ACS BERN - Sektion beider Basel
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Beihefter <strong>Sektion</strong> <strong>BERN</strong> | April 2012<br />
Politik & Verkehr<br />
Es grünt so grün … oder vom Leid<br />
mit zugewachsenen Verkehrsschildern<br />
Nachdem uns der Winter dieses Jahr fest im Griff hatte, ist es nun endlich soweit: Der Frühling ist da!<br />
An allen Ecken und Enden grünt, spriesst und wächst es, die Vöglein pfeifen und die Sonne lockt ins Freie.<br />
Doch ein kleines Hindernis, das die erwachende Natur den Verkehrsteilnehmern manchmal in den Weg legt,<br />
sind die teilweise oder gar ganz durch Äste oder Sträucher zugewachsenen Verkehrsschilder. Wie hat sich<br />
ein Fahrer zu verhalten, wenn ein Signalschild nicht richtig zu erkennen ist? Wonach muss er sich richten?<br />
Es gilt der in Artikel 27 Strassenverkehrsgesetz<br />
(SVG) niedergeschriebene Grundsatz,<br />
dass Signale und Markierungen zu<br />
befolgen sind, was aus Gründen der Verkehrssicherheit<br />
wohl jedem verständlich<br />
ist. Gemäss Artikel 103 Absatz 2 der Signalisationsverordnung<br />
(SSV) müssen diese<br />
Strassensignale grundsätzlich so am rechten<br />
Strassenrand aufgestellt werden, dass<br />
sie rechtzeitig erkannt werden und Hindernisse<br />
sie nicht verdecken. Doch, was tun,<br />
wenn ein Signal nicht lesbar ist, weil es<br />
durch Äste verdeckt, oder, wie es im<br />
Winter vorkommen kann, zugeschneit ist?<br />
Kann man bestraft werden, wenn man ein<br />
solches Signal nicht befolgt?<br />
In den Fällen, wo ein Signalschild nicht<br />
erkennbar ist, gilt der Sichtbarkeitsgrundsatz.<br />
Gemäss diesem kann das Nichtbefolgen<br />
eines Verkehrsschildes, das nicht sichtbar<br />
ist, auch nicht bestraft werden. Diesen<br />
Grundsatz relativiert jedoch die Aussage<br />
des Bundesgerichtes, dass Verkehrssignale<br />
verpflichten, wenn sie klar und ohne Weiteres<br />
bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit in<br />
ihrer Bedeutung erkennbar sind. Dies gilt<br />
auch, wenn das Schild nicht oder nur teilweise<br />
lesbar ist. Selbstverständlich muss<br />
man auch weitere verkehrsleitende Zeichen,<br />
wie etwa die Markierungen auf der<br />
Fahrbahn, beachten, wenn diese erkennbar<br />
sind.<br />
Von einer pflichtgemässen Aufmerksamkeit<br />
spricht man, wenn der Fahrzeuglenker die<br />
für eine sichere Fahrt notwendige Aufmerksamkeit<br />
der Strasse und dem Verkehr widmet.<br />
Der Artikel 31 des SVG fordert vom<br />
Fahrzeuglenker, dass dieser das Fahrzeug<br />
ständig so beherrscht, dass er seinen Vorsichtspflichten<br />
nachkommen kann. Die<br />
Verkehrsregelverordnung führt dies in Artikel<br />
3 noch näher aus und hält fest, dass für<br />
die Bedienung und Beherrschung des Fahrzeuges<br />
die Aufmerksamkeit des Lenkers,<br />
die ungeteilt der Strasse und dem Verkehr<br />
zugewendet wird, unverzichtbar ist.<br />
Ist der Sinn eines Verkehrsschildes erkennbar,<br />
so gilt der Sichtbarkeitsgrundsatz<br />
nicht und die Verkehrsteilnehmer müssen<br />
sich an den Sinn des Signals halten. Ein<br />
Teil der Verkehrsschilder ist zum Beispiel<br />
an seiner Form erkennbar. In solchen Fällen<br />
kann man sich nicht damit herausreden,<br />
dass die Aufschrift nicht lesbar war,<br />
weil zum Beispiel zugeschneit oder teilweise<br />
durch Äste verdeckt. Ein Stoppschild<br />
etwa erkennt man an seiner eindeutigen<br />
Form, denn kein anderes Verkehrszeichen<br />
ist achteckig. Ebenso stellt ein auf dem<br />
Kopf stehendes Dreieck immer ein «Kein-<br />
Vortritt»-Zeichen dar und unterscheidet<br />
sich von der Form her von den anderen<br />
Verkehrszeichen.<br />
Nicht so eindeutig ist es bei Geschwindigkeitsbegrenzungen,<br />
denn diese Zeichen<br />
sind alle rund. Ist ein solches Signal nicht<br />
lesbar, weil zugewachsen oder zugeschneit,<br />
so muss es gemäss dem Sichtbarkeitsgrundsatz<br />
nicht beachtet werden. Aber<br />
Vorsicht: Ein nicht erkennbares Geschwindigkeitssignal<br />
darf nicht einfach zum<br />
«Ende der Höchstgeschwindigkeit»-Schild<br />
erklärt werden. Vielmehr muss sich der<br />
Fahrer an die Geschwindigkeitsbegrenzung<br />
halten, wenn er sie bei pflichtgemässer<br />
Aufmerksamkeit rechtzeitig erkennen<br />
kann. Dazu zählen auch grundsätzliche<br />
Regeln, wie etwa die generelle Geschwindigkeitslimite<br />
von 50 km/h auf Strassen<br />
innerorts, die als bekannt vorausgesetzt<br />
werden.<br />
Ausserdem geht man davon aus, dass Verkehrszeichen,<br />
die sich auf einer Strecke<br />
befinden, die man regelmässig fährt, bekannt<br />
sind. Das heisst, man muss Signale<br />
auf der «Hausstrecke» auch beachten,<br />
wenn sie einmal wegen Grünbewuchs oder<br />
Schnees nicht zu erkennen sind. Weil man<br />
die Strecke kennt, wird erwartet, dass man<br />
auch die Schilder und ihre Bedeutung<br />
kennt.<br />
Fazit:<br />
In Fällen, bei denen ein Verkehrsschild wegen<br />
Grünwuchs oder Schnees nicht lesbar ist,<br />
gilt der Sichtbarkeitsgrundsatz. Auch unter<br />
solchen Umständen kann man bestraft<br />
werden, wenn man ein Verkehrsschild nicht<br />
beachtet, das man mit der gebotenen Aufmerksamkeit<br />
aber hätte erkennen können<br />
oder sollen. Ein nicht lesbares Signal<br />
entbindet die Fahrzeuglenker also nicht<br />
von ihrer Pflicht, sich aufmerksam im<br />
Strassenverkehr zu bewegen. Vielmehr ist<br />
in solchen Fällen die Achtsamkeit der Verkehrsteilnehmer<br />
gefragt, um eine sichere<br />
Fahrt aller zu gewährleisten.<br />
Wir wünschen Ihnen auch künftig eine<br />
gute Fahrt, und bleiben Sie weiterhin aufmerksam.<br />
Susanne Sterchi, MLaw<br />
Ammann Rechtsanwälte<br />
Juristische Beratung<br />
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