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Ein langer Blick hinter die Kulissen

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<strong>Ein</strong> <strong>langer</strong> <strong>Blick</strong> <strong>hinter</strong> <strong>die</strong> <strong>Kulissen</strong><br />

<strong>Ein</strong> Anlass wie das Swiss Bike Masters erfordert eine perfekte Organisation und viele Menschen<br />

<strong>die</strong> mit Freude mithelfen, dass <strong>die</strong> Veranstaltung zu einem Erfolg wird, ja überhaupt<br />

stattfinden kann. P&H fand es an der Zeit, für einmal einen langen <strong>Blick</strong> <strong>hinter</strong> <strong>die</strong> <strong>Kulissen</strong> <strong>die</strong>ses<br />

Grossanlasses zu werfen und einige der gegen tausend Helfer bei ihrer Arbeit zu beobachten.<br />

Für <strong>die</strong> nächsten fünf Tage wird hier kein Tennis spielender Sportler anzutreffen sein. Es ist Mittwochnachmittag.<br />

Urs Schlegel entfernt das letzte Netz in der grossen Halle vom Sportzentrum<br />

in Küblis. Bereit für den Aufbau. In zwei Tagen muss alles vorbereitet sein für den grossen Anlass,<br />

das 12. Swiss Bike Masters. Schlegel ist als Angestellter von Swiss Bike Masters während fast<br />

zwei Wochen vor Ort im <strong>Ein</strong>satz.<br />

Viel Vorarbeit nötig<br />

Etwas später verschiebt er zusammen mit Beat Scheu draussen vor der Halle schwere Elemente<br />

um an Balken zu gelangen. Scheu benötigt sie für den Kids Parcours. Auch er ist <strong>die</strong> ganze<br />

Woche im <strong>Ein</strong>satz, steckt <strong>die</strong> verschiedenen Kurse im Gebiet Tuss aus, rüstet Absperrmaterial,<br />

ist überall behilflich, wo Not am Mann ist. Am Donnerstagnachmittag, wenn er noch mit dem<br />

Auspflocken des Bretterslaloms beschäftigt sein wird, werden schon <strong>die</strong> ersten Kinder über<br />

den Parcours flitzen; <strong>Ein</strong>heimischenbonus.<br />

Um <strong>die</strong> Bikewelt auf <strong>die</strong>sen Anlass aufmerksam zu machen, wurde bereits im Frühjahr <strong>die</strong><br />

Rennzeitschrift versendet. Das Organisationskomitee musste gebildet, Sponsoren gesucht und<br />

viel Administratives erledigt werden. <strong>Ein</strong> <strong>Blick</strong> in den Geschäftsraum des SBM in Schiers am<br />

Montag zeigte Hochbetrieb. Nonstop schrillte irgendwo ein Telefon, ein Handy, beantworteten<br />

Daniela Göpfert und Chef Andy Vetsch irgendwelche Fragen. Und nebenbei soll auch<br />

noch der ganz normale Geschäftsbetrieb erledigt werden.<br />

Funkmeister Schürch<br />

Ohne funktionierendes Übermittlungsnetz läuft an einem solchen Anlass überhaupt nichts.<br />

Zuständig dafür seit zwölf Jahren ist Funkmeister Balthasar Schürch, bis vor einigen Jahren als<br />

Militarist, jetzt als Privatperson. Unterstützt wird er dabei vom Eidgenössischen Verband der<br />

Übermittlungstruppen. 15 Lautsprechanlagen im ganzen Renngebiet verteilt und 170 Funkgeräte,<br />

zivile und militärische werden im <strong>Ein</strong>satz stehen, müssen zuvor jedoch abgestimmt, angeschrieben,<br />

aufgeladen oder mit je 15 Batterien bestückt werden.<br />

Am Donnerstagnachmittag ist der Boden der Halle mit einer grauen Folie bedeckt, <strong>die</strong> Bars,<br />

das Buffet, aufgestellt. 18 Mitglieder der Zivilschutzkompanie Prättigau unter der Leitung von<br />

„Feldweibel“ Thomi Gurt erstellen <strong>die</strong> Tanzbühne und den Gabentempel, errichten <strong>die</strong> Verkaufsstände<br />

auf den Aussenplätzen und verteilen Absperrgitter. „Für einen Bürolisten fast zu<br />

schwer“, meint Alfred der Bänker, lachend, während er mit einem Kollegen fünf Meter lange<br />

Schaltafeln nach hinten schleppt.<br />

Hunderte Tonnen Material<br />

Am Freitagvormittag sind alle Tische und Bänke verteilt, gesamthaft für etwa 2000 Personen.<br />

