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Leben zwischen Häusern

978-3-86859-146-0

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© 2012 by jovis Verlag GmbH

Das Copyright für den Text liegt beim Autor.

Das Copyright für die Abbildungen liegt bei den Fotografen/

Inhabern der Bildrechte.

Alle Rechte vorbehalten.

Erstausgabe: Livet mellem husene, 1971. Die deutsche

Fassung folgt der überarbeiteten englischen Neuauflage

von 2010.

(© Arkitektens Forlag. The Danish Architectural Press and

Jan Gehl 2010) Übersetzung: Gehl Architects, Kopenhagen;

bearbeitet von Jana Pippel, Berlin

Korrektur: Christian Sander, Berlin

Satz: Susanne Rösler, Berlin

Druck und Bindung: fgb freiburger graphische betriebe

Bibliografische Information der Deutschen

Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese

Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de abrufbar.

jovis Verlag GmbH

Kurfürstenstraße 15/16

10785 Berlin

www.jovis.de

ISBN 978-3-86859-146-0


Inhaltsverzeichnis

Vorwort 7

1 Leben zwischen Häusern

Drei Arten von Aktivitäten im Freien 9

Leben zwischen Häusern 15

Aktivitäten im Freien und die Qualität von Außenräumen 31

Aktivitäten im Freien und Architekturentwicklungen 39

Leben zwischen Häusern – in aktuellen sozialen Situationen 49

2 Planungsvoraussetzungen

Prozesse und Projekte 53

Sinne, Kommunikation und Dimensionen 63

Das Leben zwischen Häusern – ein Prozess 73

3 Versammeln oder zerstreuen

Versammeln oder zerstreuen 81

Integrieren oder ausgrenzen 101

Einladen oder abweisen 113

Öffnen oder abschotten 121

4 Räume zum Gehen – Plätze zum Verweilen

Räume zum Gehen – Plätze zum Verweilen 129

Gehen 133

Stehen 147

Sitzen 155

Sehen, hören und sprechen 163

Ein angenehmer Ort in jeder Hinsicht 171

Sanfte Übergänge 183

Bibliografie 198

Bildnachweis 199


6 Leben zwischen Häusern


Vorwort

Es ist mir eine große Freude, das Vorwort zur deutschen Ausgabe

von Life between Buildings zu schreiben. Die Erstausgabe dieses

Buchs erschien in den 1970er Jahren und wollte die Missstände

benennen, die zu jener Zeit die Stadtplanung in ganz Europa bestimmten.

Das Buch forderte, endlich die Bedürfnisse der Menschen

zu be rück sichtigen, die sich zwischen den Gebäuden bewegen,

die den Raum zwischen den Häusern nutzen. Es warb auch um

Ver ständnis für die subtilen Eigenschaften und Vorzüge, die in der

gesamten Geschichte menschlichen Siedlungsbaus die öffentlichen

Räume zwischen den Gebäuden bestimmten, wo die Menschen sich

trafen und versammelten. Und es wies darauf hin, dass das Leben

zwischen Häusern eine Dimension von Architektur darstellt und als

solche berücksichtigt werden muss.

Vier Jahrzehnte sind seit dem Erscheinen der Erstausgabe vergangen

– Dekaden, in denen architektonische Moden und Ideo logien

kamen und gingen. Aber nach wie vor ist es vordringlich, die

Lebendigkeit, ja buchstäblich die Bewohnbarkeit von Städten zum Ziel

jedes städtebaulichen Projekts zu machen. Qualitätvolle öffentliche

Räume wer den heute überall auf der Welt zunehmend intensiv genutzt.

Davon zeugt das wachsende allgemeine Interesse an der in

den Städten und deren öffentlichen Räumen gebotenen Wohn- und

Lebensqualität. Wenn sich die Gesellschaft verändert, ändert sich

auch der Charakter des städtischen Lebens, aber die wesentlichen

Prinzipien und Qualitätskriterien für gute öffentliche Räume haben

sich bemerkenswerterweise als dauerhaft gültig erwiesen.

Über die Jahre hat dieses Buch zahlreiche Überarbeitungen und Über -

setzungen in verschiedene Sprachen erfahren. Deshalb hat die vor liegen

de deutsche Ausgabe nur noch wenig Ähnlichkeit mit den frühen

Versionen des Buches, auch weil sie neu aufgenommene Materialien

und Abbildungen enthält. Dennoch hat es keinerlei Gründe gegeben,

die fundamentale Botschaft zu ändern, die heute genauso wichtig ist

wie vor 40 Jahren. Sie lautet: Sorgt gut für die Menschen und das

kostbare Leben zwischen den Häusern.

Derzeit erleben viele europäische Städte tiefgreifende Veränderungen,

sie wachsen oder schrumpfen, werden umgebaut und modernisiert;

und ich hoffe, dass die in diesem Buch vorgestellten humanistischen

Planungsgrundsätze in deutschsprachigen Ländern als Inspirationsquelle

für derartige Prozesse dienen werden.

