Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 18/2015
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gebannt, der darf desillusioniert werden: Denn gerade „Großinvestoren“ werden im schwachen<br />
Börsenumfeld unterbewertete Aktien aufkaufen, um sodann ihren Einfluss auf das Management<br />
auszuüben, das dann auch wunschgemäß das Delisting beantragen und so die Aktien der anderen<br />
Aktionäre dem Großinvestor willig in die Arme treiben wird.<br />
Sofern der kolportierte Kompromissvorschlag in die Tat umgesetzt wird, muss man bewundernd und<br />
bestaunend attestieren, dass die „Enteignungs- und Übenahmeindustrie“ respektive deren Vertreter<br />
ganze Arbeit geleistet haben. Jeglicher anderer Erklärungsansatz wäre für den parlamentarischen<br />
Gesetzgeber weniger schmeichelhaft.<br />
Der nunmehrige Regelungsvorschlag ist wirklich Anlegerschutz ganz groß, ganz groß aber nur für den<br />
künftigen Großinvestor. Der typische Kleinanleger ist kein Bestandteil dieser Schutzsystematik. Seine<br />
Rolle beschränkt sich auf die eines Platzhalters, eines Platzhalters für den Großaktionär, bis dieser die<br />
Zeit gekommen sieht, die Chancen aus dem Investment komplett einzufahren. Originäre und<br />
selbständige Bedeutung kommt dem Privatanleger nur noch bei den Unternehmen zu, an denen die<br />
großen Marktteilnehmer kein Interesse haben respektive haben dürfen. Allzu oft sind dies aber<br />
Unternehmen mit einem erhöhten Risikoprofil und/oder einem zweifelhaften Geschäftsmodell.<br />
Eine derartige funktionale Degradierung des Privatanlegers hat mit Förderung der Aktienkultur nichts<br />
gemein. Eine derartige Kultur ist auf die Förderung der Interessen von Großinvestoren angelegt und<br />
führt damit über die Waffenungleichheiten zur Chancenungleichheit und zur Hofierung des Rechts<br />
des Stärkeren. Wer ernsthaften Anlegerschutz will, der muss die Chancengleichheit sicherstellen und<br />
stärken. Eine solche effiziente Chancengleichheit verbietet es, dass das Instrument „Delisting“ zur<br />
Zwangsdesinvestition ge- und missbraucht wird.<br />
Wenn der Privataktionär schon – wenn auch nur faktisch – gezwungen wird/ist, zu verkaufen, dann<br />
muss dieser Verkaufszwang vom Aktionariat durch einen entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss<br />
legitimiert sein und der Aktionär wenigstens den vollen (= wahren) und von Zufälligkeiten<br />
unabhängigen Verkehrswert als Abfindung erhalten. Es ist eine zuvörderst obliegende Pflicht eines<br />
kultivierten Rechtsstaates, dass ein solches Angebot auch der gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist,<br />
allein schon um den Anspruch auf die Abfindung zum vollen Verkehrswert durchzusetzen. Damit wird<br />
zwar der faktische Verkaufszwang nicht beseitigt, aber wenigstens wird die Vermögenseinbuße<br />
vollständig ausgeglichen.<br />
Alles andere schützt nur den Großanleger und dieser – dies sollte eigentlich Konsens sein – bedarf<br />
keines derartigen Schutzes.<br />
München, 24. September <strong>2015</strong><br />
SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.<br />
_______________<br />
<strong>Spruchverfahren</strong> <strong>aktuell</strong> - <strong>Nr</strong>. <strong>18</strong>/<strong>2015</strong> <strong>SpruchZ</strong> <strong>2015</strong> Seite 358