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dPV Aktuell 46 - Deutsche Parkinson Vereinigung eV

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AKTUELL<br />

April/Mai 2009<br />

NR. <strong>46</strong><br />

Therapie-Optionen beim Fortschreiten der<br />

<strong>Parkinson</strong>-Krankheit<br />

von: Lutz Johner, Medizinjournalist, Hamburg; wissenschaftliche Beratung: Prof. Dr. med. Reiner Thümler, Mainz<br />

Die Therapie mit <strong>Parkinson</strong>-Medikamenten ist eine lebenslange Therapie. Da die grundlegende(n) Ursache(n)<br />

der <strong>Parkinson</strong>-Krankheit immer noch unbekannt ist/sind, kann die medikamentöse Therapie (um<br />

die es sich in diesem Beitrag handelt), die Symptome der Krankheit nur verringern bzw. lindern. Allerdings<br />

ist in den letzten Jahren eine Reihe neuer Medikamente auf den Markt gekommen, welche die Therapiemöglichkeiten<br />

weiter verbessern. Mittlerweile stehen sieben Wirkstoffgruppen mit mehr als 100 Einzel-Medikamenten<br />

zur Verfügung (eine vollständige Darstellung und Beschreibung aller <strong>Parkinson</strong>-Medikamente<br />

gibt übrigens die Broschüre „<strong>Parkinson</strong>-Medikamente im Bild“, zu bestellen für 2,60 Euro unter www.par<br />

kinson-vereinigung.de „Interaktive Bestellungen“). So kann man sagen, dass <strong>Parkinson</strong>-Patienten bei unkompliziertem<br />

Verlauf und mit entsprechender Behandlung heute eine Lebenserwartung haben, die jener<br />

der Durchschnittsbevölkerung weitestgehend entspricht. Der Verlauf der <strong>Parkinson</strong>-Krankheit ist im Einzelfall<br />

allerdings sehr unterschiedlich. Daher können die auftretenden Symptome variieren und sich individuell<br />

