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2 Symplektische Geometrie

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2 <strong>Symplektische</strong> <strong>Geometrie</strong><br />

Hier werden wir systematischer symplektische <strong>Geometrie</strong> einführen.<br />

2.1 <strong>Symplektische</strong> Lineare Algebra<br />

2 SYMPLEKTISCHE GEOMETRIE<br />

Da lineare Algebra die punktweise Variante von Differentialgeometrie aufgefasst werden<br />

kann, fangen wir mit symplektischer linearer Algebra an. Nachdem wir wissen, was es<br />

bedeutet, an einem Punkt symplektisch zu sein, werden wir die zugehörigen globalen<br />

Begriffe betrachten<br />

2.1.1 <strong>Symplektische</strong> Bilinearformen<br />

Es sei im Folgenden V ein endlich dimensionaler reeller Vektorraum.<br />

Definition 2.1 Eine Bilinearform B : V ×V → R ist alternierend (auch: schiefsymmetrisch)<br />

genau dann, wenn für alle x, y ∈ V<br />

B(x, y) = −B(x, y)<br />

ist. Die Menge aller alternierenden Bilinearformen ist ein Vektorraum, der als A 2 (V )<br />

geschrieben wird.<br />

Definition 2.2 Eine Bilinearform B ist nichtausgeartet (auch: entartet oder nichtdegeneriert)<br />

genau dann, wenn für jeden Vektor v ∈ V ein Vektor w ∈ W derart<br />

existiert, dass<br />

B(v, w) �= 0<br />

ist.<br />

Definition 2.3 Das Paar (V, B), wobei B ∈ A 2 (V ) nichtausgeartet ist, ist ein symplektischer<br />

Vektorraum.<br />

Beispiel 2.4 Es sei V = R 2n und<br />

�<br />

0n 1n<br />

An :=<br />

�<br />

−1n 0n<br />

,<br />

wobei 1n die n × n-Einheitsmatrix ist und 0n die n × n-Nullmatrix ist. Es sei ferner ω0<br />

die durch<br />

ω0(x, y) := t xAny<br />

bestimmte Bilinearform. Dann ist ω0 alternierend. Darüber hinaus kann ω0 in Komponenten<br />

als<br />

ω0(x, y) = x 1 y n+1 + · · · x n y 2n − x n+1 y 1 − · · · − x 2n y n<br />

geschrieben werden. Daraus folgt, dass ω0 nichtausgeartet ist. ♦<br />

Von jeder Basis b1, . . . , bN von V wird einer Bilinearform B eine Matrix A =<br />

(B(bi, bj)) zugeordnet, und umgekehrt wird einer Matrix A eine Bilinearform B(x, y) :=<br />

t xAy zugeordnet. Bezüglich dieser Zuordnung ist<br />

B alternierend ⇔ A schiefsymmetrisch, und<br />

B nichtausgeartet ⇔ A invertierbar.<br />

<strong>Geometrie</strong> der Quantisierung Dr. W. D. Kirwin 4


2.1 <strong>Symplektische</strong> Lineare Algebra 2 SYMPLEKTISCHE GEOMETRIE<br />

Satz 2.5 (<strong>Symplektische</strong> Normalform) Sei (V, B) ein symplektischer Vektorraum, dann<br />

existiert eine Basis e1, . . . , en, f 1 , . . . , f n von V derart, dass für alle 1 ≤ i, j ≤ n<br />

B(ei, ej) = 0, B(ei, f j ) = δ j<br />

i , und B(f i , f j ) = 0.<br />

Beweis. Es sei m = dim V . Wir nehmen an, dass für irgendeine n ≥ 1 wir eine linear<br />

unabhängige Folge e1, . . . , en ∈ V mit B(ei, ej) für alle 1 ≤ i, j ≤ n gefunden haben.<br />

(Dass das möglich ist, folgt aus dem Fakt, dass jeder Vektor e1 so eine Folge ist. Wir<br />

werden die Induktionsmethode mit diesem Startpunkt anwenden). Wir betrachten den<br />

Unterraum<br />

Wn := {w ∈ V : B(ei, w) = 0 ∀1 ≤ i ≤ n}.<br />

Da die Vektoren ei linear unabhängig sind und B nichtausgeartet ist, ist dim Wn = m−n.<br />

