Winterthur</strong> 1944–1946.<br />
(Foto O. Engeler)<br />
17
Franz Scheibler: Siedlung «Im<br />
Schachen», <strong>Winterthur</strong> 1946–1947.<br />
(Foto O. Engler)<br />
Franz Scheibler: Pavillon «Unser Holz»,<br />
Schweizerische Landesausstellung in<br />
Zürich 1939. (Foto M. Wolgensinger)<br />
18<br />
frühen Häuser wich im Laufe der Jahre einem malerischen. Diesen<br />
Ausdruck erreichte er durch Dächer, die immer mehr auskragten, durch<br />
feine Sprossenfenster, die Scheibler ab 1936 häufig einsetzte, und durch<br />
abgestufte, mit dem Garten verschränkte Terrassen, auf die der Sitzplatz zu<br />
stehen kam. Höhepunkt dieser Entwicklung ist das Haus Wirth, das 1937<br />
in eine bestehende Parkanlage gebaut wurde. Die malerische Wirkung<br />
wird durch den alten Baumbestand zusätzlich gesteigert. Das Haus mit<br />
Garten erscheint hier als Rückzugsort in eine heile Welt in einem politisch<br />
zunehmend bedrohlicheren Klima.<br />
Holzbauten<br />
Um 1930 wurde Holz als zeitgemässer und moderner Baustoff wieder<br />
entdeckt. Vorfabrikation, einfache, trockene Montage, kurze Bauzeit und<br />
standardisierte Elemente ermöglichten eine rationelle Bauweise. Zudem war<br />
Holz ein guter Isolator und als einheimischer Rohstoff reichlich verfügbar.<br />
1932/1933 veranstaltete die 1931 gegründete «Lignum –<br />
Arbeitsgemeinschaft für das Holz» gemeinsam mit dem Schweizerischen<br />
Werkbund einen «Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für<br />
neuzeitliche Holzhäuser». Scheibler, der bereits 1928 das Projekt für eine<br />
ländliche Siedlung in Holzbauweise ausgearbeitet hatte, beteiligte sich<br />
am Wettbewerb mit zwei Entwürfen, die mit dem 1. und dem 2. Preis<br />
ausgezeichnet wurden. Im Anschluss an den Wettbewerb konnte er<br />
den <strong>Winterthur</strong>er Zimmermeister-Verband für die Realisierung einer<br />
Holzhaussiedlung an der Weststrasse gewinnen, die im Oktober 1934 zu<br />
Werbezwecken für den Holzbau während acht Tagen der Öffentlichkeit<br />
zugänglich gemacht wurde. Zu sehen waren eingerichtete Musterhäuser,<br />
aber auch Häuser in verschiedenen Baustadien, die «vollen Einblick in die<br />
Konstruktion des Ständerbaus» 27 geben sollten.<br />
Scheibler beschäftigte sich auch später immer wieder mit dem Thema<br />
Holzbau. So wurden die für die Baugenossenschaft «An der Langgasse»<br />
erstellten Mehrfamilienhäuser «Im Schachen» (1946–1947) in Holzbauweise<br />
ausgeführt. Als Höhepunkt seiner Bemühungen im Holzbau darf aber die<br />
Einladung an Scheibler zur Landesausstellung 1939 in Zürich gelten, für die<br />
er die Pavillons «Unser Holz» und «Veskaspital» baute.<br />
Geschäftshäuser und öffentliche Bauten<br />
Vor dem Zweiten Weltkrieg beschäftigte sich Scheibler sehr intensiv und<br />
fast ausschliesslich mit dem Wohnhausbau in all seinen Aspekten. Vor den<br />
eben genannten beiden Bauten für die Landesausstellung baute Scheibler
Franz Scheibler: Holzhaussiedlung an der<br />
Weststrasse, <strong>Winterthur</strong> 1934. Im Bau, Ansicht von<br />
der Strasse und eingerichtetes Musterhaus.<br />
19
nur das Kindergarten- und Quartierladengebäude für die «Selbsthilfekolonie»<br />
(1927) in <strong>Winterthur</strong> und das Schwimmbad in Elgg (1934–1937). 1926<br />
beteiligte er sich mit Albert Bodmer und Arthur Reinhart (1895–1993) mit<br />
einem Projekt am Ideenwettbewerb für die Seeufergestaltung in Zürich, das<br />
mit dem 3. Preis ausgezeichnet wurde. Zwei weitere Wettbewerbsbeiträge<br />
Scheiblers, 1927 gemeinsam mit Hans Schnabel für den Völkerbundspalast<br />
in Genf und 1929 für die Kantonale Verwaltung «Walche» in Zürich, blieben<br />
unprämiert.<br />
Eine rege Bautätigkeit in anderen Bereichen als dem Wohnhausbau<br />
entfaltete Scheibler erst nach 1939. Er realisierte zahlreiche Schulbauten,<br />
Geschäftshäuser, Fabrikbauten, Sportanlagen und vieles mehr, jedoch kein<br />
wichtiges öffentliches Gebäude. Die Vielseitigkeit und Grösse der Aufgaben<br />
ermöglichte Scheibler, eine differenzierte Architektursprache zu entwickeln.<br />
Er verteilte das Raumprogramm nun oft auf mehrere Baukörper, die er zu<br />
einem Ensemble gruppierte. Eine deutliche Entwicklung erfuhr die Fassade,<br />
die er vermehrt strukturell gliederte, ohne auf den körperhaften Ausdruck zu<br />
verzichten. Eines der schönsten Beispiele aus Scheiblers Schaffen neben<br />
dem Wohnhausbau ist der Kindergarten an der Rappstrasse (1945–1946) in<br />
<strong>Winterthur</strong>-Wülflingen, ein typisches Beispiel einer Pavillon-Schule.<br />
Weitere Tätigkeiten<br />
Neben seiner ausgedehnten Bautätigkeit engagierte sich Scheibler<br />
in verschiedenen Gremien, in der Bebauungsplankommission und<br />
im Grossen Gemeinderat in <strong>Winterthur</strong>, in der Kantonalen Natur- und<br />
Heimatschutzkommission, in der Verwaltung der Baumusterzentrale und<br />
in der Bankkommission der Schweizerischen Volksbank in <strong>Winterthur</strong>.<br />
Daneben wurde er häufig als Preisrichter bei Architekturwettbewerben<br />
zugezogen. Scheibler war Mitglied des SIA (Schweizerischer Ingenieur- und<br />
Architektenverein) und des BSA (Bund Schweizer Architekten), wo er von<br />
1939–1943 als Obmann der Ortsgruppe Zürich waltete.<br />
Franz Scheibler starb nach schwerer Erkrankung am 27. April 1960 im Alter<br />
von 62 Jahren in <strong>Winterthur</strong>. Er hinterliess ein umfangreiches Werk von<br />
mehr als 300 Objekten (Neubauten, An- und Umbauten, nicht realisierte<br />
Entwürfe) und hat in den 37 Jahren seines Schaffens die Gestaltung von<br />
<strong>Winterthur</strong> massgeblich mitgeprägt. Sein Sohn Ulrich, der an der ETH<br />
Zürich Architektur studiert hatte, führte das Büro während zweiundzwanzig<br />
Jahren weiter.<br />
Franz Scheibler: Kantonale<br />
Verwaltung «Walche» in Zürich,<br />
Wettbewerbsentwurf 1929. Blick vom<br />
Stampfenbachplatz.<br />
Gegenüberliegende Seite:<br />
Franz Scheibler: Kindergarten an der<br />
Rappstrasse, <strong>Winterthur</strong>-Wülflingen<br />
1945–1946. (Foto O. Engeler)<br />
21
Haus Moser 1927<br />
Das 1927 gebaute Haus Moser ist ein kleines, schlichtes Haus, das kaum<br />
auffällt. Bauherr war Hans Moser, von Beruf Schlosser ohne eigenes Geschäft,<br />
dem das Haus bis 1939 gehörte. 28 Es steht an der Sonnenbergstrasse,<br />
welche an einem nach Nordwesten abfallenden Hang am südlichen Stadtrand<br />
von <strong>Winterthur</strong> liegt. In diesem Gebiet, dem «Vogelsang», entstand unter<br />
städtischer Leitung entlang geschwungener Strassenzüge in den zehner und<br />
zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts der grösste gartenstadtartige Komplex<br />
<strong>Winterthur</strong>s mit einfachen aber hochwertigen Reihenhäusern und dazwischen<br />
liegenden Pflanzgärten. Den Anfang der Bebauung machte die 1912–1913<br />
erbaute Eisenbahnerkolonie im «Oberen Vogelsang». Den Schwerpunkt<br />
des Quartiers bildet die 1920–1921 erstellte städtische Wohnkolonie an<br />
der Jonas-Furrer-Strasse, an welcher Scheibler möglicherweise während<br />
seiner Anstellung im Büro der mitwirkenden Architekten Rittmeyer & Furrer<br />
gearbeitet hatte. Nach dem grossen Betriebsdefizit der Wohnkolonie im Jahr<br />
1922 beschloss die Stadt, künftig auf den Eigenbau zu verzichten und die<br />
restliche Bebauung des «Vogelsangs» privaten und gemeinnützigen Bauherren<br />