verschieden stark bemerkbar machen.<br />

Therapie in der Frühphase<br />

der Krankheit<br />

Die meisten Patienten bekommen<br />

in der Anfangsphase der <strong>Parkinson</strong>-Krankheit<br />

einen Dopaminagonisten<br />

oder Levodopa verordnet.<br />

Mit dieser medikamentösen<br />

Therapie werden die Symptome<br />

für eine gewisse Zeit spürbar gebessert<br />

und sind im Tagesverlauf<br />

kaum noch zu bemerken (Honeymoon-Phase).Dopaminagonisten<br />

werden besonders in den ersten<br />

Krankheitsjahren und bei jüngeren<br />

Betroffenen eingesetzt. Sie<br />

wirken an den noch intakten Anteilen<br />

der Übertragungsstelle der motorischen<br />

Signalfortleitung (postsynaptischer<br />

Teil), haben eine längere<br />

Wirkdauer als Levodopa und erlauben<br />

somit eine kontinuierlichere<br />

Reizweiterleitung. Zudem gibt es<br />

in Studien Hinweise für eine Verlangsamung<br />

des Krankheitsverlaufs,<br />

möglicherweise durch einen<br />

Nervenzellschutz (Neuroprotek-<br />

tion). Die ersten Dopaminagonisten<br />

wurden schon Anfang der 70er<br />

Jahre eingesetzt. Um die Nebenwirkungsrate<br />

möglichst niedrig zu<br />

halten, ist eine langsame Aufdosierung,<br />

notwendig. Beim Umsetzen<br />

von L-Dopa auf einen Dopaminagonisten<br />

müssen die Betroffenen<br />

über eine Phase einer möglichen<br />

vorübergehenden Verschlechterung<br />

aufgeklärt werden, um Therapieabbrüchen<br />

vorzubeugen. Als<br />

unerwünschte Wirkung tritt nicht selten<br />

zu Beginn der Medikation eine<br />

vorübergehende Übelkeit auf, die<br />

durch Zugabe von Domperidon (z.<br />

B. Motilium ® ) gemildert werden kann.<br />

Bei älteren Patienten (die aktuellen<br />

Leitlinien der <strong>Deutsche</strong>n Gesellschaft<br />

für Neurologie/DGN setzen<br />

hier eine Grenze von 70 Jahren,<br />

wobei das biologische Alter<br />

entscheidend ist) wird die medikamentöse<br />

Therapie in der Regel<br />

nicht mit Dopaminagonisten, sondern<br />

mit Levodopa eingeleitet, da<br />

bei älteren Patienten das Risiko psychischer<br />

Nebenwirkungen (Trugbilder<br />

und Verwirrtheitszustände)<br />

sowie anderer unerwünschter Nebenwirkungen<br />

unter Dopaminagonisten<br />

höher ist.<br />

Bei Patienten über 70 Jahren<br />

oder multimorbiden Patienten wird<br />

die Behandlung also in der Regel<br />

mit Levodopa (= L-Dopa) als Mono-Therapie<br />

begonnen und diese<br />

Mono-Therapie beibehalten, solange<br />

keine Wirkungsfluktuationen<br />

oder andere Therapiekomplikationen<br />

auftreten. Das standardmäßig<br />

mit einem Dopa-Decarboxylasehemmer<br />

kombinierte Levodopa<br />

bessert so eindrucksvoll die <strong>Parkinson</strong>-Symptome,<br />

insbesondere<br />

Akinese und Rigor, dass es gleichzeitig<br />

zur Diagnosesicherung genutzt<br />

wird (L-Dopa-Test). Levodopa<br />

wird in der Regel gut vertragen.<br />

Nur gelegentlich kommt es zu<br />

Beschwerden wie leichter Benommenheit<br />

und Übelkeit, die bei Re-<br />

<strong>dPV</strong> aktuell . Nr. <strong>46</strong> . April/Mai 2009 Seite 1


duzierung der Dosis fast immer abklingen.<br />

In Abhängigkeit vom Fortschreiten<br />

der Erkrankung wird die<br />

zusätzliche Levodopa-Gabe bei<br />

anfänglicher Monotherapie mit einem<br />

Dopaminagonisten - oft schon<br />

nach wenigen Jahren - notwendig.<br />

Im Langzeitverlauf wird also nahezu<br />

jeder <strong>Parkinson</strong>-Patient irgendwann<br />

„Levodopa-pflichtig“ .<br />

Therapieoptionen beim Fortschreiten<br />

der Krankheit<br />

Leider ist es ein Kennzeichen<br />

der <strong>Parkinson</strong>-Krankheit, dass sie<br />

nicht zum Stillstand kommt, sondern<br />

weiter voranschreitet. So werden<br />

die Patienten irgendwann feststellen<br />

