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Wirtschaft, Gesellschaft & Handel 1/16

Newsletter zum Wirtschafts-, Gesellschafts- und Handelsrecht

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WGH<br />

<strong>Wirtschaft</strong>, <strong>Gesellschaft</strong> & <strong>Handel</strong><br />

Newsletter zum <strong>Wirtschaft</strong>s-, <strong>Gesellschaft</strong>s- und <strong>Handel</strong>srecht 1/<strong>16</strong><br />

Inhaltsübersicht<br />

I. NEUE ENTWICKLUNGEN IM WIRTSCHAFTSRECHT<br />

Seite<br />

1. Modernisierung des Vergaberechts 2<br />

2. Gesetz zur alternativen Streitbeilegung 2<br />

3. Basiszinssatz erneut unverändert 3<br />

II. AKTUELLE URTEILE<br />

1. Kein Anspruch auf nochmalige Änderung der<br />

<strong>Gesellschaft</strong>erliste 3<br />

2. Nichtigkeit von Entlastungsbeschlüssen bei Vorliegen<br />

schwerwiegender Pflichtverletzungen 3<br />

3. Unwirksamkeit einer Provisionsabrechnung zwischen<br />

Unternehmer und <strong>Handel</strong>svertreter wegen Verstoßes<br />

gegen § 87c HGB 4<br />

4. Haftung des Mitgeschäftsführers für die rechtsgrundlose<br />

Vereinnahmung von Vergütung durch anderen<br />

Geschäftsführer 5<br />

5. Ordnungsgemäße Vertretung einer GmbH in Prozess<br />

gegen Geschäftsführer 5<br />

III. AKTUELLES AUS UNSEREM HAUSE 6<br />

Dr. Dirk Schwenn<br />

Rechtsanwalt<br />

Fachanwalt für <strong>Handel</strong>sund<br />

<strong>Gesellschaft</strong>srecht<br />

dirk.schwenn@schomerus.de<br />

Tel. Sekretariat:<br />

040 / 37 601 23 48<br />

.<br />

wir freuen uns, Ihnen in diesem Jahr<br />

die erste Ausgabe von <strong>Wirtschaft</strong>, <strong>Gesellschaft</strong><br />

& <strong>Handel</strong> zu übersenden.<br />

<strong>Wirtschaft</strong>, <strong>Gesellschaft</strong> & <strong>Handel</strong> informiert<br />

Sie vierteljährlich über neue Entwicklungen<br />

im <strong>Wirtschaft</strong>srecht, hier<br />

insbesondere im <strong>Gesellschaft</strong>s- und<br />

<strong>Handel</strong>srecht, sowie praxisrelevante Urteile dazu.<br />

Ich wünsche Ihnen auf diesem Weg ein gesundes, frohes und erfolgreiches<br />

neues Jahr.<br />

Eine interessante Lektüre<br />

wünscht Ihnen<br />

Ihr<br />

denken<br />

Schomerus & Partner<br />

Steuerberater<br />

Rechtsanwälte<br />

<strong>Wirtschaft</strong>sprüfer<br />

Deichstraße 1<br />

20459 Hamburg<br />

Telefon 040 / 3 76 01-00<br />

Telefax 040 / 3 76 01-199<br />

info@schomerus.de<br />

www.schomerus.de<br />

Kooperation mit<br />

HLB International<br />

A world-wide network of independent<br />

accounting firms and business advisers.<br />

WGH 1/<strong>16</strong> 1


I. NEUE ENTWICKLUNGEN IM WIRTSCHAFTSRECHT<br />

1. Modernisierung des Vergaberechts<br />

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Vergaberechts hat am<br />

17.12.2015 den Bundestag passiert. Eine Zustimmung des Bundesrates erfolgte einen Tag<br />

später. Durch die umfangreichen Gesetzesänderungen sollen die Vergabeverfahren effizienter,<br />

einfacher und flexibler gestaltet werden, wodurch insbesondere kleinen und mittleren<br />