Kopenhagen, im Februar 2012

Jan Gehl

7


Leben

zwischen

Häusern

Drei Arten von Aktivitäten im Freien 9

Leben zwischen Häusern 15

Aktivitäten im Freien und Qualität

von Außenräumen 31

Aktivitäten im Freien und

Architekturentwicklungen 39

Leben zwischen Häusern

in aktuellen sozialen Situationen 49

8 Leben zwischen Häusern


Drei Arten von Aktivitäten im Freien

Ein StraSSenbild

Eine gewöhnliche Straße an einem gewöhnlichen Tag: Fußgänger

bevölkern die Gehsteige, Kinder spielen vor den Haustüren, Leute

sitzen auf Bänken und Stufen, der Briefträger macht seine Runde,

zwei Passanten grüßen sich im Vorbeigehen, zwei Mechaniker reparieren

ein Auto, Gruppen sind ins Gespräch vertieft – eine Vielzahl

von Aktivitäten im Freien. Viele Faktoren wirken sich auf diese Aktivitäten

aus. Einer davon ist die physische Umgebung. Sie beeinflusst

die Aktivitäten im Freien in unterschiedlichem Maß und auf verschiedene

Weise. Und mit diesen Wechselwirkungen und Zusammenhängen

beschäftigt sich das vorliegende Buch.

Drei Arten von

Aktivitäten im Freien

Stark vereinfacht gesagt: Aktivitäten im öffentlichen Raum können in

drei Kategorien eingeteilt werden: notwendige Aktivitäten, freiwillige

Aktivitäten und soziale Aktivitäten. Jede von ihnen stellt andere Anforderungen

an die physische Umgebung.

Notwendige Aktivitäten –

unter allen Umständen

Notwendige Aktivitäten – das sind unter anderem jene Beschäftigungen,

die mehr oder weniger unumgänglich sind, wie in die Schule

oder zur Arbeit zu gehen, einzukaufen, auf den Bus oder eine Person

zu warten, Besorgungen zu machen oder die Post auszutragen.

Alltägliche Erledigungen und Freizeitbeschäftigungen gehören im

Allgemeinen zu dieser Kategorie, bei der im Vergleich zu den anderen

am meisten zu Fuß passiert.

Weil die Aktivitäten dieser Kategorie notwendig sind, hängen sie

nur wenig von den physischen Rahmenbedingungen ab. Sie finden

das ganze Jahr über unter fast allen Bedingungen statt und sind im

Großen und Ganzen unabhängig von der äußeren Umgebung. Die

Beteiligten haben keine Wahl.

Freiwillige Aktivitäten –

nur unter günstigen

äuSSeren Bedingungen

Ganz anders verhält es sich mit den freiwilligen Aktivitäten, die nur

ausgeübt werden, weil der Wunsch danach besteht und Zeit und Ort

es zulassen – etwa ein Spaziergang, um frische Luft zu schnappen,

der genießerische Müßiggang oder ein Sonnenbad.

Drei Arten von Aktivitäten im Freien 9


Ein möglicher Anfang für vertiefte Kontakte

16 Leben zwischen Häusern


Kontakt auf niedriger Ebene




die Möglichkeit der Aufrechterhaltung bereits bestehender

Kontakte

eine Informationsquelle über die soziale Welt außerhalb

eine Quelle der Inspiration und ein Angebot anregender

Erfahrungen

Eine Form des Kontakts

Welche Möglichkeiten sich aus flüchtigen Kontakten im öffentlichen

Raum ergeben, wird deutlich, wenn man sich vorstellt, was ihr Fehlen

bedeuten würde:

Ohne Leben zwischen den Häusern sind Kontakte vom unteren

Ende der Kontaktskala nicht mehr möglich. Die verschiedenen Übergangsformen

zwischen dem Alleinsein und dem Zusammensein

verschwinden. Die Grenzen zwischen Isolation und Kontakt werden

schärfer – Menschen sind entweder allein oder sie sind bewusst mit

anderen Menschen zusammen, auf einem relativ anspruchsvollen

und hohen Level.

Leben zwischen Häusern bietet die Gelegenheit, auf entspannte

und wenig anstrengende Art und Weise mit anderen zusammen zu

sein. Seien es gelegentliche Spaziergänge, ein Bummel über eine

Einkaufsstraße auf dem Nachhauseweg, eine kurze Pause auf einer

einladenden Bank nahe einer Haustür – in jedem Fall ist man für kurze

Zeit unter Leuten. Man könnte auch täglich einkaufen gehen, obwohl

einmal pro Woche praktischer wäre. Schon allein ab und zu aus

dem Fenster zu sehen kann lohnend sein, vorausgesetzt, man hat

das Glück einer interessanten Aussicht. In Gesellschaft anderer zu

sein, sie zu sehen und zu hören, von anderen Impulse zu empfangen

Leben zwischen Häusern 17


Aktivitäten und bevorzugte Sitzplätze

unten: Auf der ganzen

Welt sind Caféstühle auf

das Straßenleben hin

ausgerichtet. (Fotos von

Karl Johan, Hauptstraße

Oslo, Norwegen)

26 Leben zwischen Häusern


Aktivitäten und bevorzugte

Sitzgewohnheiten

Wenn man sich ansieht, wo im öffentlichen Raum sich die Menschen

gern niederlassen, kann man ähnliche Tendenzen feststellen.

Bänke, die einen guten Blick auf die Geschehnisse in der Umgebung

bieten, sind beliebter als Plätze, von denen aus man nur wenig

oder gar nichts von den Ereignissen rundherum mitbekommt.

