MENSCH UND ARCHITEKTUR LICHT UND ORTE Der Mensch als Mittelpunkt der <strong>Architektur</strong>: Innenansichten einer wechselvollen Beziehung.
Von Marietta Millet Fotografie <strong>von</strong> Josef Hoflehner Wohl nur das Medium Tageslicht kann uns sowohl Raum- als auch Zeitgefühl vermitteln. Seit Generationen versuchen Maler und Fotografen, das besondere Licht unterschiedlicher Orte einzufangen. Auch Architekten tun dies mit guten Gründen: Die Anpassung eines Gebäudes an spezifische Lichtverhältnisse bereichert nicht nur unsere Sinne, sondern kann auch zu beträchtlicher Energieeinsparung führen. Wir alle kennen Licht und Dunkelheit. Die Erfahrung eines Raums und die räumliche Wahrnehmung beruhen auf den Phänomenen Licht und Schatten, ihren Rhythmen und Mustern. Es ist nur schwer vorstellbar, ohne Blick auf den Himmel aufzuwachsen, ob er nun sonnig, dunstig oder schneeverhangen ist – oder alles zugleich. Das Tageslicht spielt eine entscheidende Rolle für den Charakter eines Ortes: Schon dessen bloße Nennung – die Sahara, Miami Beach, der Schwarzwald oder die Schweizer Alpen – ruft im Geiste die Vorstellung bestimmter Lichtverhältnisse hervor. Heute vermittelt uns die Bilderflut aus dem Internet einen Eindruck <strong>von</strong> fast jedem Ort der Erde. Doch bloße Bilder enthüllen nicht das vollständige Spektrum des Tageslichts an einem Ort, ein Spektrum, zu dem die Rhythmen <strong>von</strong> Licht und Dunkelheit ebenso gehören wie die physikalischen Eigenschaften und Merkmale der Objekte, auf die das Licht fällt. Ein Bild allein kann nie all die Veränderungen einfangen, die das Licht an einem bestimmten Ort einzigartig machen und die zum Beispiel Monet in seinen Gemäldeserien ‚Heuschober‘ oder ‚Wasserlilien in Giverny‘ festgehalten hat. Der einzigartige Geist eines Ortes lässt sich nur aus erster Hand erfahren. Zeit, Ort und Licht: Ein Verhältnis in konstantem Wandel Auch wenn wir in Schweden und in Südfrankreich (sowie an vielen anderen Orten dieser Welt) denselben klaren blauen Himmel sehen, nehmen wir ihn zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten wahr. An jedem Ort zeigt sich eine besondere Abfolge der Himmelsverhältnisse im Laufe eines Tages oder einer Jahreszeit. Neben solchen regionalen Mustern existieren spezifische Merkmale an bestimmten Orten einer Region. An jedem beliebigen Sonnentag erleben Talbewohner weniger Sonnenstunden als Bergbewohner. Und neben den physikalischen Formen – Berge oder Täler, Wälder oder Felder – trägt die Qualität des Tageslichts entscheidend zum Charakter eines bestimmten Ortes bei. Einige Orte sind bekannt für schnelle und dramatische Wetterwechsel und den raschen Wandel <strong>von</strong> Qualität und Quantität des Tageslichts: „Wenn Ihnen das Wetter nicht gefällt, warten Sie eine Minute!“ Andere Orte zeichnen sich durch sehr subtile Änderungen <strong>von</strong> Temperatur und Licht aus, das die Farbe <strong>von</strong> Laubblättern und Himmel sacht verändert und die Entdeckung der Langsamkeit erahnen lässt. Links: Geheimnisvolles Licht, das den Ort umschmeichelt und seinen Geist zum Vorschein bringt. „Water Walk“, Japan. Die tiefen Wintersonnenstände in Finnland sind nicht nur ursächlich für die wenigen Stunden Tageslicht, sondern erzeugen auch ein eigentümlich gelbes Licht als Vorbote des nahenden Sonnenuntergangs. Die niedrige Sonne verursacht lange Schatten <strong>von</strong> Menschen und Gebäuden. Im Sommer dagegen wird es fast nie dunkel, und dieser starke Kontrast zwischen Sommer und Winter prägt das Leben der Menschen. Die wertvollen Lichtstunden im Sommer führen zur Verkürzung der Arbeitszeiten, die Mittsommernachtsfeiern sind legendär. In den Tropen hingegen, wo die Sonne fast senkrecht steht, ist in der Monotonie der Tage hochgeschätzter Schatten nur selten zu finden. Die hohe Luftfeuchtigkeit erzeugt einen diffusen Lichtdunst und verschleiert den eigentlich blauen Himmel. In den letzten Jahrzehnten haben wir diese natürlichen Gegebenheiten durch künstliche Schadstoffe so verstärkt, dass über vielen Großstädten eine Smogglocke hängt. Der Smog verändert Farbe und Natur des Tageslichts, trübt den Fernblick und verringert den Tageslichteinfall in den Gebäuden. ,Tageslichtkulturen’ und Tageslichtarchitektur Licht kann eine visuelle Botschaft übermitteln und die unangenehmen Seiten des Klimas abschwächen. In vielen nördlichen Gegenden werden Schmuckformen in der <strong>Architektur</strong> gerne mit Goldfarbe gestrichen, als Kontrast zu der ansonsten trüben Szenerie dunkler Himmel und Oberflächen. In warmen und trockenen Klimaten hingegen ist das <strong>von</strong> senkrechten Flachflächen reflektierte Sonnenlicht oftmals zu intensiv und wird als störend empfunden. Strukturierte Ornamente erzeugen hier ein Muster aus Licht und Schatten, sie erfreuen das Auge und reduzieren die Blendwirkung. Die Lichtsensitivität eines Ortes beeinflusst uns sowohl im psychologischen als auch physiologischen Sinne. Ausgangspunkt jeder Landschafts- oder Gebäudeplanung ist normalerweise die harmonische Einfügung des Entwurfs in seine Umgebung. Komfort und Behaglichkeit für die zukünftigen Bewohner unterliegen unserer eigenen Wahrnehmung des Ortes mit seiner Kultur und Sinnlichkeit. Unsere Reaktion auf den Genius loci impliziert eine Reaktion auf die Kultur, die rund um Klima und Licht entstand. Diese Reaktionen auf das Licht wurden <strong>von</strong> zahlreichen Schriftstellern geschildert. In seinem Essay Lob des Schattens aus dem 9
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