Erfolgreicher_Wissenstransfer_braucht_ad
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Thema<br />
Ressource Wissen<br />
<strong>Erfolgreicher</strong> <strong>Wissenstransfer</strong> <strong>braucht</strong><br />
<strong>ad</strong>äquate Mitarbeiterkommunikation<br />
Ganz nüchtern betrachtet ist Wissen in Form von Information ein Produktionsfaktor. Ohne Informationen lässt sich genauso<br />
wenig ein Produkt herstellen wie ohne Maschinen. Nur ist dieser Faktor nicht so leicht zu greifen wie etwa Werkzeuge,<br />
Rohstoffe oder Schmiermittel. Das mag ein Grund sein, dass er manchmal etwas in Vergessenheit gerät. Unter der Annahme,<br />
dass ein offener Wissensaustausch einen Mehrwert für Organisationen liefert, verdient er entsprechende Beachtung.<br />
Um eine deutlichere Vorstellung davon zu bekommen,<br />
was eigentlich als Wissen transferiert<br />
werden soll, ist eine Abgrenzung gegenüber<br />
den Begriffen Daten und Informationen<br />
notwendig. Daten sind sozusagen das Rohmaterial<br />
(eine Kombination von Zahlen oder<br />
Buchstaben), die für sich genommen wertlos<br />
sind. Erst dann, wenn sie in einen Problemzusammenhang<br />
gestellt und für eine bestimmte<br />
Zielerreichung eingesetzt werden, erhalten<br />
sie einen informativen Gehalt. Eine Information<br />
enthält also immer die Fakten und den<br />
Sinnzusammenhang, ohne den die Daten<br />
nicht verstanden werden können. So sagt beispielsweise<br />
die Umsatzzahl von 50 Millionen<br />
an sich gesehen wenig aus. Erst im Vergleich<br />
zum Vorjahr, dem gesetzten Umsatzziel oder<br />
dem Branchendurchschnitt wird sie zu einer<br />
aussagekräftigen Grösse. Um diese Zahl richtig<br />
interpretieren und daraus Handlungsoptionen<br />
ableiten zu können, <strong>braucht</strong> es darüber<br />
hinaus Erfahrung. Vor dem Erfahrungshintergrund<br />
werden die einzelnen Informationen<br />
nach ihrer Relevanz für eine bestimmte Fragestellung<br />
ausgewählt und bewertet. Das nennt<br />
man Wissen.<br />
Es ist genau dieses Wissen, wie die einzelnen<br />
Informationen einzuordnen sind und<br />
welche Folgeaktivitäten sich daraus ergeben<br />
müssen, das Unternehmen funktionstüchtig<br />
macht. Dabei möchte ich den Begriff Wissen<br />
ganz allgemein halten. Es kann sich um sachlich-technische<br />
Fragen genauso wie um kulturell<br />
bedingte Vorgehensweisen handeln. Denn<br />
auch wer versteht, wie man sich am besten im<br />
Kollegenkreis, gegenüber Vorgesetzten, im<br />
Kontakt mit anderen Abteilungen oder mit<br />
Kunden zu verhalten hat, besitzt unternehmensrelevantes<br />
Wissen.<br />
Warum das in der Mitarbeiterschaft vorhandene<br />
Wissen nicht immer vorbehaltlos<br />
und frei zirkulieren kann, hat verschiedene<br />
Ursachen:<br />
Die Autorin<br />
Julia Hintermann ist Dozentin an der<br />
Fernfachhochschule Schweiz und an<br />
der Hotelfachschule Thun sowie freischaffende<br />
Trainerin. Ihre Publikationen<br />
«Lust auf Kommunikation» (2005)<br />
und «Information und Kommunikation»<br />
(2006) in der Reihe «Le<strong>ad</strong>ership und<br />
Management» sind beide im Versus-<br />
Verlag, Zürich, erschienen.<br />
Bild: Tanja da Silva<br />
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Wer nur als Arbeitskraft und<br />
Kostenfaktor angesehen wird,<br />
hat weniger Interesse, für das<br />
Unternehmen mitzudenken<br />
• Mangelndes Wissensbewusstsein: Nicht<br />
jedem Organisationsmitglied ist gegenwärtig,<br />
