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Autismus-Diagnostik Vortrag Januar 2011 ohne Fallbeispielx

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<strong>Diagnostik</strong> bei<br />

<strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen<br />

(ASS):<br />

Vorstellung der klinischen<br />

Diagnosekriterien und -verfahren<br />

Dr. med. A. Naumann<br />

Chefarzt der Klinik für KJPP der PK Lüneburg<br />

P. Mroczek<br />

Dipl.-Päd./Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut<br />

(Verhaltenstherapeut)<br />

Interdisziplinäre Fachtagung für den Landkreis Harburg<br />

22.01.<strong>2011</strong><br />

Klinik für Kinder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapie


Gliederung ASS<br />

1. Leo Kanner (1896-1981)<br />

2. Hans Asperger (1906-1980)<br />

3. Das autistische Trias<br />

4. Leitlinien: <strong>Diagnostik</strong> <strong>Autismus</strong> (DGKJPP)<br />

5. Multiaxiales Klassifikationsschema (MAS)<br />

6. Tiefgreifende Entwicklungsstörungen (F84)<br />

7. <strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen (ASS)<br />

8. Prävalenz/Häufigkeit ASS<br />

9. Differentialdiagnostik (DD)<br />

10. Komorbidität/Begleitstörungen<br />

11. Syndromaler und idiopathischer <strong>Autismus</strong><br />

12. Frühkindlicher <strong>Autismus</strong> (Kanner-Syndrom) (F84.0)<br />

13. Asperger-Syndrom (F84.5)<br />

14. Atypischer-<strong>Autismus</strong> (F84.1x)<br />

15. High-Functioning-Autism (HFA)/Low-Functioning-Autism (LFA)<br />

16. <strong>Diagnostik</strong> autistischer Störungen (Anamnese, psychischer Befund,<br />

Vorberichte/Vorbefunde, autismusspezifische Verfahren � FSK, SRS, MBAS,<br />

ADOS, ADI-R)<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

2


Leo Kanner Hans Asperger<br />

(Frühkindlicher <strong>Autismus</strong>/ (Asperger-Syndrom)<br />

Kanner-Syndrom)<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

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Leo Kanner (1896-1981)<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

- Kinderarzt aus dem alten Österreich, später in Baltimore (USA)<br />

arbeitend<br />

- Verfasste erste Beschreibungen von (Vorschul-) Kindern mit<br />

<strong>Autismus</strong><br />

- beeinflusst vom amerikanischen Pädiater und Psychologen Arnold<br />

Lucius Gesell (1880-1961), der in seinen Arbeiten zeigte, dass<br />

Säuglinge und Kleinkinder ein natürliches Bedürfnis nach sozialer<br />

Interaktion haben<br />

- „Autistische Störungen des affektiven Kontakts“ (1943) – Artikel in<br />

der Zeitschrift „Nervous Child“ (Beschreibung von 11 untersuchten<br />

Patienten)<br />

4


Leo Kanner II<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

Beobachtungen Kanners:<br />

Mangel an Bedürfnis nach Sozialkontakten,<br />

kommunikative Schwierigkeiten (3 Kinder waren stumm, sprechenden<br />

Kinder zeigten sprachliche Auffälligkeiten wie z. B. Echolalie oder die<br />

Umkehr der Personalpronomina),<br />

Probleme im abstrakten Denken,<br />

intensives Interesse an der unbelebten Welt,<br />

starke Reaktionen auf Geräusche,<br />

kaum/kein Spiel mit kindgerechten Objekten,<br />

kaum Reaktionen auf Menschen,<br />

empfindsam ggü. Veränderungen des Tagesablaufs und der Umgebung,<br />

besondere Inselbegabungen (z. B. bes. Gedächtnisleistungen,<br />

besonders großes Vokabular, etc.)<br />

5


Leo Kanner III<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

Kanners Begriff „<strong>Autismus</strong>“ � Schweizer Psychiater Eugen Bleuler (1857-<br />

1939)<br />

Der Begriff <strong>Autismus</strong> wurde von Eugen Bleuler (1911) eingeführt<br />

– Bleuler beschrieb damit ein Grundsymptom der Schizophrenie<br />

– <strong>Autismus</strong> charakterisierte für Bleuler den Rückzug in eine gedankliche<br />

Binnenwelt und die Vermeidung zwischenmenschlicher Kontakte<br />

Den Begriff aufnehmend beschrieben Leo Kanner (1943) und<br />

Hans Asperger das autistische Störungsbild bei Kindern<br />

– autistische Kinder ziehen sich nicht aktiv in eine Phantasiewelt zurück,<br />

sondern sind primär unfähig soziale Kontakte zu entwickeln<br />

•demnach trifft die ursprüngliche Bezeichnung von Bleuler nicht zu<br />

•dennoch wurde der Begriff beibehalten, weil er weltweit gebräuchlich ist<br />

6


Leo Kanner IV<br />

Falsche Annahmen Kanners<br />

-Keine Intelligenzminderung<br />

-<strong>Autismus</strong> nicht mit anderen organischen Erkrankungen<br />

vergesellschaftet<br />

-<strong>Autismus</strong> als Erziehungsdefizit (vorrübergehende Annahme)<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

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Hans Asperger (1906-1980)<br />

Ungefähr zur gleichen Zeit wie Leo Kanner, aber unabhängig von ihm<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

beschäftigte sich der Wiener Arzt Hans Asperger mit 4 Patienten zwischen 6 und<br />

11 Jahren. („Autistische Psychopathien im Kindesalter“ � „Archiv für Psychiatrie<br />

und Nervenheilkunde“)<br />

Wegen des 2. Weltkrieges hatten Kanner und Asperger keine Kenntnis von ihren<br />

(ähnlichen) Arbeiten.<br />

Beobachtungen Aspergers (1944)<br />

-Verarmung der Mimik und Gestik<br />

-Merkwürdiger Blickkontakt<br />

-Monotone, unmodulierte, kaum intonierte Sprechweise<br />

-Sprachauffälligkeiten (Neologismen/Wortneuschöpfungen, eigentümliche<br />

Monologe, fehlende Fähigkeit zur Konversation)<br />

-Eigentümliche Interessen und Aktivitäten<br />

-Affekt des Patienten schwach empathisch und allgemein intellektualisierend<br />

(„kleine Professoren“)<br />

-Folgen ausschließlich eigenen Impulsen, unabhängig von den Bedürfnissen<br />

anderer<br />

-Neigung zur Aggressivität, Verhalten schwer steuerbar, negativistisch und<br />

insgesamt sozial schlecht angepasst<br />

-Auffällige Motorik (bizarre, behäbige, schwerfällige Gangart,<br />

Koordinationsprobleme, mangelndes Körpergefühl)<br />

8


Hans Asperger II<br />

Differente Ansichten zwischen Kanner & Asperger<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

Im Unterschied zu Kanners Fällen beschrieb Asperger nur Jungen, die<br />

keine Verzögerung der Sprachentwicklung oder qualitative intellektuelle<br />

Auffälligkeiten zeigten.<br />

Extreme Variante eines normalen Persönlichkeitszuges.<br />

<strong>Autismus</strong> nach Asperger nicht vor dem 3. LJ diagnostisch zu erkennen.<br />

9


Trias (autistischer Störungen)<br />

Restriktives,<br />

stereotypes &<br />

repetitives Verhalten<br />

Soziale Störungen<br />

(soziale Interaktion)<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

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Soziale<br />

Kommunikation<br />

10


Soziale Störungen (Trias I)<br />

- Gestik<br />

- Blickkontakt<br />

- Grußverhalten<br />

- Soziale Reziprozität<br />

- Emotionale und kognitive Empathie<br />

- Teilen von Freude und Aufmerksamkeit<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

- Verständnis der Gedanken, Affekten und Überzeugungen anderer<br />

(„Theory of Mind“)<br />

11


Soziale Kommunikation (Trias II)<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

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Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

