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Humbert Fink

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sich auf ihre Weise für die prachtvolle »Krönungsmesse«, die zuvor in der Kirche zur Ehre des Königs von Ungarn aufgeführt<br />

worden war. Liszt mochte diese spontane Begrüßung allein schon deshalb genossen haben, weil man ihm verwehrt hatte, seine<br />

Komposition selbst zu dirigieren. Er konnte jetzt diese Kränkung angesichts der Ovationen, die ihm die Bevölkerung<br />

entgegenbrachte, wohl leicht verschmerzen. Jedenfalls soll er huldvoll seine Bewunderer begrüßt haben, während Franz Joseph in<br />

diesen Augenblicken eher unbeachtet im Portal der Matthiaskirche stand.<br />

Was den österreichischen Kaiser betraf, so hatte er überhaupt keine besonders angenehmen Erinnerungen an die<br />

Krönungszeremonie. Die Stephanskrone erwies sich nämlich für seinen Kopf als zu groß. Sie rutschte Franz Joseph immer wieder<br />

über Augen und Ohren, bis man sie schließlich so ausgiebig auspolsterte (natürlich mit der feinsten Watte, die sich im ganzen<br />

Land auftreiben ließ), dass sie schließlich dem habsburgischen Kopf doch noch halbwegs passte. Viele Ungarn machten sich<br />

damals schon über diese Vergewaltigung der heiligen Krone, wie sie es nannten, ihre eigenen Gedanken und gaben dieser innigen<br />

Verbrüderung mit dem Hause Habsburg keine großen Überlebenschancen. Die nachfolgende Chronik der<br />

österreichisch-ungarischen Beziehungen sollte diese ziemlich skeptische Meinung nur bestätigen.<br />

Der Doppeladler, von dem sich doch so viele Spuren in Ungarn und vor allem in Budapest gehalten haben, war den Ungarn nie<br />

besonders sympathisch. Sie haben wohl den Umstand nie vergessen können, dass sie im Augenblick ihrer größten Not, nämlich<br />

beim Überfall Suleimans II. im Jahre 1526, gerade von den österreichischen Habsburgern schmählich im Stich gelassen worden<br />

waren; und dass die Tragödie Ungarns, die mit der Niederlage von Mohäcs am 26. August 1526 begonnen hatte, als die Elite des<br />

Landes innerhalb von knapp zwei Stunden buchstäblich hingemetzelt wurde, nicht zuletzt auch auf den schrankenlosen und<br />

rücksichtslosen Egoismus des Hauses Habsburg zurückzuführen gewesen war.<br />

Ein Schloss für eine Kaiserin<br />

Die Ungarn hatten immer darauf bestanden, dass Wien seine mehr oder minder hochmütige, den ungarischen Nationalstolz wohl<br />

auch beleidigende Meinung aufgeben müsste, Ungarn wäre allein schon deshalb ein rechtmäßig erworbener Familienbesitz des<br />

Hauses Habsburg, weil es sozusagen erheiratet worden wäre. Diese Sicht der Dinge, die freilich nicht ganz unrichtig war, irritierte<br />

alle ungarischen Politiker und machte auch die Vorverhandlungen zum sogenannten Ausgleich, der am 15. März 1867 (also am<br />

neunzehnten Jahrestag der magyarischen Revolution) in Kraft trat, so ungemein schwierig. Jetzt wurden die beiden Reichshälften,<br />

Cisleithanien (also Österreich) und Transleithanien (Ungarn), politisch weitestgehend voneinander unabhängige Staaten, die<br />

lediglich durch die Person des Herrschers, in diesem Fall Kaiser Franz Josephs, sowie durch eine gemeinsame Außenpolitik,<br />

Landesverteidigung und ein gemeinsames Finanzwesen in einer eher losen Einheit verblieben. Die offizielle Bezeichnung lautete<br />

für die beiden Reichshälften »Die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder«, soweit es Österreich betraf, und setzte für<br />