Die reinsten Lastesel, <strong>die</strong> ZS-Mitglieder. Hunderte von Tonnen Material haben sie bis jetzt<br />

schon verschoben, aufgestellt oder montiert. Damit <strong>die</strong> Preisverteilung reibungslos abläuft,<br />

müssen nach Kategorie und Platzierung <strong>die</strong> 90 Preise an <strong>die</strong> richtige Stelle gesetzt werden.<br />

Diese Arbeit beim Gabentempel erledigen Gabriela Vetsch, Ehefrau des Rennleiters und ihre<br />

Mutter Agnes Gansner. Ja, <strong>die</strong> Verwandtschaft hat’s in sich. In Küche und Restaurant sind<br />

Mama Vetsch, Mama Göpfert und Corina Göpfert während des Wochenendes verantwortlich<br />

für <strong>die</strong> leibliche Stärkung der OK-Mitglieder.<br />

„Zum Znacht gits Chääshörnli und Huuswürscht“, sagt Mama Vetsch am Freitagnachmittag,<br />

während sie beim Abwasch ist und zwischendurch OK-Mitgliedern einen Kaffee oder ein kühles<br />

Getränk serviert. An einem Tisch sitzt Andy Vetsch, ihr Sohn bei einer Besprechung. Das<br />

wird für <strong>die</strong> nächsten zwei Tage seine Arbeit sein, ebenso wie von Daniela Göpfert; Probleme<br />

lösen, unmögliche Dinge organisieren und immer und überall sein.<br />

Zeichnen, einrichten, bestücken, putzen<br />

Und schon treffen <strong>die</strong> ersten Aussteller ein, richten ihre Zelte auf. Die Pläne dazu zeichnet seit<br />

Jahr und Tag George Wolken. Für <strong>die</strong> anderen Zelte, den Campingplatz ist der Hockeyclub


Jenaz unter der Leitung von Peter Strebel zuständig, aber der ist bereits in Betrieb, wurde von<br />

ihnen eingerichtet, ebenso wie das Parkplatzgelände in Dalvazza.<br />

Der Waschraum der Garage Muzzarelli ist leergeräumt, wird bald als Sanitätsposten <strong>die</strong>nen,<br />

vom Verantwortlichen Beat Hiltpold mit Notliegen, Verbandsmaterial, Salben, Desinfizierungsmittel<br />

und anderem Gebräu bestückt. In der Garage selbst ist ein Lehrling am Werk: Mit<br />

der Spritzkanne voller Seifenlauge begiesst er den Boden. Sauber muss es sein, wenn Funkmeister<br />

Schürch sein Labor betritt.<br />

Tag und Nacht im <strong>Ein</strong>satz<br />

In der Halle auf einem Treppentritt beim <strong>hinter</strong>en Ausgang sitzend, bespricht Festwirt Ralph<br />

Cottiati mit Heidi Roffler den <strong>Ein</strong>satzplan des Abends. Rita Mathis und Hitsch Flütsch verteilen<br />

derweil Zucker, Becher, Kaffeerahm und vieles mehr auf dem langen Buffet. Aus der Küche<br />

draussen, welche mit Planen geschützt ist, riecht es fein. In einem Chromstahlbehälter köchelt<br />

Tomatensauce still vor sich hin, während zwei von Cottiatis Team damit beschäftigt sind,<br />

Pommes vorzubacken. Etwa 30 Personen stehen ihm während dem Anlass zur Seite, einige<br />

von ihnen fast pausenlos, zwei Tage und zwei Nächte: „ Viele davon sind seit Anfang an dabei,<br />

da muss man nicht mehr viel sagen“, lobt Cottiati. Muss es auch, wenn 1.5 Tonnen Spaghetti,<br />

2000 Liter Bier, 1500 Würste und 3 Container voller Getränke an den Mann gebracht<br />

werden sollen.<br />

«Tote Hose» am Freitag<br />

Am Freitagabend um 20 Uhr verkaufen einige Kinder Tombolalose. Seit der ersten Austragung<br />

ist dafür Andres Hartmann verantwortlich, bestellt alljährlich 40 000 Lose, verteilt sie an <strong>die</strong><br />

Verkaufsstellen im Tal, kauft <strong>die</strong> Direktpreise ein und erstellt <strong>die</strong> Abrechnung.<br />

Viel ist jedoch nicht los, das Servicepersonal ist nicht ausgelastet, hie und da ein Getränk, eine<br />

Portion Spaghetti. Später wird’s nicht besser, <strong>die</strong> grosse Bar erst gar nicht eröffnet, obwohl<br />