- Wortrituale<br />

- Neologismen<br />

- Pronominalumkehr<br />

- Pedantischer, idiosynkratischer Sprachgebrauch<br />

- „Mechanisches“ Sprechen<br />

- Kaum Intonation, leises, lautes oder stockendes Sprechen<br />

- Unfähigkeit, ein gleichberechtigtes, wechselseitiges Gespräch im<br />

Sinne einer Konversation zu führen (soziales Gespräch)<br />

- Kein Sinn für Ironie, Zynismus oder Sprichwörter oder andere<br />

Abstraktionen<br />

- Kein fantasievolles Spielen<br />

- Kaum Einsatz von Gestik und Mimik, wenig abgestimmt und flexibel<br />

12


Restriktives, stereotypes und repetitives Verhalten<br />

(Trias III)<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

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Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

- Wiederkehrende ungewöhnliche Bewegungen, z. B. Jaktieren<br />

(Oberkörperschaukeln)<br />

- Hand- und Fingermanierismen<br />

- Flattern, Erstarrungen und Verdrehungen<br />

- Sensorische Interessen (auffälliges Interesse am Geschmack, an<br />

Geräuschen, an Gerüchen oder an der Beschaffenheit von Oberflächen)<br />

- Autoaggressives Verhalten, selbstverletzendes Verhalten<br />

- Widerstand gegen Veränderungen von Routinen und Umgebung<br />

- Sehr intensive normale Interessen (z. B. PC, Dinosaurier, Briefmarken)<br />

-Ungewöhnliche Interessen (z. B. Fahrpläne, Kanalisationen, Schrauben)<br />

13


Kerndimensionen von <strong>Autismus</strong>-Spektrum-<br />

Störungen<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

14


ICD-10 DSM-IV-TR<br />

TE (Tiefgreifende<br />

Entwicklungsstörung)<br />

ASS (<strong>Autismus</strong>-Spektrum-Störungen)<br />

Frühkindlicher <strong>Autismus</strong> (Kanner-<br />

Syndrom) (F84.0)<br />

Asperger-Syndrom (F84.5)<br />

Atypischer <strong>Autismus</strong> (F84.1)<br />

n. n. b. TE (F84.9)<br />

sonstige TE (F84.8)<br />

Andere TE<br />

Rett-Syndrom (F84.2)<br />

Andere desintegrative Störung des<br />

Kindesalters (F84.3)<br />

Überaktive Störung mit<br />

Intelligenzminderung und<br />

Bewegungsstereotypien (F84.4)<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

TE<br />

ASS<br />

Autistische Störung (299.00)<br />

Asperger-Störung (299.80)<br />

n. n. b. TE (299.80)<br />

n. n. b. TE<br />

n. n. b. TE<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

Andere TE<br />

Rett-Störung (299.80)<br />

Desintegrative Störung im<br />

Kindesalter (299.10)<br />

Keine Entsprechung im DSM-IV<br />

15


AWMF – Leitlinie der DGKJPP (11/2006):<br />

„Tief greifende Entwicklungsstörungen (F84)“<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

Eine zuverlässige <strong>Diagnostik</strong> der autistischen Störung erfordert die<br />

gezielte, entwicklungs- und symptomorientierte Befragung der Eltern<br />

und eine strukturierte Beobachtung des Verhaltens des betroffenen<br />

Kindes oder Jugendlichen.<br />

Dazu bedarf es der Anwendung standardisierter Interview- und<br />

Beobachtungsverfahren, um die Diagnose zu sichern.<br />

Als differenzierte Untersuchungsinstrumente werden derzeit die<br />

<strong>Autismus</strong>-Diagnostische Interview-Revision (ADI-R)(I) und das<br />

<strong>Autismus</strong>-Diagnostische Beobachtungs-Instrument (ADOS)(II)<br />

eingesetzt; beide Instrumente verlangen eine intensive Schulung.<br />

Zum Screening empfehlen sich Fragebögen wie der Fragebogen über<br />

Verhalten und Soziale Kommunikation (VSK, neu: FSK) (II).<br />

16


AWMF – Leitlinie der DGKJPP (11/2006):<br />

„Tief greifende Entwicklungsstörungen (F84)“<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

���� Apparative, Labor- und Testdiagnostik (1/2)<br />

Intelligenzdiagnostik und neuropsychologische Testdiagnostik; bei<br />

fehlendem Instruktionsverständnis und fehlender<br />

Kooperationsfähigkeit kann eine Grobeinschätzung des<br />

Funktionsniveaus mit adaptiven Verhaltensskalen erfolgen (z.B.<br />

Vineland Adaptative Behavior Scales)<br />

Hörprüfung (wegen der mangelnden Reaktion auf akustische Reize oft<br />

schwer differenzierbar)<br />

Sehprüfung (wegen der Gesamtstörung Visus oft nicht sicher<br />

einschätzbar)<br />

17


AWMF – Leitlinie der DGKJPP (11/2006):<br />

„Tief greifende Entwicklungsstörungen (F84)“<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

���� Apparative, Labor- und Testdiagnostik (2/2)<br />

Neurologische Untersuchung (zur Beurteilung der motorischen<br />

Behinderung, zur Differenzialdiagnose)<br />

EEG (wegen der erhöhten zerebralen Erregungsbereitschaft)<br />

Mindestens einmal eine Untersuchung mithilfe eines bildgebenden<br />

Verfahrens (CT, MRT) zum Ausschluss einer bekannten organischen<br />

Erkrankung, z.B. einer tuberösen Hirnsklerose<br />

Chromosomale Untersuchung zur Auffindung chromosomaler<br />

Aberrationen und molekulargenetische Untersuchung zur<br />

Differenzierung von möglichen Begleiterkrankungen wie dem Fragilen-<br />

X-Syndrom.<br />

18


Multiaxiales Klassifikationsschema für psychische Störungen<br />

des Kindes- und Jugendalters (MAS)<br />

Achse 1: Klinisch-psychiatrisches Syndrom<br />

Achse 2: Umschriebene Entwicklungsstörungen<br />

Achse 3: Intelligenzniveau<br />

Achse 4: Körperliche Symptomatik<br />

Achse 5: Assoziierte aktuelle abnorme psychosoziale<br />

Umstände<br />

Achse 6: Globalbeurteilung des psychosozialen<br />

Funktionsniveaus<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

19


Achse 2<br />

Umschrieb.<br />

Entwicklungsstörungen<br />

Achse 1<br />

klinischpsychiatrisches<br />

Syndrom<br />

Achse 3<br />

Intelligenzniveau<br />

MAS<br />

Multiaxiale<br />

Klassifikation<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Achse 6<br />

psychosoziale<br />

Anpassung<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

Achse 5<br />

aktuelle<br />

abnorme<br />

psychosoziale<br />

Umstände<br />

Achse 4<br />

Körperliche<br />

Symptomatik<br />

20


Multiaxiales Klassifikationsschema für psychische<br />

Störungen des Kindes- und Jugendalters<br />

Achse I: Klinisch-psychiatrisches Syndrom<br />

�F84.X entsprechend den diagnostischen Kriterien<br />

�komorbide Störungen:<br />

• Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefizite (hyperkinetische<br />

Störung bei fast der Hälfte der Kinder mit <strong>Autismus</strong> im Verlauf der<br />

Erkrankung)<br />

• Ticstörungen<br />

• Auto- und Fremdaggressionen<br />

• Selbstverletzungen<br />

• Probleme der Sauberkeitsentwicklung<br />

• Ess- und Schlafprobleme<br />

Achse II: Umschriebene Entwicklungsstörungen<br />

�erhebliche Sprachdefizite unterschiedlichen Ausmaßes<br />

�Probleme der Lesefähigkeit<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

21


Multiaxiales Klassifikationsschema für psychische<br />

Störungen des Kindes- und Jugendalters<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

Achse III: Intelligenzniveau<br />

�Intellektuelle Behinderungen/Intelligenzminderungen und/oder<br />

�spezielle Probleme der sozialen Wahrnehmung bei besserer<br />

Gestaltwahrnehmung bzw. neuropsychologisch verifizierbare Defizite<br />

der Exekutivfunktionen (Probleme der Handlungsplanung,<br />

Handlungskontrolle), der zentralen Kohärenz (partialisierte<br />

Reizwahrnehmung, die den Gesamtzusammenhang zugunsten des<br />

Einzelreizes vernachlässigt) und der "Theory of Mind" (eigene und<br />

fremde Gedanken erkennen z.B. am jeweiligen Ausdrucksverhalten).<br />

Achse IV: Körperliche Symptomatik<br />

�Epileptische Anfälle/Anfallsbereitschaft<br />

�Verzögerung der motorischen Entwicklung, häufig hypotoner<br />

Muskeltonus, motorische Unbeholfenheit, "Clumsiness.<br />

22


Multiaxiales Klassifikationsschema für psychische<br />

Störungen des Kindes- und Jugendalters<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