Eine Studie zum Kopenhagener Tivoli Park [36], die von dem Architekten

John Lyle durchgeführt wurde, zeigt, dass die meistbenutzten

Bänke im Park entlang des Hauptweges stehen, wo es einen

guten Ausblick auf die Bereiche mit besonders reger Aktivität gibt,

während die Bänke in den stillen Winkeln des Parks nur selten aufgesucht

werden. An manchen Stellen des Parks stehen die Bänke

Lehne an Lehne, sodass eine Bank zum Weg hin steht, während die

andere dem Weg quasi „den Rücken zudreht“. In diesem Fall werden

immer erstere vorgezogen.

Ähnliche Resultate ergaben Untersuchungen zum Sitzverhalten auf

mehreren Plätzen im Zentrum von Kopenhagen. Bänke, die einen

Blick auf die besonders belebten Fußgängerbereiche bieten, werden

eher genutzt als jene, die einen Ausblick auf die Grünfläche des Platzes

bieten [15, 18, 27].

Dasselbe gilt für Straßencafés, auch hier sind die Geschehnisse vor

dem Café die Hauptattraktion. Nahezu überall auf der Welt werden

die Stühle in Straßencafés zum lebhaftesten Bereich in der Umgebung

gerichtet. Es ist nicht überraschend: Die Straße ist der Grund

für Straßencafés.

Bänke, die dem Treiben auf der

Straße den Rücken zuweisen,

werden gar nicht oder auf

unübliche Weise genutzt.

Leben zwischen Häusern 27


denen Interessen und Bedürfnisse einzelner Bewohner in diesen

Gebieten.

In jedem Fall gilt, dass der physische Rahmen mehr oder weniger

Einfluss auf die soziale Situation ausüben kann. Er kann so gestaltet

sein, dass die gewünschten Kontakte erschwert oder gar unmöglich

gemacht werden. Architektur kann, im wahrsten Sinne des Wortes,

beabsichtigten Aktivitäten im Weg stehen. Andererseits kann der

physische Rahmen aber auch so geplant sein, dass ein breiteres

Spektrum an verfügbaren Möglichkeiten gegeben ist, sodass soziale

Prozesse und Bauprojekte sich gegenseitig unterstützen können. In

diesem Kontext sollte die Gestaltung öffentlicher Räume und das

Eingänge, Balkone, Veranden, Vorhöfe

und Gärten, die zur Straße weisen,

bieten den Bewohnern Gelegenheit,

das öffentliche Leben zu verfolgen

und sich während ihrer täglichen

Verrichtungen zu begegnen – ein

wichtiger Faktor für die Bildung

sozialer Netzwerke. (Sibeliusparken,

Kopenhagen, Dänemark, Architekten:

Fællestegnestuen)

54 Planungsvoraussetzungen


Die Aufgliederung in kleinere

Einheiten ist in Skandinavien

bei neuen Siedlungs- und Wohnungsbauprojekten

mittlerweile

weitverbreitet. Insbesondere

eine Einheit von etwa 15 bis

30 Haushalten erwies sich

als geeignet, weil sie soziale

Netzwerke fördert.

rechts: Skaade, Dänemark,

1985 (Architekten: C.F. Møllers

Tegnestue)

unten: Der Nachbarschaftsblock

als Organisationseinheit

Leben zwischen Häusern gesehen werden. Möglichkeiten können

behindert oder bewusst geschaffen werden.

Die folgenden Beispiele zeigen detailliert praktische Versuche, die Interaktion

zwischen sozialen Prozessen und Bauprojekten herzustellen.

Einige Prinzipien und Definitionen werden ebenso vorgestellt.

Soziale Struktur

Die Notwendigkeit, Unterteilungen und Gruppen zu schaffen, um

demokratische Prozesse zu ermöglichen, ist am Arbeitsplatz, in Vereinen,

Schulen und Universitäten offensichtlich. In Hochschulen zum

Beispiel besteht eine Hierarchie zwischen Fakultäten, Instituten,

Fachbereichen und schlussendlich Gruppen von Studenten, die die

kleinste Einheit darstellen. Die Struktur spiegelt Entscheidungsebenen

wider und dient dem Einzelnen als Orientierung in sozialer und

professioneller Hinsicht.

Prozesse und Projekte 55


Sinne und Kommunikation

Die räumlichen Verhältnisse können

visuelle und akustische Kontakte auf

mindestens fünf verschiedene Arten

fördern oder verhindern.

kontakthemmeND

visuell und akustisch

kontaktfördernd

visuell und akustisch

1. Wände keine Wände

2. große Distanzen kleine Distanzen

3. hohe Geschwindigkeit niedrige Geschwindigkeit

4. verschiedene Ebenen eine Ebene

5. Rücken an Rücken Auge in Auge

62 Planungsvoraussetzungen


Sinne, Kommunikation

und Dimensionen

Die Sinne – eine wichtige

Komponente bei der

Planung

Nach vorn und horizontal

orientierte Sinnesorgane

Die Kenntnis von den menschlichen Sinnen – ihrer Funktions- und

Wirkungsbereiche – ist eine wichtige Voraussetzung für die Gestaltung

und Dimensionierung von Außenraum und Gebäudeanordnungen

jeglicher Art.

Das Sehen und Hören steht mit fast allen Aktivitäten im Freien intensiv

in Beziehung, wodurch natürlich die visuellen und akustischen

Kontakte und ihre Funktionsweisen einen zentralen Faktor bei der

Planung bilden. Auch für das Verständnis aller anderen Formen unmittelbarer

Kommunikation und der menschlichen Wahrnehmung

von räumlichen Gegebenheiten und Dimensionen ist das Wissen

von den Sinnen eine notwendige Voraussetzung.