Unternehmen der Zugang zum Vergabeverfahren erleichtert werden soll.<br />

Zu den sehr umfangreichen Gesetzesänderungen gehört u.a., dass Aufträge für soziale<br />

Dienstleistungen, wie die Integration arbeitsuchender Menschen, nunmehr in einem<br />

erleichterten Verfahren vergeben werden. Zudem sollen öffentliche Aufträge vorrangig in<br />

Form von Teilabschnitten (sog. Losen) vergeben werden müssen. Eine Gesamtvergabe wird<br />

nur noch aus wirtschaftlichen und technischen Gründen möglich sein. Unternehmen, die<br />

öffentliche Aufträge ausführen, müssen die geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen<br />

Verpflichtungen einhalten. Hier sind vor allem der Mindestlohn und tarifvertragliche<br />

Vorgaben zu nennen. Ein Verstoß kann zum Ausschluss der Vergabe führen.<br />

Eine weitere wichtige Neuerung ist das elektronische Verfahren. Die elektronische Kommunikation<br />

soll zum Grundsatz werden und betrifft insbesondere die Erstellung und Bereitstellung<br />

der Bekanntmachung und der Vergabeunterlagen, die Angebotsabgabe sowie die Vorbereitung<br />

des Zuschlags. Spätestens ab Herbst 2018 soll das Vergabeverfahren ausschließlich<br />

elektronisch durchgeführt werden.<br />

Schließlich sind erstmals Vorschriften zur Auftragsänderung während der Vertragslaufzeit<br />

und zur Kündigung von Aufträgen vorgesehen.<br />

Das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz setzt insgesamt drei EU-Richtlinien um. Der<br />

Gesetzentwurf soll durch mehrere Rechtsverordnungen ergänzt werden. Da die Frist für<br />

die Umsetzung der drei EU-Richtlinien am 18. April 20<strong>16</strong> abläuft, muss die Reform des deutschen<br />

Vergaberechts bis dahin in Kraft treten. Wir halten Sie über den weiteren Verfahrensgang<br />

auf dem Laufenden.<br />

2. Gesetz zur alternativen Streitbeilegung<br />

Am 03.12.2015 hat der Deutsche Bundestag das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz verabschiedet<br />

und damit die EU-Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten<br />

(ADR-Richtlinie; Richtlinie 2013/11/EU) umgesetzt. Die Neuregelung dient der<br />

Ergänzung des gerichtlichen Rechtsschutzes. So sollen Verbraucher die Möglichkeit haben,<br />

Streitigkeiten mit Unternehmen außergerichtlich von Volljuristen prüfen zu lassen, die entsprechende<br />

Kenntnisse auf dem Gebiet des Verbraucherschutzrechts und der Streitbeilegung<br />

nachweisen müssen. Die dazu einzurichtenden Verbraucherschlichtungsstellen sollen<br />

ein faires und unabhängiges Verfahren garantieren. Auch sollen die Verfahren kostengünstig<br />

und zügig durchgeführt werden. Nur bei offensichtlich aussichtslosen und mutwilligen<br />

Anträgen kann das Schlichtungsverfahren abgelehnt werden (z.B. bei Verjährung).<br />

Unternehmer haben dabei entsprechende Informationspflichten zu erfüllen. Sie müssen auf<br />

ihrer Internetseite bzw. in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auf die Möglichkeit<br />

des Schlichtungsverfahrens hinweisen. Diese Vorgaben sind aber nicht sofort umzusetzen.<br />

Die Informationspflichten sind erst in ca. einem Jahr zu erfüllen, so dass noch genügend<br />

Zeit zur Anpassung der AGB verbleibt.<br />

Mit der Zustimmung des Bundesrates ist Ende Januar zu rechnen. Die wesentlichen Regelungen<br />

würden dann zum 01.04.20<strong>16</strong> in Kraft treten. Wir halten Sie über den weiteren Verfahrensgang<br />

auf dem Laufenden.<br />

WGH 1/<strong>16</strong> 2


3. Basiszinssatz erneut unverändert<br />

Die Deutsche Bundesbank berechnet nach den gesetzlichen Vorgaben des § 247 Abs. 1<br />