zu übertragen. Die angestrebte architektonische Einheit sollte durch den<br />
Beizug angesehener, von der Stadt bestimmten <strong>Winterthur</strong>er Architekten<br />
erreicht werden. Zu diesen gehörte auch der noch junge Franz Scheibler, der<br />
1924–1926 am südlichen Ende der Jonas-Furrer-Strasse zwölf Häuser und<br />
1926–1929 an der Sonnenbergstrasse im Abschnitt zwischen Lärchenstrasse<br />
und Jonas-Furrer-Strasse weitere dreiundzwanzig bauen konnte. Die Häuser,<br />
meistens vier zu einem Block vereinigt, entstanden in Zusammenarbeit mit<br />
verschiedenen Handwerksmeistern und Baugeschäften, die als Bauherren<br />
auftraten, und wurden anschliessend einzeln verkauft.<br />
Am Ende der Bebauung an der Sonnenbergstrasse steht das Haus Moser,<br />
das, obwohl freistehend und für einen konkreten Bauherrn gebaut, als Teil<br />
der Gesamtplanung von Scheibler zu betrachten ist. 29 Ein architektonischer<br />
Zusammenhang zwischen dem Einzelbau und den Reihenhäusern ist<br />
heute zwar kaum noch erkennbar, da die Häuser teilweise stark verändert<br />
wurden, kann aber anhand alter Fotos leicht nachvollzogen werden. So hatte<br />
oder hat das Haus Moser nicht nur die gleiche Gebäudetiefe, Traufhöhe<br />
und Dachneigung wie die Reihenhäuser, sondern auch die gleichen<br />
Fensterformate und die gleichen gestalterischen und konstruktiven Details<br />
und damit ursprünglich einen ähnlichen architektonischen Ausdruck.<br />
Das Haus Moser ist von der Strasse leicht zurück versetzt und um einige<br />
Stufen erhöht auf einer kleinen aufgeschütteten Ebene platziert, auf der<br />
auch die Reihenhäuser stehen. Durch das Angleichen aller Parzellen auf ein<br />
einheitliches Niveau entlang der ansteigenden Sonnenbergstrasse erreichte<br />
Scheibler einen städtebaulich ruhigen Eindruck. Das Haus Moser tritt aus<br />
Gegenüberliegende Seite:<br />
Franz Scheibler: Bebauung an der<br />
Sonnenbergstrasse, <strong>Winterthur</strong><br />
1926–1929. Haus Moser (Nr. 45),<br />
Reihenhäuser (47–53, 55–61).<br />
23
Haus Moser. Südostfassade<br />
(Zustand 1967) und Südwestfassade.<br />
Gegenüberliegende Seite:<br />
Haus Moser. Fassaden, Grundrisse<br />
und Schnitt.<br />
24<br />
der Flucht der in einer Linie stehenden Reihenhäuser heraus, wodurch die<br />
Zeile einen Abschluss findet und der Einzelbau hervorgehoben wird. Die<br />
Volumetrie ist denkbar einfach. Über einer fast quadratischen Grundfläche<br />
erhebt sich ein schnörkelloser Baukörper, dessen Höhe ungefähr drei Viertel<br />
seiner Seitenlänge beträgt. Darauf sitzt ein steiles, kaum vorspringendes<br />
Satteldach. Grosse Wandflächen, kleine, nur wenig zurückversetzte Fenster<br />
und gesimslose, bündig in die Fassade eingelassene Kunststeinleibungen<br />
betonen die körperhafte Gestalt des Baus.<br />
Der Eingang zum Haus liegt auf der Strassenseite und ist über eine<br />
frontal auf die Haustür zulaufende Freitreppe erreichbar. Durch einen<br />
Windfang gelangt man in den kleinen, zentralen Vorraum, von dem aus alle<br />
Räume des Erdgeschosses erschlossen sind. Geradeaus befinden sich ein<br />
Schlafzimmer und das nach zwei Seiten orientierte Wohnzimmer, das über<br />
einen direkten Ausgang in den Garten verfügt. Rechts liegt die Küche, links<br />
führt eine zweiläufige Treppe nach oben. Der Zugang zum Abort befindet<br />
sich auf dem ersten Zwischenpodest, wodurch die knapp bemessene<br />
Verkehrsfläche im Vorraum entlastet und gleichzeitig zwischen Treppe<br />
und Schlafzimmertür eine freie Wandfläche für eine Garderoben-Nische<br />
geschaffen wird. Das Obergeschoss entspricht in seiner Aufteilung weit<br />
gehend dem Erdgeschoss. Über dem Schlafzimmer und dem Wohnzimmer<br />
des Erdgeschosses liegen zwei weitere Schlafzimmer, die sich eine<br />
Schrankwand teilen. Über der Küche befindet sich ein Arbeitszimmer,<br />
dessen grosse, bandfensterartige Öffnung viel Licht in den Raum lässt.<br />
Dem Arbeitszimmer gegenüber liegt das Bad. Links davon führt, hinter<br />
einer Türe versteckt, eine Treppe auf den Estrich, der viel Stauraum bietet. 30<br />
Im Untergeschoss sind ein grosser Vorratskeller, die Waschküche und ein<br />
Raum für die Gartengeräte untergebracht.<br />
Mit einer Grundfläche von 65 m2 ist das Haus Moser ein kleines Haus<br />
mit vielen kleinen Zimmern. Trotzdem wirkt das Innere nicht kleinteilig,<br />
sondern hinterlässt einen unerwartet grosszügigen Eindruck. Einen<br />
wesentlichen Beitrag dazu leistet der äusserst sparsame und klare, nach<br />
funktionellen, aber auch ästhetischen Kriterien organisierte Grundriss,<br />
der durch raffinierte Gesten überrascht, wie beispielsweise das kleine<br />
Fenster über dem Abwaschbecken in der Küche. Sehr elegant gelöst ist<br />
die Anlage der Treppe, die im Obergeschoss zusammen mit dem Vorraum<br />
und dem Fenster über dem Austrittspodest eine hohe räumliche Qualität<br />
entwickelt.<br />
Die Konstruktionsweise des Gebäudes ist sehr einfach. Die Fundamente<br />
und Kellermauern sind betoniert, die Aussenwände bestehen aus<br />
beidseitig verputztem Backsteinmauerwerk, die Geschossdecken sind<br />
als Holzbalkendecken ausgeführt, das Dach ist mit Doppelfalzziegeln<br />
eingedeckt. Komplizierte konstruktive Details finden sich keine. Die<br />
Ausstattung ist zweckmässig, geht aber mit dem Einbau einer Zentralheizung
Haus Moser. Strassenfassade.<br />
26
und eines Badezimmers über das Bedürfnis-Minimum der benachbarten<br />
Reihenhäuser hinaus. Die Bodenbeläge – Linoleum und Tannenriemen für<br />
die Zimmer, geschliffener Steinholzboden in den übrigen Bereichen – sind<br />
nicht nur preisgünstig, sondern auch dauerhaft.<br />
Die Einfachheit des Baus setzt sich in den Fassaden fort, die nur aus<br />
hellen Wandflächen mit Türen, Fenstern, Klappläden und Regenrohren<br />
bestehen. Sockel, Gesimse oder Ornamente fehlen. Einziger Schmuck<br />
bleiben die dunklen Kunststeinleibungen, die zwischen Öffnung und Wand<br />
vermitteln. Trotz der minimalen Gestaltungsmittel sind die Fassaden sehr<br />
sorgfältig und überlegt entworfen. Auf der geschlossenen Strassenseite<br />
dominiert eine starke Mittelachse, bestehend aus Freitreppe, Haustüre und<br />
darüber liegendem, leicht verjüngtem Fenster. Die Symmetrie wird jedoch<br />
durch das kleine Küchenfenster und das Regenrohr relativiert, wodurch eine<br />
spannungsvolle Komposition entsteht. Die Gartenseite dagegen ist ruhig<br />
gegliedert, doch auch hier ist die Symmetrie nicht vollkommen. Das rechte<br />
Fensterpaar ist entsprechend den dahinter liegenden, kleineren Zimmer nur<br />
zwei- statt dreiteilig ausgebildet. Die dadurch entstandene breitere rechte<br />
Wandfläche wird durch die präzise Setzung des Regenrohrs der linken<br />
Wandfläche optisch gleichgesetzt.<br />
Die geschlossene, stereometrische Form und die abstrakt gestalteten<br />
Fassaden verleihen dem Haus einen strengen, autonomen Charakter. Um<br />
dem entgegenzuwirken, begrünte Scheibler die Fassaden mit Efeu und<br />
sah für die Südwestseite eine hölzerne Laube vor, die das Haus mit der<br />
Umgebung verbinden sollte. Sie wurde jedoch zu Gunsten einer ähnlich<br />
wirkenden Spalierwand nicht ausgeführt.<br />
Mit der einfachen Volumetrie, dem klaren Grundriss und den feinfühlig<br />
gestalteten Fassaden ist das Haus Moser eine konsequente Umsetzung<br />