oder haben schon bemerkt,<br />

dass im Tagesverlauf Symptome<br />

wieder auftreten oder stärker ausgeprägt<br />

sind, noch bevor sie die<br />

reguläre nächste Medikamenten-<br />

Dosis einnehmen. Dieses Phänomen<br />

der vorzeitig nachlassenden<br />

Medikamenten-Wirkung nennt man<br />

im medizinischen Sprachgebrauch<br />

Wearing-off.<br />

Wearing-off-Symptome können<br />

sich von Patient zu Patient ganz<br />

unterschiedlich zeigen. So können<br />

sowohl das (Wieder-)Auftreten von<br />

Bewegungsverlangsamung und<br />

Zittern (Tremor) ebenso Zeichen<br />

des Wearing-off sein, wie zunehmende<br />

Steifigkeit der Muskulatur<br />

oder eine verminderte Geschicklichkeit.<br />

Zu den Wearing-off-Episoden<br />

zählt auch die nächtliche bzw.<br />

frühmorgendliche oder nachmittägliche<br />

Akinese. Es können jedoch<br />

auch nicht-motorische Symptome<br />

wie Stimmungsschwankungen,<br />

Angstgefühle oder Schmerzen<br />

im Rahmen des Wearing-off<br />

auftreten (siehe dazu auch <strong>dPV</strong><br />

aktuell Nr. 41, April 2008, kostenloser<br />

Download unter www.parkin<br />

son-vereinigung.de „Interaktive<br />

Bestellungen“).<br />

Selbst für den Arzt ist es oft nicht<br />

ganz leicht, die mitunter diskreten<br />

Wearing-off-Symptome frühzeitig<br />

zu diagnostizieren und richtig einzuordnen.<br />

Wenn Sie daher das Gefühl<br />

haben, dass Ihre Medikamen-<br />

te nicht mehr so gut und so lange<br />

wirken oder dass eventuell neuartige<br />

Symptome auftreten, sollten<br />

Sie dies auf jeden Fall mit Ihrem<br />

Arzt besprechen. Er wird überprüfen,<br />

ob die Medikamente, die Sie<br />

einnehmen, noch richtig für Sie sind<br />

und eventuell eine Umstellung Ihrer<br />

Medikation vornehmen. Sie können<br />

Ihren Arzt unterstützen, indem<br />

Sie beispielsweise einen von <strong>Parkinson</strong>-Spezialisten<br />

entwickelten<br />

Wearing-off-Fragebogen (WOQ-9)<br />

ausfüllen. Diesen erhalten Sie bei<br />

Ihrem Neurologen oder im Internet<br />

unter www.stalevo.de.<br />

Neben dem Ausfüllen des Wearing-off-Fragebogens<br />

ist beim Auftreten<br />

von motorischen und nichtmotorischen<br />

Fluktuationen eine Dokumentation<br />

des Tagesablaufes<br />

(Beweglichkeitsprofil) sinnvoll, um<br />

die Dauer der „Off“-Phasen und<br />

den zeitlichen Verlauf von Überbewegungen<br />

(Dyskinesien) zu dokumentieren<br />

(Vorlagen werden<br />

von verschiedenen Pharmafirmen,<br />

so auch unter der o.g. Internetadresse<br />

www.stalevo.de angeboten).<br />

Für den Patienten ist darüber hinaus<br />

ein konsequentes Einhalten<br />

der Einnahmezeiten wichtig, notfalls<br />

sind technische Hilfsmittel wie<br />

elektronische Wecker und ähnliches<br />

zur Erinnerung an die Medikamenteneinnahme<br />

erforderlich.<br />

Bei Patienten, die zu Vergesslichkeit<br />

neigen, ist auf jeden Fall die<br />

Hilfe von Angehörigen notwendig.<br />

Um Wearing-off-Symptome zu<br />

verhindern oder zu verringern, gibt<br />

es eine Reihe von Strategien, die<br />

Ihr Arzt mit Ihnen besprechen wird.<br />

Er wird Ihre bisherige Medikation<br />

wahrscheinlich ändern oder zusätzliche<br />

<strong>Parkinson</strong>-Medikamente<br />

verordnen. Um ein für den Patienten<br />

befriedigendes Ergebnis zu<br />

erreichen, braucht es Geduld und<br />

gelegentlich eine erneute Veränderung<br />

der Medikation.<br />

Am einfachsten durchzuführen<br />

und mit den wenigsten Nebenwirkungen<br />

behaftet ist die Verkürzung<br />

der L-Dopa-Einnahmeintervalle<br />

bei gleichzeitiger Reduktion der<br />

Einzeldosen. Führt jedoch die reduzierte<br />

Einzeldosis nicht mehr zu<br />

einer ausreichenden Wirkung, wird<br />

eine Erhöhung der Einzeldosen<br />

