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Humbert Fink

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Auch die berühmteste aller Budapester Donaubrücken, die Kettenbrücke, hat mit Österreich zu tun gehabt. Eigentlich heißt sie<br />

Széchenyi-Brücke, nach ihrem Initiator, denn dieser unermüdliche Förderer Ungarns und Wegbereiter eines neuen, modernen<br />

Landes, der durchaus bereit war, sein ganzes immenses Vermögen für diese patriotische Sache einzusetzen, hatte dafür gesorgt,<br />

dass es endlich eine ständige Verbindung zwischen Buda und Pest gab, die auch den regelmäßigen Eisstößen und den immer<br />

wiederkehrenden Hochwassern trotzte, welche die Donau heimsuchten. Er war es, der die Fachleute für dieses kühne Bauwerk aus<br />

England und Italien beschaffte. Und er sorgte im wesentlichen für die Vorfinanzierung, so dass schließlich die Brücke nach<br />

verhältnismäßig kurzer Bauzeit am 20. November 1848 dem Verkehr zugänglich gemacht werden konnte.<br />

Aber es waren schwierige, dramatische Zeiten. Und viele Ungarn verfluchten den österreichischen Baron, General und<br />

militärischen Befehlshaber von Buda und Pest, der die offizielle Eröffnung der Brücke im Namen des Kaisers vornahm. Sein<br />

Name war Haynau. Und dass ausgerechnet er, der sich schon in Norditalien einen unrühmlichen Namen als »Schlächter von<br />

Brescia«, als rabiater und hartherziger Charakter gemacht hatte und der im Namen und auf Veranlassung Franz Josephs auch in<br />

Ungarn für die Durchführung von unerhörten Schandurteilen sorgen sollte, dass ausgerechnet Haynau jetzt als Repräsentant<br />

Österreichs die Feierlichkeiten gleichsam dirigierte, war ein Treppenwitz der Geschichte. Über diesen Feldzeugmeister Julius<br />

Freiherr von Haynau wird noch im Zusammenhang mit der Niederschlagung der ungarischen Revolution hinlänglich zu berichten<br />

sein.<br />

Die Erinnerung an ihn, den Radetzky einmal recht zutreffend ein »Rasiermesser« und der Volksmund einen Schlächter genannt<br />

hat, lebt auch noch anderswo in Budapest, und zwar auf dem Gellertberg. Hier sind heute die martialischen Überreste einer<br />

monumentalen Zitadelle ein Teil des touristischen Angebots. So zum Beispiel hat sich unter anderem ein Spielcasino in den<br />

Mauern dieser altösterreichischen Festung etabliert.<br />

Der Bau dieser Zitadelle war eine rein habsburgische Angelegenheit. Wien wollte mit dieser Festung, mit deren Bau 1849<br />

unmittelbar nach der endgültigen Niederschlagung der magyarischen Revolution begonnen wurde, »zur Bändigung rebellierender<br />

Ungarn beitragen«, wie sich Haynau ausdrückte, dem die militärische Leitung über diese Fortifikation übertragen wurde.<br />

Ursprünglich war ein umfassendes Verteidigungs- und Befestigungssystem vorgesehen, das weit über den Gellertberg<br />

hinausreichen sollte. Aber dann beschränkte man sich nicht zuletzt aus materiellen Gründen doch auf ein eher bescheidenes Mass.<br />

Ungarische Honvéds, die in österreichische Gefangenschaft geraten waren, wurden als billige Arbeitskräfte eingesetzt. Und<br />

ausgerechnet ein ungarischer Baumeister namens Matyas Zitterbarth erhielt die Bauaufsicht zugesprochen. Er erwies sich als<br />

willfähriger Diener der österreichischen Herren.<br />

Eine ganze Reihe von Außen- und Innenforts entstand, machtvolle Basteien wurden gebaut, raffiniert gedeckte Geschützstände<br />

errichtet, mit denen man nicht nur die Donau selbst, sondern auch ganz Buda und Pest unter Kontrolle hatte und deren sechzig<br />

