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Agilität in Prozess- und Organisationsprojekten<br />
Agilität in Prozess- und Organisationsprojekten<br />
Zur Erinnerung nochmals die „agilen Manifeste“, also die<br />
sogenannten Grundprinzipien des Projektmanagements,<br />
um daran die Beantwortung der gestellten Fragen abzuleiten:<br />
1. Menschen und Interaktionen sind wichtiger als<br />
Prozesse und Werkzeuge<br />
2. Funktionierende Software ist wichtiger als<br />
umfassende Dokumentation<br />
3. Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger<br />
als Vertragsverhandlungen<br />
4. Eingehen auf Veränderungen ist wichtiger als<br />
Festhalten an einem Plan<br />
Klassisch beginnt ein Prozess- und/oder Organisationsprojekt<br />
mit der Formulierung einer Zielstellung, die umgesetzt<br />
werden soll: bekannt sind hier Ziele wie Steigerung<br />
der Effizienz, Kostensenkung, Steigerung der Servicequalität<br />
oder auch Beseitigung von Fehlern, die als Ziele miteinander<br />
zusammenhängen.<br />
Es schließt sich eine Analysephase an, die den Istzustand<br />
von Prozessabläufen, im Falle von Organisationsthemen<br />
meist auch Mitarbeiterkapazitäten und Teamorganisationen<br />
beleuchtet und daran auch eine Deltaanalyse zum<br />
Zielzustand zulässt, bevor in eine Konzeptions- und Gestaltungsphase<br />
übergegangen wird. Die Umsetzungsphase<br />
und ein begleitendes Change Management, das<br />
danach noch intensiviert wird, schließen das klassische<br />
Vorgehen. Natürlich gibt es hier entsprechende Abweichungen<br />
von diesem Vorgehen, im Groben orientiert sich<br />
ein Ablauf jedoch meist an dieser Struktur.<br />
Vorgeworfen wird den genannten klassischen Ansätzen<br />
häufig, dass die Analysephase lang und zäh ist und dabei<br />
bis auf eine grundsätzliche Auseinandersetzung der beteiligten<br />
Mitarbeiter mit den Themen und folgend einer<br />
Schaffung von mehr Transparenz meist noch keine umsetzbaren<br />
Erfolge einbringt. Doch gerade im EVU-Bereich<br />
– in Bereichen mit ablaufkomplexen und sachlich sich<br />
wiederholenden Vorgängen wie z. B. im Kundenservice,<br />
Vertriebsinnendienst oder Zählerwesen – ist es schwierig,<br />
nur Teilbereiche zu analysieren, nicht den Blick auf das<br />
Ganze zu richten und trotzdem alle relevanten Faktoren<br />
zu berücksichtigen. So ist gerade bei Prozessprojekten<br />
in diesen Umfeldern erforderlich, die Prozesskette End<br />
to End zu analysieren, um eine Ursache-Wirkungskette<br />
zu erkennen und diese für die Konzeptionsphase einzubeziehen.<br />
Auch in Organisationsprojekten ergibt sich die<br />
gleiche Problematik: ohne eine umfassende Kenntnis<br />
von Kapazitäten und Aufgabenzuordnungen in Teams zu<br />
Mitarbeitern, meist auch mit erforderlicher Kenntnis von<br />
Prozess- und Schnittstellenproblemen, lassen sich meist<br />
keine voreiligen Schlüsse für Veränderungen ziehen. Eine<br />
inkrementelle Annäherung an die bestmögliche Prozessund<br />
Organisationsoption kann teuer werden und birgt ein<br />
Risiko der Verunsicherung und Demotivation der Mitarbeiter.<br />
So stellt sich die Frage, an welchen Stellen man überhaupt<br />
„agil“ sein und an Fahrt in der Umsetzung und<br />
damit dem Anwendungserfolg gewinnen kann. Ein Lösungsansatz<br />
ist, für fachlich tendenziell getrennte Bereiche<br />
innerhalb einer Organisationsmaßnahme die Analyse-<br />
bis zur Umsetzungsphase in kleinere Teilpakete zu<br />
trennen, die als stufenweise Einzelthemen nacheinander<br />
abgehandelt werden. Dies kann vor allem eine Lösung<br />
sein, wenn man grundsätzliche Organisationsoptionen als<br />
Pilot im Unternehmen einführen möchte. Voraussetzung<br />
ist, dass die Prozesse der betroffenen Teilorganisationseinheit<br />
möglichst sachlogisch voneinander abgrenzbar<br />