Die menschliche Bewegung ist von Natur aus vorwiegend auf die

Horizontale sowie eine Geschwindigkeit von 5 km/h beschränkt –

und die Sinnesorgane sind an diese Bedingungen angepasst. Sie

haben im Wesentlichen eine frontale Ausrichtung, einer der bestentwickelten

und besonders wichtigen Sinne, der Sehsinn, ist ausdrücklich

horizontal ausgelegt. Das horizontale Gesichtsfeld ist beträchtlich

größer als das vertikale. Wenn jemand geradeaus schaut, ist es

möglich, das, was links und rechts in einem horizontalen Bereich von

jeweils fast 90 Grad vor sich geht, flüchtig zu erkennen.

Das nach unten gerichtete Sichtfeld ist viel enger als das horizontale

und das nach oben blickende ist noch begrenzter. Letzteres ist

reduziert, weil die Blickachse beim Gehen ungefähr 10 Grad nach

unten geneigt ist, um besser zu sehen, wohin man sich bewegt.

Eine Person, die eine Straße entlanggeht, sieht abgesehen vom

Erdgeschoss, dem Bürgersteig und dem Geschehen auf der Straße

selbst praktisch nichts. Ereignisse, die wahrgenommen werden

sollen, müssen vor dem Betrachter und auf ungefähr der gleichen

Höhe passieren – eine Tatsache, die sich zum Beispiel in der Gestaltung

jedes Zuschauerraums widerspiegelt: in Theatern, Kinos und

Hörsälen. Hier sind die Plätze in der Galerie deswegen billiger, weil

die Ereignisse nicht „im richtigen Winkel“ gesehen werden können.

Sinne, Kommunikation und Dimensionen 63


andere werfen, doch das Leben passiert zu Fuß. Nur wer zu Fuß unterwegs

ist, kann sich Zeit nehmen, um Situationen wahrzunehmen

oder daran teilzunehmen. Nur einem Fußgänger bieten sich Gelegenheiten

zur Kontakt- und Informationsaufnahme.

Physische Planung von

Isolation und Kontakt

Wenn man die Möglichkeiten und Beschränkungen im Zusammenhang

mit den Sinnen zusammenfasst, wird deutlich, dass es für Architekten

und Planer fünf verschiedene Mittel gibt, mit denen Isolation

oder Kontakt gefördert und verhindert werden können.

Isolation

Kontakt

Wände

groSSe Distanzen

hohe Geschwindigkeiten

mehrere Ebenen

Orientierung voneinander weg

Keine Wände

KLeine Distanzen

Geringe Geschwindigkeiten

eine Ebene

Orientierung zueinander hin

Indem man mit diesen fünf Prinzipien einzeln oder kombiniert arbeitet,

können die entsprechenden physischen Voraussetzungen für

Isolation beziehungsweise Kontakt geschaffen werden.

Das Leben findet zu Fuß statt.

(Fußgängerstraße, Kopenhagen,

Dänemark)

72 Planungsvoraussetzungen


Das Leben zwischen Häusern

ein Prozess

Das Leben zwischen

Häusern – ein sich selbst

verstärkender Prozess

Das Leben zwischen Häusern ist potenziell ein sich selbst verstärkender

Prozess. Wenn jemand eine Aktion startet, so besteht die

hohe Wahrscheinlichkeit, dass andere sich anschließen, sei es als

selbst Handelnde oder als Beobachter. Auf diese Weise beeinflussen

und stimulieren sich Individuen und Ereignisse gegenseitig. Hat

dieser Prozess einmal begonnen, dann ist die Gesamtaktivität meist

größer und komplexer als die Summe der ursprünglich involvierten

Teilaktivitäten.

Zu Hause verlagern und bewegen sich die Ereignisse und die Familienmitglieder

von Raum zu Raum, je nachdem, wo sich das Zentrum

der Aktivität gerade befindet. Wird in der Küche gearbeitet, dann

spielen die Kinder auf dem Küchenboden usw. Auch auf Spielplätzen

lässt sich dieses Phänomen beobachten. Beginnen einige Kinder zu

spielen, so werden auch andere Kinder animiert, rauszukommen und

sich am Spiel zu beteiligen. Die anfangs kleine Gruppe kann schnell

wachsen. Ein Prozess hat begonnen. Im öffentlichen Raum können

ähnliche Muster beobachtet werden. Wenn viele Menschen anwesend

sind oder etwas vor sich geht, kommen für gewöhnlich weitere

hinzu. Die Aktivitäten steigen sowohl im Umfang als auch in der

Dauer.

Eins plus eins ist drei –

mindestens

Der niederländische Architekt F. van Klingeren, der ganz bewusst

mit der Konzentration und Kombination verschiedener Aktivitäten in

den Stadtzentren von Dronten und Eindhoven in Holland gearbeitet

hat [11], beobachtete, wie das gesamte Aktivitätsniveau in diesen

Städten aufgrund eines solchen sich selbst verstärkenden Prozesses

zugenommen hat. Van Klingeren hat diese Erkenntnis über Aktivität

in der Stadt in der Formel „eins plus eins ist drei – mindestens“ zusammengefasst.