Achse V: Assoziierte aktuelle abnorme Umstände<br />

�2.0 = psychische Störung/ abweichendes Verhalten eines Elternteils<br />

�4.0 = Elterliche Überfürsorge<br />

�4.1 = Unzureichende elterliche Steuerung/Aufsicht<br />

�5.0 = Erziehung in einer Institution<br />

�5.1 = Abweichende Elternsituation<br />

�5.2 = isolierte Familie<br />

�8.0 = Streitbeziehungen mit Mitschülern<br />

Achse VI: Globale Beurteilung des psychosozialen<br />

Funktionsniveaus<br />

�6 = Funktionsfähig in den meisten Bereichen, benötigt ständige Aufsicht<br />

und Betreuung<br />

�7 = schwere und durchgängige soziale Beeinträchtigung, braucht<br />

beträchtliche Betreuung<br />

23


ICD-10: F84<br />

Tiefgreifende Entwicklungsstörungen<br />

qualitative Abweichungen in den wechselseitigen sozialen<br />

Interaktionen und Kommunikationsmustern<br />

eingeschränktes, stereotypes, sich wiederholendes Repertoire<br />

von Interessen und Aktivitäten.<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

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ICD-10: F84<br />

Tiefgreifende Entwicklungsstörungen<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

qualitative Auffälligkeiten in allen Situationen ein grundlegendes<br />

Funktionsmerkmal des betroffenen Kindes/Jugendlichen.<br />

Auffälligkeiten bestehen seit frühester Kindheit: kognitive<br />

Beeinträchtigungen, Verhalten entspricht nicht dem Intelligenzalter des<br />

Kindes, kann mit somatischen Krankheitsbildern einhergehen<br />

Cave: Unterschiede im Umgang mit Gleichaltrigen und Jüngeren oder<br />

Älteren<br />

Cave: Kompensation durch kognitive Fähigkeiten und/oder Üben<br />

möglich<br />

25


Tiefgreifende Entwicklungsstörungen<br />

F84.0 Frühkindlicher <strong>Autismus</strong> (Kanner-Syndrom)<br />

F84.1 Atypischer <strong>Autismus</strong><br />

F84.2 Rett-Syndrom<br />

F84.3 Andere desintegrative Störung des Kindesalters<br />

F84.4 Überaktive Störung mit Intelligenzminderung und<br />

Bewegungsstereotypien<br />

F84.5 Asperger Syndrom<br />

F84.8 Sonstige tiefgreifende Entwicklungsstörungen<br />

F84.9 Tiefgreifende Entwicklungsstörung, nicht näher bezeichnet<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

26


Autistisches Spektrum<br />

- autism spectrum disorder -<br />

F84.0 Frühkindlicher <strong>Autismus</strong> (Kanner-Syndrom)<br />

F84.1 Atypischer <strong>Autismus</strong><br />

F84.5 Asperger Syndrom<br />

High functioning autism (IQ>70, gute bis sehr gute verbale<br />

Fähigkeiten)<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

27


Häufigkeit/Geschlechterverteilung<br />

Asperger-Syndrom:<br />

Jungen sind viel häufiger betroffen als Mädchen<br />

ca. 0,7% der Allgemeinbevölkerung<br />

Frühkindlicher <strong>Autismus</strong>:<br />

5-38 pro 10.000 Einw<strong>ohne</strong>r<br />

Disorders of the autism spectrum insgesamt:<br />

Ca. 0,6-1% der Allgemeinbevölkerung<br />

Kanner-Syndrom: männlich : weiblich = 3-4 : 1<br />

Asperger-Syndrom: männlich : weiblich = 10 : 1<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

28


Differentialdiagnosen<br />

Autistische Störungen müssen diagnostisch abgegrenzt werden<br />

von/zwischen:<br />

−Andere tiefgreifende Entwicklungsstörungen (z. B. kann die klinische<br />

Phänomenologie des Asperger-Syndroms und leichterer Fälle von<br />

<strong>Autismus</strong> bei Jugendlichen und Erwachsenen ähnlich sein)<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

−Intelligenzminderung (<strong>ohne</strong> <strong>Autismus</strong>): DD bei Personen mit schwerer<br />

und schwerster Intelligenzminderung (IQ


Differentialdiagnosen<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

− Kinder mit Bindungsstörungen (F94.1, F94.2) oder deprivierte Kinder<br />

(Z62.4, Z62.5): DD � im adäquatem, förderlichen Umfeld deutliche<br />

Verbesserungen und Veränderungen im Verhalten.<br />

− Schizophrenie (F20): DD � Positivsymptome wie z. B. Wahn oder<br />

Halluzinationen, Wirksamkeit antipsychotischer Medikation.<br />

− Schizoide Persönlichkeitsstörung (F60.1): DD � vor allem beim<br />

Asperger-Syndrom problematisch, allerdings anamnestisch deutliche<br />

Unterschiede, Asperger-Betroffene begrenztere alltagspraktische<br />

Fertigkeiten, höheren Leidensdruck<br />

− Mutismus (F94.0) und Angststörungen (F41, F93): DD � deutlich<br />

bessere soziale Reaktivität, angepasstere Mimik und Gestik sowie<br />

besserer Blickkontakt, auffällige Situationen selektiv<br />

− Aufmerksamkeitsstörung mit oder <strong>ohne</strong> Bewegungsunruhe<br />

(ADS/ADHS)<br />

− Depression<br />

− Ticstörungen<br />

− Hochbegabung vs. Lernbehinderung/Intelligenzminderung<br />

− Intrafamiliäre Problematiken (z. B. Krankheit, Armut)<br />

− Bullying/Mobbing<br />

30


Komorbidität<br />

(Begleitstörungen)<br />

Intelligenzminderung (25 bis 50%)<br />

Epilepsie (20%)<br />

Organische Syndrome wie z. B. Fragiles-X-Syndrom, tuberöse<br />

Hirnsklerose, Phenylketonurie, Williams-Syndrom, u. a. (10%) (siehe<br />

syndromaler <strong>Autismus</strong>)<br />

Hyperaktivität/ADHS/ADS<br />

Zwangs- und Angststörungen, Mutismus<br />

Selbstverletzendes Verhalten<br />

Ab Pubertät: Depressionen, schizophrene Psychosen<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

2/3 der Kinder mit ASS haben mind. eine weitere psychiatrische Diagnose,<br />

so z. B. ADHS, spezifische Phobien, Zwangsstörungen, oppositionelle und<br />

affektive Störungen wie z. B. depressive Störungen.<br />

31


Syndromaler und idiopathischer <strong>Autismus</strong><br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

Syndromaler <strong>Autismus</strong> bedeutet, dass autistisches Verhalten wie in der<br />

ICD-10 beschrieben durch organische Syndrome begleitet (nicht durch<br />

diese verursacht) werden.<br />

Dazu gehören z. B.:<br />

-Tuberöse Hirnsklerose<br />

-Fragiles-X-Syndrom<br />

-Phenylketonurie<br />

-Neurofibromatose<br />

-Wiliams-Beuren-Syndrom<br />

-Angelmann-Syndrom<br />

-Prader-Willi-Syndrom<br />

-Down-Syndrom<br />

-Joubert-Syndrom<br />

-Ljuan-Fryns-Syndrom<br />

-Moebius-Syndrom<br />

-Sotos-Syndrom<br />

32


Syndromaler und idiopathischer <strong>Autismus</strong> II<br />

(Ätiologie)<br />

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Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

Unter idiopathischem <strong>Autismus</strong> versteht man Fälle von <strong>Autismus</strong> <strong>ohne</strong><br />

bekannte Ursache und bzw. oder konkurrierende Erklärung für die<br />

Symptomatik.<br />

Heute wird von einer biologischen Pathogenese des frühkindlichen<br />

<strong>Autismus</strong> ausgegangen. Durch eine mittlerweile große Zahl von Zwillings-,<br />

