Faltblatt - Evangelische Kirchengemeinde Frickenhausen
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1<br />
1 Vorhalle<br />
2 Schiff<br />
3,4,5,7 Fresken<br />
6 Chor<br />
8 Sakramentshaus<br />
9 Chorgestühl<br />
10 Kruzifix<br />
11 Kanzel<br />
12 Tür zur Sakristei<br />
4<br />
3<br />
1<br />
2<br />
1<br />
8<br />
7<br />
6<br />
Grundriss der heutigen Kirche.<br />
Im Schiff markiert: Reste eines früheren Fundaments.<br />
9<br />
10<br />
5<br />
DIE EVANGELISCHE KIRCHE<br />
ZU UNSERER LIEBEN FRAU<br />
FRICKENHAUSEN<br />
Ein Rundgang<br />
Der Turm. Der beste Ort, mit einem Rundgang durch<br />
die Pfarrkirche in <strong>Frickenhausen</strong> zu beginnen, ist der<br />
offene Durchgang, der das Erdgeschoss des Turmes<br />
kennzeichnet (1). Die darüberliegenden Stockwerke,<br />
die vielleicht in verschiedenen Abschnitten gebaut<br />
wurden, sind nur von der Empore des Schiffes<br />
zugänglich. Die offene Vorhalle (auch charakteristisch<br />
für Buss' Arbeit in der Laurentiuskirche in Nürtingen)<br />
kann durch die spätgotischen Portale von Norden und<br />
Süden betreten werden. Das Kreuzrippengewölbe<br />
besitzt einen Schlussstein mit drei Köpfen, die den<br />
Lauf des Lebens symbolisieren sollen; möglicherweise<br />
stellen sie auch die beiden Baumeister dar, deren<br />
Initialen und Steinmetzzeichen über dem Westportal<br />
zu sehen sind. Der linke Meisterschild gehört Hans<br />
Buss. Der rechte Meisterschild ist noch nicht eindeutig<br />
identifiziert. - Die leere Wandnische hat ursprünglich<br />
vielleicht ein Fresko oder ein Relief beherbergt, das<br />
während der religiösen und politischen Unruhen im<br />
frühen 16. Jahrhundert zerstört wurde.<br />
Der mittlere Teil des Turmes trägt die Jahreszahl 1505.<br />
Unter dem Sims darüber sehen wir auf der Nord- und<br />
Südseite die vorher erwähnten romanisch anmutenden<br />
Figuren.<br />
Der obere Teil des Turmes berherbergt das Uhrwerk<br />
und heute wieder drei Glocken. Zwei alte: die kleinere,<br />
„Matheus/Marcus/Lucas/Johannes", stammt aus dem<br />
15. Jahrhundert, die größere, „Osanna/heis/ich/unser/<br />
Frauen/e(h)r/leut/ich/bernhart/lachman/gos/mich", ist<br />
„1496" datiert. Nachdem die dritte seitherige Glocke
den Kriegsereignissen zum Opfer gefallen war, wurde<br />
1951 von Kurtz eine neue Glocke mit der Inschrift<br />
„Meine Zeit steht in Deinen Händen" gegossen und<br />
von der Bevölkerung „zum Gedächtnis unserer<br />
Gefallenen, Vermißten und Verschollenen aus dem<br />
Weltkrieg 1939-1945" gestiftet.<br />
Das Schiff (Punkt 2 auf dem Plan) ist heute ein sehr<br />
veränderter und vereinfachter Teil der Kirche. Im 15.<br />
Jahrhundert war es völlig mit biblischen Fresken<br />
ausgemalt und besaß farbenprächtige Altäre, die von<br />
der frommen, wohlhabenden Bürgerschaft gestiftet<br />
waren. Sie wurden größtenteils im frühen 16.<br />
Jahrhundert zerstört oder übertüncht. Fragmente der<br />
Originalfresken befinden sich in einer der<br />
Fensternischen der Empore (3) und an einem Fenster<br />
(4) über dem Taufstein.<br />
Ein ausgezeichnetes Beispiel für die einstigen Fresken<br />
ist das wieder freigelegte an der Nordwand (3). Der<br />
Betrachter sieht Maria, vom Drachen bedroht, doch<br />
von Gott gerettet, und zwar durch den Kampf des<br />
Drachentöters. Zugleich weist die Symbolik („Mit der<br />
Sonne bekleidet, der Mond unter ihren Füßen", Offb.<br />
12,1) auf die Gemeinde des Alten und Neuen Bundes<br />
hin, die den Heiland hervorbringt, von Satan verfolgt<br />
und von Gott beschützt wird. Könnte nicht auch die<br />
Symbolik der Taufe mitschwingen, wonach Menschen<br />
aus dem Machtbereich der Finsternis gerettet und in<br />
den Bereich des göttlichen Lichtes gerufen werden wie<br />
die beiden kleinen Gestalten rechts unten im Bild?<br />
Weitere Fragmente der Originalfresken befinden sich<br />
in einer der Fensternischen der Empore (5) und an<br />
einem Fenster über dem Taufstein (4). Die beiden<br />
ehemaligen Altargitter wurden bei der letzten<br />
Renovierung vor die Fenster der Empore versetzt.<br />
Der Chor. Der am besten erhaltene Teil der<br />
spätgotischen Kirche ist der Chor (6). Das<br />
Netzgewölbe ist mit einer Reihe von bedeutenden<br />