Ungarn die Bezeichnung »Die Länder der Heiligen Ungarischen Krone« fest. Aber beide Bezeichnungen waren zu umständlich,<br />

konnten sich nicht durchsetzen und gerieten bald in Vergessenheit. So kam es zu einer zweiten offiziellen Benennung, die durch<br />

ein Handschreiben des Kaisers am 14. November 1868 öffentlich gemacht wurde. Sie lautete jetzt »Österreichisch-Ungarische<br />

Monarchie«, erfuhr auch noch die Kurzbenennung »Doppelmonarchie«, die dem Dualismus, der durch die Person des Kaisers<br />

gleichsam geadelt wurde, durchaus entsprach. Was die gemeinsamen Institutionen und Behörden betraf, so erfand man das Kürzel<br />

»k.u.k. « . Die Ungarn bestanden besonders hartnäckig auf dem Bindewort »und«, weil dadurch erst, wie sie behaupteten, ihre<br />

politische Gleichberechtigung dokumentiert wurde. Fehlte dieses »und«, dann handelte es sich um rein österreichische<br />

Organisationen.<br />

Ein sichtbarer Ausdruck des Ausgleichs sowie eine politische Notwendigkeit war die Krönung Franz Josephs zum ungarischen<br />

König. Selbstverständlich musste in diesem Zusammenhang auch die Gemahlin des Kaisers, nämlich Elisabeth, gekrönt und<br />

gesalbt werden. Es war der magyarische Ministerpräsident Graf Gyula Andrässy, der dem österreichischen Kaiser die Krone<br />

aufsetzte, während sie bei Elisabeth nur über deren rechte Schulter gehalten wurde.<br />

Wer war nun dieser Graf Andrässy? Er war zum Zeitpunkt der Krönung in Buda dreiundvierzig Jahre alt und neben dem in<br />

verhältnismäßig bescheidenen Verhältnissen lebenden Ferenc Deäk die zweite, wesentlich elegantere, aufsehenerregendere<br />

Hauptperson der ungarischen Politik. Er war reich, Aristokrat, ein mutiger Haudegen, der es in den Revolutionstagen von 1848/49<br />

zum Major und Adjutanten des Oberstkommandierenden der magyarischen Revolutionsarmee gebracht hatte. Natürlich musste<br />

auch Andrässy nach der Niederschlagung der Revolution außer Landes gehen, nach Konstantinopel und Paris, wo er ziemlich<br />

gelassen die weitere Entwicklung abwarten konnte. Er wurde zwar von den Österreichern in Abwesenheit zum Tode verurteilt und<br />

am 21. September 1852 sogar in einem symbolischen Akt, der nicht ohne Absurdität war, öffentlich durch den Henker<br />

hingerichtet. Aber schon sechs Jahre später erlaubte ihm Wien die Rückkehr nach Ungarn, wo Andrässy sogleich wieder in die<br />

Politik eintrat und rasch Karriere machte. Der Umstand, dass ausgerechnet er Franz Joseph die Stephanskrone aufs Haupt setzte,<br />

erregte seinerzeit großes Aufsehen. Immerhin hatte Österreichs Kaiser 1849 das Todesurteil für Andrässy unterschrieben.<br />

Weit pikanter war noch Andrássys Teilnahme bei den Krönungsfeierlichkeiten für Elisabeth. Denn es war damals bereits<br />

allgemein bekannt, dass die Frau des österreichischen Kaisers und ungarischen Königs für den durchaus feschen, männlich<br />

wirkenden, immer noch schneidigen ungarischen Ministerpräsidenten viel mehr als bloß höfliche Sympathie empfand. Gehässige<br />

Stimmen sprachen sogar von einer verbotenen Leidenschaft, was zweifellos weit übertrieben war. Aber dass Elisabeth für Gyula<br />

Andrássy so etwas wie Zuneigung spürte, sich vielleicht auch in manchen Augenblicken zu einem romantischen Gefühl hinreißen

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