der Lehren Heinrich Tessenows und weist Scheibler eindeutig als dessen<br />
Schüler aus.<br />
Archivbestand: 27 Pläne, 1 Zeichnung, 6 Fotos; keine schriftlichen Dokumente vorhanden.<br />
Literatur: keine.<br />
27
Haus Schönenberger. Strassenansicht.<br />
28
Haus Schönenberger 1928<br />
Bis 1928 entwarf und realisierte Franz Scheibler, abgesehen von seinem<br />
eigenen Haus, ausschliesslich Häuser für Arbeiter und einfache Angestellte.<br />
Dies änderte sich 1928 mit dem Bau des Eigenheims für Johann<br />
Schönenberger, dem Besitzer der Buchdruckerei Schönenberger und Gall<br />
in <strong>Winterthur</strong> und ab 1931 Verleger der Zeitschrift Das Ideale Heim.<br />
Das Haus sollte in die Ebene zu stehen kommen, die sich nordöstlich<br />
der Altstadt und des Bahnhofs in Richtung Wülflingen erstreckt. Im<br />
Bereich der ehemaligen Grenze zwischen der Stadt und Veltheim waren<br />
in dem bereits dicht besiedelten Gebiet noch einige Parzellen unbesetzt.<br />
Mindestens drei davon wurden in Betracht gezogen, wie ein Ausschnitt aus<br />
dem Katasterplan und dazugehörige Entwurfsskizzen zeigen. Schliesslich<br />
fiel die Wahl auf die Eckparzelle an der Heimstrasse 7. Scheibler entwarf<br />
für dieses Grundstück einen schlichten, länglichen Baukörper, auf dem<br />
ein hohes, markantes Walmdach sitzt. Er steht nur wenig von der Strasse<br />
zurückversetzt in der nördlichen Ecke der Parzelle und ist klar nach<br />
Südwesten zum Garten orientiert. Die geschlossenen Strassenfassaden<br />
schützen das Innere vor neugierigen Blicken und verleihen dem Haus einen<br />
introvertierten Charakter.<br />
Der Zugang zum Haus erfolgt von der Heimstrasse über einen mit Kies<br />
bedeckten Vorplatz. Die Haustüre liegt, um einige Stufen erhöht und von<br />
einem Balkon geschützt, klassisch in der Mittelachse des Baukörpers.<br />
Diese wird jedoch kaum wahrgenommen, da der Schwerpunkt der Fassade<br />
durch den Balkon nach links verschoben wird. Auch im Innern ist die Achse<br />
nicht spürbar. Der Grundriss wird durch eine tragende Längswand in zwei<br />
frei einteilbare Bereiche gegliedert. Nach Süden orientiert und durch eine<br />
Enfilade miteinander verbunden liegen das Wohnzimmer, das Herrenzimmer<br />
und der mit einem Erker in den Garten verlängerte Salon. Auf der Nordseite<br />
befinden sich die Küche, ein kleiner Essraum, eine Toilette sowie die zentrale<br />
Diele, von wo aus eine einläufige Treppe entlang der Fassade nach oben<br />
führt. Im Obergeschoss sind über den Wohnräumen des Erdgeschosses drei<br />
Schlafzimmer angeordnet. Über der Küche befindet sich ein Gastzimmer,<br />
gegenüber liegt das Bad. Der Raum über der Essecke ist der oberen Diele<br />
zugeschlagen und für verschiedene Zwecke nutzbar. Unter dem Dach ist<br />
eine zusätzliche Kammer eingebaut, die mit einem Mansardefenster nach<br />
Süden in Erscheinung tritt. Im Keller ist neben der Waschküche, der Heizung<br />
und dem Gemüsekeller auch eine Garage untergebracht.<br />
Das Haus Schönenberger wurde zwar für eine wohlhabendere Familie<br />
entworfen, dennoch ist es sehr sparsam konzipiert, was nicht nur im<br />
klaren und selbstverständlich wirkenden Grundriss zum Ausdruck kommt.<br />
Konstruktion und Materialisierung entsprechen weit gehend derjenigen des<br />
Haus Schönenberger. Gartenfassade<br />
(Foto E. Graf) und undatierte<br />
Entwurfszeichnung.<br />
29
Hauses Moser. Die Wände sind gemauert und verputzt, das Dach auch<br />
mit flachen Doppelfalzziegeln eingedeckt, auf die Böden wurde Linoleum<br />
verlegt. Die Ausstattung dagegen ist etwas komfortabler ausgefallen,<br />
beispielsweise wurde in jedes der drei kleineren Schlafzimmer ein eigenes<br />
Lavabo eingebaut.<br />
Im Äussern ist der Bau mit wenigen Mitteln sehr zurückhaltend<br />
gestaltet. Sofort fallen auch hier die gesimslosen, bündig in die Fassade<br />
versetzten Kunststeinleibungen auf. Geradezu wuchtig wirkt das hohe, nur<br />
wenig vorstehende Walmdach, das mit seiner strengen, geradlinigen Form<br />
dem Haus neben seiner Bescheidenheit einen durchaus selbst bewussten<br />
Charakter verleiht.<br />
In seiner äusseren Erscheinung, aber auch in seiner Orientierung<br />
zum Garten erinnert das Haus Schönenberger stark an die bürgerlichen<br />
Wohnhäuser Paul Schmitthenners. Doch mehr als auf Schmitthenner,<br />
dessen populäres Buch Das Deutsche Wohnhaus erst 1932 erschienen ist,<br />
scheint sich Scheibler auf den Urtyp des deutschen Wohnhauses bezogen<br />
zu haben. Gemeint ist Goethes Gärtnerhaus in Weimar, das Paul Mebes<br />
1908 in seiner Publikation Um 1800 wirkungsvoll abgebildet hatte. Dieses<br />
Buch, in den frühen Jahren der Moderne erschienen, bedeutete eine Abkehr<br />
vom überbordenden Jugendstil und eine Hinwendung zu den schlichten<br />
und klaren Entwürfen der Zeit um 1800, wie es auch Heinrich Tessenow<br />
in seinen Schriften forderte. Seinen klassizistischen Ursprung verdankt das<br />
Haus Schönenberger aber nicht nur Goethes Gärtnerhaus und Scheiblers<br />
Ausbildung bei Tessenow, sondern auch der ausgeprägten klassizistischen<br />
Bautradition der Ostschweiz.<br />
Eine sehr schöne Würdigung erfuhr das Haus Schönenberger durch<br />
Peter Meyer, «dem bedeutendsten Schweizer Architekturkritiker des<br />
zwanzigsten Jahrhunderts». 31 In seinen autobiographischen Notizen, in<br />
denen er sich an seinen Zeitgenossen Tessenow erinnerte, schrieb er: «Als<br />
mein Schwiegersohn in <strong>Winterthur</strong> für seine Familie ein Haus zu mieten<br />
suchte, liess mich meine Tochter kommen, um ein in Betracht gezogenes<br />
Haus zu besichtigen – ein eher unscheinbares, ganz unsensationelles<br />
Objekt (Heimstr. 7). Alle Türen gingen nach der richtigen Seite auf, das<br />
Haus war sehr gut mit dem Garten in Verbindung gesetzt, einer simplen,<br />
von Stauden umgebenen Rasenfläche, auf der die Kinder spielen durften.<br />
Ich sagte: «Nehmt das. Das hat ein guter Architekt gebaut» – nachträglich<br />
stellte sich heraus: ein Tessenow–Schüler […]. Das Haus hat sich in allen<br />
Stücken bewährt.» 32<br />
Archivbestand: 110 Pläne, 1 Zeichnung, 2 Fotos; schriftliche Dokumente: Korrespondenz,<br />
Rapporte, Abrechungen etc.<br />
Literatur: Zwei Wohnhäuser in <strong>Winterthur</strong> von Franz Scheibler, Architekt B.S.A., <strong>Winterthur</strong>.<br />
In: Das Ideale Heim 3. Jg. 1929, Nr. 10, S. 434–442. – Peter Meyer: Autobiographische<br />
Notizen. In: Katharina Medici–Mall: Im Durcheinander der Stile. Architektur und Kunst im<br />
Urteil von Peter Meyer (1894–1984). Basel 1998, S. 434.<br />
Goethes Gartenhaus in Weimar,<br />
1908 wirkungsvoll in Paul Mebes’<br />
Publikation Um 1800 abgebildet.<br />
Haus Schönenberger. Gartenplan.<br />
Gegenüberliegende Seite:<br />
Haus Schönenberger. Grundrisse<br />
und Fassaden.<br />
31
Ansicht von Bottmingen, Postkarte aus den dreissiger Jahren.<br />
An der Hangkante steht, vom Dorf aus gut sichtbar, das Haus Grob (2. Haus von links).<br />
32
Haus Grob 1928–1929<br />
Das Landhaus Grob in Bottmingen bei Basel war das erste Projekt, das<br />
Franz Scheibler ausserhalb von <strong>Winterthur</strong> realisieren konnte. Der Kontakt<br />
zum Bauherrn kam durch einen gemeinsamen Freund zustande. Die Familie<br />
Grob war aber nicht so wohlhabend, wie die Grösse des Hauses vermuten<br />
liesse. Finanziert wurde der Bau buchstäblich vom reichen Onkel aus<br />