Charlys Partyband sehr gute Tanzmusik spielt.<br />

Kleinere Probleme am Samstag<br />

Probleme am frühen Samstagnachmittag in der Garage des Transportunternehmens Gujan in<br />

Schiers. Helfer vom Verpflegungsstand Klosters stehen ratlos vor einem Berg Schachteln des<br />

Verpflegers „Sponser“. Zwei Autos, nie und nimmer passt alles rein. Anderen ergeht‘s nicht<br />

besser. Kein Wunder, stapeln sich doch hier 1.3 Tonnen Bananen, 700 Liter Bouillon, 50 000 Liter<br />

Sporttee, 10 000 Liter isotonische Getränke, 150 Kilo „Spaghetti“, natürlich das Meiste in Pulverform.<br />

In Küblis sind um 16 Uhr <strong>die</strong> Kidsrennen fast beendet. Zwei Töfffahrer sind im <strong>Ein</strong>satz. Unter grossem<br />

Jubel von jungen Zuschauern legen sie bei der Rampe im Zielbereich kleine Stunts ein. 13<br />

Fahrer, <strong>Ein</strong>heimische und Mitglieder des Geländesportclubs Zürich unter der Leitung von Thomi<br />

Studer betätigen sich während der Rennen als Vorfahrer, Streckenkontrolleure, Besenfahrer<br />

und Pressefahrer.<br />

Hörnli und T’Shirts zu Hauf<br />

Bei der Startnummernausgabe in der Halle herrscht Hochbetrieb. Jungs vom HC Prättigau<br />

verstauen Hörnli, T’Shirts, Trinkflaschen und Prospektmaterial in Plastiktaschen und suchen <strong>die</strong><br />

Nummern heraus. Die Nachmeldungen werden aufgenommen und von Datasport, der verantwortlichen<br />

Firma für <strong>die</strong> Zeitmessung erfasst.<br />

Vor dem Gebäude der Terno treffen 25 Mitglieder des SSC Fideris ein. Sie haben <strong>die</strong> Streckensicherung<br />

für’s Freeride-Rennen übernommen. Der Verantwortliche Hansueli Gansner gibt<br />

Instruktionen durch, verteilt <strong>die</strong> Funkgeräte und <strong>die</strong> neongelben Westen, an denen man <strong>die</strong><br />

Streckenposten schon von weitem erkennen soll. Die Strecke vom Weissfluhjoch bis Küblis hat<br />

Gansner bereits vor einer Woche beschildert, damit <strong>die</strong> Downhiller trainieren konnten.<br />

«Ich könnte heulen»<br />

Sonntagmorgen 5 Uhr. Als ob eine Bombe eingeschlagen hätte! Abfall auf dem riesigen Festgelände<br />

wohin das Auge schaut. Papier, Flaschen, Glasscherben, Stücke von blauen Plastikgläsern,<br />

undefinierbare säuerlich riechende Pfützen, und zu all dem liegt ein bestialischer Gestank<br />

über dem ganzen Areal. „Heulen könnte ich“ sagt Heidi Roffler, während sie mit einem<br />

grossen Reisigbesen zusammen mit vielen anderen <strong>die</strong> Plätze fegt. Dabei macht sie einen<br />

Bogen um eine riesige stinkende Lache in der lauter rosarote und braune Fetzen schwimmen.<br />

<strong>Ein</strong>e Horde junger besoffener „Gäste“ warf nach der durchzechten Nacht eine mobile WC-<br />

Anlage um. Zudem rissen sie im Duschzelt <strong>die</strong> Brausenköpfe ab, verbogen Zeltgestänge und<br />

versuchten wiederholt in <strong>die</strong> Container einzubrechen.<br />

Gegen tausend Freiwillige<br />

George Wolken richtet mit seinen Helfern seit vier Uhr das Startgelände ein, Absperrgitter und<br />

Bänder werden noch montiert. Drei Starts gilt es für ihn zu organisieren, zu kanalisieren, danach<br />

erfolgt der vierte Start in Saas.<br />

In Versalz, Fideris ertönt um 11 Uhr eine Stimme aus dem Funkgerät der Samariterin Ingrid<br />

Sprissler. „Sano 88 ufäm Poschtä“. „Super, än schöna Tag“ lautet <strong>die</strong> Antwort von Schürch.