BGB den Basiszinssatz zum 01. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres neu. Der Basiszinssatz<br />

ist abhängig von dem Leitzins der Europäischen Zentralbank. Dieser Leitzins wurde zum<br />

01.01.20<strong>16</strong> auf –0,83 Prozent festgelegt und bleibt damit zum achten Mal hintereinander<br />

negativ.<br />

Der Basiszinssatz dient vor allem als Grundlage für die Berechnung von Verzugszinsen.<br />

Gemäß § 288 BGB betragen diese 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, sofern es sich<br />

nicht um einen Verbracher handelt. Bei Verbrauchern beträgt der Verzugszins 5 Prozentpunkte<br />

über dem Basiszinssatz.<br />

II. AKTUELLE URTEILE<br />

1. Kein Anspruch auf nochmalige Änderung der <strong>Gesellschaft</strong>erliste<br />

Das OLG München hat durch Beschluss vom 17.07.2015 (Az. 14 W 1132/15) entschieden,<br />

dass sich aus § 40 Abs.1 Satz 1 GmbHG kein Anspruch auf eine nochmalige Änderung der<br />

<strong>Gesellschaft</strong>erliste ergibt.<br />

Im zugrunde liegenden Fall hat die <strong>Gesellschaft</strong>erin einer GmbH (Beschwerdeführerin)<br />

ihrem Sohn einen <strong>Gesellschaft</strong>santeil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen.<br />

Aufgrund des Todes des Sohnes und der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht<br />

über das teilweise verfassungswidrige Erbschaftssteuerrechtsreformgesetz, machte<br />

die Beschwerdeführerin gegenüber ihren Enkeln (gesetzliche Erben des Sohnes) von ihrem<br />

für diesen Fall vertraglich eingeräumten Rückforderungsrecht Gebrauch. Infolgedessen verlangte<br />

die Beschwerdeführerin von den Geschäftsführern der <strong>Gesellschaft</strong>, dass diese eine<br />

zu ihren Gunsten veränderte <strong>Gesellschaft</strong>erliste einreichen. Dem kamen die Geschäftsführer<br />

jedoch nicht nach. Vielmehr benannten sie die Enkel der Beschwerdeführerin in Erbengemeinschaft<br />

als Inhaber des maßgeblichen <strong>Gesellschaft</strong>santeils.<br />

Das OLG stellte fest, dass der Beschwerdeführerin kein Anspruch auf Änderung der <strong>Gesellschaft</strong>erliste<br />

zustehe. Die Geschäftsführer der <strong>Gesellschaft</strong> seien ihrer sich aus § 40 Abs. 1<br />

Satz1 GmbHG ergebenen Tätigkeitpflicht durch Einreichung einer geänderten <strong>Gesellschaft</strong>erliste<br />

mit den Enkeln als <strong>Gesellschaft</strong>ern im Hinblick auf den Tod des Sohnes nachgekommen.<br />

Die inhaltliche Änderung einer bereits geänderten Liste sei hingegen nicht von § 40<br />

Abs. 1 Satz 1 GmbHG erfasst. Es komme vielmehr eine Berichtigung bzw. Löschung nach<br />

§ 67 Abs. 5 AktG analog in Betracht. Dem stehe jedoch der Widerspruch der Enkel entgegen.<br />

Dieser Widerspruch könne nur durch eine Klage und ein rechtskräftiges Urteil überwunden<br />

werden.<br />

Falsche <strong>Gesellschaft</strong>erliste kann<br />

nur nach § 67 Abs. 5 AktG (analog)<br />

berücksichtigt werden.<br />

Den berechtigten Interessen der Beschwerdeführerin könne nur durch Anordnung der<br />

Zuordnung eines Widerspruchs i.S.v. § <strong>16</strong> Abs. 3 GmbHG Rechnung getragen werden. Dies<br />

zerstöre jedoch nicht die relative <strong>Gesellschaft</strong>erstellung i.S.v. § <strong>16</strong> Abs. 1 GmbHG.<br />