und damit auch die Erhöhung der<br />

Gesamttagesdosis notwendig.<br />

Eine andere Strategie ist der Einsatz<br />

von L-Dopa-Retard-Präparaten<br />

(z. B. Nacom ® retard oder Madopar<br />

Depot ® ). Levodopa Retard<br />

ist eine Darreichungsform, aus der<br />

Levodopa über einen längeren Zeitraum<br />

als bei herkömmlichen Levodopa-Präparaten<br />

in das Blut abgegeben<br />

wird. Nachteil von Levodopa<br />

Retard am Tage ist die schlechte<br />

Steuerbarkeit wegen der variablen<br />

Resorption (s. u.), kann jedoch<br />

bei Patienten mit nächtlicher oder<br />

frühmorgendlicher Akinese sowie<br />

als Add-on-Therapie zum unretardiertem<br />

L-Dopa während des Tages<br />

eingesetzt werden. Wenn beide<br />

Vorgehensweisen zu keinem<br />

ausreichenden Erfolg führen, kann<br />

die zusätzliche Gabe des seit Jahrzehnten<br />

bewährten MAO-B-Hemmers<br />

Selegilin (z. B. Movergan ® )<br />

oder des neueren MAO-B-Hemmers<br />

Rasagilin (Azilect ® ) versucht<br />

werden. Amantadin kann kurzfristig<br />

Dyskinesien bessern.<br />

Ziel der modernen Levodopa-<br />

Therapie ist eine möglichst konstante<br />

Versorgung des Gehirns mit<br />

Levodopa, damit das Gehirn kontinuierlich<br />

Dopamin bilden kann.<br />

Eine der möglichen medikamentösen<br />

Maßnahmen dafür ist die Verbesserung<br />

der L-Dopa-Absorption<br />

im Darm und des aktiven Transportsystems<br />

an der Blut-Hirnschranke.<br />

Levodopa wird im Duodenum (Dünndarm)<br />

und proximalen Jejunum<br />

(schließt an den Dünndarm an)<br />

aufgenommen. Eine verzögerte<br />

Magenentleerung und eine mangelnde<br />

Aufnahme aufgrund großer<br />

Aminosäuren, die mit L-Dopa um<br />

diese Aufnahme konkurrieren, stellen<br />

wichtige Faktoren in der Entstehung<br />

motorischer Fluktuationen<br />

dar. Die gastrointestinale Absorption<br />

kann dadurch verbessert werden,<br />

dass die Nahrungsaufnahme<br />

zeitlich deutlich von der L-Dopa-Ein-<br />

<strong>dPV</strong> aktuell . Nr. <strong>46</strong> . April/Mai 2009 Seite 2


nahme abgegrenzt und wird. Durch<br />

die Gabe von Domperidon und Antazida<br />

kann die Magenentleerung<br />

beschleunigt werden. Durch das Auflösen<br />

der L-Dopa-Tablette in Wasser<br />

gelangt das Medikament rascher<br />

in den Dünndarm und wird<br />

dadurch schneller wirksam. In der<br />

Praxis eignet sich die Gabe von<br />

löslichem L-Dopa ( Madopar LT ® ),<br />

aber auch der Auflösung von herkömmlichen<br />

L-Dopa in Wasser (Isicom<br />

® , Nacom ® ). Gelöstes L-Dopa<br />

wird vor allem zur rascheren Überwindung<br />

von Off-Phasen eingesetzt,<br />

da mit einem Wirkungseintritt<br />

schon nach 30 Minuten gerechnet<br />

werden darf.<br />

Der COMT-Hemmer Entacapon<br />

(Comtess ® ) erhöht durch die periphere<br />

Hemmung des Abbaus von<br />

L-Dopa die Plasmakonzentration<br />

und somit die Bioverfügbarkeit und<br />

Wirkdauer von L-Dopa. Zahlreiche<br />

Therapiestudien belegen eine deutliche<br />

Reduktion der täglichen Off-<br />

Phasen bzw. eine entsprechende<br />

Zunahme der On-Zeiten bei <strong>Parkinson</strong>-Patienten<br />

mit Fluktuationen.<br />

Die pharmakologischen Eigenschaften<br />

von L-Dopa und Entacapon sind<br />

vergleichbar, so dass eine kombinierte<br />

Einnahme mit jeder Einzeldosis<br />

sinnvoll ist (die Maximaldosis<br />

beträgt 2000 mg pro Tag, entsprechend<br />

10 Dosen pro Tag). Vorteilhaft<br />

ist, dass schon innerhalb<br />

weniger Tage der Erfolg zu überprüfen<br />

ist. Die tägliche On-Zeit<br />

kann um durchschnittlich 20% verlängert<br />

werden. Zu den unerwünschten<br />

Wirkungen zählen Übelkeit und<br />

Durchfälle. Die Gelbverfärbung des<br />

Urins ist harmlos. Das Auftreten<br />

oder/und die Verstärkung vorbestehender<br />