Geschwister- und Familienuntersuchungen werden besonders genetische<br />

Ursachen des idiopathischen <strong>Autismus</strong> angenommen. Auf<br />

molekulargenetischer Ebene konnte jedoch (noch) kein eindeutiger<br />

biologischer Marker identifiziert werden.<br />

Hinweise auf eine biologische Störung: hohe Verhaltenskonkordanz bei<br />

eineiigen und zweieiigen Zwillingen, Erkrankungsrisiko für Geschwister<br />

etwa 50fach erhöht, früher Beginn der Störung, hohe Komorbidität mit<br />

Intelligenzminderung, hohe Rate neurologischer Auffälligkeiten (z. B. mit<br />

Epilepsie), Assoziation mit genetischen Erkrankungen, u. a. .<br />

33


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Psychotherapi e<br />

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Frühkindlicher <strong>Autismus</strong>/<br />

Kanner-Syndrom<br />

(F84.0)<br />

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Frühkindlicher <strong>Autismus</strong> (Kanner-Syndrom, F84.0)<br />

Kriterium A:<br />

Vor 3 LJ Manifestation einer abnormen Entwicklung in mind. 1 Bereich:<br />

a)Rezeptive oder expressive Sprache<br />

b)Entwicklung selektiver sozialer Zuwendung & sozialer Reziprozität<br />

c)Funktionales oder symbolisches Spiel<br />

Kriterium B:<br />

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Insgesamt mind. 6 Symptome von 1., 2. und 3., davon mind. zwei Symptome von<br />

1. und mind. je 1 Symptom von 2. und 3.<br />

1. Auffälligkeiten der gegenseitigen sozialen Interaktion, mind. 2 Symptome<br />

a. Unfähigkeit, Blickkontakt, Mimik, Körperhaltung und Gestik zur<br />

Regulation sozialer Interaktionen zu verwenden<br />

b. Unfähigkeit, Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzunehmen<br />

c. Mangel an sozio-emotionaler Gegenseitigkeit oder deviante<br />

Reaktionen auf die Emotionen anderer oder Mangel an Verhaltensmodulation oder<br />

labile Integration sozialen, emotionalen und kommunikativen Verhaltens<br />

d. Mangel, spontan Freude, Interessen oder Tätigkeiten mit<br />

anderen zu teilen (z. B. Mangel, anderen Menschen Dinge, die für die Betroffenen<br />

von Bedeutung sind, zu zeigen, zu bringen oder zu erklären)<br />

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Frühkindlicher <strong>Autismus</strong> (Kanner-Syndrom, F84.0)<br />

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2. Auffälligkeiten in der sozialen Kommunikation<br />

a. Verspätung oder vollständige Störung der Entwicklung der<br />

gesprochenen Sprache, <strong>ohne</strong> Kompensationsversuch durch Gestik oder<br />

Mimik<br />

b. relative Unfähigkeit, einen kommunikativen, sprachlichen<br />

Kontaktaustausch mit anderen zu beginnen oder aufrechtzuerhalten (auf<br />

dem jeweiligen Sprachniveau)<br />

c. stereotype und repetitive Verwendung der Sprache oder<br />

idiosynkratischer Gebrauch von Wörtern oder Phrasen<br />

d. Mangel an verschiedenen spontanen „Als-ob-Spielen“ oder (bei<br />

jungen Betroffenen) sozialen Imitationsspielen<br />

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Frühkindlicher <strong>Autismus</strong> (Kanner-Syndrom, F84.0)<br />

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3. Begrenzte, repetitive und stereotype Verhaltensmuster, Interessen<br />

und Aktivitäten in mind. 1 Bereich<br />

a. Umfassende Beschäftigung mit gewöhnlich mehreren<br />

stereotypen und begrenzten in Inhalt und Schwerpunkt abnormen<br />

Interessen; auch: ein oder mehrere Interessen ungewöhnlicher Intensität<br />

und Begrenztheit<br />

b. zwanghafte Anhänglichkeit an spezifische, nicht funktionale<br />

Handlungen oder Rituale<br />

c. stereotype und repetitive motorische Manierismen mit Hand- und<br />

Fingerschlagen oder Verbiegen, oder komplexe Bewegungen des ganzen<br />

Körpers<br />

d. vorherrschende Beschäftigung mit Teilobjekten oder nicht<br />

funktionalen Elementen des Spielmaterials (z. B. ihr Geruch, die<br />

Oberflächenbeschaffenheit oder das von ihnen hervorgebrachte Geräusch<br />

oder ihre Vibration)<br />

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Frühkindlicher <strong>Autismus</strong> (Kanner-Syndrom, F84.0)<br />

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C. Klinisches Bild kann nicht einer anderen tiefgreifenden<br />

Entwicklungsstörung oder psychischen Störung zugeordnet werden:<br />

-einer spezifischen Entwicklungsstörung der rezeptiven Sprache<br />

(F80.2) mit sekundär sozio-emotionalen Problemen;<br />

-einer reaktiven Bindungsstörung (F94.1) oder Bindungsstörung<br />

mit Enthemmung (F94.2);<br />

-einer Intelligenzminderung (F70-F79) mit einer emotionalen oder<br />

Verhaltensstörung;<br />

-einer Schizophrenie (F20) mit ungewöhnlich frühem Beginn oder<br />

-einem Rett-Syndrom (F84.2).<br />

42


Frühkindlicher <strong>Autismus</strong> 0. - 7. Monat<br />

Wahrnehmung/Sozialverhalten<br />

�schreit länger, <strong>ohne</strong> dass die Eltern dies als eindeutiges Signal für<br />

einen Zustand (z.B. Hunger, Schmerz) werten können (vgl. ADHS!)<br />

�verhält sich extrem ruhig, meldet sich wenig (vgl. ADS!)<br />

�lächelt nicht, wirkt wie ein «ernstes» Kind<br />

�reagiert nicht auf die Mutter, streckt ihr nicht die Arme entgegen<br />

�wirkt zufrieden, nimmt von sich wenig oder keinen Kontakt auf<br />

Motorik<br />

�dreht sich weg, wenn eine Person das Kind hält<br />

Sprache<br />

�lallt nicht (vgl. ADS/ADHS + SEV!)<br />

�bildet keine Silben (z.B. ga ga ga)<br />

�macht vorgesprochene Laute oder Silben nicht nach (keine verbale<br />

Imitation)<br />

Ess-/Trinkverhalten<br />

�saugt oder trinkt nicht richtig<br />

�hat spezielle Ess-/Trinkvorlieben bzw. -gewohnheiten<br />

�verweigert Speisen<br />

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Frühkindlicher <strong>Autismus</strong> 10. - 12. Monat<br />

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Wahrnehmung<br />

�kratzt oder schabt auf Oberflächen (vgl. ADHS!)<br />

�beleckt Gegenstände (vgl. ADHS!)<br />

�verhält sich extrem ruhig, meldet sich wenig (vgl. ADS!)<br />

�reagiert nicht auf laute Geräusche, wirkt wie taub<br />

�reagiert überempfindlich oder ängstlich auf Geräusche (z.B. Staubsauger)<br />

Sozialverhalten<br />

�spielt nicht kreativ mit Spielzeug<br />

�untersucht Spielzeug nicht<br />

�schaut Personen nicht an<br />

�lehnt sich nicht mit dem Kopf an<br />

�vermeidet Blickkontakt<br />

�lächelt oder lacht nicht, wirkt wie ein «ernstes» Kind<br />

�nimmt von sich aus keinen oder wenig Kontakt zu Bezugspersonen auf<br />

�macht Verhalten von Personen nicht nach (keine motorische Imitation)<br />

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Frühkindlicher <strong>Autismus</strong> 10. - 12. Monat<br />

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Psychotherapi e<br />

Motorik<br />

�schaukelt oder wiegt sich hin und her (vgl. ADHS!)<br />

�dreht sich weg, wenn eine Person das Kind hält<br />

�sitzt oder krabbelt nicht oder verspätet (vgl. ADS/ADHS + MEV!)<br />

�bildet keine Silben (z.B. ga ga ga)<br />

�macht vorgesprochene Laute oder Silben nicht nach (keine verbale<br />

Imitation)<br />

�wiederholt Wörter oder Wortreste <strong>ohne</strong> erkennbaren Sinn<br />

�spricht immer wieder gleiche Laute<br />

�benutzt Worte nicht um Personen etwas mitzuteilen<br />

�benutzt keine oder wenig sprachbegleitende oder ersetzende Mimik oder<br />

Gestik<br />

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Frühkindlicher <strong>Autismus</strong> 21. - 24. Monat<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