Praxishinweis:<br />

Die Entscheidung ist vom OLG München überzeugend begründet worden. Allerdings<br />

ist es das erste Mal, dass ein OLG sich mit der o.g. Problematik befasst. Insofern<br />

bleibt abzuwarten, ob weitere Gerichte dieser Auslegung folgen.<br />

2. Nichtigkeit von Entlastungsbeschlüssen bei Vorliegen schwerwiegender<br />

Pflichtverletzungen<br />

Eine weitere Entscheidung des OLG München (Urteil vom 22.07.2015; Az. 7 U 2980/12)<br />

beschäftigt sich mit Entlastungsbeschlüssen. Das Urteil besagt, dass der Geschäftsführung<br />

bei erheblichen Verstößen gegen die Satzung und gegen das Gesetz keine Entlastung erteilt<br />

WGH 1/<strong>16</strong> 3


werden darf, wenn die Geschäftsführung diesen Verstoß nicht spätestens in der nächsten<br />

<strong>Gesellschaft</strong>erversammlung erklärt oder rechtfertigt.<br />

Die Klägerin war <strong>Gesellschaft</strong>erin der beklagten GmbH & Co. KG (ein Filmfonds). Sie wendet<br />

sich gegen verschiedene in einer <strong>Gesellschaft</strong>erversammlung gefasste Beschlüsse, u.a.<br />

gegen die Entlastung der Geschäftsführung für die Jahre 2008 bis 2010. In diesem Zusammenhang<br />

waren u.a. die Jahresabschlüsse der Jahre 2007 bis 2009 nicht fristgerecht vorgelegt<br />

worden.<br />

Das OLG ist der Auffassung, dass es sich bei der verfristeten Vorlage der Jahresabschlüsse um<br />

einen schwerwiegenden Fehler der Geschäftsführung handele. Diese habe sowohl gegen<br />

die Satzung als auch gegen das Gesetz verstoßen. Eine hinreichende Erklärung für das Fehlverhalten<br />

könne aus dem Protokoll der <strong>Gesellschaft</strong>erversammlung nicht entnommen werden.<br />

Zudem sei das Verhalten ordnungsgeldbewehrt (§§ 335 Abs.1 Nr.1, 335b HGB). Aus diesen<br />

Gründen sei trotz des weiten Ermessensspielraums der <strong>Gesellschaft</strong>er ein Bestehenbleiben<br />

der Entlastungsbeschlüsse nicht möglich.<br />

Entlastung entfaltet keine<br />

Rechtswirkung bei schwerwiegenden<br />

Pflichtverletzungen.<br />

Praxishinweis:<br />

Die Annahme der Nichtigkeit von Entlastungsbeschlüssen aufgrund inhaltlicher<br />

Mängel ist die Ausnahme. Die Rechtsprechung stellt hier hohe Hürden auf. Allerdings<br />

sollte vor dem Entlastungsbeschluss immer geprüft werden, ob die Geschäftsführung<br />

etwaige Pflichtverletzungen rechtfertigen kann und ob ein möglicher Schaden<br />

der <strong>Gesellschaft</strong> festgestellt werden kann.<br />

3. Unwirksamkeit einer Provisionsabrechnung zwischen Unternehmer und <strong>Handel</strong>svertreter<br />

wegen Verstoßes gegen § 87c HGB<br />

Zentraler Gegenstand der Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 18.05.2015 (Az. 12<br />

U 124/13) war die Frage der Wirksamkeit einer Provisionsvereinbarung zwischen einem <strong>Handel</strong>svertreter<br />

und einem Unternehmer.<br />

Der Beklagte vermittelte auf Provisionsbasis Versicherungen an die Klägerin. Der zwischen<br />

den Parteien geschlossene <strong>Handel</strong>svertretervertrag enthielt eine Klausel, wonach die Provisionsabrechnungen<br />

der Klägerin als anerkannt gelten sollten, wenn der Beklagte nicht<br />

innerhalb einer bestimmten Frist Widerspruch einlegt. Die Klägerin begehrte Rückzahlungen<br />

von gezahlten Vorschüssen, mit der Begründung der Beklagte habe mehr erhalten als<br />

ihm zustehe.<br />

Das Gericht wies die Klage ab. Die dem Anspruch zugrunde liegende Klausel sei wegen eines<br />