Dyskinesien weisen auf<br />

die verstärkte L-Dopa-Wirkung hin<br />

und können durch eine entsprechende<br />

Abdosierung von L-Dopa<br />

aufgefangen werden.<br />

Neben der klinisch relevanten<br />

peripheren, also außerhalb des Gehirns<br />

aktiven Wirkung des COMT-<br />

Hemmers Entacapon hat der<br />

COMT-Hemmer Tolcapon (Tasmar ® )<br />

auch eine geringe zentrale Wir-<br />

kung. Tolcapon darf jedoch erst<br />

verordnet werden, wenn vorher ein<br />

Therapieversuch mit Entacapon<br />

erfolglos war. Aufgrund des potenziellen<br />

Risikos von Leberschädigungen<br />

erfolgt eine Tolcapon-Therapie<br />

unter strenger kontinuierlicher<br />

Kontrolle der Leberwerte. Für<br />

Entacapon ist ein solches Risiko<br />

nicht bekannt.<br />

In vielen Fällen ist es sinnvoll die<br />

drei Wirkstoffe Levodopa, Carbidopa<br />

und Entacapon kombiniert in<br />

einer Tablette als Stalevo ® zu verabreichen<br />

(Stalevo ® steht in vier<br />

verschiedenen Wirkstärken zur<br />

Verfügung). In zahlreichen Untersuchungen<br />

konnte gezeigt werden,<br />

dass sich mit dieser Triple-Tablette<br />

Wearing-off-Symptome erfolgreich<br />

und vergleichsweise gut<br />

verträglich behandeln lassen.<br />

Langzeitkomplikationen in Form<br />

motorischer Fluktuationen und Dyskinesien<br />

können durch den Einsatz<br />

von Dopaminagonisten in der Mono-<br />

oder Kombinationstherapie verzögert<br />

und gemildert werden. Die<br />

Entscheidung für einen bestimmten<br />

Dopaminagonisten ist einfacher<br />

geworden, seit die so genannten<br />

ergolinen Dopaminagonisten<br />

(Bromocriptin, Lisurid, Alpha-Dihydroergocrptin,<br />

Pergolid, Cabergolin)<br />

wegen Herzklappenveränderungen<br />

nur noch als Medikamente<br />

der 2. Wahl eingesetzt werden.<br />

Dopaminagonisten der 1. Wahl<br />

umfassen die Nicht-ergolinen-Dopaminagonisten<br />

Piribedil, Pramipexol,<br />

Ropinirol (Standard- und retardierte<br />

Freisetzungsform) sowie das als<br />

Pflaster applizierbare Rotigotin und<br />

das über die Haut zu injizierende<br />

Apomorphin. Off-Phasen unter der<br />

L-Dopa-Monotherapie können durch<br />

die Kombinationstherapie mit Dopaminagonisten<br />

verringert werden.<br />

Ein neuerer Therapieansatz für<br />

motorische Symptome beim fortgeschrittenem<br />

M. <strong>Parkinson</strong> ist die<br />

Zusatztherapie mit retardiertem<br />

Ropinirol (ReQuip ® modutab) zu<br />

einer L-Dopa-Therapie. In der beim<br />

diesjährigen <strong>Parkinson</strong>-Kongress<br />

in Marburg vorgestellten Studie<br />

PREPARED wurden mit der Retardformulierung<br />

bei 66 Prozent<br />

der 343 Studien-Patienten (durchschnittliche<br />

Erkrankungsdauer 8<br />

Jahre) die täglichen Off-Zeiten um<br />

mindestens 20 Prozent reduziert.<br />

Bei der Gruppe mit nicht-retardiertem<br />

Ropinirol waren es immerhin<br />

noch bei 51 Prozent, wobei die Tagesdosierungen<br />

bei der Retardgruppe<br />

allerdings auch höher waren<br />

(18,6 mg/d versus10,4 mg/d). Die<br />

motorische Leistung (gemessen<br />

mit der UPDRS-III-Skala) hatte<br />

sich mit der retardierten Form deutlicher<br />

gebessert . Außerdem konnte<br />

mit retardiertem Ropinirol mehr<br />

L-Dopa eingespart werden (162 mg<br />

versus 113 mg ).<br />

Das 24-Stunden wirkende <strong>Parkinson</strong>-Pflaster<br />

mit dem Wirkstoff<br />

Rotigotin (Neupro ® ) ist seit Frühjahr<br />

2006 für die Therapie von<br />

<strong>Parkinson</strong>-Patienten im fortgeschrittenen<br />

Stadium der Erkrankung<br />

in Kombination mit L-Dopa<br />

zugelassen. Um eine kristalline<br />

Ausflockung zu verhindern, wurde<br />

mittlerweile eine Kühlkette eingerichtet.<br />

Es können mit den anderen<br />

