Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 18/2015
Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 18/2015
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<strong>Spruchverfahren</strong> <strong>aktuell</strong><br />
Recht & Praxis bei Squeeze-out-Fällen, Delisting,<br />
Organverträgen, Fusionen und Übernahmeangeboten<br />
<strong>Nr</strong>. <strong>18</strong>/<strong>2015</strong> vom 27. September <strong>2015</strong> ISSN 2195-7274<br />
Inhaltsübersicht<br />
Sonderausgabe vor allem mit weiteren Stellungnahmen<br />
zu der geplanten Delisting-Neuregelung<br />
Neuregelung des Delistings:<br />
Pressemitteilung der SPD-Bundestagsfraktion, S. 354<br />
Stellungnahme der DSW, S. 355<br />
Stellungnahme der SdK, S. 356<br />
Stellungnahme des DAV, S. 359<br />
Anstehende <strong>Spruchverfahren</strong> & Mitteilungen S. 360<br />
Neuerscheinungen zu <strong>Spruchverfahren</strong> S. 360<br />
Die 2012 gegründete Zeitschrift „<strong>Spruchverfahren</strong> <strong>aktuell</strong>“ (kurz: <strong>SpruchZ</strong>) wird per E-mail verteilt<br />
und online verfügbar archiviert (u.a. unter http://de.slideshare.net/<strong>SpruchZ</strong>). Sie erscheint jeweils<br />
nach Bedarf. Der Bezug ist kostenlos. Für Bestellungen und Abbestellungen wenden Sie sich bitte an<br />
den Herausgeber: Verteiler@<strong>SpruchZ</strong>.de<br />
Die Zeitschrift dient lediglich der Information über die <strong>aktuell</strong>e Rechtsentwicklung. Sie kann eine<br />
umfassende rechtsanwaltliche Beratung nicht ersetzen.<br />
<strong>Spruchverfahren</strong> <strong>aktuell</strong> - <strong>Nr</strong>. <strong>18</strong>/<strong>2015</strong> <strong>SpruchZ</strong> <strong>2015</strong> Seite 353
Neuregelung des Delistings<br />
Der Gesetzesvorschlag zur Neuregelung des Delistings im Rahmen eines Gesetz zur Umsetzung der<br />
Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie (<strong>SpruchZ</strong> <strong>2015</strong>, 280 ff.) ist von der Regierungskoalition aus<br />
CDU/CSU und SPD nach der Anhörung im Finanzausschuss am 7. September <strong>2015</strong> (Stellungnahmen<br />
hierzu in <strong>SpruchZ</strong> <strong>2015</strong>, 307 ff.) zwischenzeitlich etwas nachgebessert worden. So soll auf jeden Fall<br />
ein Abfindungsangebot für die Aktien der Minderheitsaktionäre gemacht werden müssen. Die<br />
bisherigen Pläne hatten noch eine Ausnahme vorgesehen, falls zuvor bereits ein Übernahmeangebot<br />
gemacht worden war. Die Abfindung soll sich außerdem am Durchschnittskurs der letzten sechs<br />
Monate orientieren und nicht mehr nur am Drei-Monats-Durchschnitt.<br />
Diese Änderungen wurden von der Koalition als „mehr Anlegerschutz bei Börsen-Rückzug“ verkauft,<br />
siehe die Reuters-Meldung http://de.reuters.com/article/domesticNews/idDEKCN0RL1RK<strong>2015</strong>0921<br />
und die nachfolgende Pressemitteilung der SPD („SPD stärkt Verbraucherschutz“).<br />
Die Aktionärsvereinigungen DSW und SdK sehen dies dezidiert anderes („Atomisierung des Anlegerschutzes“<br />
und „Regierungskoalition beim Delisting auf Enteignungskurs“). Auch der Deutsche<br />
Anwaltsverein hat die Neuregelung in der geplanten Form heftig kritisiert, während die Vertreter der<br />
Großkanzleien sich gegen ein <strong>Spruchverfahren</strong> aussprachen.<br />
Die Stellungnahmen zu dem geänderten Vorschlag sind nachfolgend dokumentiert:<br />
_______________<br />
SPD stärkt Verbraucherschutz beim Börsenrückzug<br />
Pressemitteilung der SPD-Bundestagsfraktion vom 24. September <strong>2015</strong><br />
Johannes Fechner, rechtspolitischer Sprecher;<br />
Christian Petry, zuständiger Berichterstatter:<br />