Verstoßes gegen § 87c Abs. 5 HGB unwirksam. Nach dieser Vorschrift können die Rechte des<br />

<strong>Handel</strong>svertreters nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. Das Gericht ist der Auffassung,<br />

dass die Klausel nicht mit dem der Vorschrift bezweckten Schutz des zumeist wirtschaftlich<br />

schwächeren <strong>Handel</strong>svertreters vereinbar sei. Die Klausel schränke die Ansprüche<br />

des <strong>Handel</strong>svertreters auf Erteilung eines Buchauszuges und Zahlung von Provision für die<br />

Zukunft unzulässig ein. Eine andere Sichtweise nötige den <strong>Handel</strong>svertreter dazu, Abrechnungen<br />

zu widersprechen, um ein sich ständig wiederholendes negatives Schuldanerkenntnis<br />

zu vermeiden. Dies könne ihm nicht zugemutet werden.<br />

Abrede über Provisionsabrechnung<br />

(Ausschlussfrist)<br />

nach § 87c HGB unwirksam.<br />

Praxishinweis:<br />

Trotz der Unwirksamkeit der Klausel kann dem Schweigen im <strong>Handel</strong>sverkehr durchaus<br />

Bedeutung zukommen. Hier ist vor allem das kaufmännische Bestätigungsschreiben<br />

zu nennen, wonach der Inhalt eines von einem Kaufmann versandten Geschäftsbriefs<br />

vom Vertragspartner als angenommen gilt, wenn dieser nicht unverzüglich<br />

widerspricht. Auch kann das Schweigen zu der Annahme eines Antrags führen (§ 362<br />

HGB). Ebenso ist auf die im <strong>Handel</strong>sverkehr geltenden Gewohnheiten zu achten.<br />

Insofern muss im Einzelfall überlegt werden, wie die Abrechnung über die Provision<br />

ausgestaltet sein sollte.<br />

WGH 1/<strong>16</strong> 4


4. Haftung des Mitgeschäftsführers für die rechtsgrundlose Vereinnahmung von<br />

Vergütung durch anderen Geschäftsführer<br />

Mit Urteil vom 22.10.2015 (Az. 23 U 4861/14) entschied das OLG München, dass der<br />

Geschäftsführer einer GmbH nach § 43 Abs.2 GmbHG haftet, wenn er für ihn erkennbare<br />

pflichtwidrige Gehaltsauszahlungen eines Mitgeschäftsführers an sich selbst nicht verhindert<br />

oder unterbindet.<br />

Die klagende GmbH, deren Alleingesellschafterin ein eingetragener Verein ist, begehrt die<br />

Rückzahlung rechtsgrundlos vereinnahmter Vergütungen von zwei ehemaligen Geschäftsführern<br />

der Klägerin. Die Beklagte zu 2 hatte Urlaubs- und Weihnachtsgeld, die Beklagte zu<br />

1 ein höheres Gehalt erhalten. Beides schuldete die Klägerin in vertraglicher Hinsicht nicht.<br />

Die Beklagten sind jeweils entlastet worden. In den zugrunde liegenden <strong>Gesellschaft</strong>erversammlungen<br />

wurde die Klägerin allerdings durch den Vorstandsvorsitzenden der Alleingesellschafterin,<br />

nämlich den Beklagten zu 2, vertreten.<br />

Das Gericht verneinte Ansprüche gegenüber den Beklagten zu 1, da dieser wirksam entlastet<br />

worden sei. Gegenüber den Beklagten zu 2 hingegen nahm das Gericht einen Schadenersatzanspruch<br />

nach § 43 Abs.2 GmbHG an. Die Klägerin müsse hier nur darlegen, dass der<br />

Geschäftsführer auf einen nicht bestehenden Anspruch geleistet hat. Auch hinsichtlich der<br />

Überzahlung des Beklagten zu 2 sei ein Anspruch gegenüber den Beklagten zu 1 gegeben.<br />