Geschütze eine nicht unbeträchtliche Feuerkraft vereinigten. Sogar an den Bau einer rund achtzig Meter tiefen Zisterne dachte<br />

man, um in Notzeiten über eine eigene Trinkwasserversorgung zu verfügen. Jahr um Jahr wurde an dieser wuchtigen Festung<br />

gearbeitet, die von den Ungarn zuerst mit düsteren Blicken, später nur noch mit unverhohlenem Spott betrachtet wurde. Erst im<br />

Jahre 1854 konnten die ersten österreichischen Soldaten in dieses Wunderwerk moderner Festungstechnik einziehen, das von<br />

Wiener Zeitungen sogleich als »österreichisches Gibraltar« klassifiziert wurde. Man vergaß lediglich hinzuzufügen, dass es<br />

eigentlich nichts mehr gab, zu dessen Bewachung oder Einschüchterung dieser monumentale Festungsbau dienen sollte.<br />

Es kam zu originellen Szenen. Die Besatzung der Festung oben auf dem Gellertberg langweilte sich gründlich. Gelegentlich durfte<br />

man mit Salutschüssen ein Schiffempfangen, dazu kam die tägliche Flaggenhissung. Die übrige Zeit starrten des Kaisers Soldaten<br />

reichlich gelangweilt in die Luft, während sich in Wien die Beamten der Finanzprokuratur die Haare rauften angesichts der<br />

ständig steigenden Kosten, die dieses Bauwerk, seine Erhaltung, seine Bewachung, verschlangen. Lediglich 1857, als Franz<br />

Joseph eine Art Freundschaftsbesuch den beiden Städten an der Donau abstattete, und dann noch einmal 1867, als er auf dem<br />

Burghügel von Buda zum ungarischen König gekrönt wurde, durften die furchteinflößenden Kanonen der Festung für längere Zeit<br />

beschäftigt werden, schickte man einige Salven gutgemeinter Salutschüsse in den ungarischen Himmel. Der Rest war tödliche<br />

Langeweile.<br />

Das änderte sich erst, als die Österreicher 1897 endgültig das Handtuch warfen. Längst hatte man in Wien eingesehen, dass diese<br />

Festung eine der größten Fehlspekulationen gewesen war, dass die mehr als 200000 Gulden, die allein das Aufziehen der Mauern<br />

gekostet hatte, buchstäblich zum Fenster hinausgeschmissen waren. Jetzt überantwortete man die Zitadelle dem Magistrat der<br />

Stadt Budapest. Und Wien war heilfroh, dass die Ungarn dieses merkwürdige Geschenk überhaupt annahmen und keine weiteren<br />

Bedingungen damit verknüpften.<br />

Wer heute in Budapest einen amüsanten Abend verbringen will, begibt sich wahrscheinlich in ein Varieté oder in ein Theater.<br />

Dabei wird man als deutschsprachiger Besucher bedauernd feststellen, dass man entweder auf die Übersetzungskünste eines guten<br />

Freundes angewiesen ist oder kein Wort von dem versteht, was sich oben auf der Bühne tut. Das war natürlich nicht immer so.<br />

Kaiser Joseph II. stellte zum Beispiel schon 1787 ein Karmeliterinnenkloster, das sich auf dem Burghügel befand und säkularisiert<br />

worden war, als Theatergebäude zur Verfügung, und fast hundert Jahre lang gaben sich dort ungarische und deutsche<br />

Theatergruppen abwechselnd die Ehre, ihr Publikum zu unterhalten. Das wichtigste deutschsprachige Theater jedoch existierte in<br />

Pest, also am östlichen Ufer der Donau, wurde 1812 eingeweiht und erfreute sich außerordentlichen Zuspruchs. Es fiel am 3.<br />

Februar 1847 einem Feuer zum Opfer. Man hatte der großen Kälte wegen die Ofen des Theaters zu stark eingeheizt . . . Von der

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