Ferner sehen wir, dass n ≤ m − n, weil ei ∈ Wn, 1 ≤ i ≤ n.<br />

Falls n < m − n ist, existiert ein Vektor en+1 ∈ Wn, der linear unabhängig von<br />

e1, . . . , en ist. Es folgt, dass die Folge e1, . . . , en+1<br />

B(ei, ej) = 0, ∀1 ≤ i, j ≤ n + 1<br />

erfüllt. Wiederholung dieses Erweiterungsprozess ist möglich bis n = m − n ist, d.h.<br />

m = 2n.<br />

Als Nächstes, am Punkt m = 2n konstruieren wir die Folge f 1 , . . . , f n . Für jede<br />

j ∈ {1, . . . , n} betrachten wir die n Gleichungen in der Variable w<br />

B(ei, w) = δ j<br />

i , 1 ≤ i ≤ n.<br />

Die obigen Gleichungen sind linear unabhängig, was eine Lösung f j<br />

0 liefert. Jede andere<br />

Lösung hat die Form f j = f j<br />

0 + aijei. Nun zeigen wir, dass die aij ausgewählt werden können, so dass B(f i , f j ) = 0 ist. Sei<br />

bij = B(f i j<br />

0 , f0 ), dann ist<br />

B(f i , f j ) = B(f i 0, f j<br />

0 ) + B(aki ek, f j<br />

0 ) + B(f i 0, a li el) + B(a ki ek, a li el)<br />

= b ij − a ij − a ji + 0,<br />

wo wir in der zweiten Linie die Gleichungen B(ei, f j<br />

0<br />

hinreichend,<br />

a ij = −b ij /2<br />

) = δj<br />

i<br />

angewandt haben. Es ist dann<br />

auszuwählen.<br />

Zuletzt müssen wir nur zeigen, dass die Folge e1, . . . , en, f 1 , . . . , f n eine Basis ist.<br />

Aber jede Gleichung der Form<br />

a i ei + bjf j = 0<br />

liefert<br />

a k = −B(f k , a i ei + bjf j ) = 0, und<br />

bk = B(ek, a i ei + bjf j ) = 0.<br />

<strong>Geometrie</strong> der Quantisierung Dr. W. D. Kirwin 5


2.1 <strong>Symplektische</strong> Lineare Algebra 2 SYMPLEKTISCHE GEOMETRIE<br />

Definition 2.6 Eine Basis e1, . . . , en, f 1 , . . . , f n von V derart, dass<br />

B(ei, ej) = 0, B(ei, f j ) = δ j<br />

i , und B(f i , f j ) = 0<br />

für alle 1 ≤ i, j ≤ n gelten, wird eine symplektische Basis genannt.<br />

Folgerung 2.7 Es sei (V, B) ein symplektischer Vektorraum. Bezüglich einer symplektischen<br />

Basis ist die der Bilinearform B zugehörige Matrix A gleich An.<br />

Folgerung 2.8 Sei (V, B) ein symplektischer Vektorraum, dann ist dim V gerade.<br />

2.1.2 Unterräume<br />

Es sei im Folgenden (V, B) ein symplektischer Vektorraum und W ⊂ V ein Unterraum.<br />

Definition 2.9 Das B-Komplement von W ist der Unterraum<br />

Da B nichtausgeartet ist, ist<br />

W ⊥ := {v ∈ V : B(v, w) = 0 ∀w ∈ W }.<br />

�<br />

W ⊥� ⊥<br />

= W,<br />

und falls V endlich dimensional ist, ist ferner<br />

Aber: W ∩ W ⊥ ist nicht unbedingt {0}!<br />

dim W + dim W ⊥ = dim V.<br />

Beispiel 2.10 Es sei e1, . . . , en, f 1 , . . . , f n eine symplektische Basis und L = spanR{e1, . . . , en}.<br />

Dann ist L ⊥ = L. ♦<br />

Definition 2.11 W ⊂ V ist<br />

1. symplektisch genau dann, wenn dim W ∩ W ⊥ = 0,<br />

2. Lagrangesch genau dann, wenn dim W ∩ W ⊥ = n,<br />

3. isotrop genau dann, wenn W ⊆ W ⊥ , und<br />

4. koisotrop genau dann, wenn W ⊥ ⊂ W .<br />

Lemma 2.12 Es sei W ⊆ V.<br />

1. W ist symplektisch genau dann, wenn B| W symplektish ist.<br />

2. W ist Lagrangesch genau dann, wenn dim W = n und B| W = 0.<br />

3. W ist isotrop genau dann, wenn B| W = 0.<br />

4. W ist koisotrop genau dann, wenn W ⊥ isotrop ist (und umgekehrt).<br />

<strong>Geometrie</strong> der Quantisierung Dr. W. D. Kirwin 6


2.2 <strong>Symplektische</strong> Mannigfaltigkeiten 2 SYMPLEKTISCHE GEOMETRIE<br />