Amerika, der sein Vermögen im Kaffeehandel erwirtschaftet hatte. 33 Das<br />
Raumprogramm war sehr gross und differenziert, was zu einer für Scheibler<br />
ungewöhnlich langen Suche nach einem schlüssigen Grundriss führte. Die<br />
ersten Skizzen entstanden im November 1928, die ausgeführten Pläne<br />
wurden am 25. Januar 1929 gezeichnet. Das Haus war Ende desselben<br />
Jahres bezugsbereit.<br />
Das Grundstück befindet sich an bevorzugter Lage oberhalb von<br />
Bottmingen in einer damals noch ländlichen Umgebung. Nach Osten grenzt<br />
es an einen Wald, nach Süden und Westen ist der Blick frei auf das Birsigtal<br />
und den Jura. Das Haus steht quer zum Hang und ist weit in die nordwestliche<br />
Ecke der Parzelle geschoben, wahrscheinlich um eine Verschattung durch<br />
den Wald zu verhindern. Die Volumetrie ist ungewöhnlich bewegt. Sie<br />
besteht aus mehreren ineinander verschränkten Körpern, die sich sanft in<br />
das Gelände einfügen und das Gefälle zwischen der Strasse und dem höher<br />
gelegenen Garten überwinden. Das wenig geneigte, gesimslose Metalldach<br />
betont die abstrakte, kubische Erscheinung des Baus, der aus der Richtung<br />
des Dorfes besonders plastisch und durch die geschlossene Nordfassade<br />
etwas festungsartig wirkt. Nach Süden dagegen öffnet er sich mit der ruhig<br />
gegliederten Gartenfassade und dem verglasten Blumenerker der Sonne.<br />
Der Zugang zum Haus erfolgt über einen ummauerten Hof, der den Bau<br />
von der Strasse trennt und gleichzeitig mit ihr verbindet. Das weite Gittertor<br />
ermöglicht die Sicht in den gut proportionierten Hof und durch die Haustüre aus<br />
Glas bis in den Eingangsbereich des Hauses. Dieser liegt, durch die Hanglage<br />
bedingt, im Sockelgeschoss, wo sich Waschküche, Heizung, Keller und die<br />
grosse Garage befinden. Eine einläufige Treppe mit Antrittspodest führt<br />
von der Garderobe entlang der Nordfassade nach oben ins Hauptgeschoss.<br />
Hier befindet sich das zum Garten hin orientierte Wohnzimmer, das mit<br />
seinem auf drei Seiten verglasten, gewächshausartigen Blumenerker den<br />
Mittelpunkt des Hauses bildet. Gleichfalls nach Süden orientiert sind das<br />
mit dem Wohnzimmer verbundene Esszimmer und das dahinter liegende<br />
Kinderzimmer. Das Arbeitszimmer fand keinen Platz im Hauptvolumen und<br />
ist in dem nach Westen gerichteten Vorbau untergebracht und nur über das<br />
Wohnzimmer zugänglich. An der Nordfassade befinden sich ausser dem<br />
Treppenhaus und der Toilette die Küche, welche über den abgetrennten<br />
Küchenflur erschlossen wird und durch diesen mit dem Esszimmer und<br />
Haus Grob. Westfassade und<br />
Südfassade.<br />
33
Haus Grob. Grundrisse und Situation.<br />
Nächste Doppelseite:<br />
Haus Grob. Nordwestansicht,<br />
Ansicht aus der Ankunftsrichtung und<br />
Blumenerker.<br />
34<br />
dem Kinderzimmer verbunden ist. Das Obergeschoss gliedert sich in zwei<br />
Bereiche, die jeweils über einen separaten Flur erschlossen sind. In dem der<br />
Strasse abgewandten Teil des Hauses sind drei Schlafzimmer für die Familie,<br />
das Bad und ein WC untergebracht. Im vorderen Teil des Hauses befinden<br />
sich zwei weitere Räume, die sich die Terrasse über dem Arbeitszimmer<br />
teilen. In den Plänen werden sie als Gastzimmer bezeichnet. Tatsächlich<br />
aber hätten sie nach dem Willen des Geldgebers durch eine Verwandte aus<br />
St. Gallen bewohnt werden sollen, was in der Folge nicht geschehen ist,<br />
jedoch die appartementartige Anordnung erklärt.<br />
Der Grundriss des Hauses Grob ist sehr sparsam und klar organisiert<br />
und gleicht demjenigen des Hauses Schönenberger. Ein wesentlicher<br />
Unterschied liegt in der peripheren Lage des Treppenhauses. Die meisten<br />
Räume sind folglich nur über einen zusätzlichen Flur oder durch ein anderes<br />
Zimmer erreichbar. Der Verzicht auf eine zentrale Halle, welche alle Räume<br />
erschliesst, bedeutet einen Bruch mit dem traditionellen Villengrundriss,<br />
bringt aber eine deutlichere Abgrenzung der privaten von den öffentlichen<br />
Bereichen.<br />
Die Konstruktionsweise des Gebäudes bleibt gewohnt einfach. Die<br />
Aussenwände bestehen aus 38 Zentimeter dickem Backsteinmauerwerk,<br />
die Decken sind betoniert, und unter dem flach geneigten Blechdach<br />
verbirgt sich ein konventioneller Dachstuhl. Die Bodenbeläge bestehen aus<br />
Klinkerplatten oder Linoleum, die Wände sind mit einem fein abgeriebenen<br />
Kalkputz versehen. Das sind Materialien, die Scheibler auch für seine<br />
Arbeiterhäuser verwendete. Edle Hölzer oder exklusive Natursteine, wie<br />
sie etwa Adolf Loos (1870-1933) in seinen Villen einsetzte, sucht man hier<br />
vergeblich. Konstruktiv und finanziell aufwändig dagegen sind die filigranen<br />
Eisenfenster, die im Kontrast zum ungleichmässigen Putz der Fassaden<br />
und zum rohen Stampfbeton der Hofmauer stehen. Wieder werden die<br />
Öffnungen mit gesimslosen Kunststeinleibungen gefasst. Sie sind hier<br />
jedoch von heller Farbe und feiner als bei den anderen Bauten Scheiblers. Ein<br />
umlaufendes Kunststeinband nimmt das Thema der Fenstereinfassungen<br />
auf und akzentuiert an Stelle der Regenrinne den Übergang zwischen<br />
Wand und Dach. Die Regenrinne ist als Standrinne ausgeführt und wie die<br />
Rollläden in die Aussenmauer integriert, wodurch der abstrakte, körperhafte<br />
Ausdruck des Baus zusätzlich gesteigert wird.<br />
Das Haus steht in einem grossen Garten, den Scheibler in verschiedene<br />
Bereiche gegliedert hat. Nördlich vom Haus liegen der Eingangshof, ein<br />
Wirtschaftshof und ein Hühnerhof. Entlang der östlichen Grundstücksgrenze<br />
ist ein Nutzgarten angelegt. Südlich des Hauses erstreckt sich eine grosse,<br />
ebene Blumenwiese, die durch eine lange, von einem Plattenweg begleitete<br />
Spalierwand vom Nutzgarten getrennt wird. Im ersten Gartenplan sah<br />
Scheibler am Ende der Spalierwand eine Gartenlaube und ein Wasserbecken<br />
vor, für die er eine bezaubernde Tuschzeichnung anfertigte. Im zweiten
Haus Grob. Gartenlaube. Undatierte Zeichnung.<br />
35
Haus Grob. Wohnraum.<br />
38<br />
ausgeführten Gartenplan liess er die Laube weg und ordnete das Becken<br />
vor der Südfassade an.<br />
Das Haus Grob ist ein beeindruckender Bau. In ihm vermischen<br />
sich englische Wohnlichkeit und deutsche Strenge zu einer Synthese.<br />
Scheibler verzichtete auf jegliche Repräsentation und Symmetrie, ohne die<br />
Geschlossenheit des klassischen Baukörpers aufzugeben. Während andere<br />
Architekten zur gleichen Zeit bemüht waren, den Baukörper aufzulösen,<br />
suchte Scheibler die körperhafte Wirkung. In einem Lichtbildervortrag, den<br />
er um 1929 hielt, stellte er fest: «Bauen heisst Körper bilden.» Mit dem<br />
Haus Grob ist das Scheibler besonders gut gelungen.<br />
Archivbestand: 76 Pläne, 2 Zeichnungen, 19 Fotos; schriftliche Dokumente: Korrespondenz<br />
mit dem Verlag Ernst Wasmuth Berlin.<br />
Literatur: Wohnbauten von Franz Scheibler. In: Das Werk 21. Jg. 1934, Heft 2, S. 50–54.<br />
– Schweizer Wohnhäuser. Sechs Bauten eines Tessenowschülers. In: Wasmuths<br />
Monatshefte für Baukunst und Städtebau 18. Jg. 1934, Nr. 7, S. 333–340. – Hans Josef<br />
Zechlin: Landhäuser. Berlin 1939. – Martin Steinmann: Ausgewählte Bauten von Franz<br />
Scheibler. In: Archithese 13. Jg. 1983, Heft 6, S. 23.