Dopaminagonisten vergleichbare<br />

Wirkungen mit Reduzierung<br />

der Off-Phasen und Verlängerung<br />

der On-Phasen erreicht werden.<br />

Auftreten von Wirkungsfluktuationen<br />

und Dyskinesien<br />

Mit zunehmender Krankheitsund<br />

Behandlungsdauer können<br />

auch abnorme, unwillkürliche Bewegungen<br />

(Überbewegungen) auftreten,<br />

die häufig mit der Medikamenteneinnahme<br />

korrelieren. Beispielsweise<br />

sind so genannte Peakdose-Dyskinesien<br />

dann am stärksten<br />

ausgeprägt, wenn die Konzentration<br />

der Wirksubstanz im Blut<br />

am höchsten ist. Derartige Überbewegungen<br />

treten ebenso, wenn<br />

auch verzögert und milder, unter<br />

der Behandlung mit Dopaminagonisten<br />

auf. Nach ihrem Erscheinungsbild<br />

werden die Überbewegungen<br />

in Dyskinesien und Dysto-<br />

<strong>dPV</strong> aktuell . Nr. <strong>46</strong> . April/Mai 2009 Seite 3


nien unterteilt. Da die Therapie von<br />

Überbewegung maßgeblich von<br />

der bereits vorbestehenden <strong>Parkinson</strong>-Medikation,<br />

dem individuellen<br />

Beschwerdebild des Patienten,<br />

möglichen Begleiterkrankungen<br />

sowie der Gabe von weiteren Medikamenten<br />

abhängt, können ohne<br />

individuellen „Fall-Bezug“ an dieser<br />

Stelle keine Therapiehinweise<br />

gegeben werden. Deshalb werden<br />

im Folgenden nur die Überwegungen<br />

kurz im Einzelnen dargestellt.<br />

Dyskinesien: In der Regel treten<br />

diese Überbewegungen in der<br />

Phase guter Beweglichkeit auf, so<br />

dass die Betroffenen diese Überwegungen<br />

eher akzeptieren als deren<br />

Angehörige. Häufig wird eine<br />

Bewegungsunruhe im Gesichtsund<br />

Schulter-Nackenbereich beobachtet.<br />

Dyskinesien ereignen<br />

sich meist, wenn die höchste Levodopa-Konzentration<br />

im Blut erreicht<br />

ist (Peak-dose-Dyskinesie). So genannte<br />

Plateau-Dyskinesien können<br />

die überwiegende Zeit der<br />

guten Bewegungsphase prägen.<br />

Überbewegungen können jedoch<br />

auch in der An- und Abflutphase<br />

des Wirkstoffs als so genannte<br />

biphasische Dyskinesien auftreten,<br />

werden also jeweils eingeleitet<br />

oder abgelöst von schlechten Bewegungsphasen.<br />

Biphasische Dyskinesien,<br />

die eher durch zähflüssige,<br />

teilweise schmerzhafte Bewegungen<br />

charakterisiert sind, sind seltener<br />

als Peak-dose-Dyskinesien.<br />

Sie finden sich vor allem in fortgeschrittenen<br />

<strong>Parkinson</strong>-Stadien.<br />

Dystonien: Sie sind durch langsame<br />

und zähflüssige, teilweise<br />

drehende Bewegungen gekennzeichnet.<br />

Bei anhaltender Muskelanspannung<br />

kann daraus vorübergehend<br />

eine Fehlstellung der Arme,<br />

Beine oder des Rumpfes resultieren.<br />

Besonders in den frühen Morgenstunden<br />

können nach dem Erwachen<br />

und vor der ersten Medikamenteneinnahme<br />

schmerzhafte Muskelverkrampfungen<br />

in den Füßen<br />

bzw. Zehen auftreten (Fußdystonie,<br />

frühmorgendliche Dystonie,<br />

Off-Dystonie).<br />

Plötzliche Schwankungen der<br />

Beweglichkeit: Bei manchen Patienten<br />

kommt es nach mehreren Jahren<br />

auch zu plötzlich einsetzenden<br />

und zeitlich nicht mehr vorhersehbaren<br />

Schwankungen der Beweglichkeit.<br />

Bei den Betroffenen wirken<br />

einzelne Medikamentendosen entweder<br />

überhaupt nicht oder ihre<br />

Wirkung setzt völlig unregelmäßig<br />

ein. Diese Erscheinung nennt man<br />

On-off-Phänomen.<br />

Der Zustand, in dem die Patienten<br />

beweglich sind, häufig auch<br />

überbeweglich, wird On-Phase<br />

(englisch: an) genannt, der Zustand<br />

schlechter Beweglichkeit Off-<br />

Phase (englisch: aus). Diese Off-<br />

Phasen können Sekunden bis Minuten<br />