Der positive Prozess:

etwas passiert, weil

etwas passiert

Ein sehr einleuchtendes Beispiel für dieses Prinzip liefert eine Studie

über Spielmuster von Kindern in Gegenden mit Einfamilienhäusern

und Reihenhäusern in Dänemark [28]. In den Reihenhausgegenden

Das Leben zwischen Häusern – ein Prozess 73


Lange Aufenthalte im Freien bedeuten lebendige Städte

78 Planungsvoraussetzungen


Werden in Wohngebieten die Möglichkeiten für Aktivitäten im Freien

so angehoben, dass die durchschnittliche im Freien verbrachte Zeit

von zehn auf 20 Minuten ansteigt, verdoppelt sich das Aktivitätsniveau.

Verglichen mit der Zeit, die für den Transport aufgewendet

wird, ist die Dauer der Aufenthalte in diesem Zusammenhang ein viel

wichtigerer Faktor. Während der Wechsel von Auto- auf Fußgängerverkehr

die durchschnittliche Dauer jedes Ausflugs um etwa zwei

Minuten verlängert, hat eine Verlängerung der Aufenthaltsdauer im

Freien von zehn auf 20 Minuten einen fünfmal so großen Effekt.

Längere Aufenthalte im Freien machen Wohngebiete und städtische

Räume lebendig – mehr noch als langsamer Verkehr. Dieser Zusammenhang,

dass die Dauer genauso wichtig ist wie die Anzahl der

Ereignisse, ist eine wichtige Erklärung dafür, warum in vielen neuen

Wohnprojekten so wenig Aktivität herrscht. In Gegenden mit mehrstöckigen

Wohnblöcken leben eigentlich sehr viele Menschen, aber

die vielen Bewohner kommen und gehen, es gibt nur dürftige Möglichkeiten,

eine längere Zeit im Freien zu verbringen. Ebenso existieren

keine richtigen Orte, an denen man sein kann, es gibt nichts

zu tun. Daher werden die Aufenthalte im Freien kurz und das Aktivitätsniveau

ist vergleichsweise niedrig. Reihenhäuser mit kleinen Vorgärten

können mit wesentlich weniger Einwohnern oft viel stärkere

Aktivitäten rund um die Häuser verzeichnen, weil die Zeit, die pro

Einwohner im Freien verbracht wird, im Allgemeinen viel größer ist.

Der dargelegte Zusammenhang zwischen dem Leben auf der Straße,

der Anzahl von Leuten und Ereignissen sowie der Zeit, die im

Freien verbracht wird, ist einer der wichtigsten Schlüssel zur Verbesserung

der Lebensbedingungen zwischen Häusern in bereits bestehenden

und in neuen Wohngebieten – nämlich durch verbesserte

Bedingungen für Aufenthalte im Freien.

Im Sommer ist die Straße wesentlich

lebendiger, weil fast jeder mehr Zeit

draußen verbringt. Die Menschen

stehen und sitzen und das Gehtempo

ist 20 Prozent langsamer als im

Winter. Sogar mit derselben Passantenzahl

pro Tag sind im Sommer

fünf- bis zehnmal mehr Menschen auf

der Straße – je länger der Aufenthalt,

desto belebter die Stadt.

Das Leben zwischen Häusern – ein Prozess 79


Versammeln oder zerstreuen – entlang der Fassade

links: Sind Gebäude schmal, müssen

kürzere Fußwege zurückgelegt werden

und es gibt mehr Leben auf den

Straßen. (Wettbewerbsprojekt zur

Erweiterung von Rørås, Norwegen)

Schmale Straßenfassaden bedeuten

kurze Distanzen zwischen den Eingängen

– und gerade an den Eingängen

spielt sich ja fast immer das meiste

Leben ab.

94 Versammeln oder zerstreuen


Errichtung von Banken und Büros auf Straßenniveau einschränkt. In

anderen Städten Dänemarks hat es sich bewährt, derartige Einrichtungen

in der Innenstadt nur zuzulassen, solange die zur Straße hin

ausgerichtete Fassade unter fünf Meter Breite bleibt.

Es überrascht nicht, dass diese Praxis auch in allen vorstädtischen

Einkaufsstraßen angewandt wird. Gestalter berücksichtigen, dass

Fußgänger normalerweise nicht gerne weit gehen. Deshalb wird

Raum für so viele Geschäfte wie möglich in kurzer Distanz geschaffen.

Durch schmale, tiefe Bauparzellen und durch die effiziente Platznutzung

an der Straßenfront wird das Problem von „Löchern“ und

„übrig gebliebenen Flächen“ vermieden. Dies gilt ebenso für Wohngebiete.

Gute Beispiele dafür findet man in vielen traditionellen Reihenhaussiedlungen

und in vielen neueren Bauprojekten, wie der

Siedlung Halen in Bern und in den Wohngebieten Java, Borneo und

Sporenburg im Hafen von Amsterdam.

Versammeln auf einer

Ebene oder zerstreuen auf

mehreren Ebenen

Die bereits genannten Möglichkeiten der Versammlung oder Zerstreuung

können auf einer oder mehreren Ebenen existieren. Das

Problem ist sehr simpel. Aktivitäten, die auf derselben Ebene stattfinden,

können innerhalb der Grenzen der Sinne erlebt werden. Das

meint einen Radius von 20 bis 100 Metern – abhängig davon, was

zu sehen ist. In dieser Situation ist es leicht, sich zwischen den Aktivitäten

zu bewegen. Wenn etwas auf einer Ebene passiert, die nur

ein wenig höher ist, werden die Möglichkeiten der Wahrnehmung

In Stadtstraßen sollte die Länge der

Fassaden sorgfältig geplant werden.