Der Geschäftsführer habe gegen das pflichtwidrige <strong>Handel</strong>n seines Mitgeschäftsführers einschreiten<br />

müssen. Darüber hinaus habe er seine gegenüber der Klägerin bestehende Vermögensbetreuungspflicht<br />

verletzt.<br />

Ein Mitgeschäftsführer haftet<br />

regelmäßig für Pflichtverletzungen<br />

des anderen<br />

Geschäftsführers.<br />

Auf die Entlastung, die dem Beklagten zu 1 zu Gute gekommen ist, konnte sich der Beklagte<br />

zu 2 nicht berufen. Dieser habe bei seiner eigenen Entlastung nicht für die Alleingesellschafterin<br />

handeln können.<br />

Praxishinweis:<br />

Bei mehreren Geschäftsführern kann jeder von ihnen auf Schadensersatz haften.<br />

Wegen der grundsätzlichen Allzuständigkeit der Geschäftsführer steht der Haftung<br />

auch eine interne Verteilung von Kompetenzen nicht entgegen.<br />

An dieser Entscheidung wird ebenfalls deutlich, wie weitreichend ein (wirksamer)<br />

Beschluss über die Entlastung der Geschäftsführer sein kann. Dadurch verzichtet<br />

die <strong>Gesellschaft</strong> auf Ersatzansprüche, welche für die <strong>Gesellschaft</strong>erversammlung bei<br />

Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennbar waren. Auch Bereicherungsansprüche<br />

sind von der Entlastung erfasst, sofern die Bereicherung auf der<br />

Geschäftsführungsmaßnahme beruht.<br />

5. Ordnungsgemäße Vertretung einer GmbH in Prozess gegen Geschäftsführer<br />

Das OLG Zweibrücken hatte in seinem Urteil vom 29.07.2015 (Az. 1 U 194/13) über die Kündigungsschutzklage<br />

eines ehemaligen GmbH-Geschäftsführers zu befinden. Eine Frage<br />

dabei war u.a., ob die beklagte GmbH im Hinblick auf § 46 Nr.8 GmbHG - danach obliegt<br />

die Vertretung der <strong>Gesellschaft</strong> im Prozess mit einem Geschäftsführer der Bestimmung der<br />

<strong>Gesellschaft</strong>er - durch ihren aktuellen Geschäftsführer im Prozess ordnungsgemäß vertreten<br />

worden ist. Das Gericht stellte fest, dass diese Norm einer ordnungsgemäßen Vertretung<br />

durch den aktuellen Geschäftsführer nicht entgegenstehe, wenn die <strong>Gesellschaft</strong>erversammlung<br />

von ihrer Befugnis, einen - anderen - besonderen Prozessvertreter zu bestellen,<br />

keinen Gebrauch macht.<br />

Im maßgeblichen Sachverhalt wendet sich der Kläger mittels einer Kündigungsschutzklage<br />

gegen die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses.<br />

Zum Zeitpunkt der Kündigung war der Kläger einzelvertretungsberechtigter und<br />

vom Verbot des Selbstkontrahierens befreiter Mitgeschäftsführer der Beklagten. Kurze Zeit<br />

danach wurde der Kläger als Geschäftsführer abberufen und die entsprechende Eintragung<br />

WGH 1/<strong>16</strong> 5


im <strong>Handel</strong>sregister gelöscht. Der Beklagte ist der Auffassung, dass die GmbH im Prozess<br />

durch die <strong>Gesellschaft</strong>erversammlung vertreten werden muss.<br />

Das Gericht berief sich indes darauf, dass § 46 Nr.8 GmbHG lediglich eine Beschlussfassungskompetenz<br />

hinsichtlich der Vertretung der <strong>Gesellschaft</strong> in Prozessen begründe. Dies gelte<br />

sowohl für Aktiv- als auch für Passivprozesse. Die Annahme einer ausschließlich gegebenen<br />