Auf Initiative der SPD-Bundestagsfraktion werden die gesetzlichen Änderungsvorschläge zum<br />
Delisting, dem Börsenrückzug einer Aktiengesellschaft, im Sinne der Kleinanleger deutlich<br />
verbessert. Im Rahmen des nächste Woche im Bundestag zu verabschiedenden Gesetzes zur<br />
Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie werden auch die verbraucherfreundlichen<br />
Regelungen zum Delisting beschlossen.<br />
„Das ist gut für den Verbraucherschutz: Bisher können sich große börsennotierte Unternehmen aus<br />
dem regulierten Markt der Börse zurückziehen, ohne ihre Anteilseigner zu entschädigen. Damit ist<br />
Schluss, denn durch die vorliegenden gesetzlichen Änderungsanträge zum Börsenrückzug verpflichtet<br />
<strong>Spruchverfahren</strong> <strong>aktuell</strong> - <strong>Nr</strong>. <strong>18</strong>/<strong>2015</strong> <strong>SpruchZ</strong> <strong>2015</strong> Seite 354
die SPD-Bundestagsfraktion die Aktiengesellschaften, ihre Kleinaktionäre bei einem Börsenrückzug<br />
angemessen zu entschädigen. Damit werden die Minderheitsaktionäre endlich geschützt. Delisting<br />
ohne Abfindung ist unfair. Denn oft verlieren Aktien schon nach der bloßen Ankündigung eines<br />
Börsenrückzugs an Wert. In der Vergangenheit kam es oft zu regelrechten Kursstürzen, weil delistete<br />
Aktien praktisch unverkäuflich sind.<br />
Auf Initiative der SPD-Bundestagsfraktion muss sich das Abfindungsangebot am durchschnittlichen<br />
Börsenkurs der vergangenen sechs Monate orientieren. Der Entwurf der Änderungsanträge hatte<br />
noch drei Monate vorgesehen. Die Verlängerung des Bemessungszeitraums soll die Ausnutzung von<br />
kurzfristigen Kursdellen an der Börse erschweren. Im Interesse der Kleinanleger haben wir<br />
durchgesetzt, dass sich bei falschen oder unterlassenen Ad hoc-Mitteilungen des<br />
Unternehmensvorstandes sowie bei unzulässigen Marktmanipulationen die Abfindung nach dem<br />
notfalls durch ein Gerichtsgutachten festzustellenden Unternehmenswert berechnet. Die SPD-<br />
Fraktion hat sich ferner erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Entschädigung in Geld und nicht in<br />
Aktien erfolgen muss. Denn wir wollen nicht, dass die Kleinanleger mit kaum verkäuflichen Aktien<br />
abgespeist werden.<br />
Entgegen dem ursprünglichen Entwurf lässt auch ein vorhergehendes Übernahmeangebot die Pflicht<br />
zu einem Abfindungsangebot nicht entfallen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat darauf gedrungen, dass<br />
Aktionäre nicht mit der Drohung eines entschädigungslosen Delistings faktisch gezwungen werden,<br />
jedes noch so schlechte Übernahmeangebot anzunehmen.“<br />
_______________<br />
DSW: Regierungskoalition atomisiert Anlegerschutz beim Delisting<br />
Pressemitteilung der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz vom 24. September <strong>2015</strong><br />
Das Thema „Delisting“, also der Widerruf der Zulassung von Aktien zum regulierten Markt,<br />
beschäftigt weiter die Politik. Nachdem im Oktober 2013 der Bundesgerichtshof (BGH) mit seiner<br />
Entscheidung, dass ein Delisting ohne Beschluss der Hauptversammlung und ohne Kaufangebot an<br />
die Aktionäre durchgeführt werden kann, zu einer wahren Delisting-Welle geführt hatte, will die<br />
Politik nun „anlegerschützend“ eingreifen. „Wir freuen uns natürlich, dass im Rahmen eines Gesetzes<br />
die Pflicht, den freien Aktionären ein Kaufangebot für ihre Aktien machen zu müssen, wieder<br />
eingeführt werden soll“, kommentiert Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW (Deutsche<br />
Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz), die Diskussion.<br />
„Nach der letzten Anhörung zu dem Gesetz hatten wir allerdings gehofft, dass die Politiker verstehen,<br />
