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Kolpingmagazin 03-04 2015

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FLÜCHTLINGSBEGLEITUNG<br />

In Diedorf erhalten die<br />

Flüchtlinge Einzelunterricht<br />

in deutscher Sprache.<br />

Freizeitmöglichkeiten sind wichtig für die jungen Asylbewerber, die keine Arbeit haben.<br />

Im Kolpingraum des Pfarrzentrum<br />

wird Feisal von einer<br />

pensionierten Lehrerin<br />

unterrichtet.<br />

„...Das sind keine<br />

Buschmänner,<br />

das sollte<br />

mal klargestellt<br />

werden.“<br />

Asylanträge in Deutschland stieg zuletzt im November<br />

2014 stark an. Nach Angaben des Bundesamts<br />

für Migration und Flüchtlinge stellten demnach<br />

22 075 Personen einen Antrag auf Asyl. Das waren 56<br />

Prozent - 7928 Personen – mehr als im Vorjahresmonat.<br />

Davon 18 748 Erstanträge und 3327 Folgeanträge.<br />

15 Prozent der Asylbewerber kommen nach Bayern.<br />

Beispielsweise nach Lauingen, eine Gemeinde am<br />

Rande der schwäbischen Alb. Ulrich Seybold ist dort<br />

Vorsitzender der 300 Mitglieder zählenden Kolpingsfamilie.<br />

„Jeder bei uns entscheidet selbst, inwiefern er<br />

sich einbringen will in Sachen Flüchtlingshilfe“, sagt er.<br />

Da gäbe es die, die sich mehrmals in der Woche engagieren,<br />

andere haben lediglich zwei Mal im Monat<br />

Zeit, wieder andere spenden lieber Kleidung oder<br />

Geld. „Man kann niemanden zur Hilfe drängen. Da<br />

hat jeder sein eigenes Tempo“, so Seybold weiter. Entscheidend<br />

sei, dass den Helfern nicht so schnell die<br />

Puste ausgehe, sondern dass sie sich auch auf Jahre hin<br />

in der Lage fühlen, ihre Unterstützung zu geben. Man<br />

müsse auf Nachhaltigkeit setzen. Denn: „Das wird uns<br />

sicher noch eine längere Zeit beschäftigen.“ Auch das<br />

Thema Abschiebung müsse dabei miteinkalkuliert<br />

werden und die eigene emotionale Betroffenheit.<br />

„Man muss gewappnet sein, dass plötzlich ein Asylbewerber<br />

mit einem gelben Brief in der Hand da steht.“<br />

Informationen seien das A und O, befindet Seybold.<br />

Denn immer noch grassierten zu viele Vorurteile in<br />

den Köpfen. „Die Menschen, die hierher kommen,<br />

nehmen das ja nicht freiwillig auf sich“, sagt der<br />

Schwabe. Und: „Viele von ihnen kommen aus der<br />

oberen Schicht ihres Landes, sind gebildet und gut erzogen.<br />

Das sind keine Buschmänner, das sollte mal<br />

klargestellt werden.“ Um die Kulturkreise „ihrer“<br />

Flüchtlinge besser kennenzulernen, fand neulich beispielsweise<br />

ein Vortrag für alle Interessierten statt.<br />

„Das hat viel neues Verständnis gebracht“, weiß Seybold.<br />

Wenn beispielsweise ein Asylbewerber aus afrikanisch-ländlichen<br />

Regionen den Herd nicht reinige,<br />

dann nicht etwa, weil er dazu zu faul sei, sondern weil<br />

er aus seinem Heimatland diese Art der Herdkonstruktion<br />

nicht kenne, sondern stattdessen- meistensschlichte<br />

Feuerstellen. Andererseits wiederum kannten<br />

die jungen Eritreer, die in einem alten Kloster<br />

untergebracht sind, nicht den Brauch, aus der Bierflasche<br />

zu trinken. Als sie am Dreikönigstag zu ihrer<br />

Weihnachtsfeier einluden, gossen sie das Bier in Weingläser<br />

hinein und boten diese ihren Gästen, zu denen<br />

Seybold zählte, an.<br />

Selten, aber doch, sieht Seybold den einen oder anderen<br />

Flüchtling mit einer Pulle Schnaps in der Hand.<br />

„Es gibt immer diejenigen am Ort, die sich darüber<br />

aufregen“, sagt er. „Aber ehrlich gesagt, ich kann es irgendwie<br />

verstehen. Diese Menschen haben zig Katastrophen<br />

mitgemacht, viele haben erlebt, wie ihre<br />

Freunde und Familienangehörige erschossen wurden.<br />

46 KOLPINGMAGAZIN MÄRZ–APRIL <strong>2015</strong>

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