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Motorik<br />

�sitzt oder krabbelt nicht oder verspätet, beginnt verspätet mit dem Laufen<br />

�bewegt stereotyp bestimmte Körperteile und Gegenstände, manchmal<br />

sehr geschickt (vgl. ADHS!)<br />

�hat einen auffälligen Gang<br />

�verdreht Augen, Finger, Hände, Hals<br />

�wedelt mit den Armen, Händen, Tüchern, Bändern o.ä. (vgl. ADHS!)<br />

Sprache<br />

�spricht (immer noch) nicht (vgl. ADS/ADHS + SEV!)<br />

�hört nach Sprechbeginn allmählich wieder auf<br />

�wiederholt Wörter oder Wortreste <strong>ohne</strong> erkennbaren Sinn<br />

�produziert stereotyp immer gleiche Laute oder Töne (vgl. ADHS!)<br />

�benutzt Worte nicht um Personen etwas mitzuteilen<br />

�benutzt keine oder wenig sprachbegleitende oder ersetzende Mimik oder<br />

Gestik<br />

Ess-/Trinkverhalten<br />

�isst auffällig, stopft, schlingt, schluckt nicht, kaut nicht<br />

�nimmt nur Brei oder Flüssiges oder spezielle Speisen zu sich<br />

�schläft schlecht ein oder wacht zu früh auf, liegt stundenlang nachts wach<br />

(vgl. ADHS!)<br />

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<strong>Autismus</strong> 4. Lebensjahr<br />

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Sozialverhalten<br />

�hat starre Gewohnheiten und schreit, wenn diese durchbrochen werden<br />

�reagiert ängstlich oder aggressiv, wenn gewohnte Wege, Zeitpunkte oder<br />

Reihenfolgen nicht eingehalten werden<br />

�sieht Personen nicht an, schaut an ihnen vorbei<br />

�auffälliger Blickkontakt: wenig oder sehr kurz, oder lange und starr, selten<br />

direkt, meist peripher (vgl. Ablenkbarkeit bei ADS/ADHS!)<br />

�spielt nicht mit Gleichaltrigen, Geschwistern oder Eltern<br />

�hat eher zu Erwachsenen als zu Kindern Kontakt<br />

�zeigt wenig Distanz gegenüber Fremden (vgl. ADHS!)<br />

�kann Körperkontakt nur zulassen, wenn es Dauer und Art kontrollieren<br />

kann<br />

�riecht oder tastet an fremden Personen<br />

�lächelt oder lacht wenig, wirkt wie ein «ernstes» Kind<br />

�nimmt nur zu Teilreizen einer Person Kontakt auf (berührt Haare, spielt<br />

mit Halskette usw.)<br />

�hat Schwierigkeiten oder ist unfähig, Handlungen von Personen zu<br />

imitieren<br />

�führt, wenn es etwas will, Person zum gewünschten Gegenstand<br />

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<strong>Autismus</strong> 4. Lebensjahr<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

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Motorik<br />

�bewegt stereotyp bestimmte Körperteile und Gegenstände<br />

�geht, läuft auffällig (z.B. Zehenspitzengang, hüpfend)<br />

�verdreht Augen, Finger, Hände, Hals<br />

�wedelt mit den Armen, Händen, Gegenständen<br />

�schaukelt oder wiegt sich hin und her<br />

�Armflattern und Händeklatschen als Ausdruck emotionaler Erregung<br />

�wirkt meist extrem unruhig (erhöhtes Aktivitätsniveau) (vgl. ADHS!)<br />

�wirkt meist extrem antriebsarm (verringertes Aktivitätsniveau) (vgl. ADS!)<br />

Sprache<br />

�Sprachentwicklungsverzögerung oder ungewöhnlich schnelle Sprachentwicklung<br />

�hört nach Sprechbeginn allmählich wieder auf<br />

�produziert stereotyp immer gleiche Laute oder Töne<br />

�spricht verwaschen, zu hoch, zu schnell<br />

�spricht mit spezieller Melodie, polternd<br />

�wiederholt Worte oder Sätze immer wieder (echolaliert)<br />

�lacht oft <strong>ohne</strong> erkennbaren Grund<br />

Ess-/Trinkverhalten<br />

�bevorzugt bestimmte Speisen, Getränke, lehnt andere völlig ab<br />

�isst auffällig, stopft, schlingt, schluckt nicht, kaut nicht<br />

�schläft schlecht ein oder wacht zu früh auf, liegt stundenlang nachts wach<br />

(«braucht» wenig Schlaf)<br />

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<strong>Autismus</strong> Schulkinder<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

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Sozialverhalten<br />

�hat wenig oder keinen Kontakt zu anderen Kindern in der Schule oder<br />

Nachbarschaft<br />

�nimmt unangemessen Kontakt zu anderen Kindern auf (ist aggressiv gegen<br />

Kinder oder Gegenstände, stört andere Kinder, macht deren Sachen kaputt) (vgl.<br />

ADHS!)<br />

�es fällt ihm schwer, die Gefühle anderer zu verstehen (reagiert z.B. nicht oder<br />

unsensibel auf den Kummer anderer) (vgl. ADHS!)<br />

�kann sich nicht gegen Kinder wehren (vgl. ADS!)<br />

�hat kein oder ein ungewöhnliches Verlangen nach Trost in Situationen seelischer<br />

Not<br />

�hat kein Verständnis für soziale Regeln<br />

�lacht in sozialen Situationen oft unangemessen<br />

�ist wenig sensibel für die Grenzen anderer Personen (vgl. ADHS!)<br />

�stellt häufig im Sozialkontakt stereotype Fragen<br />

�hat Schwierigkeiten oder ist unfähig, Handlungen von Personen zu imitieren, ahmt<br />

allenfalls mechanisch nach<br />

�lehnt Körperkontakt ab, wenn es ihn nicht kontrollieren kann<br />

�reagiert ängstlich oder aggressiv, wenn gewohnte Wege, Zeitpunkte oder<br />

Reihenfolgen nicht eingehalten werden<br />

�scheint wie unter Zwang auf Ordnung bedacht zu sein<br />

�kann nur schwer freie, unstrukturierte Zeit gestalten (vgl. ADHS!)<br />

�benötigt häufig die Möglichkeit, sich zurückziehen zu können<br />

�kann nicht lügen<br />

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<strong>Autismus</strong> Schulkinder<br />

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Spielverhalten<br />

�nimmt nicht aktiv an Gruppenspielen teil; spielt lieber allein; benutzt<br />

andere Kinder beim Spielen als mechanische Hilfe<br />

�hat ein großes Interesse an nichtbelebten Objekten<br />

�zeigt wenig kreative und fantasievolle Aktivitäten; ist beeinträchtigt im<br />

sozial-imitierenden und «So-tun-als-ob»-Spiel; hat ein geringes Interesse<br />

an Fantasiegeschichten<br />

�spielt ungewöhnlich lange mit dem gleichen Spielzeug<br />

�ordnet immer wieder Spielgegenstände (z.B. Figuren) gleichförmig an<br />

�spiel gleichförmig z.B. mit Bindfäden oder Papierschnipseln<br />

�beschäftigt sich intensiv mit einem Spezialthema, z.B. Dinosaurier,<br />

Geschichtsdaten<br />

�sammelt seltsame Objekte (z.B. tote Insekten)<br />

�zeigt wenig Neugier auf neue Dinge<br />

�will immer wieder die gleichen Lieder und Melodien auf der Kassette<br />

hören<br />

�lässt sich nur schwer aus seiner Gedankenwelt herausreißen (vgl.<br />

ADS/ADHS!)<br />

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<strong>Autismus</strong> Schulkinder<br />

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Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