Anmerkungen zu Franz Scheiblers Wohnhausbau 1924–1939<br />
Das Haus Moser, das Haus Schönenberger und das Haus Grob sind drei<br />
freistehende Einfamilienhäuser Franz Scheiblers, die alle um die gleiche Zeit<br />
gebaut wurden, entsprechend der sozialen Stellung und den finanziellen<br />
Möglichkeiten der Bauherren in Grösse und Charakter aber sehr verschieden<br />
wirken.<br />
Besonders die Volumetrie der drei Häuser erscheint zunächst sehr<br />
unterschiedlich. Beim Haus Moser und beim Haus Schönenberger ist sie<br />
sehr einfach, beim Haus Grob etwas komplexer. Doch durch das bündig<br />
angesetzte oder nur wenig vorspringende Dach erhalten alle drei Bauten<br />
eine strenge kubische Form. Grosse Wandflächen und nur wenig aus<br />
der Fassadenebene zurückversetzte Fenster betonen die geschlossene,<br />
körperhafte Gestalt zusätzlich.<br />
Weitere Gemeinsamkeiten zeigen sich in der Organisation der Grundrisse.<br />
Alle drei Grundrisse werden durch eine tragende Längswand in zwei frei<br />
einteilbare Bereiche gegliedert, wobei auf der Südseite die Wohn- und<br />
Schlafräume und auf der Nordseite die Erschliessung, die Nebenräume und<br />
im Obergeschoss ein zusätzlicher Schlaf- oder Arbeitsraum angeordnet sind.<br />
Den Mittelpunkt der Häuser bildet jeweils der Wohnraum, der Scheibler<br />
zufolge «der wichtigste Bestandteil einer Wohnung» und «entsprechend<br />
seiner Bedeutung immer genügend gross sein» 34 sollte. Die anderen Räume<br />
bleiben eher klein dimensioniert. Trotz der Grössenunterschiede sind alle<br />
drei Grundrisse sehr klar und straff organisiert, ohne eng oder kleinteilig zu<br />
wirken. In der Gesamtanordnung wie auch im Detail erscheinen sie sehr<br />
durchdacht.<br />
Auch hinsichtlich der einfachen Konstruktionsweise, der schlichten<br />
Materialisierung und der zweckmässigen Ausstattung unterscheiden sich<br />
die Häuser nur wenig. Die Bauten sind gemauert, verputzt und mit einem<br />
konventionellen Schrägdach versehen. Dies ist eine günstige und dauerhafte<br />
Bauweise. Abgesehen von den filigranen Eisenfenstern am Haus Grob,<br />
finden sich keine technisch und finanziell aufwändige Details.<br />
Die Einfachheit der drei Bauten setzt sich in den Fassaden fort, die<br />
mit nur wenigen, immer gleichen Mitteln gestaltet werden. Auffallend<br />
sind die farblich abgesetzten, bündig in die Fassaden eingelassenen<br />
Kunststeinrahmen, die zwischen Öffnung und Wandfläche vermitteln. Die<br />
Entwicklung der Fassaden, nach Norden spannungsvoll komponiert, nach<br />
Süden regelmässig gegliedert, ist nicht auf Repräsentation ausgerichtet. Die<br />
Häuser orientieren sich zum Garten, von der Strasse oder vom Dorf scheinen<br />
sie sich abzuwenden. Der Eingang ist dennoch deutlich gekennzeichnet und<br />
liegt beim Haus Moser und beim Haus Schönenberger ganz klassisch in der<br />
Mittelachse des Baukörpers.<br />
39
40<br />
Die Reduziertheit im Äusseren verleiht den Häusern einen nüchternen,<br />
sachlichen Ausdruck. Um dem entgegen zu wirken, aber auch um die<br />
geschlossenen Baukörper mit der Umgebung zu verbinden, sind die<br />
Fassaden mit Efeu, Rosen oder anderen Kletterpflanzen begrünt. Eine<br />
zentrale Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang auch den hölzernen<br />
mit Reben bewachsenen Lauben zu.<br />
Die Liste der genannten Gemeinsamkeiten zeigt auf, dass die drei<br />
Häuser trotz ihrer Verschiedenheit im Grunde den gleichen Organisationsund<br />
Gestaltungsprinzipien folgen. Diese Prinzipien funktionieren wie<br />
Mosaiksteine, die Scheibler von Fall zu Fall anpasste und zu unterschiedlichen<br />
Bildern zusammensetzte. Ihre Anwendung beschränkt sich aber nicht nur<br />
auf die in dieser Arbeit betrachteten Häuser, sondern ist zu weiten Teilen an<br />
allen Wohnbauten Scheiblers zwischen 1924 und 1939 nachweisbar.<br />
Scheiblers architektonische Haltung, die diesen Prinzipien zu Grunde<br />
liegt, ist stark durch das Denken von Heinrich Tessenow geprägt und<br />
verdichtet sich in Begriffen wie «das Einfache», «das Notwendige», «das<br />
Wesentliche», «das Selbstverständliche» oder «das Gewöhnliche». Es<br />
ist eine aus der handwerklichen Tradition entwickelte, von bürgerlichen<br />
Werten geprägte Haltung, die auf bekannten Vorstellungen aufbaut. Durch<br />
die häufige Verwendung des Steildachs werden Scheiblers Wohnbauten<br />
oft einseitig nur der konservativen oder traditionalistischen Architektur<br />
zugeordnet. Dabei zeigen sie durchaus auch Merkmale moderner<br />
Architektur wie Grundrissökonomie, Vereinfachung, Typisierung, Verzicht<br />
auf Symmetrie und Ablehnung des Ornaments. So betrachtet, bewegt sich<br />
Scheiblers Architektur im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne.<br />
In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts sind viele, sehr<br />
unterschiedliche Beiträge zum Wohnhausbau entstanden. Scheiblers<br />
Beitrag zeichnet sich durch eine Ernsthaftigkeit und Kontinuität aus, die<br />
nur wenige vergleichbare Beispiele findet, und gewinnt Bedeutung in der<br />
konsequenten, aber eigenständigen Umsetzung von Tessenows Lehren.<br />
Für sich betrachtet ist Scheiblers Wohnhausarchitektur aber vor allem eine<br />
einfache, in allen Teilen reduzierte, aber dennoch lebendige Architektur, die<br />
durch ihre hohe Gebrauchstauglichkeit überzeugt und darum auch heute<br />
noch aktuell ist.
