110 jahre genossenschaft: wie wir wurden, was wir sind!
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VERGANGENES NEU ENTDECKEN<br />
VOM PFERDEMARKT ZUM VOLKSFEST:<br />
DIE GESCHICHTE DER CRANGER KIRMES!<br />
Am 4. August 2011 war es <strong>wie</strong>der soweit: Die Cranger Kirmes öffnete ihre Tore<br />
und lockte Millionen Besucher auf den Festplatz. Als (fast) größtes Volksfest<br />
Deutschlands sorgt sie jedes Jahr für reichlich „Rummel“ am Rhein-Herne-Kanal.<br />
Doch angefangen hat alles ganz anders …<br />
Sagt Ihnen der Name „Emscherbrücher<br />
Dickköppe“ et<strong>was</strong>? Nein, damit <strong>sind</strong><br />
nicht die Bewohner entlang der Emscher<br />
gemeint. Es handelt sich vielmehr um<br />
eine Pferderasse, die hier im Emscher<br />
Bruch Mitte des 15. Jahrhunderts wild<br />
gehalten wurde. Einmal im Jahr trieben<br />
die Menschen diese halben Wildpferde<br />
zusammen, um sie zu brandmarken<br />
und zu verkaufen. Und weil eine solche<br />
Veranstaltung damals <strong>wie</strong> heute jede<br />
Menge Zuschauer anlockt, entwickelte<br />
sich schnell ein gut besuchter Markt –<br />
mit Schaustellern, Fressbuden und jeder<br />
Menge Alkohol. Die Geburtsstunde der<br />
Cranger Kirmes!<br />
Übrigens verdanken <strong>wir</strong> den „Emscherbrücher<br />
Dickköppen“ nicht nur das<br />
beliebte Volksfest. Auch das Wappen<br />
von Wanne-Eickel zeigt jenes uneinsichtige<br />
Wildpferd, das über Jahrhunderte<br />
hinweg über und unter Tage schuftete<br />
und dem Begriff „Pferdestärken“ alle<br />
Ehre machte. Doch die Zeiten änderten<br />
sich, Maschinen traten an die Stelle der<br />
Pferde, und auch der Cranger Pferdemarkt<br />
verlor an Bedeutung – das Volksfest<br />
hingegen wuchs und gedieh!<br />
1441 fand das erste offizielle Volksfest<br />
statt, in diesem Jahr feiern <strong>wir</strong> bereits<br />
die 576. Cranger Kirmes. Blitzschnelle<br />
Rechner stutzen jetzt vermutlich, denn<br />
von 1441 bis 2011 <strong>sind</strong> ja schließlich<br />
nach Adam Riese nur knapp 570 Jahre<br />
vergangen, wo also stecken die fehlenden<br />
sechs Volksfeste? Die Antwort<br />
finden <strong>wir</strong> im Jahr 1935. Zu Propagandazwecken<br />
hatten die Nationalsozialisten<br />
die 500. Cranger Kirmes um sechs Jahre<br />
vorverlegt – ein zweifelhafter Schachzug,<br />
02 unter uns AUSGABE 02 | 2011<br />
doch immerhin konnte das große Jubiläum<br />
so noch in Friedenszeiten gefeiert<br />
werden.<br />
Die Frage, ob die Cranger Kirmes <strong>wir</strong>klich<br />
das größte Volksfest Deutschlands<br />
ist, konnte nach langen Diskussionen<br />
nun endlich geklärt werden: Ja, sie ist<br />
es! Allerdings nur, wenn man die Besucheranzahl<br />
pro Quadratmeter als Messgröße<br />
anlegt. Auf einem Quadratmeter<br />
drängeln sich hier pro Tag rund 5,4<br />
Menschen, das <strong>sind</strong> viermal so viele <strong>wie</strong><br />
auf dem Münchner Oktoberfest.<br />
Heute ist die Cranger Kirmes nicht nur<br />
das größte Ereignis in Wanne-Eickel und<br />
Herne, sondern im gesamten Revier<br />
bzw. – ruhig selbstbewusst – in ganz<br />
NRW. Und so groß <strong>wie</strong> der Besucherandrang<br />
ist jedes Jahr auch der Wunsch,<br />
mit noch schnelleren, größeren und<br />
spektakuläreren Fahrgeschäften die<br />
Sensationen des Vorjahrs zu übertrumpfen.<br />
Das Ende vom Lied: Die heutigen<br />
Karussells kann man im engeren Sinne<br />
nicht mehr genießen, sondern bestenfalls<br />
überleben. Aktuell bietet etwa das<br />
neue Fahrgeschäft „Boostermaxxx“ eine<br />
launige Beschleunigung von 4 G an. Mit<br />
anderen Worten: Ein 80 kg schwerer<br />
Mann fühlt sich plötzlich so, als wöge er<br />
320 kg, herrlich!<br />
Wer jedoch auf solch magenverrenkende<br />
Spielereien verzichtet, trifft auf der<br />
Cranger Kirmes das, <strong>was</strong> die Menschen<br />
schon seit Jahrhunderten herlockt –<br />
leckeres Essen, nette Leute und nicht<br />
selten die Liebe fürs Leben.