110 jahre genossenschaft: wie wir wurden, was wir sind!
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Platz machen, die hoffentlich auch hundert<br />
Jahre überdauern werden.<br />
Die damalige „Erstausstattung“ der Wohnungen<br />
würde heute vermutlich bei jedem<br />
Nutzer nur entsetztes Kopfschütteln hervorrufen.<br />
Für damalige Verhältnisse galt sie<br />
allerdings als „hochmodern“. Es gab – vor<br />
allem in den Neubauten der Folge<strong>jahre</strong> –<br />
teilweise eigene Waschküchen, Baderäume,<br />
Stahlbetondecken und sogar elektrisch beleuchtete<br />
Treppenhäuser. Ein absolutes<br />
Novum für die damalige Zeit waren auch<br />
die 5-Zimmer-Wohnungen für kinderreiche<br />
Familien. Man kann sich vorstellen, dass<br />
solch Luxus schnell viele Begehrlichkeiten<br />
weckte. Und auch wenn die Genossenschaftswohnungen<br />
zunächst auf Bedienstete<br />
der Eisenbahn beschränkt waren, so<br />
gab es doch sehr viel mehr hoffnungsvolle<br />
Wohnungsbewerber als tatsächliche<br />
Wohnungen. Oft entschied<br />
das Los, wer in die behagliche<br />
Sicherheit der neuen vier Wände<br />
einziehen durfte.<br />
In den folgenden Jahren ging es<br />
aufwärts. Die Genossenschaft<br />
wuchs, baute, und immer mehr<br />
Mitglieder kamen in den Genuss<br />
neuer Wohnungen. Die Elektrizität<br />
begann ihren Siegeszug durch die<br />
Industriehallen und Wohnungen,<br />
Fortschrittsglauben und Technikbegeisterung<br />
erfüllte eine ganze<br />
Generation. Mit dem Fortschritt<br />
wuchs allerdings in allen europäischen<br />
Ländern auch der Nationalstolz, der<br />
schließlich 1914 im verheerenden ersten<br />
Weltkrieg gipfelte.<br />
Doch zum Glück bleiben von den schlimmsten<br />
Ereignissen oft nur die schöneren<br />
Erinnerungen übrig. Da ist zum Beispiel die<br />
Geschichte eines unserer Mitglieder aus<br />
der Florastraße, die davon handelt, <strong>wie</strong> sie<br />
TITELTHEMA<br />
nach dem Krieg heimlich ein Schwein dick<br />
gefüttert hatte. Während der französischen<br />
Besatzung war das streng verboten, und<br />
dass man das Quieken damals nicht gehört<br />
habe, könne man sich heute eigentlich<br />
nur mit dem allgegenwärtigen Kinderlärm<br />
erklären. Es wurde also <strong>wie</strong>der gespielt<br />
auf den Straßen Wanne-Eickels. Gebaut<br />
hingegen wurde nicht, denn die sch<strong>wie</strong>rigen<br />
Nachkriegs<strong>jahre</strong> und die grassierende<br />
Inflation machten eine solide Bauplanung<br />
für insgesamt zehn Jahre unmöglich. Es gab<br />
dennoch viel zu tun, man half sich gegenseitig,<br />
und gerade diese schwere Zeit hat<br />
das Zusammengehörigkeitsgefühl unserer<br />
Genossenschaft geprägt und gestärkt.<br />
Die Ertragsrechnung der Genossenschaft<br />
für das Jahr 1923 belief sich auf stolze<br />
2.500.000.000.000 Mark, <strong>was</strong> selbst für<br />
heutige Verhältnisse eine unmögliche<br />
Summe darstellt. Die scheinbar eindrucksvolle<br />
Summe war natürlich der Inflation<br />
geschuldet und wurde mit der Währungsreform<br />
zum 01.01.1924 auf rund 780.000<br />
Gold-Mark festgelegt. Somit gab es <strong>wie</strong>der<br />
einen verlässlichen Geldwert, einen funktionierenden<br />
Markt und eine gewaltige Wohnungsnot<br />
– ideale Startbedingungen für<br />
weitere Bauprojekte. Die Genossenschaft<br />
errichtete bis Anfang der dreißiger Jahre<br />
zahlreiche Gebäude in der Schubertstraße,<br />
Auf dem Hörstchen und zwischen der<br />
Schlachthofstraße und dem Grünen Ring.<br />
Und sie stand mit ihrem Wiederaufbauprogramm<br />
nicht allein: Von 1920 bis 1927 entstanden<br />
allein in Duisburg ganze zwanzig<br />
neue Bau<strong>genossenschaft</strong>en.<br />
Die Zwanziger Jahre waren schön. Direkt an<br />
der Florastraße öffnete die „Flora Marzina“,<br />
einer der ersten „Lustgärten“ des Reviers<br />
mit romantischer Burgruine, Tiergarten,<br />
Konzertmuschel, See und Wasserfall. Vor<br />
unter uns AUSGABE 02 | 2011 05