Schlusssteinen geschmückt. Von der Ostwand zum<br />
Schiff hin sieht man die Reliefs von: 1. Baumeister<br />
Hans Buss mit seinem Steinmetzzeichen - 2. Zwei<br />
Engel des Letzten Gerichts - 3. Christus als<br />
Weltenrichter - 4. Maria - 5. Johannes der Täufer mit<br />
Kelch - 6. Christophorus - 7. Valentin - 8. Barbara mit<br />
Turm - 9. Petrus mit Nothelfergruppe - 10. Wendelin.<br />
Die zehn Konsolenbüsten von Nord nach Süd im Chor<br />
stellen Apostel dar: 1. Philippus mit Kreuzstab - 2.<br />
Jakobus d.J. mit Walkerstange - 3. Thomas mit Speer -<br />
4. Jakobus d. Ä. mit Pilgermuschel - 5. Petrus mit<br />
Schlüssel - 6. Andreas mit Kreuz - 7. Johannes mit<br />
Giftbecher - 8. Matthäus mit Beil - 9. Simon Zelotes<br />
mit Säge - 10. Judas Thaddeus mit Knotenstock. Hans<br />
Koepf und andere nehmen an, dass diese Skulpturen<br />
von Meistern der Ulmer oder Uracher Schule<br />
stammen.<br />
Von besonderem Interesse ist das Fresko an der<br />
Nordseite des Chors (7). Vor der Reformation war es<br />
der Hintergrund für ein imposantes Tabernakel- oder<br />
Sakramentshaus (wie z. B. in der Stadtkirche<br />
Schwaigern). Konrad und Berthold Schmol sind mit<br />
ihren Wappen als Stifter dargestellt. Als Mitglieder<br />
einer wohlhabenden Familie aus dieser Gegend<br />
mussten sie noch zu Lebzeiten mit ansehen, wie ihr<br />
wertvolles Geschenk während des Bildersturms<br />
zerstört wurde. Unbeschädigt erhalten geblieben ist der<br />
sog. „Wandteppich". Das sich wiederholende (aber auf<br />
den Kopf gestellte) Muster wurde von einem<br />
bekannten spanischen Seidenstoffdesign des 15.<br />
Jahrhunderts übernommen (s. v. Falke:<br />
Kunstgeschichte der Seidenweberei, Abb. 334).<br />
Über dem Wandbild sind zwei Engel als Diakone<br />
dargestellt, die freudig die „eucharistische Speise"<br />
oder das „Engelsbrot" zur Feier des Abendmahls in der<br />
Kirche verteilen. Bruchstücke des Sakramentshauses<br />
(8) wurden vor kurzem gefunden, sie belegen die<br />
Arbeit eines Meisterbildhauers. Ein anderes größeres<br />
Fragment des hl. Wendelin ist in die heutige Kanzel<br />
eingebunden und so vor dem Zerfall gerettet worden.<br />
Obwohl das Chorgestühl (9) bei weitem nicht die<br />
Qualität des Ulmer Chorgestühls aus der Werkstatt<br />
von Jörg Syrlin oder des von Hans Wech und Antonius<br />
Buol in Esslingen erreicht, ist es doch ein gutes<br />
Beispiel für die Fertigkeit des damaligen Schreinerhandwerks.<br />
Man nimmt an, dass Jörg Fieglin aus<br />
Blaubeuren der Meister war. Die Schnitzereien (um<br />
1520/30) stellen verschiedene Personen dar, wie z. B.<br />
Chorherren, Meister, Gesellen und Lehrlinge,<br />
außerdem heimische und exotische Tiere, Blumen und<br />
Früchte, auch die hier im Tal angebauten Trauben und<br />
Kirschen.<br />
Die acht Weihekreuze an den Wänden des Chors<br />
stammen von der Weihung der „neuen" Kirche um ca.<br />
1500.<br />
Die Fenster im Chor wurden 1959 gestiftet und<br />
eingebaut. Sie wurden von Pfarrer Harzer bei ihrer<br />
Übergabe mit den Versen beschrieben:<br />
„Mit unserem Künstler, unserem Meister<br />
aus Ravensburg, Hans Bernhart, heißt er,<br />
wird mit der Bibel in der Hand<br />
und mit dem Stifter geistverwandt,<br />
in echtem Ringen fest verbunden,<br />
der Fenster Thema dann gefunden:<br />
Drei Fenster strahlen hoch und weit<br />
als Sinnbild der Dreieinigkeit.<br />
In leuchtend edlem Farbgedichte<br />
ersteht vor uns die Heilsgeschichte ..<br />
Das Kruzifix (10) stammt aus dem Spätbarock. Das<br />
Kreuz ist 1959 durch ein neues, schlichteres ersetzt<br />
worden.<br />
Die Kanzel (11) ist ebenfalls modern; an ihrem Sockel<br />
ist aber das vorher bereits erwähnte Fragment, das<br />
einen ruhenden Mann zeigt, angebracht. Diese Arbeit<br />
erinnert stark an schlafende Gestalten der Ölberge in<br />
Neuffen und Beuren.<br />
Die Ornamente, die die Tür zur Sakristei (12)<br />
umrahmen und die man auch an anderen Stellen in der<br />
Kirche findet, stammen aus der späten Renaissance.<br />
Sie stellen den Versuch dar, eine „akzeptable" Kunst<br />
zur Ausschmückung der Kirchen wieder einzuführen,<br />
nachdem die Kunstfeindlichkeit des Bildersturmes<br />
abgeklungen war.