Weltweit sind Einkaufsstraßen in

einem Rhythmus von 15 bis 25 Einheiten

pro 100 Meter gegliedert.

(Straßen in der Altstadt von Stockholm,

Schweden)

Versammeln oder zerstreuen 95


Vier Prinzipien der Verkehrsplanung

Los Angeles:

Verkehrsintegration nach den Regeln

des Schnellverkehrs. Ein gerade und

einfach angelegtes Verkehrssystem

mit geringer Verkehrssicherheit.

Die Straßen sind ausschließlich für

Autoverkehr geeignet.

Radburn:

Verkehrstrennung, wie sie 1928 in

Radburn, New Jersey, eingeführt

wurde: ein kompliziertes, teures

System, das aus vielen Parallelstraßen

und -wegen sowie vielen

teuren Unterführungen besteht. In

Wohnbezirken durchgeführte Umfragen

zeigen, dass dieses Prinzip, das

theoretisch die Verkehrssicherheit

zu erhöhen scheint, in der Praxis

schlecht funktioniert: Fußgänger

bevorzugen kürzere gegenüber

längeren, sichereren Wegen.

Delft:

Verkehrsintegration nach den

Regeln des langsamen Verkehrs:

Dieses 1969 eingeführte System ist

einfach, überschaubar und sicher

und erhält die Straße als wichtigsten

öffentlichen Raum. Wenn Autos bis

zu einem Haus vorfahren müssen,

ist dieses System den zwei oben

genannten weitaus überlegen.

Venedig:

Die Fußgängerstadt: Übergang vom

schnellen zum langsamen Verkehr am

Stadtrand. Ein überschaubares und

einfaches Verkehrssystem mit einem

beträchtlich höheren Sicherheitsgrad

und -gefühl als bei den anderen

Systemen.

110 Versammeln oder zerstreuen


Jahren in neuen europäischen Wohngebieten immer gängiger geworden.

Dies ist eine positive Entwicklung, die es ermöglicht, den

örtlichen Verkehr wieder mit anderen Aktivitäten im Freien zu integrieren.

Integration des

örtlichen Verkehrs

nach den Regeln des

FuSSgängerverkehrs

Integration von Verkehr

und Aufenthalten im Freien

Auch der Versuch, den örtlichen Kfz-Verkehr nach den Regeln des Fußgängerverkehrs

zu integrieren, ist eine positive Entwicklung. Dieses

Prinzip wurde erstmals in Holland eingeführt, wo lokale Bereiche für

langsamen Verkehr gestaltet oder erneuert wurden. In diesen sogenannten

Woonerf-Gebieten dürfen Autos bis zu den Hauseingängen

vorfahren, aber die Straßen sind ganz klar als Fußgängerzonen gestaltet,

in denen Autos zwischen den festgelegten Aufenthaltsbereichen

und Spielplätzen nur mit niedriger Geschwindigkeit fahren dürfen. Autos

sind „Gäste“ im Fußgängerbereich.

Konzepte zur Integration von Kfz-Verkehr nach den Regeln des Fußgängerverkehrs

bieten beträchtliche Vorteile gegenüber Maßnahmen

zur Verkehrstrennung. Zwar ermöglichen gänzlich autofreie

Zonen sowohl einen höheren Verkehrssicherheitsgrad als auch eine

bessere Gestaltung und Bemessung für Aufenthalte im Freien und

Fußgängerverkehr und somit eine optimale Lösung, aber das holländische

Konzept der Verkehrsintegration bietet doch in vielen Fällen

eine sehr akzeptable Alternative – die zweitbeste Lösung.

Unabhängig davon, ob Wohngebiete nach dem venezianischen Prinzip

gebaut sind, mit einem Umstieg vom schnellen zum langsamen

Verkehr am Stadtrand, oder nach dem holländischen Woonerf-Prinzip,

mit multifunktionalen Straßen für den langsamen Kfz- sowie Fahrrad-

und Fußgängerverkehr: Wichtig ist die Integration von Verkehr

und Aktivitäten im Freien. Besteht der Verkehr aus Fußgängern oder

langsam fahrenden Autos, verlieren die Argumente für eine Trennung

von Aufenthaltsbereichen, Spielplätzen und Verkehrsflächen

ihre Gültigkeit. Die Tatsache, dass der Verkehr zu und von Häusern

in Wohngebieten fast immer die umfangreichste aller Aktivitäten im

Freien darstellt, ist ein guter Grund, den Verkehr mit so vielen Aktivitäten

wie möglich zu verbinden. Von einer Politik des integrierten

Verkehrs werden alle profitieren – ob sie unterwegs oder mit alltäglichen

häuslichen Erledigungen beschäftigt sind, ob Autofahrer oder

spielende Kinder.

Viele Aktivitäten, wie spielen, sich im Freien aufhalten und miteinander

plaudern, beginnen, wenn man eigentlich mit einer anderen

Tätigkeit beschäftigt ist oder auf dem Weg von einem Ort zum anderen

ist.

Integrieren oder ausgrenzen 111


132 Räume zum Gehen – Plätze zum Verweilen


Gehen

Gehen

Platz zum Gehen

Gehen ist in erster Linie eine Art der Fortbewegung, eine Möglichkeit

herumzukommen, aber auch eine ungezwungene und unkomplizierte

Möglichkeit, im öffentlichen Raum anwesend zu sein. Man

geht, um Besorgungen zu machen, um die Umgebung zu sehen

oder einfach ohne Grund. Alle drei Motive können zusammenfallen

oder einzeln vorliegen. Das Gehen ist oft eine notwendige Handlung,

manchmal aber auch schlicht eine Entschuldigung für Anwesenheit –

„kurz bei jemandem vorbeigehen“.