Motorik<br />

�verdreht Augen, Finger, Hände, Hals<br />

�wedelt mit den Armen, Händen oder Gegenständen (vgl. ADHS!)<br />

�Armflattern und Händeklatschen als Ausdruck emotionaler Erregung<br />

�reibt seine Hände wie beim Waschen<br />

�schaukelt oder wiegt sich hin und her (vgl. ADHS!)<br />

�wirkt meist extrem unruhig; nestelt oder manipuliert häufig an<br />

Gegenständen herum (vgl. ADHS!)<br />

�wirkt meist extrem antriebsarm, ist körperlich schnell erschöpft (vgl. ADS!)<br />

�läuft unsicher, hat ein steifes oder staksiges Gangbild<br />

�kann schlecht balancieren, hat ein unsicheres Gleichgewichtsempfinden<br />

�verhält sich bei vielen Handlungen sehr unbeholfen (braucht z.B. Hilfe<br />

beim An- und Ausziehen)<br />

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<strong>Autismus</strong> Schulkinder<br />

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Sprache<br />

�Sprachentwicklungsstörung oder Gebrauch von Worten, die sonst Ältere<br />

benutzen<br />

�Ziehen, Reißen des Kommunikationspartners bei Willensäußerungen<br />

�benutzt wenig nonverbale Signale (wenig Gestik und Mimik)<br />

�kann gestische und mimische Signale anderer nur schwer verstehen<br />

�hat eine auffällige Sprachmelodie (z.B. hoch, leise, schnell, verwaschen,<br />

singend)<br />

�führt Selbstgespräche (flüsternd oder laut, auch in verschiedenen Rollen<br />

und Stimmen)<br />

�hat Schwierigkeiten, Mehrfachbedeutungen von Worten zu verstehen und<br />

Aufforderungen nachzukommen, reagiert mit mechanischen Wort- und<br />

Satzwiederholungen<br />

�hat Schwierigkeiten, Fragen zu stellen oder zu beantworten<br />

�benutzt vorwiegend Haupt- und Tätigkeitsworte (hat Schwierigkeiten bei<br />

der Benutzung von Für-, Verhältnis- und Bindeworten)<br />

�hat Schwierigkeiten, Witz, Ironie, Sarkasmus u. ä. zu verstehen<br />

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<strong>Autismus</strong> Schulkinder<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

Ess-/Trinkverhalten<br />

�bevorzugt bestimmte Speisen, Getränke, lehnt andere völlig ab<br />

�isst auffällig, stopft, schlingt, schluckt nicht, kaut nicht<br />

�schläft schlecht ein oder wacht zu früh auf (vgl. ADHS!)<br />

�liegt stundenlang nachts wach («braucht» wenig Schlaf) (vgl. ADHS!)<br />

Spezielle Fähigkeiten (kontrastierend zu den Verhaltensdefiziten auf<br />

anderen Gebieten)<br />

�hat besondere künstlerische Fähigkeiten (Malen, Musik o.ä.) oder<br />

reproduktive<br />

�hat besondere mathematische Fähigkeiten oder sprachliche<br />

�ist besonders geschickt beim Basteln an elektrischen Geräten o.a.<br />

Objekten<br />

�hat besondere Merkfähigkeiten (behält Teile von Unterhaltungen,<br />

speichert komplette Gedichte, Tabellen, Musikpassagen, visuelle Muster,<br />

Wegbeschreibungen usw. ab)<br />

�hat ein gutes oder mangelndes räumliches Vorstellungsvermögen<br />

�zeigt große Ausdauer und geht geplant vor, um sich seine Vorlieben und<br />

Interessen zu erfüllen<br />

53


Frühkindlicher <strong>Autismus</strong>/Kanner-<strong>Autismus</strong><br />

Intelligenz<br />

� gekennzeichnet durch außerordentlich starke Variation des<br />

Intelligenzniveaus<br />

� ca. 60% sind geistig behindert<br />

� ca. 20% sind lernbehindert<br />

� bei ca. 17% liegt ein IQ im Grenzbereich vor<br />

� ca. 3% liegt ein IQ im durchschnittlichen Bereich oder<br />

überdurchschnittlichen Bereich vor („High-functioning“<br />

<strong>Autismus</strong> - diese Form führt zu Abgrenzungsschwierigkeiten<br />

mit dem Asperger- Syndrom)<br />

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Frühkindlicher <strong>Autismus</strong>/Kanner-<strong>Autismus</strong><br />

je nach erreichtem Entwicklungsniveau sowie zur optimalen<br />

Förderung wird zwischen 3 Stufen differenziert:<br />

� autistische Menschen mit hohem Entwicklungsniveau<br />

(leben zurückgezogen aber eigenständig, können sich etwas von<br />

Kontaktstörung befreien, bleiben dennoch auffällig im sozialen Bereich)<br />

� autistische Menschen mit mittlerem Entwicklungsniveau<br />

(leben häufig in therapeutischen Wohngruppen, haben häufig Schule für<br />

geistig Behinderte besucht, deutliche emotionale Auffälligkeiten,<br />

ausgeprägte Stereotypien sowie zwanghaftes Verhalten)<br />

� autistischen Menschen mit niedrigem Entwicklungsniveau<br />

(deutlichere Defizite im intellektuellen Bereich als 2. Stufe, zusätzlich zu<br />

Verhaltensweisen der 2. Stufe kommen: unmotiviertes Schreien sowie<br />

selbstverletzendes Verhalten und nicht vorhersehbare<br />

Aggressionszustände)<br />

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Asperger-Syndrom<br />

(F84.5)<br />

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Symptome - Asperger-Syndrom (I)<br />

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Beziehungsstörung zur personalen, aber auch dinglichen Umwelt sowie<br />

sich selbst<br />

Asperger Autisten sind:<br />

– nur begrenzt zu sozialen Kontakten fähig,<br />

– schwierig auf Personen oder soziale Situationen<br />

einzustellen,<br />

– unfähig, ein Gefühl für persönliche Distanz zu entwickeln,<br />

– beim Durchsetzen ihre Wünsche und Absichten rücksichtslos und<br />

zwanghaft<br />

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Symptome - Asperger-Syndrom (II)<br />

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- sensorische Besonderheiten (Abneigung gegen bestimmte Geschmacks-,<br />

Geruchs- und Berührungsempfindungen)<br />

- Entwicklung von Sonderinteressen (häufig nicht praktisch<br />

brauchbar), die hypertrophisch entwickelt sind<br />

- motorische Ungeschicklichkeit<br />

- Kritik, Einschränkungen und Anforderungen können zu massiven<br />

Wutanfällen führen<br />

- haben Freude am Ärger der anderen, schüren diese gelegentlich durch<br />

eigene Aktivitäten<br />

58


Symptome - Asperger-Syndrom (III)<br />

- sehnen sich häufig nach sozialen Kontakten,<br />

wissen aber nicht, wie Freundschaften begonnen, sowie stabil<br />

erhalten werden sollen<br />

- kommen besser mit Erwachsenen als mit Gleichaltrigen aus<br />

- Wahrnehmung oft nur selektiv, haben aber an einzelne Dinge<br />

absonderliche z.T. fetischhafte<br />

Bindungen<br />

- Blickkontakt selten oder nur flüchtig<br />

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Symptome - Asperger-Syndrom (IV)<br />

Sprache:<br />

– Sprache entwickelt sich häufig frühzeitig<br />

– frühzeitiges Erlernen von Grammatik und Vokabular<br />

– gute Sprache mit häufig originellen Wortneuschöpfungen<br />

– Sprache ist allerdings in kommunikativer Funktion<br />

gestört<br />

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– reden wann es ihnen gefällt und über Themen, die sie interessieren,<br />

<strong>ohne</strong> Anpassung an die Zuhörer oder an das jeweilige Thema<br />

60


Symptome - Asperger-Syndrom (V)<br />

Intelligenz:<br />

– gute bis überdurchschnittliche Intelligenz<br />

– trotz guter Intelligenz Störungen im schulischen Lernen<br />

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– Kinder sind sehr auf Sonderinteressen fixiert und nur begrenzt zu<br />

motivieren<br />

– Störungen der Aufmerksamkeit (d.h. internal ablenkbar, reagieren<br />

auf innere Impulse und Einfälle)<br />

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Asperger-<strong>Autismus</strong><br />