welches unternehmensrelevante Wissen<br />
es besitzt. So wird nur das weitergegeben,<br />
was im Alltagsgeschäft ger<strong>ad</strong>e notwendig<br />
ist.<br />
• Informationsüberflutung: Aus der Fülle<br />
an Informationen, welche die einzelnen Organisationsmitglieder<br />
täglich erreichen,<br />
müssen die wirklich wichtigen herausgefiltert<br />
und bearbeitet werden. Das ist nicht<br />
nur zeitaufwendig, sondern beansprucht<br />
auch das Urteilsvermögen, sowohl beim<br />
Weitergeben wie beim Empfangen von<br />
Nachrichten.<br />
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• Wissen ist Macht: Das Wissen, das sich die<br />
Organisationsmitglieder im Laufe ihrer Arbeitstätigkeit<br />
erworben haben, ist Teil ihrer<br />
persönlichen Machtstellung. Wer auf dieses<br />
Mittel verzichtet, muss einen guten Grund<br />
dafür haben.<br />
• Abteilungsdenken: Das direkte Umfeld<br />
der eigenen Abteilung steht den Mitarbeitenden<br />
naturgemäss am nächsten. Wird es<br />
in einer Abteilung nicht gerne gesehen,<br />
dass Einzelne einen zu offenen Kontakt mit<br />
anderen Abteilungen pflegen, werden sie<br />
sich entsprechend zurückhalten.<br />
• Desinteresse: Wer in einem Unternehmen<br />
nur als Arbeitskraft und Kostenfaktor angesehen<br />
wird, hat weniger Interesse, für das<br />
gesamte Unternehmen mitzudenken. Er/sie<br />
wird daher etwas sorgloser mit Informationen<br />
umgehen.<br />
• Mangelhafte Information von oben: Ger<strong>ad</strong>e<br />
für die Bereitschaft zur Informationsweitergabe<br />
ist das Vorgesetztenverhalten<br />
richtungsweisend.<br />
52 5_08 HR Today
Ressource Wissen<br />
Thema<br />
• Misstrauenskultur: Wie in einer Organisation<br />
mit Informationen umgegangen wird,<br />
lernen neu eintretende Mitglieder sehr<br />
schnell. Wer am eigenen Leibe erfahren hat,<br />
dass Vorschläge oder Beschwerden, das Zugeben<br />
oder Aufdecken von Fehlern negative<br />
Effekte haben, hüllt sich in Schweigen.<br />
Wenn Wissen mit Absicht<br />
zurückgehalten wird<br />
Aus dieser bei weitem nicht abschliessenden<br />
Liste wird ersichtlich, dass der Informationsfluss<br />
an vielen Stellen abgeblockt werden<br />
kann oder – was wohl in der Regel der Fall sein<br />
wird – an mehreren Stellen gleichzeitig. Dementsprechend<br />
schwierig gestaltet sich in der<br />
Praxis eine Diagnose als Grundlage für gezielte<br />
Verbesserungsmassnahmen. Darüber<br />
hinaus ist es im konkreten Einzelfall selten<br />
eindeutig, ob es sich bei einer fehlenden Informationsweitergabe<br />
um ein Versehen oder<br />
bereits um Absicht handelt. Hinweise, dass<br />
Wissen zurückgehalten wird, liefern bestimmte<br />
Verhaltensweisen der Mitarbeitenden:<br />
• Bei starkem Gruppendenken (etwa Abteilung,<br />
Bürogemeinschaft, Aussendienst) mit<br />
entsprechender Abgrenzung gegenüber anderen<br />
Gruppen ist davon auszugehen, dass<br />
auch Informationen diese Grenzen nicht<br />
ungefiltert passieren können.<br />
• Wird an Meetings vorwiegend über das berichtet,<br />
was eh schon alle wissen, ist es<br />
wahrscheinlich, dass wirklich wichtige Dinge<br />
im kleinen Kreis besprochen werden.<br />
• Die beiläufigen Kommentare der Mitarbeitenden<br />
zu einer offiziellen Verlautbarung<br />
des Managements geben Anhaltspunkte,<br />
wie sie die Informationspolitik des Hauses<br />
bewerten und wie sie sich in ihrem Verhalten<br />
daran orientieren.<br />