und die handelnden Personen auch aufgeschlossen sind.<br />
Dies kann als (erfolgreicher) Pilot dann auch eine positive<br />
Erfahrungsdynamik in das restliche Projekt bringen.<br />
Gerade in großen Organisationsthemen wird häufig der<br />
Fehler gemacht, nicht zusammenhängende, inhaltliche<br />
Analysen und deren Konzeption innerhalb einer Gesamtorganisation<br />
(z. B. Bereich) erst vollständig – nach dem<br />
klassischen Projektmanagement als Gesamtanalyse – abzuschließen,<br />
bevor man in die Umsetzung aller Teilbereiche<br />
geht. „Schuld“ daran ist meist, dass die Planung einen<br />
Meilenstein zur Präsentation und Entscheidung aller<br />
umfassenden Ergebnisse in der Führungsebene vorsieht.<br />
Bereiche wie z. B. das Marketing, können aber - sofern<br />
alle genannten Voraussetzungen der sachlogischen Abgrenzbarkeit<br />
erfüllt sind – als Teil einer gesamten Vertriebsmaßnahme<br />
betrachtet werden, sofern die Änderung<br />
auch innerhalb des Marketings vollzogen wird und<br />
nicht nur über den gesamten Bereich hinweg. Auch z. B.<br />
das Forderungsmanagement im Kundenservice – meist<br />
als Team organisiert – ist in der organisatorischen Umsetzung<br />
vorziehbar. Schwieriger wird es bei Themen, die pro<br />
Prozess mehrere Organisationsabteilungen als Schnittstellen<br />
an verschiedenen Stellen der abgewickelten Prozesse<br />
beinhalten wie z. B. der Kundenservice.<br />
Bei Prozessprojekten gilt die gleiche Lösungsmethodik<br />
für eine Beschleunigung der Umsetzung: sind Themenblöcke<br />
in einem Projekt voneinander abgrenzbar, so lässt<br />
sich auch hier eine frühere Umsetzung von Teilgebieten<br />
anstreben, ein Vorgehen, das über den KVP (kontinuierlichen<br />
Verbesserungsprozess) oft schon gelebt wird. Im<br />
Zusammenhang von Prozessoptimierungen ist das agile<br />
Manifest Nummer 2 „…wichtiger als umfassende Dokumentation“<br />
wesentlich: Ein bekanntes Problem in Prozessoptimierungsprojekten<br />
ist nämlich, dass der Anspruch<br />
an eine umfassende Konzeption mit dokumentierten<br />
Sollprozessen auch Zeit kostet. Ein gewisses Maß an Dokumentation<br />
für die Entwicklung, mögliche spätere Anpassung,<br />
als auch für die Schulung ist sicher notwendig.<br />
Aber auch hier ist ein Lösungsvorschlag, bei Optimierungen,<br />
die aufgrund von systematischen Fehlern erfolgen,<br />
die Lösung mit einer Mindestdokumentation zu begleiten<br />
und die entsprechende Dokumentation zunächst hinten<br />
an zu stellen. Vorteil dabei ist, dass der damit beauftragte<br />
Key User/Prozessverantwortliche bereits im Laufe<br />
der Tests weitere Informationen sammeln und so später<br />
mehr Qualität in die gewünschte Zielprozessdokumentation<br />
bringen kann. Neben der Dokumentation sind auch<br />
Güte und Inhalt der Prozesskonzeption ein Thema, die<br />
dem agilen Manifest unterliegen könnten: Meist herrscht<br />
in der Energiewirtschaft, z. B. bei Produktkonzeptionen<br />
der 100% Ansatz, d.h. dass ein Produkt solange nicht<br />
umgesetzt wird, bis von der umfassenden Produktgestaltung<br />
bis zur Prozessumsetzung alle Inhalte konzipiert und<br />
intern umsetzbar sind. Lässt man den Anspruch auf eine<br />
sofortige systemische Abwicklungsmöglichkeit weg und<br />
legt das Produkt bereits an, kann die Abwicklung bspw.<br />
kurzfristig extern oder intern auf manuelle Weise abgewickelt<br />
werden, um einen Zeitgewinn am Markt zu erzielen.<br />
Die dargestellten Lösungsoptionen für agile Ansätze in<br />
Prozess- und Organisationsprojekten sind sicherlich nur<br />
einige Agilitätselemente, greifen aber Vorteile dieser Methodik<br />
auf und lassen sich so in Effizienz- und Kostenvorteilen<br />
für das EVU umwandeln.<br />
Autoren: Katharina Meiler & Karsten Knechtel<br />
Bild © istockphoto.com<br />
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