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Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation - WBGU

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Gestaltung der <strong>Transformation</strong> 5<br />

5.1<br />

Einleitung: Neue Problemlagen, neue<br />

Staatlichkeit!<br />

Im Gegensatz zu den in Kapitel 3 beschriebenen Zivilisationssprüngen<br />

kann die anstehende <strong>Transformation</strong><br />

kaum gradualistisch und sukzessiv vonstatten gehen.<br />

Sie muss vielmehr binnen kürzester Zeit aktiv und<br />

weltweit synchron vorangetrieben werden. Die <strong>Transformation</strong><br />

zur klimaverträglichen Gesellschaft muss<br />

Industrie-, Schwellen- und ebenso arme und ärmste<br />

Entwicklungsländer umfassen, wenn man gefährlichen<br />

Klimawandel und den Verlust natürlicher Lebensgrundlagen<br />

noch abwenden will. Dazu muss ein neues Niveau<br />

von Staatlichkeit und ein in der bisherigen Staatenordnung<br />

nicht gekanntes Niveau internationaler Kooperation<br />

erreicht werden.<br />

Haben wir in Kapitel 4 die technische und ökonomische<br />

Machbarkeit der <strong>Transformation</strong> zu <strong>eine</strong>r<br />

klimaverträglichen Gesellschaft dargelegt, beleuchtet<br />

der <strong>WBGU</strong> in diesem Kapitel die Möglichkeiten und<br />

Grenzen politischer Gestaltung. In den betrachteten<br />

<strong>Transformation</strong>sfeldern Energie, Urbanisierung und<br />

Landnutzung stellt sich die globale Herausforderung<br />

<strong>für</strong> politische Gestaltung unterschiedlich dar:<br />

1. Für den Umbau des Energiesystems ist die Verfügbarkeit<br />

des relativ preiswerten, aber CO 2 -intensivsten<br />

fossilen Energieträgers Kohle ein großes<br />

Hemmnis (Kap. 4.1.2). Da Kohle in vielen Ländern<br />

vorkommt, ist sie der heimische Energieträger Nummer<br />

eins. Länder mit den größten Kohlevorkommen<br />

sind die USA, Russland, China, Australien, Indien<br />

und Indonesien (IEA, 2010c; Heinberg und Fridley,<br />

2010). Fortgesetzte intensive Nutzung der Kohle<br />

rund um den Globus konterkariert jede Politik zum<br />

Umbau der Energiesysteme.<br />

2. Schon heute leben 50 % der Weltbevölkerung in<br />

Städten und es zeichnet sich ein dynamischer,<br />

ungesteuerter Verstädterungsprozess, insbesondere<br />

in den Schwellen- und Entwicklungsländern<br />

ab. Derzeit werden weltweit drei Viertel der End-<br />

energie in Städten nachgefragt und der gleiche<br />

Anteil der Treibhausgasemissionen dort verursacht<br />

(Kap. 1.2.4). Städte sind daher entscheidende Orte<br />

der <strong>Transformation</strong> (Kap. 4). Wird die Urbanisierung<br />

weltweit nicht viel stärker als bisher aus der<br />

Perspektive der <strong>Transformation</strong> gestaltet, können<br />

vor allem städtische Wachstumsprozesse Blockaden<br />

auf dem Weg in <strong>eine</strong> klimaverträgliche Gesellschaft<br />

bilden.<br />

3. Die Nachfrage nach Forst- und Agrargütern sowie<br />

die Bedeutung von Ökosystemleistungen werden<br />

zukünftig erheblich ansteigen. Gleichzeitig verringern<br />

Klimawandel und Bodendegradation die<br />

Anbauflächen bzw. Produktivität. Somit werden<br />

Landnutzungskonkurrenzen zunehmend zu <strong>eine</strong>m<br />

globalen Konfliktfeld (Kap. 1.2.5; <strong>WBGU</strong>, 2008,<br />

2009a). Es besteht weitgehend Einigkeit über die<br />

Größe der Herausforderungen und den Reform-<br />

sowie Entwicklungsbedarf. Dem steht als Hemmnis<br />

gegenüber, dass es noch k<strong>eine</strong>n breiten wissenschaftlichen<br />

oder politischen Konsens darüber gibt,<br />

welche Strategien <strong>für</strong> <strong>eine</strong> nachhaltige Gestaltung<br />

der globalen Landnutzung am besten geeignet sind.<br />

Woran mangelt es also exemplarisch in diesen drei<br />

Hauptproblemfeldern? Die Größenordnung und<br />

Geschwindigkeit der eingeleiteten <strong>Transformation</strong>sprozesse<br />

sind weit davon entfernt, den skizzierten Herausforderungen<br />

gerecht zu werden. Ein „langsames Bohren<br />

dicker Bretter“ (Max Weber) ist in der Klimapolitik kein<br />

gangbarer Weg, wenn die globale Erwärmung noch bei<br />

maximal 2 °C gestoppt werden soll. Es muss also darum<br />

gehen, die Politikprozesse auf nationaler, europäischer<br />

und globaler Ebene erheblich zu beschleunigen und<br />

aktiv voranzutreiben.<br />

Man muss freilich die Illusion vermeiden, ein Regimewechsel<br />

von globaler Reichweite könne rein technokratisch<br />

gestaltet und effektiv von oben gesteuert werden.<br />

<strong>Transformation</strong>en der beschriebenen Art sind in<br />

einzelnen Aspekten, aber nicht insgesamt direkt steuerbar<br />

(Kap. 3). Aktive politische Steuerung ist auch<br />

nicht zwingend <strong>eine</strong> Garantie <strong>für</strong> erfolgreiche <strong>Transformation</strong>.<br />

Vielmehr kommt es darauf an, dem ablaufen-<br />

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