• Wer sich – begründet oder unbegründet – in<br />
seiner Position gefährdet sieht und entsprechende<br />
Verhaltensvorkehrungen trifft, um<br />
nicht an Macht zu verlieren, gibt sein Wissen<br />
selektiv weiter. Das kann unter der Mitarbeiterschaft<br />
zu Aha-Effekten führen<br />
(«Ach, du weisst das schon?»).<br />
• Beklagen sich einzelne Mitarbeitende, dass<br />
sie für sie wichtige Nachrichten gar nicht<br />
oder zu spät erhalten, kann dies ein Indiz<br />
für Mobbing sein. Der gezielte Ausschluss<br />
von Informationen ist eine sehr beliebte<br />
Mobbinghandlung.<br />
• Wenn es eher vermieden wird, über unangenehme<br />
Dinge wie Probleme bei der Arbeitstätigkeit,<br />
Fehlverhalten oder Auseinandersetzungen<br />
mit Kolleginnen oder Kollegen<br />
zu berichten, liegt die Vermutung nahe,<br />
dass es geheime Spielregeln gibt (etwa «Sage<br />
nie nach oben die Wahrheit», «Kommuniziere<br />
so, dass du eine weisse Weste behältst»<br />
oder »Vermeide offene Konflikte»), an die<br />
sich alle halten.<br />
Bei derartigen Anzeichen besteht Handlungsbedarf.<br />
Auf einen Nenner gebracht, sind es<br />
Merkmale einer Misstrauenskultur. Wie<br />
schon bei der Diagnose angedeutet, ist ein stockender<br />
Informationsfluss eine komplexe Angelegenheit,<br />
die mit inkohärenten Einzelmassnahmen<br />
nicht zu kurieren ist. Wenn<br />
damit begonnen wird, zunächst einmal die<br />
Rahmenbedingungen zu verbessern, neue<br />
Leitlinien auszuarbeiten und die Informationstechnologie<br />
anzupassen, geht dabei oft<br />
der zentrale Faktor verloren. Das ist der<br />
Mensch als Wissensträger, der die bestehenden<br />
oder neu geschaffenen Möglichkeiten<br />
auch nutzen sollte. Er ist also in seinem Verhalten<br />
angesprochen. Wie das Verhalten positiv<br />
beeinflusst werden kann, soll anhand von<br />
vier Ansatzpunkten aus dem Bereich der<br />
Kommunikation gezeigt werden.<br />
1. Adressatengerecht informieren. Die Ansicht,<br />
dass Mitarbeitende als Störfaktoren des<br />
internen <strong>Wissenstransfer</strong>s Informationen<br />
einfach nicht weiterleiten, greift zu kurz. Für<br />
einen erfolgreichen <strong>Wissenstransfer</strong> <strong>braucht</strong><br />
es auch einen aufnahmebereiten Empfänger.<br />
Die Aufnahmebereitschaft wird erhöht, wenn<br />
die Botschaften auf die Welt des Empfängers<br />
Bezug nehmen, seine Bedürfnisse und Interessen<br />
berücksichtigen und ihn damit stimulieren,<br />
sich mit ihnen zu beschäftigen. Die<br />
<strong>ad</strong>ressatengerechte Aufbereitung der Informationen<br />
leistet also einen bedeutenden Beitrag<br />
für den Wissensaustausch.<br />
2. Glaubwürdigkeit. Ob sich der Faktor<br />
Mensch überzeugen lässt, dass wirklich eine<br />
neue Ära angebrochen ist, hängt stark mit der<br />
Glaubwürdigkeit des Managements, der direkten<br />
Vorgesetzten und der Kollegenschaft<br />
zusammen. Eine Person ist dann glaubwürdig,<br />
wenn sie sich der Konsequenzen ihres<br />
Tuns bewusst ist und bereit ist, die anstehenden<br />
Probleme mit den Betroffenen gemeinsam<br />
zu erkennen und anzugehen. Sie bemüht<br />
sich ehrlich um die Akzeptanz ihrer Ansprechpartner<br />
und besitzt auch die Fähigkeit, die<br />
formulierten Bedürfnisse zu erfüllen. Glaubwürdigkeit<br />
heisst, sich ernsthaft mit dem Ansprechpartner<br />
auseinanderzusetzen und<br />
mögliche Konflikte als Voraussetzung für<br />
eine tragfähige Lösung anzusehen. Glaubwürdigkeit<br />