anhalten. Sie gehen meist mit<br />

ausgeprägter Bewegungsverlangsamung<br />

einher. Die Ursache ist ungeklärt.<br />

Vermutlich spielen eine unzureichendeMedikamentenaufnahme<br />

aus dem Darm, aber auch Veränderungen<br />

an den Nervenzellen<br />

im Gehirn eine Rolle. Typischerweise<br />

tritt das On-off-Phänomen erst<br />

im späten Krankheitsverlauf auf.<br />

Pumpen und Pen<br />

Können die Schwankungen in<br />

der Beweglichkeit trotz optimaler<br />

Behandlung mit Levodopa, Dopaminagonisten<br />

und anderen Medikamenten<br />

nicht mehr durchbrochen<br />

werden, ist der Zeitpunkt für andere<br />

Methoden gekommen. Die Substanz<br />

Apomorphin, ein Morphinabkömmling<br />

ohne Suchtpotenzial,<br />

kann dabei eine Rolle spielen. In<br />

injizierbarer Form mittels Autoinjektor<br />

in die Haut („Penject“) ist Apomorphin<br />

derzeit das am schnellsten<br />

wirkende Medikament bei Wirkungsfluktuationen.<br />

Apomorphin<br />

per Penject wird überwiegend als<br />

Akuttherapie bei Patienten mit<br />

mehrmaligen „Off“-Phasen angewendet,<br />

wenn die orale Dopamintherapie<br />

erfolglos blieb. Bei ersten<br />

Anzeichen einer „Off“-Phase wird<br />

es in die Bauchhaut oder die Oberschenkelhaut<br />

injiziert. Die Beweglichkeit<br />

bessert sich in der Regel<br />

innerhalb von 10 bis 20 Minuten,<br />

die Wirkung hält allerdings nur 45<br />

bis 90 Minuten an. Die kontinuierliche<br />

subkutane Verabreichung mittels<br />

einer kleinen Pumpe, die in einem<br />

Stoffbeutel am Körper getragen<br />

wird, führt zu gleichmäßigen<br />

Wirkstoffspiegeln im Blut (z. B.<br />

APO-go-System). So können <strong>Parkinson</strong>-Patienten,<br />

die sehr viele tägliche<br />

Off-Perioden erleben oder<br />

mehr als 10 Injektionen benötigen,<br />

auf die kontinuierliche Hautinfusion<br />

umstellen. Eine enge Kooperation mit<br />

einem Fachzentrum ist erforderlich.<br />

Für Patienten mit weit fortgeschrittener<br />

<strong>Parkinson</strong>-Erkrankung<br />

steht seit drei Jahren ferner das Behandlungskonzept<br />

einer kontinuierlichen<br />

duodenalen Infusion (Duodopa<br />

® -Pumpe) zur Verfügung. Dabei<br />

wird die bewährte Substanz<br />

Levodopa über eine portable, computergesteuerte<br />

Pumpe in individueller<br />

Dosis direkt und kontinuierlich<br />

mittels einer durch die Bauchwand<br />

führende Sonde (PEG) in den Dünndarm<br />

verabreicht. Die Duodopa-<br />

Pumpe ® ist eine therapeutische Option<br />

für Patienten mit ausgeprägten<br />

motorischen Fluktuationen und/oder<br />

Dyskinesien, bei denen die möglichen<br />

oralen Therapiestrategien ausgeschöpft<br />

sind und die sich nicht<br />

einer Tiefen Hirnstimulation unterziehen<br />

können oder wollen. Auch<br />

die Therapie mit der Duodopa-<br />

Pumpe ® bedarf der Überwachung<br />

durch ärztliche Spezialisten.<br />

<strong>dPV</strong> aktuell<br />

Organ der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Parkinson</strong><br />

<strong>Vereinigung</strong> - Bundesverband - e.V.<br />

Moselstraße 31, 41<strong>46</strong>4 Neuss<br />

Telefon (0 21 31) 41 01 6/7<br />

Verantwortlich:<br />

Magdalene Kaminski, 1. Vorsitzende<br />

Konten:<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Parkinson</strong> <strong>Vereinigung</strong><br />

- Bundesverband - e.V.<br />

SEB AG Bank<br />

170 856 99 00 (BLZ 300 101 11)<br />

Stadtsparkasse Neuss<br />

280 842 (BLZ 305 500 00)<br />

Hans-Tauber-Stiftung<br />

SEB AG Bank Neuss<br />

143 734 45 00 (BLZ 300 101 11)<br />

Die <strong>dPV</strong>-aktuell Nr. 47 ist ab<br />

Mitte Juli 2009 abrufbar.<br />

<strong>dPV</strong> aktuell . Nr. <strong>46</strong> . April/Mai 2009 Seite 4

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