wie existenziell wichtig die Möglichkeit ist, die Höhe eines solchen Angebots gerichtlich überprüfen<br />
lassen zu können. Nur dann haben die Anteilseigner die Chance, den ‚wahren Wert‘ für ihre Papiere<br />
zu bekommen. Da ist der Groschen offenbar noch nicht gefallen“, so der Anlegerschützer weiter.<br />
Daran ändere auch der Vorschlag nichts, eine solche gerichtliche Überprüfung bei<br />
Kursmanipulationen zu ermöglichen. „Anleger müssten also zunächst die Marktmanipulation<br />
beweisen. Das ist in den meisten Fällen schlicht unmöglich“, urteilt Tüngler.<br />
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Aktuell sieht die Planung vor, die Höhe des Pflichtangebots in der Regel am Börsenkurs zu<br />
orientieren. „Die nun kolportierte Idee, nicht den – wie ursprünglich geplant – durchschnittlichen<br />
Börsenkurs der letzten drei, sondern den der letzten sechs Monate als Basis zu nehmen, ändert<br />
nichts an unserer Kritik“, stellt Tüngler klar. „Der Börsenkurs bleibt, gerade bei kleinen Werten,<br />
manipulierbar. Auch wenn der verlängerte Zeitraum die Manipulation erschwert. Zudem unterliegt<br />
der Aktienkurs an der Börse extrem vielen externen Einflüssen, die mit dem Unternehmenswert<br />
nichts zu tun haben“, so Tüngler weiter. Daher müsse der Ertragswert als angemessene und manipulationsfreie<br />
Abfindung herangezogen werden. „Alles andere benachteiligt die freien Aktionäre und<br />
ermöglicht unnötig leicht den billigen Ausverkauf der deutschen Industrie“, ist Tüngler überzeugt.<br />
_______________<br />
SdK e.V.: Regierungskoalition beim Delisting auf Enteignungskurs<br />
Pressemitteilung der Aktionärsvereinigung SdK vom 24. September <strong>2015</strong><br />
München - Nach Medienberichten „feiert“ die Koalition den offenbar nunmehr gefundenen<br />
Kompromiss bei der Delisting-Regelung als Sieg des Anlegerschutzes. Doch die gegenüber dem ersten<br />
Entwurf geänderte Regelung, dass sich das zu unterbreitende Abfindungsangebot nun nicht mehr am<br />
Drei- sondern am Sechs-Monats-Durchschnittskurs zu orientierten hat, ist nicht mehr als ein fauler<br />
Kompromiss, offenbar zur Wahrung des Koalitionsfriedens.<br />
Die Kernforderungen der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. sowie weiterer<br />
Anlegerschützer, nämlich die nach der Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses sowie<br />
der Einführung einer gerichtlich nachprüfbaren Abfindung zum vollen Verkehrswert im Zuge eines<br />
sogenannten <strong>Spruchverfahren</strong>s, wurden – sofern der in den Medienberichten erwähnte Kompromiss<br />
tatsächlich zutreffend ist – nicht berücksichtigt. Dabei hatte die SPD-Fraktion selbst noch in ihrer<br />
Pressemitteilung vom 07.09.<strong>2015</strong> die „Orientierung am Ertragswert“ als Bedingung für ein „faires<br />
Abfindungsangebot“ gefordert.<br />
Fakt ist und bleibt damit, der typische Kleinanleger ist kein Bestandteil der vom Gesetzgeber<br />
angedachten Schutzsystematik. Markus Kienle, Rechtsvorstand der SdK, bringt dies wie folgt auf den<br />
Punkt: „Der Gesetzgeber schützt mit der angedachten Regelung zum Delisting nur den Großanleger<br />
und dieser – dies sollte eigentlich Konsens sein – bedarf keines derartigen Schutzes.“<br />
Die entscheidende Schwäche des Börsenkurses als Anknüpfungsmaßstab ist in dessen Volatilität, die<br />
von verschiedenen – häufig auch zufälligen – Einflussfaktoren abhängt und gerade nicht zwingend<br />
den vollen Ertrags- (= Verkehrs-)Wert darstellt, zu sehen. Mit einer Verlängerung der<br />
Referenzperiode wird dieser Effekt gerade nicht ausgeschaltet, vor allem nicht in Zeiten eines<br />
