Die Tür geht auf und <strong>Michael</strong> <strong>Ballhaus</strong> strahlt mit dem Licht eines alten Filmprojektors ins Treppenhaus des Jahrhundertwendemehrfamilienhauses in Berlin-Zehlendorf. Mit einem Licht also, welches – nicht zu hitzig und grell – angenehm wärmt. Mit dem Licht beginnt die Schöpfung und das Kino, hat Martin Scorsese gesagt. <strong>Ballhaus</strong> nickt, stimmt also. „Auf neue Fragen bekommen Sie neue Antworten“, brummt der große Kameramann dann, der Grandseigneur – so einen gibt es ja selten in Deutschland. Neue Fragen. Wie stellt man die dem fast 80-Jährigen, der pro Lebensjahr mindestens einen Film, auf Zelluloid und dann HD, fixiert hat? <strong>Ballhaus</strong> lebt umgeben von einer entspannten, klassischen Moderne. Eames Chair (sitzt er nicht so gerne drauf, weil zu tief). Eames Liege von Vitra ehemals für Billy Wilder gestaltet und dann in Serie gegangen (liegt er gerne drauf, weil gut zum Nachdenken). Stuhl Wassily von Breuer in den Eingangsbereich verbannt (sieht gut aus, ist aber unbequem). Im Buchregal steht Zadek, daneben seine große Classic-CD-Sammlung, viel Jazz, mehr Miles Davis als Coltrane. Bei den DVDs Godard, klar, aber auch Unterhaltsames. Er muss niemandem was beweisen. <strong>Michael</strong> <strong>Ballhaus</strong>: bekannt geworden als Kameramann vom wahnsinnigen Regie-Genie Rainer-Werner Fassbinder. Mit ihm drehte er 17 Filme. Das muss man erst mal überleben! Und dann sieben mit Scorsese, weiter mit Francis Ford Coppola, Mike Nichols, Robert Redford, Paul Newman – den großen Hollywood-Figuren des 20. Jahrhunderts also. Dreimal für den Oscar nominiert. Als erster Deutscher den International Achievement Award der American Society of Cinematographers bekommen. In der Ecke steht die Lola, die er als Ehrenpreis für sein Lebenswerk erhalten hat. „Den nehme ich als Hantel zum Trainieren.“ Seine anderen Preise hat er an die Kinemathek Berlin gegeben. Nichts ist zu viel in seiner Wohnung und nichts zu wenig. Nach Ost, Süd und West gehen die Fenster. <strong>Ballhaus</strong> lebt immer im Licht, im Westberliner. Dann geht draußen ein Sturzbach nieder. Und er schaut einen an aus ganz unergründlich tiefen Augen. Das Kino ist älter als der Projektor und der Vorführungsraum, schreibt Alexander Kluge in den „Geschichten vom Kino“ und <strong>Ballhaus</strong> scheint diese ganze Geschichte mit sich zu tragen. Sie findet in seinem wachen Blick einen guten Resonanzraum. Neue Fragen also. „Zadek.“ Er schaut ungerührt. Ein Versuch, mit Filmwissen zu punkten. „Ihr letzter Film mit Fassbinder ,Die Ehe der Maria Braun‘ ist Zadek gewidmet. Es steht im Vorspann.“ Draußen knallen fette Tropfen auf den Asphalt wie ein Bombenhagel. „War Zadek ihre Verbindung zu Fassbinder und damit zum Kino?“ <strong>Ballhaus</strong> atmet unmerklich ein, spricht über Fassbinder, als wäre der vor Kurzem noch unter den Normalsterblichen gewesen. „Als Regisseur war er der beste. Als Mensch schwierig!“ Und dazu noch immer so eifersüchtig. Aber sie haben geredet, Stunden lang. Über das Kino, Politik, den Tod, die Liebe. „Über Fassbinders Liebe zu den Männern und meine Liebe zu meiner Frau“, sagt <strong>Ballhaus</strong>. Jetzt lächelt er, aber sehr subtil und hintergründig, gar nicht ironisch. Dafür ist er viel zu fein. Der „Goodfellas“ seinen „Dirty Mafia Film“ nennt, der sagt, „Schönheit spielt immer eine Rolle, besonders aber bei den Frauen.“ Und was denn eigentlich das Kino sei? „24-mal Lüge die Sekunde!“ Dieser Lüge ist aber Wahrheit abzutrotzen. Nach seinen Lehrlingsjahren beim Fernsehen in Baden Baden kommt <strong>Ballhaus</strong> 1968 an die Deutsche Film und Fernsehakademie (DFFB) nach Berlin. Auf einmal ist alles politisch. Auch das Private. Vor allem aber: das Kino! Auf einmal geht es nicht mehr um Drama und Ästhetik, sondern darum, einen „Unternehmer in Nahaufnahme böse aussehen zu lassen“. Ende der Sechziger ist <strong>Michael</strong> <strong>Ballhaus</strong> selbst erst Anfang 30. Aber zu seinen Studenten gehören später so tragische wie berühmte Figuren der Zeitund Kinogeschichte wie der in Stammheim verhungerte RAF- Terrorist Holger Meins („er war ganz still und zurückhaltend“), der großartige politische Experimentalfilmer Harun Farocki („der gehörte zu den Wortführern“) und der deutsche Hollywood- Export Wolfgang Petersen („der wollte nur Filme machen und alles darüber lernen“), für den <strong>Ballhaus</strong> bei dem patriotischen Action-Kracher „Air Force One“ die Kamera übernommen hat (wofür er in Deutschland beschimpft wurde). Sogar Ulrike Meinhof bat ihn, die Kamera bei ihrem „Bambule“-Projekt zu übernehmen, einem Film über Unterdrückungskulturen in deutschen Kinderheimen. Das Projekt kam zunächst nicht zustande. Meinhof ging in der Untergrund und nahm sich später in Stammheim das Leben. <strong>Ballhaus</strong> bedauert das, steht aber zu diesem Leben. Er nennt sich „links“. Ein 180 HOMMES