Alle Arten von Fußverkehr stellen bestimmte physisch und physiologisch

bedingte Anforderungen an die Umgebung.

Gehen erfordert Platz. Es ist wichtig, einigermaßen frei gehen zu

können, ohne gestört oder gestoßen zu werden und ohne allzu viel

ausweichen zu müssen. Das Problem hierbei ist, den richtigen Toleranzbereich

zu finden, sodass Räume klein genug sind und genügend

Anreize bieten, gleichzeitig jedoch genügend Bewegungsfreiheit

vorhanden ist. Toleranz und Raumanforderungen sind von

Person zu Person, innerhalb von Gruppen und von Situation zu Situation

verschieden. Diese Beziehung wird durch Beobachtung des

traditionellen abendlichen Spaziergangs auf dem Platz in Ioannina,

einer Stadt in Nordgriechenland, veranschaulicht. Am Spätnachmittag

ist die Anzahl der Beteiligten noch gering; vor allem Eltern mit

Kindern und ältere Menschen bewegen sich auf dem Platz auf und

ab. Allmählich wird es dunkel und immer mehr Menschen kommen

heraus, dafür verschwinden zuerst die Kinder und dann die älteren

Menschen. Später, wenn die Menge anwächst, ziehen sich vor allem

Erwachsene mittleren Alters aus dem regen Treiben zurück.

Am Abend bummeln eigentlich nur noch die jungen Bewohner der

Stadt auf dem Platz.

Gehen 133


sekundäre Sitzgelegenheiten

160 Räume zum Gehen – Plätze zum Verweilen


Sitzlandschaften

Treppen, Fassadendetails und

alle Arten von Stadtmöbeln

sollten in der Regel ein breites

Spektrum an zusätzlichen,

sekundären Sitzgelegenheiten

bieten.

rechts: Sitzlandschaften an der

Oper in Sydney, Australien, und

auf dem Pioneer Courthouse

Square, Portland, USA

Eine Gestaltung des Raumes, bei der eine relativ beschränkte Anzahl

primärer mit einer großen Anzahl sekundärer Sitzgelegenheiten kombiniert

wird, hat zudem den Vorteil, dass der Raum auch in Zeiten

mit geringer Benutzerzahl ziemlich gut zu funktionieren scheint. Umgekehrt

können viele leere Bänke und Stühle, wie sie während der

Nebensaison in Straßencafés und Ferienhotels zu finden sind, leicht

den deprimierenden Eindruck vermitteln, dass der Platz abgelehnt

und verlassen wurde.

Sitzlandschaften –

Städtische MehrzwecKeinrichtungen

Eine besondere Art von sekundären Sitzgelegenheiten stellen Sitzlandschaften

dar – Mehrzweckelemente in städtischen Räumen,

wie große Treppenaufgänge, Monumente oder Brunnen mit einem

breiten Stufensockel sowie andere große Raumelemente, die dafür

entworfen wurden, gleichzeitig mehrere Zwecke zu erfüllen. Die Ge-

Sitzen 161


Sehen

Alle, egal wie alt, sollten sehen

können, was passiert. Fenster in

Kinderhöhe in einem Kindergarten und

ein Fenster für junge Passagiere auf

einer Fähre

Sehen ist eine Frage von guter Aussicht

und ungehinderten Sichtlinien. Platz vor

der Kathedrale, Straßburg, Frankreich

164 Räume zum Gehen – Plätze zum Verweilen


Madrid, Spanien

oft Fußgängerzonen, die zwei oder drei Stufen höher liegen als die

Zonen des Kraftfahrzeugverkehrs.

Auf der Piazza del Campo in Siena kommt dieses Prinzip besonders

ausgefeilt zum Tragen. Der ganze Platz ist wie eine Tribüne gebaut –

eine konkave Muschel mit Plätzen zum Stehen und Sitzen am oberen

Rand und entlang der Fassaden. Diese Gestaltung bietet optimale

Gelegenheiten zum Stehen und Sitzen in den Randzonen, neben

Pollern und in Straßencafés. Sie sind gut definiert, der Rücken der

Menschen ist geschützt und man hat einen wunderbaren Blick über

die gesamte städtische Arena.

Sehen – eine Frage des

Lichts

Hören

Möglichkeiten zum Sehen sind auch eine Frage von angemessenem

Licht auf die zu sehenden Objekte. Da öffentliche Räume ja auch

im Dunkeln funktionieren sollen, kommt der Beleuchtung eine wesentliche

Rolle zu, besonders der von Mitmenschen und Gesichtern.

Um ein allgemeines Gefühl von Behagen und Sicherheit zu gewährleisten

und es möglich zu machen, Menschen und Geschehnisse zu

sehen, ist es wünschenswert, dass die Beleuchtung von Fußgängerzonen

immer ausreichend und gut ausgerichtet ist. Bessere Beleuchtung

bedeutet hier nicht zwangsläufig helleres Licht, sondern eine

angemessene Helligkeit, die auf die vertikalen Oberflächen gerichtet

oder reflektiert wird: Gesichter, Mauern, Straßenschilder, Briefkästen

usw. – im Gegensatz zur Beleuchtung von Straßen. Bessere Beleuchtung

bedeutet auch warmes und freundliches Licht.