schwachen Börsenumfeldes. Beredtes Beispiel für so eine Entwicklung vermag K+S nach dem<br />
Untergang des sog. Kalikartells zu sein.<br />
Gerade solche Entwicklungen, die eine gewisse Zeit für eine Adaption und damit auch eine Erholung<br />
<strong>Spruchverfahren</strong> <strong>aktuell</strong> - <strong>Nr</strong>. <strong>18</strong>/<strong>2015</strong> <strong>SpruchZ</strong> <strong>2015</strong> Seite 356
enötigen, können nunmehr geschickt mit einer Übernahme kombiniert werden und entheben die<br />
Aktionäre der Möglichkeit, das Wertaufholungspotenzial durch Halten ihrer Position zu nutzen, weil<br />
nach einem Delisting die Desinvestition erschwert, wenn nicht sogar unmöglich wird.<br />
Dies führt selbstredend dazu, dass gewisse institutionelle Adressen, die durch gesetzliche Vorgaben<br />
und/oder interne Reglements gehalten sind, nur in Werte des geregelten Marktes zu investieren,<br />
selbst in einer „Börsenflaute“ Aktien gesunder, aber unterbewerteten Unter-nehmen, die<br />
„gedelistet“ werden sollen, abstoßen müssen. Nichts anderes gilt für Privataktionäre, unter diesen<br />
auch Belegschaftsaktionäre sind. Aus Angst, sich künftig nicht mehr oder nur noch zum diktierten<br />
Preis des Mehrheitsaktionärs von Aktien trennen zu können, und damit dem Mehrheitsaktionär wie<br />
ein Spielball ausgeliefert zu sein, wird man sich im Rahmen des Delistings zwangsläufig auch zu<br />
Preisen unterhalb des vollen Verkehrswertes trennen, um den Verlust zumindest noch zu begrenzen.<br />
Damit schafft der Gesetzgebern eine Zweiklassengesellschaft von Aktionären – nämlich solche, die<br />
noch in unterbewertete Aktien investieren können und solche, denen dies aufgrund eines Delistings<br />
verwehrt sein wird. Denn mit dem Instrument des Delistings und der zeitlichen Beliebigkeit einer<br />
solchen Maßnahme, wird auch die Möglichkeit des investierenden Privataktionärs, die Chancen<br />
seines Investments heben zu können, abhängig vom Gutwillen der Vorstände. Sind deren<br />
Entscheidungen und Motivationslagen schon im klassischen Alltagsgeschäft allzu häufig<br />
unverständlich und von dem Bestreben der Sicherung der eigenen Position bestimmt, werden diese<br />
bei einem Delisting geradezu erratisch. Damit werden die Gutsverwalter zu Gutsherren und die<br />
Gutsherren zu Gutsverwaltern. Wenn dies nicht einmal ein Paradigma für eine Enteignung ist!<br />
Damit wird aber auch eine zweite zentrale Schwäche der geplanten Regelung deutlich: Die<br />
Zuweisung des Delistings in den Kompetenzbereich des Vorstands. Nicht nur, daß damit ein<br />
mögliches Delisting zeitlich vollkommen unkalkulierbar wird, übersteigert dieses Instrumentarium die<br />
Machtfülle des Vorstandes und gibt diesem die Möglichkeit, aktiv auf die Zusammensetzung des<br />
Aktionariats Einfluss zunehmen. Insbesondere lästiger Kleinanleger kann man sich damit durchaus<br />
entledigen. Aufgrund erheblicher Nachteile eines Delistings wird auch und gerade der Kleinanleger<br />
seine Aktien im Zuge eines Delistings verkaufen müssen. Damit benachteiligt man eine<br />
Anlegergruppe, deren Engagement in Aktien der Gesetzgeber nicht nur stärken wollte, sondern die<br />
auch direkt oder indirekt für nachhaltige erfolgreiche Börsengänge notwendig sind.<br />
Deshalb kann und darf ein Gesetzgeber, der ernsthaften Anlegerschutz betreibt, nicht bei einem<br />
gerichtlich nachprüfbaren Abfindungsangebot zum vollen Verkehrswert stehenbleiben. Erforderlich<br />
ist darüber hinaus die Zuweisung der Entscheidung über ein Delisting an die Hauptversammlung.<br />
Und als ob dies nicht schon genug an gut gemeintem Anlegerschutz wäre, hat man nunmehr den<br />
Börsenkurs nicht nur für Delistings im Zusammenhang mit Übernahmen für maßgeblich erklärt,<br />