2.2 <strong>Symplektische</strong> Mannigfaltigkeiten<br />

Jetzt wissen wir genau, was es bedeutet, an einem Punkt symplektisch zu sein. Wir wissen<br />

aber von der ersten Lektion, dass es uns nicht reicht, dass eine symplektische Form an<br />

jedem Punkt nichtausgeartet ist, und zwar, wir fügen noch eine Bedingung hinzu, dass<br />

eine symplektische Form die globale Eigenschaft hat, dass sie geschlossen ist. Nachdem<br />

wir den Begriff einer symplektischen 2-Form definiert haben, werden wir globale Variante<br />

von den anderen Begriffen der symplektischen linearen Algebra einführen.<br />

Definition 2.13 Eine 2-Form ω ∈ Ω 2 (M) ist genau dann symplektisch, wenn ω geschlossen<br />

und nichtausgeartet ist, was bedeutet, dass an jedem Punkt x ∈ M, die Bilinearform<br />

ωx auf TxM nichtausgeartet ist. Eine symplektische Mannigfaltigkeit (M, ω)<br />

besteht aus einer glatten Mannigfaltigkeit M versehen mit einer symplektischen Form ω.<br />

Lemma 2.14 Es sei ω ∈ Ω 2 (M). Die folgenden Bedingungen sind äquivalent.<br />

1. ω ist nichtausgeartet.<br />

2. Es gilt für alle Vektoren v ∈ T M, dass ω(v, w) = 0 für alle Vektoren w ∈ TxM sei,<br />

dann ist v = 0 ∈ TxM.<br />

3. ω n := ω ∧ · · · ∧ ω (die n-te äußere Potenz von ω) ist eine Volumenform.<br />

4. Die zugehörige Abbildung ω : T M → T ∗ M, die v ∈ T M auf ω(v, ·) ∈ T ∗ M abbildet,<br />

ist invertierbar.<br />

Definition 2.15 Es sei (M1, ω1) und (M2, ω2) symplektische Mannigfaltigkeiten. Eine<br />

Abbildung ψ : M1 → M2 ist genau dann ein Symplektomorphismus, wenn ψ ∗ ω2 = ω1.<br />

2.2.1 Untermannifaltigkeiten<br />

Es sei i : N → M eine glatte Untermannigfaltigkeit, d.h. N ist eine glatte Mannigfaltigkeit<br />

und i : N → M ist eine Einbettung.<br />

Definition 2.16 Eine Untermannigfaltigkeit i : N → M ist<br />

1. symplektisch genau dann, wenn i ∗ ω symplektisch ist,<br />

2. Lagrangesch genau dann, wenn i ∗ ω = 0 ist,<br />

3. isotrop genau dann, wenn i∗TxN ⊆ T i(x)M isotrop ist, und<br />

4. koisotrop genau dann, wenn i∗TxN ⊆ T i(x)M koisotrop ist.<br />

Im Allgemeinen ist es nicht einfach, symplektische (bzw. Lagrangesche, isotrope, oder<br />

koisotrope) Untermannigfaltigkeiten zu finden. Zum Beispiel, aus dem folgenden Satz erwarten<br />

wir topologische Einschränkungen, die nicht ganz oberflächlich oder offensichtlich<br />

sind.<br />

Satz 2.17 Es sei n > 1 und ω ∈ Ω 2 (R 2n ) eine beliebige symplektische 2-Form. Dann ist<br />

keine symplektische Untermannigfaltigkeit i : N 2m → R 2n kompakt.<br />

Beweis. Da R 2n zusammenziehbar ist und n > 1 ist, verschwindet die zweite De-Rham-<br />

Kohomologie H 2 DR (R2n ). Die 2-Form ω ist geschlossen, was liefert, dass eine 1-Form<br />

α ∈ Ω 1 (R 2n ) derart existiert, dass ω = dα, und ferner dass<br />

ω m = d(α ∧ ω m−1 ),<br />

<strong>Geometrie</strong> der Quantisierung Dr. W. D. Kirwin 7


2.2 <strong>Symplektische</strong> Mannigfaltigkeiten 2 SYMPLEKTISCHE GEOMETRIE<br />

d.h. ω m ist exakt. Ist N symplektisch, so ist i ∗ ω m eine Volumenform auf N. Wir berech-<br />

nen aber, dass<br />

�<br />

vol(N) =<br />

N<br />

ω m �<br />

=<br />

N<br />

d(α ∧ ω m−1 �<br />

) =<br />

∂N<br />

α ∧ ω m−1 = 0,<br />

wobei wir im letzten Schritt den Fakt angewandt haben, dass ∂N = ∅ falls N kompakt<br />

ist. Dies aber widerspricht, dass das Volumen einer 2m-dimensionalen (orientierbaren)<br />