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- Störung wird in der Regel später als der frühkindliche <strong>Autismus</strong><br />

diagnostiziert, was auf die fehlende Sprachentwicklungsstörung<br />

und die geringe kognitive Beeinträchtigung zurückzuführen sein<br />

könnte<br />

- Störung wird durchschnittlich zwischen dem 7. und 11.<br />

Lebensjahr diagnostiziert, nicht selten auch später (in der<br />

Pubertät)<br />

62


ICD-10-Definition<br />

Asperger-Syndrom<br />

Abweichungen der wechselseitigen sozialen Interaktionen,<br />

zusammen mit einem eingeschränkten, sich wiederholenden<br />

Repertoire von Interessen und Aktivitäten.<br />

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Psychotherapi e<br />

Die Störung unterscheidet sich vom frühkindlichen <strong>Autismus</strong> durch<br />

fehlende allgemeine Entwicklungsverzögerung bzw. den fehlenden<br />

Entwicklungsrückstand der Sprache und der kognitiven<br />

Entwicklung.<br />

Die Störung geht häufig mit Ungeschicklichkeit einher.<br />

Die Abweichungen tendieren stark dazu, bis in das<br />

Erwachsenenalter zu bestehen.<br />

63


Asperger-Syndrom (F84.5)<br />

(überwiegend bei Jungen auftretende Störung)<br />

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Psychotherapi e<br />

A. Fehlen einer Sprachentwicklungsverzögerung (gesprochene oder<br />

rezeptive Sprache) oder einer Verzögerung der kognitiven Entwicklung<br />

(mentale/intellektuelle Retardierung).<br />

�Einzelne Wörter im 2. LJ oder früher und kommunikative Phrasen im 3.<br />

LJ oder früher<br />

�Selbsthilfefertigkeiten, adaptives Verhalten und Neugier an der<br />

Umgebung während sollten während der ersten 3 LJ einer normalen<br />

intellektuellen Entwicklung entsprechen<br />

�Meilensteine der motorischen Entwicklung dürfen etwas verspätet<br />

auftreten, oft motorische Ungeschicklichkeit, oft isolierte Spezialfertigkeiten<br />

64


Asperger-Syndrom (F84.5)<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

B. Qualitative Beeinträchtigung der gegenseitigen sozialen Interaktion<br />

(entsprechend dem Kriterium für <strong>Autismus</strong>)<br />

C. Ungewöhnlich intensives umschriebenes Interesse oder begrenzte<br />

repetitive und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten<br />

(entsprechend dem Kriterium für <strong>Autismus</strong>)<br />

D. Die Störung kann nicht einer anderen tiefgreifenden<br />

Entwicklungsstörung, einer schizotypen Störung (F21), einer<br />

Schizophrenia simplex (F20.6), einer Bindungsstörung (F94.1/F94.2),<br />

einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung (anankastische<br />

Persönlichkeitsstörung, F60.5) oder einer Zwangsstörung (F42)<br />

zugeordnet werden.<br />

65


Diagnose und Differentialdiagnose<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

66


Frühsymptome des Asperger-Syndroms II<br />

(aus: Kamp-Becker et al. (2010): <strong>Diagnostik</strong>. Frühsymptome des Asperger-Syndroms im<br />

Kindesalter. Eine retrospektive Untersuchung. Kindheit und Entwicklung, 19 (3), 168-176.)<br />

Abgefragter Zeitraum: Kigaalter: 4.-5. LJ<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

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Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

� Reaktion auf Annäherung anderer Kinder (reagiert selten positiv auf<br />

Annäherungsversuche anderer Kinder; Reaktionen sind begrenzt und<br />

unvorhersehbar oder reagiert nur positiv auf ein sehr vertrautes Kind)<br />

� Fantasiespiel mit Gleichaltrigen (beteiligt sich nicht an Fantasiespielen<br />

mit anderen Kindern; wenn doch, dann nicht in einer auf Gegenseitigkeit<br />

beruhenden Weise und/oder Fantasiehandlungen sind in ihrer<br />

Variationsbreite stark eingeschränkt)<br />

� Angebot zu teilen (bietet selten oder nie anderen etwas zu teilen, z. B.<br />

Nahrung, Spielzeug oder Lieblingsgegenstände)<br />

� Geteilte Aufmerksamkeit: Auf etwas zeigen, um Interesse auszudrücken<br />

(benutzt keine oder selten spontane, zeigende Gesten als<br />

Kommunikationsmittel mit begleitendem Blickkontakt)<br />

67


Frühsymptome des Asperger-Syndroms II<br />

(aus: Kamp-Becker et al. (2010): <strong>Diagnostik</strong>. Frühsymptome des Asperger-Syndroms im<br />

Kindesalter. Eine retrospektive Untersuchung. Kindheit und Entwicklung, 19 (3), 168-176.)<br />

Abgefragter Zeitraum: Gesamte Entwicklung<br />

Soziales Geplauder (spricht nicht oder kaum mit anderen allein, um<br />

freundlich oder gesellig zu sein, sondern lediglich um Bedürfnisse<br />

mitzuteilen oder Informationen zu geben)<br />

Stereotyper Sprachgebrauch (repetitive Sprachmuster, die sicher<br />

ungewöhnlich sind: stereotyper Inhalt, nicht-soziale Verwendung,<br />

häufige Selbstgespräche)<br />

Zwänge/Rituale: mind. über einen Zeitraum von 3 Monaten (fixierte,<br />

starre Handlungsabfolgen mit deutlichen emotionalen Reaktionen,<br />

wenn diese unterbrochen oder nicht eingehalten werden (nicht: Zu-<br />

Bettgeh-Rituale)<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

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Atypischer <strong>Autismus</strong><br />

(F84.1x)<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

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Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

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Atypischer <strong>Autismus</strong> (F84.1)<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

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Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

A. Vorliegen einer auffälligen und beeinträchtigten Entwicklung mit<br />

Beginn im oder nach dem dritten Lebensjahr (Kriterien<br />

entsprechen denen dem <strong>Autismus</strong>, abgesehen vom<br />

Manifestationsalter)<br />

B. Qualitative Auffälligkeiten der gegenseitigen sozialen Interaktion<br />

oder der Kommunikation oder begrenzte, repetitive und<br />

stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten (Kriterien<br />

entsprechen denen dem <strong>Autismus</strong>, abgesehen von der Zahl der<br />

gestörten Bereiche)<br />

C. Diagnostischen Kriterien für <strong>Autismus</strong> (F84.0) werden nicht erfüllt.<br />

70


Atypischer <strong>Autismus</strong> (F84.1)<br />

F84.10<br />

Atypischer <strong>Autismus</strong> mit atypischem Erkrankungsalter<br />

(Manifestationsalter im oder nach dem 3. LJ)<br />

F84.11<br />

Atypischer <strong>Autismus</strong> mit atypischer Symptomatologie<br />

(Manifestationsalter vor 3. LJ, Kriterien für <strong>Autismus</strong> zwar erfüllt,<br />

abgesehen von der zahl der gestörten Bereiche)<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

F84.12<br />

Atypischer <strong>Autismus</strong> mit atypischem Erkrankungsalter und<br />

atypischer Symptomatologie<br />

(Manifestationsalter im oder nach dem 3. LJ & Kriterien für <strong>Autismus</strong> zwar<br />

erfüllt, abgesehen von der zahl der gestörten Bereiche)<br />

71


High-Functioning-Autism (HFA)/<br />

Low-Functioning-Autism (LFA)<br />

High-Functioning-Autism (HFA)<br />

Frühkindlicher <strong>Autismus</strong> (Kanner-<strong>Autismus</strong>)<br />

� <strong>ohne</strong> Intelligenzminderung (IQ ≥ 70) oder<br />

� durchschnittliche Intelligenz (IQ ≥ 85)<br />

� gute verbale Fähigkeiten trotz anamnestisch vorhandener<br />

Sprachentwicklungsverzögerung<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

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Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

Menschen mit <strong>Autismus</strong>, die in jungen Jahren (d. h. in der frühkindlichen<br />

Anamnese) phänomenologisch ein „Kanner-Syndrom“ zeigten, im Verlauf<br />

sich aber immer mehr in Richtung eines „Asperger-Syndroms“<br />

entwickelten.<br />

Low-Functioning-Autism (LFA)<br />

Frühkindlicher <strong>Autismus</strong> mit schlechten sprachlichen Fähigkeiten und einer<br />