Vertretungsmacht der <strong>Gesellschaft</strong>erversammlung schränke die Handlungsfähigkeit<br />

der <strong>Gesellschaft</strong> zu sehr ein. Zwar bestehe durchaus die Gefahr, dass die übrigen Geschäftsführer<br />

nicht unvoreingenommen genug für die Prozesswahrnehmung sind. Jedoch reiche<br />

hier die Möglichkeit der Bestellung eines geeigneten Vertreters aus. Wenn die <strong>Gesellschaft</strong>er<br />

diese Möglichkeit nicht wahrnehmen, müsse es bei der Vertretungsbefugnis der übrigen<br />

Geschäftsführer bleiben.<br />

Auch bestehe nicht die Möglichkeit, dass zunächst die GmbH vertreten durch <strong>Gesellschaft</strong>erversammlung<br />

verklagt und erst dann über die Bestellung eines besonderen Prozessvertreters<br />

entschieden werde. Dafür fehle es an der Rechtsfähigkeit der <strong>Gesellschaft</strong>erversammlung.<br />

Kontakt & Anfragen<br />

In allen Fragen des <strong>Gesellschaft</strong>sund<br />

<strong>Wirtschaft</strong>srechts stehe ich Ihnen<br />

gern zur Verfügung:<br />

Dr. Dirk Schwenn<br />

Rechtsanwalt<br />

Fachanwalt für <strong>Handel</strong>sund<br />

<strong>Gesellschaft</strong>srecht<br />

E-Mail:<br />

dirk.schwenn@schomerus.de<br />

Tel. Sekretariat:<br />

040 / 37 601 23 48 (Rebecca Teves)<br />

Praxishinweis:<br />

Das OLG Zweibrücken wendet sich damit ausdrücklich gegen eine vom OLG Brandenburg<br />

in einer älteren Entscheidung (Urteil vom 23.10.1997 – Az. 12 U 2<strong>16</strong>/96) vertretenen<br />

abweichenden Ansicht. Da auch in der weiteren Rechtsprechung bereits<br />

getroffene BGH-Entscheidungen zu diesem Thema nicht einheitlich ausgelegt werden,<br />

hat das Gericht in diesem Verfahren die Revision zugelassen. Wir werden Sie<br />

über die Entscheidung des BGHs informieren.<br />

III. AKTUELLES AUS UNSEREM HAUSE<br />

Schomerus verstärkt sich mit Rechtsanwalt Dr. Gunnar Matschernus<br />

Schomerus freut sich mitteilen zu können, dass Rechtsanwalt Dr. Gunnar Matschernus zum<br />

1. April 20<strong>16</strong> den Hamburger Standort verstärken wird.<br />

Der 40-jährige ist Partner bei Happ Luther und wechselt nun zu Schomerus, um dort die<br />

Bereiche <strong>Gesellschaft</strong>srecht und Immobilienrecht zu verstärken sowie den Bereich Sanierungs-<br />

und Insolvenzrecht aufzubauen. Damit vervollständigen wir unser Leistungsangebot<br />

und schärfen unser Profil als anerkannte norddeutsche <strong>Wirtschaft</strong>skanzlei.<br />

Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Matschernus, der unseren Mandanten<br />

ein kompetenter Ansprechpartner sein wird.<br />

Schomerus & Partner<br />

Steuerberater · Rechtsanwälte<br />

<strong>Wirtschaft</strong>sprüfer<br />

Deichstraße 1<br />

20459 Hamburg<br />

Telefon 040 / 3 76 01-00<br />

Telefax 040 / 3 76 01-199<br />

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www.schomerus.de<br />

Partnerschaftsgesellschaft<br />

Amtsgericht Hamburg PR 361<br />

Haftungsausschluss<br />

Dieses Rundschreiben ersetzt keine rechtliche Beratung im Einzelfall. Wir übernehmen mit der<br />

Herausgabe und Übersendung dieses Rundschreibens keine Haftung.<br />

Verantwortlich für den Inhalt: Dr. Dirk Schwenn<br />

Stand: 01.01.20<strong>16</strong><br />

Kooperation mit<br />

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accounting firms and business advisers.<br />

WGH 1/<strong>16</strong> 6

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