besitzt also eine Bewusstseinskomponente<br />
(die Fähigkeit, über die eigene Nasenspitze<br />
hinaus zu denken), eine Kommunikationskomponente<br />
(die Fähigkeit, die Bedürfnisse<br />
anderer zu verstehen und einzubeziehen)<br />
und eine Handlungskomponente (die Fähigkeit<br />
und Bereitschaft, die erarbeiteten Lösungen<br />
auch umzusetzen). Die Ehrlichkeit<br />
der Aussagen alleine genügt nicht. Den Worten<br />
müssen Taten folgen.<br />
3. Vertrauen. Der Aufbau einer Vertrauenskultur<br />
wird immer wieder gefordert, ger<strong>ad</strong>e<br />
weil in vertrauensvollen Beziehungen der Informationsfluss<br />
ungehindert und vorbehaltlos<br />
zirkulieren kann. Damit sich Vertrauen<br />
bilden kann, <strong>braucht</strong> es Zeit, häufige Kontakte<br />
(Vertrautheit), einen gefestigten Standpunkt<br />
(vertrauenswürdig ist, wer bei dem<br />
bleibt, was er einmal gesagt hat) und ein quasi<br />
rituelles Vorgehen. Wer Vertrauen schenken<br />
möchte, macht dies abhängig davon, ob<br />
der Adressat bestimmte Tests besteht (etwa<br />
eine vertrauliche Mitteilung, die nicht für andere<br />
bestimmt ist). Vertrauen <strong>braucht</strong> Pflege<br />
und Konstanz im Verhalten. Kann dies nicht<br />
gewährleistet werden, sollte mit dem Aufbau<br />
Um die Lust auf Neues zu<br />
wecken, sollte immer wieder<br />
über die Vorteile der Wissensteilung<br />
diskutiert werden<br />
von Vertrauen vorsichtig umgegangen werden.<br />
Ein Vertrauensbruch durch inkonsistentes<br />
Verhalten kann schwerwiegende Verstimmungen<br />
auslösen, die auch die Arbeitsbeziehungen<br />
gefährden. Eine Möglichkeit der<br />
vorausschauenden Sch<strong>ad</strong>ensbegrenzung ist<br />
der «Vertrauenskontrakt»: Es wird nur für einen<br />
bestimmten Bereich explizit das Vertrauen<br />
ausgesprochen. Damit wissen die Beteiligten,<br />
woran sie sich hier zu halten haben.<br />
4. Den neuen Zustand herbeireden. Ermahnungen,<br />
Belehrungen, gute Vorsätze, sogar<br />
Drohungen haben eine begrenzte Wirkung<br />
auf das Verhalten. Sobald der Druck<br />
nachlässt, besteht die Gefahr, dass sich die gewohnten<br />
Verhaltensweisen wieder einschleichen.<br />
Wirksamer ist es, Lust auf Neues zu wecken.<br />
Die Lust hängt nicht unwesentlich mit<br />
dem Vorstellungsvermögen zusammen. Darüber,<br />
wie die Zusammenarbeit einmal sein soll,<br />
was es dafür <strong>braucht</strong> und welche Vorteile die<br />
Wissensteilung hat, sollte immer wieder unter<br />
den Beteiligten diskutiert werden, und<br />
zwar so lange, bis aus der vorgestellten eine<br />
neue, gemeinsame Wirklichkeit geworden ist.<br />
Auf dem Weg dahin können die notwendigen<br />
organisatorischen und technischen Anpassungen<br />
vorgenommen werden, die zu Beginn<br />
vielleicht noch gar nicht sichtbar waren.<br />
Wird die Verbesserung des internen Wissensaustauschs<br />
beim Faktor Mensch begonnen,<br />
können Rahmenbedingungen geschaffen<br />
werden, die den Bedürfnissen der aktuell<br />
im Unternehmen Arbeitenden gerecht werden.<br />
Damit entfällt der Implementierungsaufwand<br />
(und -widerstand), denn die Massnahmen<br />
entsprechen dem als notwendig Erkannten.<br />
Oder – um im mechanistischen Bild<br />
des Produktionsbetriebs zu bleiben – die<br />
Werkzeuge, Rohstoffe und Schmiermittel bestimmen<br />
mit, wie sie einzusetzen und zu behandeln<br />
sind.<br />
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Julia Hintermann<br />
HR Today 5_08 53