Intelligenzminderung.<br />

72


High-Functioning-<strong>Autismus</strong> (HFA)<br />

� Unterform von F84.0 neben dem LFA<br />

� diagnostische Kriterien des frühkindlichen <strong>Autismus</strong><br />

� keine Intelligenzminderung (IQ > 70)<br />

� Oftmals wird zunächst der niedrigfunktionale frühkindliche <strong>Autismus</strong><br />

(LFA) diagnostiziert.<br />

� Diagnostisch wichtig: verzögerte Sprachentwicklung<br />

� Es kann aber später eine normale Sprachentwicklung erfolgen, bei<br />

der durchaus ein mit dem Asperger-Syndrom vergleichbares<br />

Funktionsniveau erreicht wird.<br />

� Viele HFA-Autisten sind deshalb als Erwachsene nicht von<br />

Asperger-Autisten zu unterscheiden.<br />

� Die Sprache muss sich nicht zwangsläufig entwickeln, viele nicht<br />

sprechende HFA-Autisten können trotzdem eigenständig leben und<br />

lernen, sich schriftlich zu äußern.<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

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Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

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Vergleich Frühkindlicher <strong>Autismus</strong>, Atypischer<br />

<strong>Autismus</strong>, Asperger-<strong>Autismus</strong><br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

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Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

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<strong>Diagnostik</strong> autistischer Störungen<br />

o Ausführliche Exploration der Symptomatik (v. a. Eltern, sonstige<br />

wichtige Bezugspersonen wie z. B. Familienangehörige,<br />

Lehrer/Erzieher, Kinder- und/oder Hausarzt, Jugendamt, etc.)<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

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Psychotherapi e<br />

o Biographische Anamnese (insbesondere frühkindliche Anamnese, prä-<br />

, peri- und postnatale Entwicklung, Meilensteine, Sprachentwicklung,<br />

Intelligenz, U1-U9, etc.)<br />

o Kindergarten- und Schulanamnese (Fremdanamnese)<br />

o Verhaltensbeobachtung im Therapiesetting und in einer „natürlichen“<br />

Umgebung (ggf. Videoaufzeichnung, z. B. im Kindergarten oder in der<br />

Schule, Verein)<br />

o Psychischer Befund (Einschätzung der Psychopathologie des Kindes)<br />

o Auswertung von Vorberichten/Vorbefunden<br />

75


Anamneseerhebung<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

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Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

� Wann lernte das Kind sprechen?<br />

� Typisch für F84.5: Sprechen etwa zeitgleich mit Laufen<br />

oder früher.<br />

� Eine deutliche Sprachentwicklungsverzögerung spricht<br />

gegen F84.5 und ggf. eher für F84.0 oder F84.1.<br />

� Eine reine Artikulationsstörung, Stottern oder elektiver<br />

Mutismus sprechen nicht gegen ein Asperger-Syndrom.<br />

76


Anamneseerhebung<br />

� Wann lernte das Kind laufen?<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

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Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

� Wann lernte das Kind Fahrrad fahren und wann Schleife<br />

binden?<br />

� Typisch für F84.5: motorische Ungeschicklichkeit<br />

77


Anamneseerhebung<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

� Typischerweise kommt es bereits in der Krabbelgruppe kaum zu<br />

Kontakten mit Gleichaltrigen, im Kindergarten dasselbe<br />

Verhaltensmuster. Kinder mit autistischen Problemen spielen lieber<br />

für sich allein oder schauen zu. Tätigkeiten im Gruppenkreis liegen<br />

ihnen in der Regel nicht.<br />

� Auch in der Schule finden sie keine Freunde, sie treffen sich auch<br />

nicht nachmittags mit Gleichaltrigen.<br />

� Zu Geburtstagsfeiern kommt keiner bzw. nur sehr wenige, wenn die<br />

Eltern nicht gezielt andere Kinder einladen.<br />

78


Anamneseerhebung<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

� Typischerweise spielen die Patienten nach wenigen<br />

Minuten für sich, statt mit einem Gleichaltrigen oder sie<br />

wollen stets vorgeben, was und nach welchen Regeln<br />

gespielt wird (dominieren also das Spielgeschehen bzw.<br />

versuchen).<br />

� An Gruppensport besteht oftmals kein Interesse oder<br />

das Verständnis für das Spielen im Team fehlt.<br />

79


Anamneseerhebung<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

� Kann sich das Kind einfühlen in andere (Frage nach<br />

Theory of Mind)?<br />

� Versteht das Kind Doppeldeutigkeiten und Aspekte<br />

‚zwischen den Zeilen’ (Frage nach Humor, Zynismus)?<br />

80


Psychischer Befund<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

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Psychotherapi e<br />

� In der Begrüßungssituation und beim Verabschieden die<br />

Hand reichen und dabei auf spontanen Blickkontakt des<br />

Patienten achten: Typisch ist ein Vorbeischauen zur<br />

Seite (manchmal nur bei der Verabschiedung).<br />

81


Psychischer Befund<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

� Während des gesamten Untersuchungsverlaufs auf die<br />

Mimik achten: Ausreichend moduliert? Angemessen<br />

abgestimmt? Oder eher maskenhaft? Indifferent? Oder<br />

nur Extreme? Nur Lächeln?<br />

82


Psychischer Befund<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

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Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

� Oft haben die Patienten Schwierigkeiten, auf offen<br />

formulierte Fragen eine Antwort zu geben, während sehr<br />

gezielte Fragen durchaus beantwortet werden.<br />

� Eine Antriebssteigerung spricht für ein zusätzliche<br />

vorliegendes ADHS.<br />

83


Vorberichte/Vorbefunde<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

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Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

� häufig wird in der Vorgeschichte eine motorische<br />

Ungeschicklichkeit bzw. Entwicklungsverzögerung<br />

beschrieben und entsprechend Psychomotorik oder<br />

Ergotherapie eingeleitet<br />

� häufig wird hypotoner Muskeltonus beschrieben<br />

� häufig wurde in der Vorgeschichte der Verdacht auf ein<br />

ADS oder ADHS geäußert<br />

84


Vorberichte/Vorbefunde<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

� Die Vorberichte screenen nach Angaben Blickkontakt,<br />

Kontaktgestaltung zu Gleichaltrigen (zu Erwachsenen oft<br />

relativ unauffällig!), motorischen Geschicklichkeit bzw.<br />

Ungeschicklichkeit, Skurrilität, Abschweifen und<br />

Fantasiewelt als auffällig.<br />

� eine schwierige Kindheit (z. B. suchtkranke Mutter oder<br />

Aufwachsen in einem Heim) spricht nicht gegen eine<br />

autistische Störung<br />

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Vorberichte/Vorbefunde<br />

22.1.<strong>2011</strong> <strong>Autismus</strong> Diagnosti k<br />

Klinik für Ki nder- und<br />

Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

� bei testpsychologischen Untersuchungen nicht nur<br />

Gesamt-IQ, sondern auch Verfahren und Intelligenzprofil<br />

beachten (eindimensionale IQ-Tests sind unzureichend).<br />

� eine LRS ist für ein Asperger-Syndrom eher untypisch.<br />

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Diagnostische Verfahren<br />

(allgemeine psychologische <strong>Diagnostik</strong>)<br />

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Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapi e<br />

• Achenbach-Skalen (CBCL, YSR, TRF)� diagnostisches Screening<br />

• <strong>Diagnostik</strong>-System für psychische Störungen im Kindes- und<br />

Jugendalter (DISYPS-KJ-II, z. B. Fremdbeurteilungsbögen für<br />

tiefgreifende Entwicklungsstörungen/FBB-TES, ggf. bei komorbider<br />

Symptomatik andere Fragebögen zur <strong>Diagnostik</strong> oder zum Ausschluss<br />

begleitender psychischer Störungen wie z. B. ADHS, Störungen des<br />

Sozialverhaltens, depressive Störungen, Angst- und<br />

Zwangsstörungen)<br />

• Intelligenz- und Entwicklungsdiagnostik (mehrdimensionale Intelligenzund<br />

Entwicklungstests, z. B. HAWIK-IV, K-ABC, IDS, SON-R)<br />

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