Jedes Mal, wenn eine Straße mit Autoverkehr in eine Fußgängerzone

umgewandelt wird, bedeutet das auch, dass wir unsere Mitmen-

Sehen, hören und sprechen 165


Aufenthaltsmöglichkeiten direkt an den Häusern – oder bloSSes kommen und gehen

Zwei parallele Straßen in Kopenhagen

oben: Klar begrenzte Straße, hier

ist nur kurzes Kommen und Gehen

möglich.

Mitte und unten: Weiche Übergänge:

An einem gewöhnlichen Tag finden

hier dreimal mehr Aktivitäten als auf

der oberen Straße statt. [19]

186 Räume zum Gehen – Plätze zum Verweilen


Fließender, lebendiger Austausch

zwischen öffentlichen und privaten

Räumen (Sporenburg Eiland, Amsterdam,

Holland)

Die Verbindung von innen

und auSSen – funktionell

und psychologisch

Geeignete Rastplätze direkt

vor der Haustür

Sitzbänke vor der Tür

Viele Details bei der Gestaltung des Wohn- und Außenbereichs sowie

des Eingangs selbst können für die Nutzung des Raums im Freien

von Bedeutung sein. Es reicht nicht aus, dass Wohnhäuser niedrig

sind. Der Plan eines Wohnbereichs muss so gestaltet sein, dass die

Aktivitäten im Haus frei nach außen fließen können. Das kann zum

Beispiel durch Türen von der Küche, dem Ess- oder Wohnzimmer

direkt in den Außenbereich auf die öffentlich zugängliche Seite des

Hauses gefördert werden. Dementsprechend müssen auch die Außenräume

arrangiert werden – unmittelbar neben den Wohnräumen.

Der Eingang selbst sollte so gestaltet sein, dass man so einfach wie

möglich hindurchgelangen kann – funktionell und psychologisch.

Mittelgänge, zusätzliche Türen und vor allem Höhenunterschiede

zwischen Innen- und Außenraum sollten vermieden werden. Sie

sollten sich vielmehr auf einer Ebene befinden. Nur dann können Ereignisse

mühelos nach innen und außen fließen.

Einer der Gründe, warum in vielen Wohngegenden vor Häusern relativ

schwache Aktivitäten zu verzeichnen sind, liegt zweifellos darin,

dass geeignete Orte für Aufenthalte im Freien gerade dort fehlen,

wo sie am natürlichsten wären – am Eingang oder an anderen Orten,

wo man mühelos eintreten und wieder gehen kann.

Die Bank neben der Eingangstür, geschützt vor Regen und Wind,

mit einer guten Sicht auf die Straße ist eine bescheidene, aber naheliegende

Möglichkeit, das Leben vor der Tür in Schwung zu bringen.

Sanfte Übergänge 187


Sanfte Übergänge – in jeder UmGebung

196 Räume zum Gehen – Plätze zum Verweilen


In vielen Fällen lassen sich die Bedingungen für Aufenthalte im

Freien auch vor und neben Hochhäusern verbessern, obwohl die

schwierigen Übergänge zwischen dem Inneren und Äußeren die

tatsächliche Inanspruchnahme der neuen Möglichkeiten einigermaßen

einschränken. So können zum Beispiel halbprivate Vorgärten mit

Sitz- und Spielgelegenheiten sowie Blumenbeeten an der Eingangstür

eines jeden Treppenaufgangs für die jeweiligen Anwohner angelegt

werden.

In vielen Orten sind solche Verbesserungen an relativ neuen mehrstöckigen

Wohngebäuden durchgeführt worden, wie unter anderem

an den Hochhausprojekten Krocksbäck und Rosengård, die in den

1960er Jahren in Malmö, Schweden, errichtet und ab den späten

70ern ausgiebig verbessert wurden.

In diesen und vergleichbaren Projekten bemühte man sich, die

Wohngebäude unterschiedlich zu gestalten, sodass große unübersichtliche

Bereiche klar in kleinere Einheiten unterteilt werden können.

Diese Gliederung wird durch die Gestaltung von drei oder vier

verschiedenen Kategorien öffentlicher Räume verstärkt, die klar definiert

entweder zum gesamten Bauprojekt, zu einzelnen Häusern,

zu den individuellen Treppenaufgängen oder zu den Wohnungen im

Erdgeschoss gehören.

Sanfte Übergänge –

in jeder Umgebung

Die Gestaltungsprinzipien, die in Wohngebieten stationäre Tätigkeiten

im Freien fördern, gelten auch im Kontext anderer Gebäudetypen

und städtischer Funktionen. Überall, wo sich Menschen von einer

städtischen Funktion zur nächsten bewegen oder wo die Funktionen

innerhalb eines Gebäudes von den Aufenthaltsmöglichkeiten

im Freien profitieren können, muss eine gute Verbindung zwischen

Innen- und Außenraum, kombiniert mit geeigneten Ruheplätzen vor

den Gebäuden, selbstverständlich sein.

Eine derartige Ausweitung der Möglichkeiten für Aufenthalte im Freien

– und zwar genau dort, wo die täglichen Aktivitäten stattfinden –

wird fast ausnahmslos einen wertvollen Beitrag zu einer gegebenen

Funktion und zum Leben zwischen den Häusern in einem Bauprojekt,

in einem Stadtteil und in der Stadt darstellen.

Sanfte Übergänge 197

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