Nachwort<br />
Franz Scheiblers umfangreiches Werk ist von hoher Qualität und grosser<br />
Bedeutung. Trotzdem ist es kaum bekannt. Dies hat verschiedene Gründe.<br />
Scheiblers Architektur ist wenig spektakulär. Seine Bauten sind sehr<br />
schlicht und zurückhaltend gestaltet und bleiben darum nicht besonders gut<br />
in Erinnerung. Im Zentrum von Scheiblers Schaffen steht der gewöhnliche<br />
Wohnhausbau, der oft als wenig anspruchsvoll gilt. Ein wichtiges<br />
öffentliches Gebäude oder ein prominentes Geschäfthaus als Zugpferd<br />
fehlen in seinem Werk. Darüber hinaus beschränkt sich Scheiblers Wirken<br />
fast ausschliesslich auf das Gebiet von <strong>Winterthur</strong>, das als «Provinzstadt»<br />
im Schatten der Deutschschweizer «Architekturmetropolen» Zürich und<br />
Basel steht. Scheiblers Werk wurde zu Lebzeiten und auch später nie in<br />
Buchform publiziert. Eine Lehrtätigkeit, die in wohl gezwungen hätte, seine<br />
Gedanken schriftlich niederzuschreiben, hat er nicht ausgeübt.<br />
All diese Faktoren trugen dazu bei, dass Scheiblers Werk nach seinem<br />
Tod 1960 schnell in Vergessenheit geriet und seither nur gelegentlich<br />
Gegenstand architekturhistorischer Betrachtung war. Eine vertiefte<br />
Erforschung würde nicht nur die verdiente, späte Anerkennung ermöglichen,<br />
sondern wäre auch eine Bereicherung für das Verständnis der Schweizer<br />
Architektur des 20. Jahrhunderts.<br />
41
Anhang<br />
43
Anmerkungen<br />
1 Die biographischen Angaben zu Franz Scheibler basieren auf<br />
dem Nekrolog von Conrad D. Furrer von 1960, den biographischen<br />
Angaben, die Scheibler für seine Aufnahme in den SIA<br />
1936 machte (zit. nach: Martin Steinmann 1983) sowie den<br />
mündlichen Aussagen von Paula Scheibler, der Frau des Architekten<br />
(zit. nach: Martin Steinmann 1983) und Ulrich Scheibler,<br />
dem jüngeren Sohn des Architekten (Gespräch vom 23. Oktober<br />
2003).<br />
2 Aus den biographischen Angaben, die Scheibler für seine Aufnahme<br />
in den SIA 1936 machte. Zit. nach: Martin Steinmann:<br />
…ein Mensch, der das Einfache und Normale wollte. Zu Franz<br />
Scheibler und seinen Bauten 1924–45. In: Archithese. Winter-<br />
thur 1924–45. Scheibler – Siegrist – Kellermüller 13. Jg. 1983,<br />
Nr. 6, S. 9–17.<br />
3 Die einzige Maschine, die das Baugeschäft damals besass,<br />
war eine Betonmaschine. Die übrigen Arbeiten wurden noch in<br />
Handarbeit ausgeführt.<br />
4 Heinrich Tessenow: Hausbau und dergleichen. Berlin 3. Aufl age<br />
1928 (1. Aufl age 1916), S. 3.<br />
5 Robert Rittmeyer, Walter Furrer: Allgemeines über den Kleinwohnungsbau.<br />
In: Schweizerische Techniker-Zeitung. Sondernummer<br />
Kleinwohnungsbau und Siedlungswesen 18. Jg. 1921,<br />
Nr. 42, S. 397–398.<br />
6 Franz Scheibler: Möbel für das einfache Heim. In: Schweizerische<br />
Techniker-Zeitung. Sondernummer Kleinwohnungsbau und<br />
Siedlungswesen 18. Jg. 1921, Nr. 42, S. 410–415.<br />
7 Heinrich Tessenow: Wohnhausbau. München 1909.<br />
8 Vittorio Magnano Lampugnani: Die Tradition der Bescheidenheit.<br />
Moderate architektonische Avantgarden in Deutschland<br />
1900–1934. In: Hans Busso von Busse (Hrsg.): Tradition und<br />
Moderne. Antworten zur Architektur aus Theorie und Praxis:<br />
Dortmunder Architekturtage 1983. Dortmund 1984, S. 32.<br />
9 Aus einem Brief von Albert Speer an Heinrich Tessenow vom<br />
3. April 1941 zu dessen 65. Geburtstag. Zit. nach: Marco de Michelis:<br />
Heinrich Tessenow 1876–1950. Das architektonische<br />
Gesamtwerk. Mailand und Stuttgart 1991, S. 136.<br />
10 Die Schriftleitung: Arbeiten von Heinrich Tessenow und<br />
seinen Schülern. In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst und<br />
Städtebau 9. Jg. 1925, Nr. 9, S. 365.<br />
11 Anonym: Neue Arbeiten aus der Werkstatt Heinrich Tessenows.<br />
In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städte-<br />
bau 10. Jg. 1926, Nr. 2, S. 41.<br />
12 Conrad D. Furrer: Franz Scheibler. Nekrolog. In: Schweizeri-<br />
sche Bauzeitung 78. Jg. 1960, Nr. 28, S. 475.<br />
13 Freundliche Auskunft von Ulrich Scheibler, dem jüngeren<br />
Sohn des Architekten, Gespräch vom 23. Oktober 2003. Der<br />
Briefe von Heinrich Tessenow an Franz Scheibler befi nden sich<br />
in Familienbesitz und waren der Autorin nicht zugänglich.<br />
14 Heinrich Tessenow in einem Brief an Johann Krapf vom<br />
14. Dezember 1922. Zit. nach: Martin Steinmann: …ein Mensch,<br />
der das Einfache und Normale wollte. Zu Franz Scheibler und<br />
44<br />
seinen Bauten 1924–45. In: Archithese. <strong>Winterthur</strong> 1924–45.<br />
Scheibler – Siegrist – Kellermüller 13. Jg. 1983, Nr. 6, S. 9–17.<br />
15 Der Wohnküche, die dieser Funktion auch dienen könnte,<br />
stand Scheibler ablehnend gegenüber.<br />
16 Franz Scheibler: Lichtbildervortrag 2 (Vortrag über das Wollen<br />
und Werden der heutigen Baukunst): Typoskript im Privatnachlass.<br />
[o. J.] (geschätzt 1929), S. 12.<br />
17 Scheibler hat um 1929 zwei Lichtbildervorträge gehalten, die<br />
in ihrem Wortlaut zu weiten Teilen identisch sind. Der Einfachheit<br />
halber wird in der Folge jeweils nur der 2. Lichtbildervortrag<br />
zitiert.<br />
18 Vgl. zur <strong>Winterthur</strong>er Planungspolitik: Hans-Peter Bärtschi:<br />
Die Siedlungsstadt <strong>Winterthur</strong>. Bern 1989. – Albert Bodmer:<br />
<strong>Winterthur</strong>. Die Siedlungspolitische Entwicklung einer Schweizerischen<br />
Industriestadt seit 1860. Der Gartenstadtgedanke<br />
in der Entwicklung der Stadt <strong>Winterthur</strong>. In: Das Werk 15. Jg.<br />
1928, Nr. 7, S. 202–205. – Karl Frei: Wohnbauförderung in Win-<br />
terthur. terthur <strong>Winterthur</strong> 1944. – Andreas Hauser, Alfred Bütikofer:<br />
<strong>Winterthur</strong>. Architektur und Städtebau 1850–1920: Sonderpublikation<br />
aus Band 10 der Gesamtreihe Inventar der neueren<br />
Schweizer Architektur 1850–1920 INSA. Bern und Zürich 2001.<br />
19 Franz Scheibler: Lichtbildervortrag 2 (Vortrag über das Wollen<br />
und Werden der heutigen Baukunst): Typoskript im Privatnachlass.<br />
[o. J.] (geschätzt 1929), S. 12.<br />
20 Franz Scheibler: Möbel für das einfache Heim. In: Schweizerische<br />
Techniker-Zeitung. Sondernummer Kleinwohnungsbau<br />
und Siedlungswesen 18. Jg. 1921, Nr. 42, S. 410–415.<br />
21 Es fi nden sich einige Stuhlentwürfe im Nachlass. Da die<br />
Zeichnungen alle undatiert sind, lässt sich nicht feststellen, ob<br />
der genannte Stuhl darunter ist.<br />
22 Gewerbemuseum <strong>Winterthur</strong> (Hrsg.): Die Drechslerei.<br />
Schweizerische Wanderausstellung: Ausstellung im Gewerbemuseum<br />
<strong>Winterthur</strong> 13. Januar – 3. Februar 1924. <strong>Winterthur</strong><br />
1924, S. 4.<br />
23 Kunstgewerbemuseum Zürich (Hrsg.): Das neue Heim: Ausstellung<br />
im Kunstgewerbemuseum Zürich. Zürich 1928, S. 5.<br />
24 Vgl. zur Baugenossenschaft an der Langgasse: Alfred Bütikofer:<br />
Die Firma Lerch 1920–1984. Die Baugenossenschaften.<br />
Die Baugenossenschaft an der Langgasse. In: ders.: Bauen in<br />
<strong>Winterthur</strong> 1859–1984. <strong>Winterthur</strong> 1984, S. 154–155.<br />
25 Zit. nach: Alfred Bütikofer, Die Firma Lerch 1920–1984. In:<br />
ders.: Bauen in <strong>Winterthur</strong> 1859–1984. <strong>Winterthur</strong> 1984, S. 154.<br />
26 Paul Schmitthenner: Baugestaltung. Erste Folge: Das Deutsche<br />
Wohnhaus. Stuttgart 1932.<br />
27 B. [J. Beeler]: Eine moderne Holzhauskolonie. In: Schweize-<br />
rische Technische Zeitschrift 31. Jg. 1934, Nr. 45, S. 686.<br />
28 Angabe nach damaligem Adressbuch. Freundliche Auskunft<br />
von Alfred Bütikofer, Stadtarchivar in <strong>Winterthur</strong>, Email vom<br />