sondern völlig losgelöst von diesen für jegliches Delisting. Damit gehören höhere Schutzniveaus in<br />
Börsenordnungen oder abweichende Regelungen in Satzungen für jegliches Delisting – anders als<br />
noch im Entwurf, der nur beschränkt auf Delistings im Zusammenhang mit Übernahmen war – der<br />
Vergangenheit an.<br />
Aber gut gemeint ist halt schlicht und ergreifend das Gegenteil von gut. Denn wer nunmehr glaubt,<br />
dass Druck- und Drohpotential von Übernahmen in Kombination mit einem Delisting sei damit<br />
<strong>Spruchverfahren</strong> <strong>aktuell</strong> - <strong>Nr</strong>. <strong>18</strong>/<strong>2015</strong> <strong>SpruchZ</strong> <strong>2015</strong> Seite 357
gebannt, der darf desillusioniert werden: Denn gerade „Großinvestoren“ werden im schwachen<br />
Börsenumfeld unterbewertete Aktien aufkaufen, um sodann ihren Einfluss auf das Management<br />
auszuüben, das dann auch wunschgemäß das Delisting beantragen und so die Aktien der anderen<br />
Aktionäre dem Großinvestor willig in die Arme treiben wird.<br />
Sofern der kolportierte Kompromissvorschlag in die Tat umgesetzt wird, muss man bewundernd und<br />
bestaunend attestieren, dass die „Enteignungs- und Übenahmeindustrie“ respektive deren Vertreter<br />
ganze Arbeit geleistet haben. Jeglicher anderer Erklärungsansatz wäre für den parlamentarischen<br />
Gesetzgeber weniger schmeichelhaft.<br />
Der nunmehrige Regelungsvorschlag ist wirklich Anlegerschutz ganz groß, ganz groß aber nur für den<br />
künftigen Großinvestor. Der typische Kleinanleger ist kein Bestandteil dieser Schutzsystematik. Seine<br />
Rolle beschränkt sich auf die eines Platzhalters, eines Platzhalters für den Großaktionär, bis dieser die<br />
Zeit gekommen sieht, die Chancen aus dem Investment komplett einzufahren. Originäre und<br />
selbständige Bedeutung kommt dem Privatanleger nur noch bei den Unternehmen zu, an denen die<br />
großen Marktteilnehmer kein Interesse haben respektive haben dürfen. Allzu oft sind dies aber<br />
Unternehmen mit einem erhöhten Risikoprofil und/oder einem zweifelhaften Geschäftsmodell.<br />
Eine derartige funktionale Degradierung des Privatanlegers hat mit Förderung der Aktienkultur nichts<br />
gemein. Eine derartige Kultur ist auf die Förderung der Interessen von Großinvestoren angelegt und<br />
führt damit über die Waffenungleichheiten zur Chancenungleichheit und zur Hofierung des Rechts<br />
des Stärkeren. Wer ernsthaften Anlegerschutz will, der muss die Chancengleichheit sicherstellen und<br />
stärken. Eine solche effiziente Chancengleichheit verbietet es, dass das Instrument „Delisting“ zur<br />
Zwangsdesinvestition ge- und missbraucht wird.<br />
Wenn der Privataktionär schon – wenn auch nur faktisch – gezwungen wird/ist, zu verkaufen, dann<br />
muss dieser Verkaufszwang vom Aktionariat durch einen entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss<br />
legitimiert sein und der Aktionär wenigstens den vollen (= wahren) und von Zufälligkeiten<br />
unabhängigen Verkehrswert als Abfindung erhalten. Es ist eine zuvörderst obliegende Pflicht eines<br />
kultivierten Rechtsstaates, dass ein solches Angebot auch der gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist,<br />
allein schon um den Anspruch auf die Abfindung zum vollen Verkehrswert durchzusetzen. Damit wird<br />
zwar der faktische Verkaufszwang nicht beseitigt, aber wenigstens wird die Vermögenseinbuße<br />
vollständig ausgeglichen.<br />
Alles andere schützt nur den Großanleger und dieser – dies sollte eigentlich Konsens sein – bedarf<br />
keines derartigen Schutzes.<br />
München, 24. September <strong>2015</strong><br />
SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.<br />
_______________<br />
<strong>Spruchverfahren</strong> <strong>aktuell</strong> - <strong>Nr</strong>. <strong>18</strong>/<strong>2015</strong> <strong>SpruchZ</strong> <strong>2015</strong> Seite 358
Stellungnahme des DAV zum Delisting<br />
Pressemitteilung des DAV vom 25.09.<strong>2015</strong><br />
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat durch den Ausschuss Bank- und Kapitalmarktrecht anlässlich<br />
des Änderungsantrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Gesetzentwurf zur Umsetzung der<br />
Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie Stellung genommen.<br />
Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD würden in ihrem Delisting-Entwurf davon ausgehen, dass<br />
"gesetzliche Verbesserungen des Anlegerschutzes beim Widerruf der Zulassung eines Wertpapiers<br />
zum Handel am regulierten Markt" erforderlich sind. Zudem werde richtig erkannt, dass <strong>aktuell</strong> eine<br />
zu schließende Lücke im Anlegerschutz besteht.<br />
Diese Lücke habe sich nach der Frosta-Entscheidung des BGH (Urt. v. 08.10.2013 - II ZB 26/12) aufgetan.<br />
Nach Auffassung des DAV vermag der vorliegende Entwurf es nicht, diese Lücke mit einem<br />
angemessenen Schutz für die Anleger zu schließen. Im Gegenteil: das Schutzniveau würde durch die<br />
Einführung des neu vorgesehenen § 39 Abs. 2 Satz 3 BörsG-E sogar zusätzlich gemindert. Der DAV<br />
schlägt vor, die im Rahmen der früheren Macrotron-Entscheidung des BGH (Urt. v. 25.11.2002 - II ZR<br />
133/01) aufgestellten Anforderungen an ein Delisting nunmehr in Gesetzesform zu gießen. Eine<br />
solche gesetzliche Regelung im Geiste der Macrotron-Entscheidung würde einer bereits etablierten<br />
Vorgehensweise erneut Geltung verschaffen, die einen fairen Interessenausgleich zum Inhalt hat und<br />
keine Seite einseitig bevorzugt. Dem Anleger würde mit dem <strong>Spruchverfahren</strong> eine bewährte<br />
Möglichkeit zur Verfügung gestellt, um ein rechtsstaatliches Überprüfungs-Verfahren abzuhalten.<br />
_______________<br />
Großkanzleien gegen <strong>Spruchverfahren</strong> bei Delisting-Fällen<br />
In der Börsen-Zeitung vom 26. September <strong>2015</strong> sprachen sich dagegen mehrere Rechtsanwälte von<br />
Großkanzlei gegen ein <strong>Spruchverfahren</strong> als „systemfremd“ aus. Die Börsen-Zeitung schreibt:<br />
„Die vorgeschlagene kapitalmarktrechtliche Lösung eines Kaufangebots an die Aktionäre auf<br />
Basis eines durchschnittlichen Börsenkurses sei ein angemessenes Verfahren, argumentieren<br />
Gabriele Apfelbacher, Partnerin der Kanzlei Cleary Gottlieb Steen & Hamilton, Christian<br />
Decher, Partner von Freshfields Bruckhaus Deringer und Michael Hoffmann-Becking, Partner<br />
von Hengeler Mueller, in einem Gastbeitrag. Eine Orientierung der Entschädigung am<br />
Ertragswert des Unternehmens "wäre systemfremd". Würde eine Nachprüfung im<br />
<strong>Spruchverfahren</strong> erlaubt, würde "das Geschäft von Hedgefonds und anderen aktivistischen<br />
Aktionären gefördert", warnen die Juristen.“<br />
Zu dem Beitrag:<br />
https://www.boersen-zeitung.de/index.php?li=1&artid=<strong>2015</strong><strong>18</strong>5001&titel=Anwaelte-begruessen-<br />
Delisting-Gesetz<br />
<strong>Spruchverfahren</strong> <strong>aktuell</strong> - <strong>Nr</strong>. <strong>18</strong>/<strong>2015</strong> <strong>SpruchZ</strong> <strong>2015</strong> Seite 359
Anstehende <strong>Spruchverfahren</strong> & Mitteilungen<br />
Endress+Hauser übermittelt Squeeze-out-Verlangen an Analytik Jena AG<br />
Jena/Weil am Rhein, 23. September <strong>2015</strong> — Die Endress+Hauser (Deutschland) AG+Co. KG mit Sitz in<br />