Untermannigfaltigkeit mit 2m > 0 positiv ist.<br />

2.2.2 Das Kotangentialbündel T ∗ N<br />

Es sei N eine glatte Mannigfaltigkeit und T ∗ N ihr Kotangentialbündel mit natürlicher<br />

Projektion π : T ∗ N → N.<br />

Definition 2.18 Die kanonische 1-Form θ ∈ Ω 1 (T ∗ N) ist<br />

θα(v) := α(π∗(v)), v ∈ Tα(T ∗ N).<br />

Bemerkung 2.19 π∗ ist die Ableitung von π, und ist demzufolge eine Abbildung π∗ :<br />

T (T ∗ N) → T N. Daraus folgt, dass π∗v ∈ T π(α)N falls v ∈ Tα(T ∗ N). Andererseits ist<br />

α ∈ T ∗ π(α) N. Demnach ist a(π∗(v)) die natürliche Wirkung der Elemente a von dem<br />

Dualraum des Tangentialraumes auf einen Vektor im Tangentialraum. ♦<br />

Satz 2.20 θ ist glatt und ω = −dθ ist symplektisch.<br />

Beweis. Wir berechnen ω in lokalen Koordinaten. Es sei x : U ⊂ N → R n eine Karte. Da<br />

die 1-Formen dx 1 , . . . , dx n an jedem Punkt in x ∈ U linear unabhängig sind, existieren<br />

eindeutige Funktionen pi : T ∗ U → R derart, dass für α ∈ T ∗ x U,<br />

a = p1(x)dx 1 + · · · + pn(x)dx n = pj(x)dx j .<br />

Die Funktionen x 1 , . . . , x n , p1, . . . , pn erfassen ein Koordinatensystem auf T ∗ U, in dem<br />

die Projektion<br />

π(x, p) = x<br />

ist. Eine direkte Berechnung liefert, dass θ = pjdx j und ferner, dass<br />

ω = dx j ∧ dpj.<br />

Dass ω nichtausgeartet ist, folgt unmittelbar daraus.<br />

Es stellt sich heraus, dass lokal gesehen, Kotangentialbündel die einzige symplektische<br />

Mannigfaltigkeiten sind, was der folgende Satz von Darboux besagt. Er ist eine globale<br />

Variante des Satzes der symplektischen Normalform.<br />

Satz 2.21 Es sei (M 2n , ω) eine symplektische Mannigfaltigkeit. Dann für jeden Punkt<br />

p ∈ M existiert eine Umgebung U von p mit Koordinaten x 1 , . . . , x n , p1, . . . , pn derart,<br />

dass<br />

ω| U = dx j ∧ dpj<br />

ist.<br />

<strong>Geometrie</strong> der Quantisierung Dr. W. D. Kirwin 8


2.2 <strong>Symplektische</strong> Mannigfaltigkeiten 2 SYMPLEKTISCHE GEOMETRIE<br />

Eine wichtige Folgerung ist, dass symplektische Mannigfaltigkeiten keine lokale Invarianten<br />

außer der Dimension haben. Insofern sind symplektische Mannigfaltigkeiten<br />

etwa beweglicher als Riemmansche Mannigfaltigkeiten. Da ein Symplektomorphismus<br />

ψ : (M1, ω1) → (M2, ω2) auch die Volumenform erhält, könnte man fragen, ob Symplektormorphismen<br />

bloß Volumen erhaltende Abbildungen sind. Der folgenden berühmt<br />

Satz von Gromov besagt, dass das nicht der Fall ist, und ist der Anfangspunkt eines sehr<br />

aktives und wichtiges Fachgebiet moderner Mathematik, das sich symplektische Topologie<br />

nennt. (Ausführlicher ist der Satz der Startpunkt des Begriffes der symplektischen<br />

Kapazität.) Wir werden aber das Thema symplektischer Topologie hier abbrechen, und<br />

in eine andere Richtung vorgehen.<br />

Es sei B2n (r) := {(x1 , . . . , x2n ) ∈ R2n : �2n i=1 (xj ) 2 < r} der Ball von Radius r in R2n und Z2n (R) := {(x1 , . . . , x2n ) ∈ R2n : (x1 ) 2 < R} der Zylinder von Radius R.<br />

Satz 2.22 (Gromov’s Nonsqueezing Theorem) Ist ψ : B 2n (r) → Z 2n (R) symplektisch,<br />

so ist r ≤ R.<br />

Der obige Satz besagt, dass keine Abbildung, die die symplektische 2-Form auf R 2n<br />

erhält, den r-Ball in den R-Zylinder zerquetschen kann, es sei denn, r ≤ R... daher der<br />

Name.<br />

<strong>Geometrie</strong> der Quantisierung Dr. W. D. Kirwin 9

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