Gesamthaft sind etwa 100 Samariter von Mels bis Klosters im <strong>Ein</strong>satz, verbinden kleinere Verletzungen<br />

und erstatten bei schweren Unfällen Meldung. An derselben Stelle, amtet Hans<br />

Hartmann als Streckenposten, achtet darauf dass keine Zuschauer <strong>die</strong> Biker gefährden. Gegen<br />

700 Freiwillige sichern <strong>die</strong> zehn Streckenabschnitte, welche zuvor von den Streckenchefs<br />

signalisiert und abgesperrt wurden.<br />

«Iso, Iso!»<br />

Auf dem Dorfplatz von Saas herrscht um <strong>die</strong> Mittagszeit hektische Betriebsamkeit. „Iso, Iso „<br />

rufen sieben Kinder und strecken den ankommenden Fahrern Trinkflaschen entgegen. Am<br />

Verpflegungsstand werden <strong>die</strong> weggeworfenen Flaschen abgewaschen, Tee, Bouillon und<br />

Iso mit frischem Wasser angemacht und bereit gestellt, Bananenstücke und Orangenschnitze<br />

geschnitten, welche von den Fahrern gierig ausgesaugt werden. Auch beim Reparaturposten<br />

von Brauchli, Landquart kommt Hektik auf, <strong>die</strong> zahlreich eintreffenden Bikes samt Fahrern<br />

sind schlammverspritzt, werden mit Hochdruck davon befreit. Es gilt Pneus nachzupumpen<br />

und Kettenöl aufzutragen.<br />

Zumindest noch humpeln<br />

Um 13.30 Uhr stehen <strong>die</strong> Finisher vor dem Kärcher Waschservice im Zielbereich in Küblis bereits<br />

Schlange. Kärchercenter Mathis ist mit neun Waschstationen plus Veloshamponierern voll im<br />

<strong>Ein</strong>satz. Auch auf dem Sanitätsposten ist <strong>die</strong> Warterei vorbei, ständig tauchen Verletzte auf,<br />

können glücklicherweise noch laufen oder zumindest humpeln. Prellungen und Schürfungen<br />

werden von Samaritern verarztet oder je nach Fall vom anwesenden Notarzt untersucht.<br />

Bei Funkmeister Schürch gehen fast gleichzeitig zwei Meldungen über Unfälle ein; einer bei<br />

Alp Nova, einer unterhalb vom Schifer. Gesichtsverletzungen und Frakturen. Da kann nur der<br />

Heli ran. Also koordiniert und organisiert Schürch in gewohnt ruhiger Weise den <strong>Ein</strong>satz,<br />

manchmal mit zwei Funkgeräten gleichzeitig.<br />

Der reinste Hexenkessel<br />

Alle 14 Liegen im Massagezelt sind besetzt und davor steht eine lange Schlange, wartet auf<br />

erlösende Hände. Von Dul-X Sport<strong>die</strong>nst sind 30 Personen mit der Massage von ermüdeten<br />

Gliedern beschäftigt.<br />

Speaker Kaufmann ist seit Frühmorgens auf den Beinen, selten ein Augenblick an <strong>die</strong>sem Wochenende,<br />

an dem er nicht in seinem Ausguck auf dem Containerdach sitzt, wichtige Infos<br />

und Fachwissen bekannt gibt und Sieger und Siegerinnen interviewt.<br />

Draussen im Zielgelände zwicken Peter Strebel und seine Söhne den auf den letzten Metern<br />

rasant ankommenden Fahrern <strong>die</strong> Chips vom Bike. Auf den Plätzen rund um <strong>die</strong> Festhalle ist<br />

ein schnelles Durchkommen unmöglich. Tausende von Menschen bevölkern ihn; erschöpfte<br />

Teilnehmer, Bekannte, Verwandte, grosse und kleine Zuschauer. Der reinste Hexenkessel.<br />

Im wahrsten Sinne leergefegt<br />

Montagvormittag 11 Uhr: Das ganze Areal vor dem Sportzentrum ist im wahrsten Sinne leergefegt,<br />

keine Menschenseele ist zu sehen, verschwunden sind Zelte, Festbänke, elektronische<br />

Anlagen, Absperrgitter einfach alles. Beim Kidsparcours stehen einige Hindernisse abholbereit<br />

am Rande der Strasse. Zwei Zivilschützer karren auf einem Anhänger Müll <strong>hinter</strong> <strong>die</strong> Halle, werfen<br />

ihn in eine Abfallmulde. Das Restaurant ist dunkel, <strong>die</strong> Stühle auf den Tischen. Nur in der<br />

Halle sind noch einige anzutreffen. Sie schieben Reinigungsgeräte durch den riesigen Raum,<br />

entfernen Klebeband, rollen <strong>die</strong> Abdeckplanen auf und verstauen sie <strong>hinter</strong> den seitlichen<br />

Verkleidungen der Halle. Um 17 Uhr befestigt Urs Schlegel das letzte Netz in der Halle; bereit<br />

für’s nächste Tennisspiel.<br />

Erschienen im P&H im Juli 2005

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