Weil am Rhein, Deutschland, („Endress+Hauser“) hat dem Vorstand der Analytik Jena AG am 17.<br />
September <strong>2015</strong> ihr Verlangen übermittelt, die Hauptversammlung der Analytik Jena AG über die<br />
Übertragung der Analytik Jena-Aktien der übrigen Aktionäre auf Endress+Hauser gegen Gewährung<br />
einer angemessenen Barabfindung gemäß dem Verfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre<br />
nach §§ 327a ff. AktG („Squeeze-Out-Verfahren“) beschließen zu lassen.<br />
Am Grundkapital der Analytik Jena AG in Höhe von 7.655.697,00 EUR hält Endress+Hauser einen<br />
Anteil von 96,<strong>18</strong> % bzw. 7.363.157 Stückaktien und ist demzufolge Hauptaktionär im Sinne von §<br />
327a Abs. 1 Satz 1 AktG.<br />
Die Höhe der angemessenen Barabfindung pro Aktie an der Analytik Jena AG wird Endress+Hauser<br />
auf der Grundlage einer noch durchzuführenden Unternehmensbewertung festlegen und den<br />
Minderheitsaktionären der Analytik Jena AG mitteilen.<br />
Neuerscheinungen zu <strong>Spruchverfahren</strong><br />
Das <strong>Spruchverfahren</strong> nach dem <strong>Spruchverfahren</strong>sgesetz<br />
Max Noack: Das <strong>Spruchverfahren</strong> nach dem <strong>Spruchverfahren</strong>sgesetz - Unzulänglichkeiten und<br />
Lösungswege<br />
Duncker & Humblot, 1. Aufl. 2014 / 348 S.<br />
ISBN 978-3-428-14454-9<br />
Monographie/Dissertation<br />
89,90 €<br />
Reihe: Schriften zum Prozessrecht. Band: 235<br />
Verlagstext:<br />
Allen Bemühungen des Gesetzgebers zum Trotz erweist sich das im Jahr 2003 reformierte<br />
<strong>Spruchverfahren</strong> immer noch als zu langwierig und wenig effizient. Der Verfasser deckt die<br />
Schwächen des geltenden <strong>Spruchverfahren</strong>srechts auf, analysiert ihre Ursachen und entwickelt - teils<br />
auch in Anlehnung an die österreichische Rechtslage - Lösungen, welche in konkreten Vorschlägen<br />
<strong>Spruchverfahren</strong> <strong>aktuell</strong> - <strong>Nr</strong>. <strong>18</strong>/<strong>2015</strong> <strong>SpruchZ</strong> <strong>2015</strong> Seite 360
für eine signifikante Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung münden. Er kommt dabei zu dem<br />
Ergebnis, dass man es bei Einzelkorrekturen belassen kann. Plädiert wird insbesondere für eine<br />
stärkere Orientierung am Börsenkurs durch Einräumung eines entsprechenden satzungsautonomen<br />
Bewertungswahlrechts und für die Einführung eines qualifizierten Mehrheitsvergleichs. Des Weiteren<br />
widmet sich der Verfasser der »faktischen Sperre« des <strong>Spruchverfahren</strong>s bei grenzüberschreitenden<br />
Verschmelzungsgründungen, welche sich nur durch eine Gleichbehandlung beider beteiligter<br />
Aktionärsgruppen in prozessualer wie auch in materieller Hinsicht überwinden lässt.<br />
_______________<br />
Fundamentalanalyse und Börsenkurs bei der Ermittlung aktienrechtlicher<br />
Barabfindungen<br />
Philip Stein, Fundamentalanalyse und Börsenkurs als Grundlage richterlicher Schätzung bei der<br />
Ermittlung aktienrechtlicher Barabfindungen<br />
Studienreihe wirtschaftsrechtliche Forschungsergebnisse, Band <strong>18</strong>2<br />
Hamburg 2014, 324 Seiten<br />
ISBN 978-3-8300-7547-9<br />
Zum Inhalt (Text des Verlags):<br />
Strukturmaßnahmen im Aktien- und Umwandlungsrecht bieten Mehrheitsaktionären die<br />
Möglichkeit, Konzerne zu konsolidieren. Diese Konsolidierungsmaßnahmen gehen zwangsläufig<br />
zulasten der Minderheitsaktionäre. Die Beeinträchtigung reicht dabei von einem Ausschluss der<br />
Mitverwaltungsrechte (z.B. Vertragskonzernierung) bis hin zum vollständigen Verlust des Anteils<br />
(Squeeze-out).<br />
Aktien- und Umwandlungsrecht halten deshalb Instrumente des Minderheitenschutzes im<br />