3. Oktober 2003.
29 Die Reihenhäuser an der Sonnenbergstrasse (47–53, 55–61,<br />
63–65, 67–73, 75–81, 83–89) sind ins Inventar der neueren<br />
Schweizer Architektur (INSA) aufgenommen, nicht jedoch das<br />
Haus Moser (Nr. 45), das auch zum Ensemble gehört.<br />
30 Stauraum war für Scheibler ein wichtiges Argument für das<br />
Steildach, das er als solches nie in Frage stellte. Das Flachdach<br />
lehnte er aber nicht grundsätzlich ab. Zur Frage Flachdach oder<br />
Steildach bemerkte er: «Sind genügend Abstellräume im Keller<br />
oder […] in Anbauten vorhanden, so spricht gar nichts dagegen,<br />
das Dach als fl aches Dach zu gestalten. Das fl ache Dach ermöglicht<br />
oft eine freiere und praktischere Lösung des Grundrisses,<br />
da dabei nicht unbedingt ängstlich darauf geachtet werden<br />
muss, die Räume in einem Rechteck unterzubringen, wie es<br />
eben das Steindach verlangt.» Aus: Franz Scheibler: Lichtbildervortrag<br />
2 (Vortrag über das Wollen und Werden der heutigen<br />
Baukunst): Typoskript im Privatnachlass. [o. J.] (geschätzt 1929),<br />
S. 14–15.<br />
31 Katharina Medici–Mall: Meyer, Peter. In: Isabelle Rucki,<br />
Dorothee Huber (Hrsg.): Architektenlexikon der Schweiz<br />
19./20. Jahrhundert. Basel 1998, S. 379.<br />
32 Zit. nach: Peter Meyer: Autobiographische Notizen. In: Katharina<br />
Medici–Mall: Im Durcheinander der Stile. Architektur<br />
und Kunst im Urteil von Peter Meyer (1894–1984). Basel 1998,<br />
S. 434.<br />
33 Diese und weitere Informationen stammen aus einem Gespräch<br />
mit Frau Anna Grob anlässlich meines Besuches am 16.<br />
Oktober 2003.<br />
34 Franz Scheibler: Lichtbildervortrag 2 (Vortrag über das Wollen<br />
und Werden der heutigen Baukunst): Typoskript im Privatnachlass.<br />
[o. J.] (geschätzt 1929), S. 14.<br />
Abbildungsnachweis<br />
Alle nicht weiter bezeichneten Abbildungen:<br />
Nachlass Franz Scheibler (Nachlass-Nr. 59), Archiv GTA, Zürich.<br />
Seite 9 oben: Privatbesitz Ulrich Scheibler.<br />
Seite 9 Mitte: Gilbert Brossard, Daniel Oederlin: Architekturführer<br />
<strong>Winterthur</strong>: 2 Bände. <strong>Winterthur</strong> 1997, S. 62.<br />
Seite 10 oben und Mitte: Gerda Wangerin, Gerhard Weiss:<br />
Heinrich Tessenow. Ein Baumeister. 1876–1950. Leben – Lehre<br />
– Werk. Essen 1976, S. 192, 212.<br />
Seite 10 unten: Franz Scheibler: Etwas vom Bauen in die Landschaft:<br />
Sonderabdruck aus der Schweizerischen Techniker-Zeitung<br />
Jahrgang 1923, Heft Nr. 35. Solothurn 1923, S. 3.<br />
Seite 12 oben: Gerda Wangerin, Gerhard Weiss: Heinrich Tessenow.<br />
Ein Baumeister. 1876–1950. Leben – Lehre – Werk. Essen<br />
1976, S. 200.<br />
Seite 24: Privatbesitz Heinrich und Nelly Bölsterli.<br />
Seite 31: Paul Schmitthenner: Baugestaltung. Erste Folge: Das<br />
Deutsche Wohnhaus. Stuttgart 1932, S. 9.<br />
Seite 34: Privatbesitz Anna Grob.<br />
Die Pläne wurden zur besseren Lesbarkeit von der Autorin bearbeitet.<br />
45
Literaturverzeichnis<br />
Anonym: Neue Arbeiten aus der Werkstatt Heinrich Tessenows.<br />
In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städtebau 10. Jg.<br />
1926, Nr. 2, S. 41–43.<br />
Anonym: Ideenwettbewerb um Pläne für die Ausgestaltung<br />
der Seeufer im Gebiete der Stadt Zürich und ihrer Vororte. In:<br />
Schweizerische Technische Zeitschrift 23. Jg. 1926, Nr. 18,<br />
S. 290.<br />
Anonym: Der Völkerbunds-Wettbewerb. In: Das Werk 14. Jg.<br />
1927, Nr. 8, S. 254–256.<br />
Anonym: Ankündigung der Ausstellung «Das Neue Heim» Zürich.<br />
In: Das Werk 15. Jg. 1928, Nr. 6, S. 171.<br />
Anonym: Ausstellung „Das neue Heim“ im Kunstgewerbemuseum<br />
Zürich. In: Schweizerische Bauzeitung 46. Jg. 1928,<br />
Nr. 24, S. 300.<br />
Anonym: Zwei Wohnhäuser in <strong>Winterthur</strong> von Franz Scheibler,<br />
Architekt B.S.A., <strong>Winterthur</strong>. In: Das Ideale Heim 3. Jg. 1929,<br />
Nr. 10, S. 434–442.<br />
Anonym: Wohnbauten von Franz Scheibler, Architekt BSA, <strong>Winterthur</strong>.<br />
In: Das Werk 21. Jg. 1934, Nr. 2, S. 50–54.<br />
Anonym: Schweizer Wohnhäuser. Sechs Bauten eines Tessenowschülers.<br />
In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst und<br />
Städtebau 18. Jg. 1934, Nr. 7, S. 333–340.<br />
Anonym: Eine Schweizer Holzhaussiedlung von Architekt<br />
F. Scheibler in <strong>Winterthur</strong>. In: Der Baumeister 33. Jg. 1935,<br />
Nr. 1, S. 8–15.<br />
Archithese. <strong>Winterthur</strong> 1924-45. Scheibler – Siegrist – Kellermül-<br />
ler 13. Jg. 1983, Nr. 6.<br />
Hans-Peter Bärtschi: Die Siedlungsstadt <strong>Winterthur</strong>. Bern 1989.<br />
J. Beeler: Das Kleinhaus. In: Schweizerische Technische Zeit-<br />
schrift 25. Jg. 1928, Nr. 3, S. 25–29.<br />
B. [J. Beeler]: Eine moderne Holzhauskolonie. In: Schweizeri-<br />
sche Technische Zeitschrift 31. Jg. 1934, Nr. 45, S. 686.<br />
Othmar Birkner: Lernen aus Tradition und Erfahrung. In: Lignum<br />
(Hrsg.): Neuer Holzbau in der Schweiz. Zürich 1985, S. 9–20.<br />
Albert Bodmer: <strong>Winterthur</strong>. Die Siedlungspolitische Entwicklung<br />
einer Schweizerischen Industriestadt seit 1860. Der Gartenstadtgedanke<br />
in der Entwicklung der Stadt <strong>Winterthur</strong>. In: Das<br />
Werk 15. Jg. 1928, Nr. 7, S. 202–205.<br />
Gilbert Brossard, Daniel Oederlin: Architekturführer <strong>Winterthur</strong>:<br />
2 Bände. <strong>Winterthur</strong> 1997.<br />
Aurelio Brucanto, Bernhard Gerber: Der Tessenow-Schüler Franz<br />
Scheibler. Sein Werk neben dem Wohnhausbau: Diplomwahlfacharbeit<br />
im Fach «Traditionelle Bauformen» an der Architektur-<br />
Abteilung der ETH Zürich. Zürich 1997. (Belegsexemplar in der<br />
GTA-Bibliothek)<br />
Alfred Bütikofer: Bauen in <strong>Winterthur</strong> 1859–1984. <strong>Winterthur</strong><br />
1984.<br />
46<br />
Die Schriftleitung: Arbeiten von Heinrich Tessenow und seinen<br />
Schülern. In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städte-<br />
bau 9. Jg. 1925, Nr. 9, S. 365–383.<br />
Leza Dosch: Rittmeyer und Furrer. In: Isabelle Rucki, Dorothee<br />
Huber (Hrsg.): Architektenlexikon der Schweiz 19./20. Jahrhundert.<br />
Basel 1998.<br />
Luzi Dosch (Hrsg.): Rittmeyer & Furrer. Eine Architektengemeinschaft<br />