finanziellen Bereich bereit. Eines davon ist die Barabfindung. Der ausscheidende Aktionär soll für den<br />
Verlust seines Anteilseigentums einen „vollen“ finanziellen Ausgleich bekommen. Was ein „voller“<br />
Ausgleich ist, hat das Bundesverfassungsgericht erstmals im Jahr 1999 in der DAT/Altana-<br />
Entscheidung dahingehend präzisiert, dass es mindestens der Verkehrswert des Anteils sein müsse.<br />
Bei börsennotierten Unternehmen sei der Verkehrswert regelmäßig identisch mit dem Börsenkurs.<br />
Der BGH hat in seiner Umsetzungsentscheidung im Jahr 2001 das sog. Meistbegünstigungsprinzip<br />
geschaffen. Danach sollen die ausscheidenden Aktionäre immer den höheren Wert aus Börsenkurs<br />
und im Wege der Unternehmensbewertung ermitteltem Wert erhalten. Teilweise in der juristischen<br />
Literatur und zunehmend auch in der Rechtsprechung verschiedener Obergerichte wurde dieses<br />
Meistbegünstigungsprinzip in Frage gestellt. Der Autor zeichnet diese Zweifel in fundierter Art und<br />
Weise nach. Neben Einwänden rechtlicher Natur greift er dabei auf einen Fundus betriebswirtschaftlicher<br />
Argumentationsmuster zurück.<br />
Der Autor zeigt mögliche Kriterien auf, bei deren Vorliegen eine alleinige Orientierung am Börsenkurs<br />
in der Regel angebracht sein wird. Er versetzt sich dafür in die Perspektive des Spruchrichters, der in<br />
streitigen Abfindungsverfahren regelmäßig das letzte Wort im Hinblick auf die Höhe von<br />
Abfindungen hat. Rechtstechnischer Anknüpfungspunkt ist das zivilprozessuale Institut des<br />
<strong>Spruchverfahren</strong> <strong>aktuell</strong> - <strong>Nr</strong>. <strong>18</strong>/<strong>2015</strong> <strong>SpruchZ</strong> <strong>2015</strong> Seite 361
ichterlichen Schätzungsermessens nach § 287 Abs.<br />
2 ZPO. Der Richter muss nicht in jedem Fall die volle<br />
Wahrheit ermitteln. Gestaltet sich die Ermittlung als<br />
besonders schwierig oder kompliziert, so genügen<br />
auch hinreichende Anhaltspunkte, um eine<br />
Entscheidung zu treffen. Der Autor macht auf dieser<br />
Grundlage Vorschläge, was typischerweise solche<br />
„hinreichenden Anhaltspunkte“ für die Maßgeblichkeit<br />
des Börsenkurses sein können. Liegen sie<br />
vor, so kann der Spruchrichter auf die Einholung von<br />
umfangreichen Sachverständigengutachten zur Ermittlung<br />
des Unternehmenswerts verzichten.<br />
Minderheitsaktionäre kämen so schneller und einfacher<br />
zu ihrem Recht.<br />
Impressum<br />
______________________<br />
Zeitschrift<br />
<strong>Spruchverfahren</strong> <strong>aktuell</strong><br />
(<strong>SpruchZ</strong>)<br />
4. Jahrgang<br />
ISSN 2195-7274<br />
Herausgeber:<br />
Interessengemeinschaft<br />
<strong>Spruchverfahren</strong> (IG Spruch),<br />
c/o Rechtsanwaltskanzlei<br />
ARENDTS ANWÄLTE,<br />
Perlacher Str. 68,<br />
D - 82031 Grünwald<br />
(bei München)<br />
Bestellungen bitte an die E-Mail-<br />
Adresse: Verteiler@<strong>SpruchZ</strong>.de<br />
Redaktion/Mitarbeiter:<br />
Redaktion@<strong>SpruchZ</strong>.de<br />
RA Martin Arendts, M.B.L.-HSG<br />
(presserechtlich verantwortlich),<br />
RA Dr. Peter Dreier, RA/StB Dr.<br />
Theo Schubert, M.C.L. Univ. Mich.,<br />
Prof. Dr. Leonhard Knoll<br />
(„Bemerkenswerte Befunde“)<br />
c/o ARENDTS ANWÄLTE, Perlacher<br />
Str. 68, D - 82031 Grünwald<br />
Zeitschrift und Dokumente auf<br />
http://de.slideshare.net/<strong>SpruchZ</strong><br />
© <strong>2015</strong> für eigene Beiträge bei den<br />
Autoren.<br />
<strong>Spruchverfahren</strong> <strong>aktuell</strong> - <strong>Nr</strong>. <strong>18</strong>/<strong>2015</strong> <strong>SpruchZ</strong> <strong>2015</strong> Seite 362