zwischen Jugendstil und Neuem Bauen: Ausstellungskatalog<br />
Gewerbemuseum <strong>Winterthur</strong> 14. Juni – 31. August 1986.<br />
<strong>Winterthur</strong> 1986.<br />
Henry Eberlé: Kleinhäuser. Zürich 1927.<br />
Karl Frei: Wohnbauförderung in <strong>Winterthur</strong>. <strong>Winterthur</strong> 1944.<br />
Conrad D. Furrer: Franz Scheibler. Nekrolog. In: Schweizerische<br />
Bauzeitung 78. Jg. 1960, Nr. 28, S. 475–476.<br />
Gewerbemuseum <strong>Winterthur</strong> (Hrsg.): Die Drechslerei. Schweizerische<br />
Wanderausstellung: Ausstellung im Gewerbemuseum<br />
<strong>Winterthur</strong> 13. Januar – 3. Februar 1924 (Wegleitungen des Gewerbemuseums<br />
<strong>Winterthur</strong> Nr. 11). <strong>Winterthur</strong> 1924.<br />
Gewerbemuseum <strong>Winterthur</strong> (Hrsg.): Das Kleinhaus: Ausstellung<br />
im Gewerbemuseum <strong>Winterthur</strong> 31. Oktober – 28. November<br />
1926. (Wegleitungen des Gewerbemuseums <strong>Winterthur</strong><br />
Nr. 26). <strong>Winterthur</strong> 1926.<br />
Andreas Hauser, Alfred Bütikofer: <strong>Winterthur</strong>. Architektur und<br />
Städtebau 1850–1920: Sonderpublikation aus Band 10 der<br />
Gesamtreihe Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850–<br />
1920 INSA. Bern und Zürich 2001.<br />
Konrad Hippenmeyer: Schweizer Baukunst. In: Wasmuths<br />
Monatshefte für Baukunst und Städtebau 13. Jg. 1929, Nr. 1,<br />
S. 7–29.<br />
Int. Verband für Wohnungswesen (Hrsg.): Das Wohnungswesen<br />
in der Schweiz und in Frankfurt am Main. Stuttgart 1932.<br />
Kunstgewerbemuseum Zürich (Hrsg.): Das neue Heim: Ausstellung<br />
im Kunstgewerbemuseum Zürich 3. November – 24. Dezember<br />
1926 (Wegleitungen des Kunstgewerbemuseums der<br />
Stadt Zürich Nr. 68). Zürich 1928.<br />
Kunstgewerbemuseum Zürich (Hrsg.): Das neue Heim. Zweite<br />
Ausstellung: Ausstellung im Kunstgewerbemuseum Zürich<br />
16. Juni – 19. August 1928 (Wegleitungen des Kunstgewerbemuseums<br />
der Stadt Zürich Nr. 80). Zürich 1928.<br />
Vittorio Magnano Lampugnani: Die Tradition der Bescheidenheit.<br />
Moderate architektonische Avantgarden in Deutschland<br />
1900–1934. In: Hans Busso von Busse (Hrsg.): Tradition und<br />
Moderne. Antworten zur Architektur aus Theorie und Praxis:<br />
Dortmunder Architekturtage 1983. Dortmund 1984, S. 24–34.<br />
Vittorio Magnano Lampugnani, Romana Schneider (Hrsg.):<br />
Moderne Architektur in Deutschland 1900 bis 1950. Reform und<br />
Tradition: Ausstellungskatalog Architektur-Museum Frankfurt am<br />
Main 15. August – 29. November 1992. Stuttgart 1992.<br />
Paul Mebes: Um 1800. Architektur und Handwerk im letzten
Jahrhundert ihrer traditionellen Entwicklung: 2 Bände. München<br />
1908.<br />
Katharina Medici–Mall: Meyer, Peter. In: Isabelle Rucki, Dorothee<br />
Huber (Hrsg.): Architektenlexikon der Schweiz 19./20. Jahrhundert.<br />
Basel 1998, S. 379–380.<br />
Katharina Medici–Mall: Scheibler, Franz. In: Isabelle Rucki, Dorothee<br />
Huber (Hrsg.): Architektenlexikon der Schweiz 19./20. Jahrhundert.<br />
Basel 1998, S. 479–480.<br />
Peter Meyer: Moderne Architektur und Tradition. Zürich 1927.<br />
Peter Meyer: Autobiographische Notizen. In: Katharina Medici–<br />
Mall: Im Durcheinander der Stile. Architektur und Kunst im Urteil<br />
von Peter Meyer (1894–1984). Basel 1998, S. 413–436.<br />
Marco De Michelis: Heinrich Tessenow 1876–1950. Das architektonische<br />
Gesamtwerk. Mailand und Stuttgart 1991.<br />
Robert Rittmeyer, Walter Furrer: Allgemeines über den Kleinwohnungsbau.<br />
In: Schweizerische Techniker-Zeitung. Sondernummer<br />
Kleinwohnungsbau und Siedlungswesen 18. Jg. 1921,<br />
Nr. 42, S. 397–406.<br />
Franz Scheibler: Möbel für das einfache Heim. In: Schweizerische<br />
Techniker-Zeitung. Sondernummer Kleinwohnungsbau und<br />
Siedlungswesen 18. Jg. 1921, Nr. 42, S. 410–415.<br />
Franz Scheibler: Etwas vom Bauen in die Landschaft. In:<br />
Schweizerische Techniker-Zeitung 20. Jg. 1923, Nr. 35,<br />
S. 409–414.<br />
Franz Scheibler: Einfamilienhäuser in <strong>Winterthur</strong>. In: Das Werk<br />
12. Jg. 1925, Nr. 3, S. 76–77.<br />
Franz Scheibler: Kleinhäuser. In: Schweizerische Technische<br />
Zeitung 23. Jg. 1926, Nr. 45, S. 789–793.<br />
Franz Scheibler: Lichtbildervortrag 1 (Vortrag über den Kleinhausbau):<br />
Typoskript im Privatnachlass. [o. J.] (geschätzt 1929).<br />
(Kopie im GTA Archiv)<br />
Franz Scheibler: Lichtbildervortrag 2 (Vortrag über das Wollen<br />
und Werden der heutigen Baukunst): Typoskript im Privatnachlass.<br />
[o. J.] (geschätzt 1929). (Kopie im GTA Archiv)<br />
Paul Schmitthenner: Baugestaltung. Erste Folge: Das Deutsche<br />
Wohnhaus. Stuttgart 1932.<br />
Schweiz. Zimmermeister-Verband, Sektion <strong>Winterthur</strong> (Hrsg.):<br />
Holzhaussiedlung an der Weststrasse <strong>Winterthur</strong>. <strong>Winterthur</strong><br />
1934.<br />
Martin Steinmann: …ein Mensch, der das Einfache und Normale<br />
wollte. Zu Franz Scheibler und seinen Bauten 1924–45. In:<br />
Archithese. <strong>Winterthur</strong> 1924-45. Scheibler – Siegrist – Kellermül-<br />
ler 13. Jg. 1983, Nr. 6, S. 9–17.<br />
Martin Steinmann: Ausgewählte Bauten von Franz Scheibler. In:<br />
Archithese. <strong>Winterthur</strong> 1924-45. Scheibler – Siegrist – Kellermül-<br />
ler 13. Jg. 1983, Nr. 6, S. 18–26.<br />
Martin Steinmann: Arbeit als Wissenschaft und Arbeit als Bild.<br />
Zur Tradition der gewöhnlichen Idee. In: Vittorio Magnano Lampugnani<br />
(Hrsg.): Das Abenteuer der Ideen: Ausstellungskatalog<br />
Berlin 16. September – 18. November 1984. Berlin 1984.<br />
Heinrich Tessenow: Wohnhausbau. München 3. Aufl age 1927<br />
(1. Aufl age 1909).<br />
Heinrich Tessenow: Hausbau und dergleichen. Berlin 3. Aufl age<br />
1928 (1. Aufl age 1916).<br />
Wolfgang Voigt, Hartmut Frank (Hrsg.): Paul Schmitthenner<br />
1884–1972: Ausstellungskatalog Architektur Museum Frankfurt<br />
am Main 16. August - 9. November 2003. Frankfurt am Main<br />
2003.<br />
Gerda Wangerin, Gerhard Weiss: Heinrich Tessenow. Ein Baumeister.<br />
1876–1950. Leben – Lehre – Werk. Essen 1976.<br />
Hans Josef Zechlin: Landhäuser. Berlin 1939.<br />
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